Archiv der Kategorie: Führung und Kommunikation

Warum ein ehrgeiziger Werte-Kanon noch kein gutes Unternehmen ausmacht

Stellen wir uns vor, eine kleines Team von etwa 10 Personen kommuniziert viel über einen virtuellen Messenger-Dienst, wie es heutzutage üblich ist, weil sich ansonsten selten alle zusammen in Präsenz treffen. Eines Tages ärgert sich Person A über Person B. Es handelt sich nicht um einen vorübergehenden Ärger, der immer mal wieder stattfindet und schnell wieder verraucht. Nein. Person B ist neu im Team und Person A hat das Gefühl, Person B würde ihr seine Rolle streitig machen. Person A ist zwar schon lange im Team und hat auch einige Fürsprecher*innen. Person B jedoch kommuniziert klarer, ist cleverer und strahlt eine natürliche Dominanz aus, die Person A fehlt. Person B könnte damit zu einer echten Bedrohung für Person A werden. Was also tun?

Da Person A nicht gerne kommuniziert, erstellt sie eine neue Gruppe in dem Messenger-Dienst und lädt drei weitere Teammitglieder ein, um sich über Person B auszulassen, die freilich nicht eingeladen wurde.

Vermutlich werden Sie jetzt alle sagen: Geht gar nicht! Und natürlich geht das auch nicht, selbst wenn einige dort draußen ähnliches in Tuschelgruppen in Präsenz praktizieren. Die einzig sinnvolle Antwort auf eine Einladung in eine solche Gruppe lautet: Schreiben, dass das nicht geht und wieder austreten.

Dennoch verdeutlicht der Fall, wo wir beginnen sollten, wenn wir die Welt zu einem besseren Ort machen wollen: Bei Prinzipien, die direkt im Alltag wirken. Und das Prinzip hinter diesem Fall lautet: Über Nicht-Anwesende wird maximal positiv gesprochen, aber auf keinen Fall gelästert. Denn ehrgeizige Werte, bspw. „Wir sollten gut miteinander umgehen“ sind oftmals zu schwammig und zu weit weg im Alltag.

In der Klima-Bewegung gibt es bereits seit Jahrzehnten die Empfehlung in Mikrozielen zu denken: Würden wir alle ab morgen nur noch Joghurt im Glas kaufen, wäre das eine Revolution. Denn was nutzen uns hochtrabende Klimaziele, wenn es im Alltag nicht funktioniert? Genauso könnten wir kommunikativ mit Prinzipien verfahren.

Ein guter Start dazu ist seit Jahrhunderten die Bergpredigt bzw. der kategorische Imperativ von Kant: Handle stets so, dass dein Handeln gleichzeitig als allgemeine Regel gilt. In einer erweiterten Form hat der sehr lesenswerte, bekannteste deutsche Humanist Michael Schmidt-Salomon 10 Angebote formuliert, die sich hier nachlesen lassen (externer Link): https://www.schmidt-salomon.de/bruno/human/manangebote.htm

Ein Auszug:

  • Habe keine Angst vor Autoritäten, sondern den Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen.
  • Nutze Argumente anstatt zu moralisieren.
  • Ehrliche Kritik ist ein Geschenk, das du nicht abweisen solltest.
  • Sei dir deiner Sache nicht allzu sicher. Zweifle aber auch am Zweifel. Selbst wenn unser Wissen stets begrenzt und vorläufig ist, solltest du entschieden für das eintreten, von dem du überzeugt bist. Sei dabei aber jederzeit offen für bessere Argumente, denn nur so wird es dir gelingen, den schmalen Grat jenseits von Dogmatismus und Beliebigkeit zu meistern.
  • Überwinde die Neigung zur Traditionsblindheit, indem du dich gründlich nach allen Seiten hin informierst, bevor du eine Entscheidung triffst.
  • Stelle dein Leben in den Dienst einer größeren Sache, um die Welt zu einem besseren, lebenswerteren Ort zu machen.

Ergänzt werden können diese Angebote durch die Maxime, jemanden nicht in seiner Selbstachtung zu beschädigen bzw. seine Würde zu achten (siehe extenen Link https://www.ardmediathek.de/video/suite-der-kulturtalk-mit-serdar-somuncu/haben-wir-eine-gute-umgangskultur-julian-nida-ruemelin/rbb/Y3JpZDovL3JiYl85M2Q1YjNlNi00OTMwLTQzNmItOWM1Ny05NzRiZGM3ZGQ0ODZfcHVibGljYXRpb24).

