Archiv der Kategorie: Führung und Kommunikation

Geben und Nehmen

Buchhinweis: Adam Grant – Geben und Nehmen

Das Vorurteil, Nehmer in Führungspositionen würden grundsätzlich besser fahren und schneller Karriere machen, scheint kaum auszurotten. Wie erfreulich ist da das Buch von Adam Grant, um genau dieses Vorurteil zu widerlegen. Es stimmt schon: Führungskräfte, die mehr auf den eigenen Vorteil bedacht sind machen tatsächlich schneller Karriere. Doch langfristig sieht die Sache anders aus wie diverse im Buch erwähnte Studien belegen. Denn die selbstloseren Geber arbeiten kontinuierlich an ihren Netzwerken und bauen damit soziale Beziehungen auf, die ihnen später helfen, in Führungspositionen zu kommen und v.a. diese auch zu halten. Dabei sind allerdings zwei Aspekte wichtig:

1. Die Geber dürfen keine Tauscher sein. D.h. sie dürfen nicht im Akt des Gebens bereits an eine Wiedergutmachung denken. Dies wird von der Gegenseite schnell erkannt und vergiftet entsprechend die soziale Atmosphäre.

2. Die Geber dürfen sich nicht aufopfern, sondern müssen die Balance zwischen Geben und der Grenze der eigenen Leistungsfähigkeit kennen und achten. Andernfalls werden sie zu Opfern skrupelloser Nehmer, was wenig attraktiv ist.

Ein absolut empfehlenswertes Buch!

Dynamische Haltungen

Haltungen geben uns Kraft. Haltungen geben uns Stabilität. Haltungen können uns aber auch einengen und zu statisch sein. Ein paar Gedanken zu dem Phänomen dynamischer Haltungen:

Haltungen sind natürlich etwas grundsätzlich an-halt-endes. Die Haltung, die Sie für sich selbst einnehmen, um mit sich und Ihrer Arbeit langfristig zufrieden zu sein. Oder auch Haltungen gegenüber anderen.

Dabei verstehe ich Haltung im Sinne von Moshe Feldenkrais niemals statisch, sondern immer in Bewegung. Denn der Mensch lebt schließlich in einer Umwelt, auf die er reagiert und die ihn stetig verändert. Daher beinhaltet Haltung immer auch Anpassung und Weiterentwicklung. Antonio Damasio beschreibt dies mit dem Begriff Homöostase: Unser Körper reagiert stetig auf Umwelteinflüsse,

  • indem er sich einer Situation entzieht und damit Stress aus dem Weg geht oder
  • Strategien der Weiterentwicklung ausprobiert, um ähnliche Situationen in der Zukunft besser zu meistern.

Diese Anpassung sollte freilich niemals opportunistisch, sondern immer im Dienste der eigenen Evolution, der Vervollkommnung der eigenen Fähigkeiten stattfinden, um zukünftigen Herausforderungen gewachsen zu sein.

Im Laufe unseres Lebens haben wir uns bereits eine ganze Menge Haltungen angeeignet, die vermeintlich optimal zu unseren täglichen Anforderungen passen, z.B. durch Vorbilder oder Versuch und Irrtum. Wenn Sie gelernt haben, in Krisenzeiten schnell und hektisch zu werden und sich dieses Verhalten mindestens einmal bewährt hat, erscheint Ihnen diese Strategie ideal zur Meisterung einer stressigen Situation. So finden wir in einer Haltung Halt.

Dennoch darf diese Haltung zu keiner End-Halte-Stelle werden. Sie sollte sich neugierig weiterentwickeln, um auch für die Zukunft gewappnet zu sein. Der dynamische ist ohnehin viel natürlicher als der statische Mensch, sofern er selber die Fäden seiner Anpassung in der Hand hält: Er gerät in keine Abwehrhaltungen und es fällt ihm leichter sich zu konzentrieren. Daher gefällt mir persönlich Begriff Homöodynamik wesentlich besser als Homöostase.

Konzentrationsübung

Eine kleine Übung soll das Phänomen der Anpassung verdeutlichen: Konzentrieren Sie sich solange es geht auf Ihren Zeigefinger. Tun Sie es jetzt, bevor Sie weiterlesen …

Den meisten Menschen fällt es mehr oder weniger schwer, dies lange auszuhalten. Die Gedanken schweifen ab. Sie denken sich wahrscheinlich: Was für eine bescheuerte Übung. Sie haben die Tendenz, sich oder Ihren Finger zu bewegen, usw.

Und genau dies dürfen Sie jetzt im 2. Teil der Übung tun: Sie dürfen verschiedene Perspektiven einnehmen und/oder Ihren Finger drehen …

Und? Fiel Ihnen dies leichter?