Doch wenn ich das lese, pendelt mein Gehirn – ähnlich wie bei Werten – irgendwo zwischen „banal“ und „logisch“, als müsste es die einfachste Sache der Welt sein, so zu handeln, weshalb wir uns fragen sollten: Warum läuft dann so vieles schief in Organisationen und auf dieser Welt? Ganz einfach, weil große Ziele oder Werte in ihrer Vereinfachung meist einleuchtend klingen und es gerade deshalb auf die Umsetzung ankommt. Denn dort gibt es Befindlichkeiten, Unfähigkeiten und Interessenkonflikte.

Verdeutlicht an unserem Einstiegsbeispiel:

  • Befindlichkeiten: Wer sich ärgert, sehnt sich nach einer schnellen Unterstützung.
  • Unfähigkeiten: Wer sich nicht imstande fühlt, sich einer Diskussion mit einer von ihm überlegenen Person zu stellen, greift schneller zu unlauteren Mitteln.
  • Interessenkonflikte: Wer sowohl Person A als auch B versteht, befindet sich in einem Dilemma.

Es bleibt uns folglich nicht nur nichts anderes übrig, als uns jederzeit selbst zu hinterfragen, ob unser Handeln als allgemeine ethische Maxime gelten kann. Wir müssen uns auch emanzipiert und selbstverantwortlich darum kümmern, unser Handeln in der Praxis umzusetzen:

  • Befindlichkeiten: Wir wollen wir mit unserem Ärger umgehen?
  • Unfähigkeiten: Was können wir tun, um unsere Kompetenzen so weiter zu entwickeln, um (auch) in Zukunft gerecht miteinander umzugehen?
  • Interessenkonflikte: Wie wollen wir mit (inneren) Interessenkonflikten umgehen?

Es reicht eben nicht aus, sich als Organisation hochtrabende Werte wie Innovativität, Gemeinschaft, etc. zu geben und am Ende sich das Label „New Work“ zu verpassen. Es braucht auch die Kompetenz, meintwegen auch die inner Haltung, die Werte im Alltag zu verankern und umzusetzen.

Angebot: Konfliktkompetenz als moderne Schlüsselqualifikation in komplexen Berufsfeldern

Strategien für einen konstruktiven Umgang mit Konflikten im Berufsalltag

In einer zunehmend dynamischen, komplexen und oft räumlich distanzierten Arbeitswelt gehören Konflikte einerseits zum Alltag, werden jedoch andererseits häufig gemieden, da viele Menschen heutzutage die Arbeitswelt als Ort des Wohlfühlens betrachten (Stichworte: Behütete Kindheit, Feelgoodmanagement). Dabei sind Konflikte nicht automatisch Störfaktoren im beruflichen Alltag, sondern können auch Treiber für Veränderungen sein. Sie beinhalten daher ein enormes systemisches Entwicklungs-potenzial zur Erhöhung der Kreativität und Produktivität in der Zusammenarbeit, das jedoch nur mit einer konstruktiven Streitkultur genutzt wird.

In diesem Seminar geht es daher weniger darum, Konflikte zu analysieren und Best-Practice-Lösungen zu generieren, sondern darum, die eigene Konfliktkompetenz weiter zu entwickeln, um Synergieeffekte im Team bestmöglich zu nutzen. Dafür müssen in Konflikten die Menschen nicht primär ihren Charakter verändern, sondern lediglich lernen, die Spannungen in Konflikten auszuhalten, Diskussionen konstruktiv zu führen sowie Regeln und Rituale einzuführen, um Konflikte nicht mehr als bedrohlich, sondern als einen Teil des Berufsalltags wahrzunehmen.

Inhalte:

  • Philosophie einer konstruktiven Streitkultur
  • Grundlagen der Konfliktentstehung und -dynamik
  • Dynamiken und persönliche Muster in Konflikten erkennen und konstruktive Auswege nutzen
  • Konfliktgespräche führen mit Gelassenheit, Empathie und Standhaftigkeit
  • Selbstregulation in spannungsgeladenen Situationen lernen
  • Konstruktiv Streiten üben mit Embodiment und Improtheater

Zielgruppe:
Fach- und Führungskräfte, Teamleitungen, Projektverantwortliche sowie alle, die ihre kommunikativen und sozialen Kompetenzen gezielt ausbauen möchten.