Literatur:

Feldenkrais: Das starke Selbst

Damasio: Der Spinoza-Effekt

Birkenbihl: Das innere Archiv

Spiegelneuronen und Gedanken lesen

Das Mysterium der Spiegelneuronen geistert schon seit einiger Zeit (genau genommen seit Anfang der 90er Jahre) durch die Medien. Da auch ich in meinen Seminaren immer wieder von der Wirkungsweise der Spiegelneuronen schwärme, ist es an der Zeit, auch an dieser Stelle ein wenig Licht ins Dunkel zu bringen.

Die meisten Menschen denken: Wenn mein Gegenüber etwas fühlt, dann fühle ich das auch – zumindest, wenn ich sensibel genug bin (mehr dazu in einem späteren Artikel). Soweit, so vereinfacht. Denn in Wirklichkeit ist es ein wenig komplexer, was die ganze Sache allerdings auch um einiges spannender macht.

Zuerst einmal funken nicht die Emotionen, sondern unsere motorischen Nervenzellen.

An einem Beispiel: Wenn jemand eine schicke Tasse mit Henkel in die Hand nimmt, um einen Schluck Tee zu trinken, benutzt er dafür einen ganz bestimmten Griff. In der Regel wird dies eine Art Pinzettengriff sein. Der Pinzettengriff kann ein wenig aristokratisch anmuten. Oder der Tee ist so heiß, dass er ihn nur so anfassen kann. Wenn ich diesen Griff sehe, imitieren meine motorischen Nervenzellen, was ich mit diesem Griff und dieser Teetasse in dieser Situation tun würde. Richtig! Ich würde einen Schluck Tee trinken. Folglich erscheint es logisch, dass mein Gegenüber auch einen Schluck Tee trinken wird.

Stellen wir uns nun vor, unser Gegenüber würde die Teetasse mit einem anderen Griff nehmen, zum Beispiel mit der ganzen Hand. Was würde er dann tun? Beziehungsweise: Was würde ich tun? Dazu gibt es verschiedene Möglichkeiten: Er könnte die Tasse nehmen und nach mir werfen. Wäre das gerechtfertigt? Ging dem ganzen ein Streit voraus? Würde ich ähnlich reagieren? Oder agiert mein Gegenüber eher grobschlächtig und nimmt Teetassen grundsätzlich mit der ganzen Hand? In unklaren Situationen muss ich die Szene weiter beobachten. Führt mein Gegenüber seine Hand zum Mund oder holt er nach hinten aus? Erst dann weiss ich, was passieren wird.

Dieses kurze Beispiel zeigt uns die gesamte Komplexität der Spiegelneuronen:

  1. Spiegelneurone spiegeln nicht einfach die Emotionen meines Gegenübers, sondern dessenMotorik. Erst durch die Verbindung meiner innerlich simulierten Motorik mit den entsprechenden Emotionen, zukünftigen Handlungen und Zielen erahne ich, was mein Gegenüber tun wird.
  2. Spiegelneurone sind erfahrungsabhängig. Sie sind abhängig davon, was ich persönlich für einen Erfahrungshintergrund habe. Wenn ich noch nie Tee aus einer Tasse mit Henkel getrunken habe, kann ich ein beobachtetes Verhalten nicht mental simulieren.
  3. Spiegelneurone sind erwartungsabhängig. Was wird mein Gegenüber normalerweise tun, wenn er so angezogen ist und sich so oder so verhält? Was wird er vermutlich an diesem Ort tun? Damit simulieren wir nicht nur das Verhalten anderer, sondern versetzen uns in die Lage anderer. Wir selbst werden zum vornehmen oder grobschlächtigen Teetrinker.

Auf eine Formel gebracht bedeutet dies:

  1. Wahrnehmen: Sie nehmen das Verhalten Ihre Gegenübers wahr.
  2. Vermuten: Sie überlegen, was Gegenüber wahrscheinlich im nächsten Moment tun wird.
  3. Bewerten: Ihre Spiegelneuronen geben Ihnen bei Ihrer Vermutung intuitiv recht. Wenn nicht, schauen Sie noch einmal genauer hin und stellen die zweitwahrscheinlichste Vermutung auf.

Literatur:

Christian Keysers: Unser empathisches Gehirn

Marco Iacoboni: Woher wir wissen, was andere denken und fühlen

Vertrauen als Allzweckwaffe

Vertrauen ist ein Phänomen, das in unsicheren Situationen auftritt: Wer sich einer Sache sicher sein kann bzw. über die entsprechende Kontrolle aufgrund von Wissen, Kompetenzen oder Ressourcen verfügt, benötigt kein Vertrauen. Zuversicht ist daher immer auch eine ‚Toleranz für Mehrdeutigkeiten‘ in zukünftigen Entwicklungen.