Dauer: 1 Tag

Methoden:
Impuls-Vorträge, Fallreflexionen, Mentaltraining, Übungen aus Embodiment und Improtheater

Warum es in Konflikten weniger um persönliche Veränderungen geht, sondern um den intersubjektiven Austausch

In Mediationen hat häufig mindestens eine Partei die Angst, sich verändern zu müssen und damit verbunden oft eine vehemente Abwehr-Haltung:

„Ich bin eben so, wie ich bin. Und wenn Du damit nicht klar kommst, ist das doch nicht mein Problem!“

Blöderweise sagt das Gegenüber genau dasselbe, weshalb eine Annäherung unmöglich erscheint. Aus diesem Grund ist es hilfreich, den Mediand*innen zu verdeutlichen, dass sie sich (beinahe) gar nicht persönlich ändern müssen. Sie können ihren Charakter und ihre Eigenarten gerne behalten. Mediationen sind schließlich keine Therapiestunde oder Coachings (vgl. Konfliktcoaching). Für ein besseres Miteinander geht es lediglich darum, dieses Miteinander, d.h. die gemeinsame Kommunikation und das gemeinsame Handeln zu verbessern.

Aus diesem Gedanken heraus entwickelte ich die KoHa-Matrix:

Die Matrix als Prozess betrachtet bietet Kolleg*innen, die regelmäßig aneinander geraten (oder einem gesamten Team) einen 4-stufigen Ablauf:

  1. Schweigen: Was wird zu selten angesprochen, weil es jede/r mit sich selbst ausmacht?
  2. Reden: Wie wollen wir miteinander kommunizieren?
  3. Arbeiten: Wie definiert jede/r „einen guten Job erledigen“?
  4. Zusammenarbeiten: Wie können wir unsere Zusammenarbeit verbessern?

Noch deutlicher werden sowohl der Aushandlungsprozess als auch die Autonomie jedes/r Einzelnen, wenn wir das Modell als Wechselspiel zwischen Ich bzw. Du und Wir betrachten:

Für eine gute Zusammenarbeit muss sich charakterlich niemand verändern. Es ist sogar hilfreich, dass jede/r seine Eigenheiten behält, weil es ansonsten keine Synergieeffekte gäbe. Es braucht lediglich tragfähige Vereinbarungen für ein besseres Miteinander im intersubjektiven Austausch.

Wenn Konflikte nicht lösbar erscheinen …

Es gibt so Fälle (leider viele davon): Person A kann mit Person B einfach nicht mehr reden. Die beiden versuchen es ein Jahr lang. Es eskaliert immer wieder an Kleinigkeiten. Und schließlich wird es der Führungskraft zu bunt und sie schlägt eine Mediation vor.

Ein Jahr ist eine lange Zeit, in der viel Porzellan zerschlagen werden kann:

  • „In der Wirtschaft würdest du keinen Monat überleben!“
  • „Ich denke, du brauchst mal eine Therapie.“
  • „Und du brauchst ein Konfliktmanagement-Training.“

In einer Mediation sollte es zuerst einmal darum gehen, die Vergangenheit aufzuarbeiten, im Sinne des dritten Newtonschen Gesetzes: Wer einen Schub nach vorne will, muss etwas loslassen.

Manchmal passiert es jedoch, dass sich das Porzellan selbst mit dem trickreichsten Kintsugi nicht wieder zusammen flicken lässt. In diesem Fall ist es hilfreich, zwischen Beziehungskonflikten und Sachproblemen zu unterscheiden und gezielt an praktikablen Sachlösungen zu arbeiten:

Beispiel 1: Zwei Abteilungsleitungen können nicht miteinander. Sie könnten jedoch Ihre Stellvertreter*innen sozusagen als Mini-Shuttle-Mediator*innen nutzen, um dennoch über Bande zusammenzuarbeiten.

Beispiel 2: Eine neu hinzugekommene Führungskraft geht davon aus, dass sie dann einen guten Job macht, wenn alles perfekt erledigt wird, was sie auch von ihren Kolleg*innen erwartet. Die Stellvertreterin der Führungskraft, die schon länger in dem Unternehmen arbeitet, geht davon aus, dass alles auf der Welt eine Verhandlungssache ist. Mit der Zeit werden aus den verschiedenen Arbeitsansichten Vorwürfe. Die Führungskraft möchte deshalb mittelfristig kündigen. Da die beiden immer wieder aneinander geraten, sollte die Zeit bis dahin überbrückt werden, bspw. durch getrennte Räume oder Gesprächsrituale.

In manchen Fällen ergibt sich über die Zeit und durch das Ruhen des Konflikts doch noch eine Möglichkeit, zu einem späteren Zeitpunkt auch an dem Beziehungskonflikt zu arbeiten. Und wenn nicht, wird der Streit zumindest – ähnlich einem Waffenstillstand – solange befriedet, bis sich eine andere Lösung (Rente, Versetzung, Kündigung, Beförderung) ergibt.

Warum kompliziert, wenn es auch einfach geht: Die Praxis verschiedener Konfliktstile

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Die Konfliktstile nach Kilmann und Thomas

Wer nach unterschiedlichen Konfliktstilen sucht, trifft unweigerlich auf die Konfliktstile nach Ralph Kilmann und Kenneth Thomas:

  • Durchsetzen
  • Vermeiden
  • Nachgeben
  • Gemeinsam nach Lösungen suchen
  • Unvereinbares aushalten und nach Kompromissen suchen

Dabei stellt sich mir in der Praxis eine zentrale Frage: Welche Führungskraft gibt freiwillig zu, dass sie sich lediglich durchsetzen will oder zu nachgiebig ist? Die meisten gehen davon aus, dass sie im Grunde einen Kompromiss anstreben und dass es entweder wichtig ist, andere auf dem Weg dahin mitzunehmen oder seine eigene Position zu verdeutlichen.

Empathisch versus zielorientiert

Damit reduzieren sich die Konfliktstile im Grunde auf ein Gegensatzpaar. Entweder eine Person ist eher empathisch und beziehungsorientiert oder ziel- und durchsetzungsorientiert:

Entweder einer Person ist eher die Beziehung oder die Sache wichtig. Mir ist klar, dass es im Rahmen der Zielorientierung auch Egoisten gibt, gegen die mit härteren Bandagen gekämpft werden muss, um nicht unterzugehen. Es bringt für eine Mediation jedoch wenig, mit solchen Zuschreibungen zu arbeiten. Wesentlich sinnvoller ist stattdessen die Zuschreibung als Idealist*innen, die ein klares Ziel vor Augen haben.

Mit Empathie und Zielorientierung zu tragfähigen Kompromissen

In der Praxis meiner Trainings, Mediationen und Coachings erlebe ich im Wesentlichen diese zwei Gruppen:

  1. Entweder eine Führungskraft ist zu empathisch und damit gleichzeitig harmonieorientiert, zurückhaltend, zögerlich und nachgiebig.
  2. Oder sie kommuniziert direkt und zielorientiert auf das Wesentliche bezogen, oftmals ohne soziale Kollateralschäden zu bemerken. Viele sind stattdessen überrascht davon, wie dünnwändig manche Kolleg*innen sind.

Driften die beiden Stile ab, werden sie entweder streitlustig oder konfliktscheu:

Auf der Basis dieser einfachen (charakterlichen) Unterscheidung erscheinen die positiven Konfliktstile von Kilmann und Thomas nicht wirklich als Stil, sondern als Ziel, das sich erst in der Zusammenarbeit ergibt, um gemeinsam nach Lösungen zu suchen und Kompromisse auszuhandeln. Schließlich brauchen wir für ein gutes Miteinander sowohl eine klare Zielorientierung als auch empathische Beziehungspflege. Das Ziel beschreibt eine Zukunft, die wir ohne gute Beziehungen nicht erreichen würden. Genau darin findet sich auch das Prinzip aus dem Harvard-Konzept wieder:

Hart in der Sache, aber weich zu den Menschen.

Um von der Streitlust wegzukommen, ist es jedoch wenig hilfreich, seine Ziele aufzugeben. Dies wäre zu schmerzhaft für Idealist*innen. Stattdessen besteht der persönliche Entwicklungsweg darin, empathischer zu werden:

  • Wie ist es möglich, an den Zielen festzuhalten und gleichzeitig die Interessen des Gegenübers zu berücksichtigen, damit zur Zielerreichung alle an einem Strang ziehen und Zielerreichungen zudem nachhaltig bleiben?

Auf der anderen Seite ist es für Konfliktscheue wenig hilfreich, sich vorzunehmen, egoistischer zu werden. Stattdessen besteht hier der persönliche Entwicklungsweg darin, sich deutlicher mit mittel- und langfristigen Zielen auseinander zu setzen:

  • Wie sehen meine persönlichen sowie die gemeinsamen Ziele langfristig aus und inwiefern verhindert eine zu große Empathie manchmal die Zielerreichung, weil Bedürfnisse und Interessen nicht klar formuliert werden und mein Gegenüber deshalb nicht weiß, woran er oder sie ist?