Vertrauen ist jedoch mehr als Glaube oder Hoffnung, es benötigt immer eine Grundlage, die sogenannte Vertrauensgrundlage:

  1. gemachte Erfahrungen und damit eine Art Selbstwirksamkeitserfahrung bzw. das Vertrauen in sich selbst
  2. Zuversicht in andere Personen, z.B. ein gutes Team, das Unsicherheiten auffängt oder aber ergänzend in den Kompetenzen wirkt. Vor diesem Hintergrund spielt das Vertrauen in der Führung eine doppelseitige Rolle: Mitarbeiter vertrauen ihrer Führungskraft und Führungskräfte trauen ihren Mitarbeitern, wodurch sie wiederum deren eigenes Vertrauen langfristig fördern.
  3. Vertrauen in etwas Höheres, d.h. eine Art langfristige Sinnhaftigkeit des eigenen Tuns, der Glaube an Gott, usw.

Vertrauen kann als eine Strategie angesehen werden, persönliche Bedürfnisse zu erfüllen wie:

  • die Sicherheit zu haben,
  • Verständnis und Anerkennung von anderen zu bekommen und damit v.a. langfristig ein wichtiger Teil eines Teams zu sein sowie
  • die Freiheit zu haben, ohne übermäßigen Druck …
  • kreativ zu sein und
  • autonome bzw. teilautonome Entscheidungen treffen zu können,
  • kurz- und langfristig Sinn und Bedeutung haben.

Dahingegen dient Kontrolle lediglich der Befriedigung unseres Sicherheitsbedürfnisses. Die Kreativität, Autonomie, Sinnhaftigkeit usw. bleiben damit auf der Strecke.

NEW WORK und Positive Führung

Aktuelle Problemlagen

Die Arbeit verdichtet sich. Mitarbeiter*innen sind unzufrieden. Führungskräfte fühlen sich zerrieben zwischen den Hierarchieebenen. Die Organisationsstrukturen sind verkrustet. Veränderungen greifen nicht so schnell wie gewünscht ist. Das gegenseitige Vertrauen bekam einen Knacks. Der Informationsaustausch ist zäh. Die Generationen Y und Z wollen eingebunden werden. Individualität und Fluktuation nehmen zu und die Mitarbeiterbindung ab. Die Autobahnen am Speckgürtel der Großstädte sind verdichtet. Die S-Bahn ist voll. Und an eine gute Lebensbalance ist kaum zu denken.

New Work zwischen Agilität, Menschlichkeit, Mitbestimmung und Digitalisierung

New Work ist das Bestreben, Mitarbeiter*innen einen Arbeitsplatz zu bieten, an dem sie gerne arbeiten, was zu einer Erhöhung der Zufriedenheit, Leistung und Mitarbeiterbindung und letztlich auch Kundenbindung führt. Die Agilität kommt den Kund*innen zugute, Autonomie und Mitbestimmung den Mitarbeiter*innen, diese sind daraufhin motivierter, was dem Unternehmen hilft. Die Digitalisierung fördert, clever eingesetzt, schnelle Entscheidungen und wirkt sich zudem als Entlastung für Umwelt und Nervenkostüm der Mitarbeiter*innen aus.

So vielfältig die Verknüpfungen sind, so verschieden sind auch meine New Work-Ansatzpunkte für agital-menschlich-demokratische Teambildungen, Veränderungen und Organisationsentwicklungen:

  • Ein New Work Mindset für Führungskräfte: Als Basis von New Work ist ein positives Führungs-Mindset zur Förderung der Autonomie und Mitbestimmung der Mitarbeiter:innen unerlässlich.
  • New Work als Digital Work: Für manche meiner Auftraggeber bedeutet New Work v.a. eine Zusammenarbeit auf virtuelle Distanz. Wie das funktioniert, beschreibe ich ausführlich auf der nächsten Seite.
  • Mitbestimmung und Partizipation: Auf dem Weg zu einem kooperativ-agilen Team (online oder offline) bietet sich das 4R-Framework an: Rollen, Richtlinien, Regeln und Rituale. Details unter: Agil-demokratische Teams mit der 4R-Methode

Zur weiteren Vertiefung empfehle ich mein Buch „New Work – Menschlich, demokratisch, agil„, erschienen 2018 bei Walhalla/metropolitan.

Hier bekommen Sie einen Überblick über ein Zwei-Tages-Seminar zum Thema Positive Führung.