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Wenn Optimismus nicht mehr ausreicht, braucht es Utopien, um mit Belastungen umzugehen

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Während sich der Optimismus auf Zahlen und Fakten beruft und gut gelaunt in die Zukunft blickt, indem er sich anschaut, welchen Einfluss er geltend machen kann, bleibt die Hoffnung oft vage, vorsichtig, kann sogar sorgenvoll sein, weil ihr die Referenzwerte fehlen und sie meist vom Schicksal oder Zufall abhängt.

Sage ich bspw. am Roulette-Tisch „Ich bin optimistisch, dass ich dieses mal gewinne“, ziehe ich diesen Optimismus daraus, dass ich heute meine Glückshosen anhabe oder bereits den ganzen Tag über Glück hatte. Sage ich jedoch „Ich hoffe, dass ich heute gewinne“, schwingt die Angst mit, auf eine dramatische Art zu verlieren, weil es das Schicksal nicht gut mit mir meint. Vielleicht kann meine Miete bald nicht mehr zahlen oder habe mir sogar Geld von der Mafia geliehen.

Unser Optimismus bezieht sich in der Regel auf positive Erfahrungen, die unserer Hoffnung fehlen: „Ich hoffe, dass wir bald wieder jemand Neuen im Team haben, weiß es jedoch nicht. Ich weiß allerdings aus Erfahrung, dass wir als Team immer dann Durststrecken meisterten, wenn wir gut zusammen arbeiteten.“

Diese Unsicherheit macht den Umgang mit Hoffnung grundsätzlich schwieriger als mit Optimismus. Deshalb bezieht sich die Hoffnung oft auf ein Leben nach dem Tod oder vermeintlich mächtige Menschen als sogenannte Hoffnungsträger. Sowohl auf Kamala Harris als auch Donald Trump ruhen derzeit die Hoffnungen vieler Menschen in den USA nach einem besseren Leben. Dabei wird die Macht einzelner meist überschätzt und die Macht der Systeme (Netzwerke, internationale Verträge, Banken, Lobbyismus, usw.) unterschätzt. Damit zeigt sich jedoch, wie sehr Menschen Hoffnung brauchen, wenn sie sich in einer Situation befinden, die sie nicht einschätzen können. Krieg, ein Grubenunglück, eine schwere Krankheit, wirtschaftliche Krisen oder auch der aktuelle Zustand der Unterbesetzung und damit Dauerbelastung in vielen Teams sind solche Situationen. Werden wir mit einer unerwarteten und unberechenbaren Situation konfrontiert, greift unser wohlgepflegter Optimismus nicht mehr. Der Roulette-Spieler kann seine Chancen auf einen Gewinn errechnen, was seinem Optimismus Futter gibt. Dies war bei unterbesetzten Teams früher auch der Fall. Ist der Arbeitsmarkt jedoch leer gefegt, bleibt nur noch die Hoffnung auf eine positive Wendung in der nahen Zukunft. Hierauf haben wir zwar wenig Einfluss, können aber dennoch etwas dafür tun, indem wir als Team gut zusammenarbeiten und damit das Erreichen der Hoffnung wahrscheinlicher machen. Dennoch bleibt die Ambivalenz zwischen einer positiven Aussicht in der Zukunft und der Befürchtung, dass sich der Traum davon nicht erfüllen wird.

Während der Optimismus streng genommen lediglich einen positiven Blick auf die Zukunft wirft, indem er positive Fakten über- und negative unterbewertet, erfordert die Hoffnung einen utopischen Blick nach vorne. Was zuerst als Manko erscheint, könnte jedoch eine Chance sein, wenn die Unbestimmtheit der Zukunft als Freiheit verstanden wird, sich im Geiste eine bessere Welt frei von allen Erfahrungen vorzustellen. Dies wiederum scheinen wir verloren zu haben. Der Optimismus ist schnell bei der Hand, wenn es heißt: Immer positiv denken. Der Optimismus arbeitet jedoch mit dem Vorhandenen und kreiert nichts Neues. Erst die Hoffnung auf eine bessere Zukunft könnte wahrlich utopistisch etwas Neues erdenken, wenn wir uns davon frei machen, der Naivität bezichtigt zu werden. Denn das schwingt heutzutage meistens mit, wenn von Hoffnungen die Rede ist. „Spinn’ nicht herum“, heißt es bereits bei kleinen Kindern. Politiker*innen sollten Realpolitik machen. Und der Rest der Welt sollte sich an den vorhandenen Bedingungen orientieren und keine Luftschlösser bauen: „Es gibt nun mal keine Ressourcen! Woher nehmen, wenn nicht stehlen?“

Dabei wusste bereits Kant, dass wir in zwei Welten leben, einer realen und einer ideellen. Ernst Bloch meinte daher, dass Hoffnungen immer auch ein Stück Realitätsverweigerung sind, um eine noch nicht vorhandene Welt zu erschaffen. Utopien bestehen laut Bloch aus einem „In-Möglichkeit-Seienden“, was im Kern bereits angelegt ist. Es geht ergo nicht darum, sich vollkommen unrealistische Hoffnungen zu machen. Diese würden nur enttäuscht werden. Stattdessen sollten wir darauf achten, was wir bereits jetzt tun können, damit utopische Ideen Wirklichkeit werden können.

Um Hoffnung zu haben und schwierige Situationen durchzuhalten, braucht es u.a. folgende Tugenden:

  • Offenheit für ungewöhnliche Lösungen
  • Bereitschaft, sich mit anderen auszutauschen
  • Energie, Ausdauer und Beharrlichkeit
  • Die Demut und Bescheidenheit, mit kleinen Lösungen zufrieden zu sein
  • Achtsamkeit im Umgang mit sich selbst
  • Selbstbeherrschung und Geduld
  • Dankbarkeit trotz allem
  • Humor oder sogar Galgenhumor
  • Spiritualität, Religiösität

Andererseits führen zu konkrete Hoffnungen ebenfalls zu Enttäuschungen. Hoffen wir nach einer Krankheit auf eine schnelle Genesung oder darauf, wieder vollkommen hergestellt zu sein, wird dies vermutlich scheitern. Hoffen wir jedoch darauf, eines Tages wieder ein gutes Leben führen zu können – auch mit der Krankheit – bleibt dies vage genug, um nicht enttäuscht zu werden und ist dennoch motivierend genug, um die Verzweiflung hinter sich zu lassen.

Haben wir bspw. die Hoffnung einer autofreien Stadt in der Zukunft, könnte das eines Tages durch Postboten-Drohnen oder fliegende Autos durchaus Wirklichkeit werden. Dazu braucht es jedoch eine Menge Forschung und eine gute Zusammenarbeit zwischen verschiedenen Forschungsgebieten (Technik, IT, Jura, Sozialwissenschaften, etc.). Gleichzeitig bleibt unklar, wie genau die autofreie Stadt der Zukunft aussehen wird. Ähnlich ergeht es Teams in Unternehmen. Einem unterbesetzten Team wird es kaum ausreichen, die Hoffnung zu haben, dass es eines Tages wieder besser wird. Das Team braucht eine tragfähige und motivierende Vision, die neben einer guten, menschlichen Zusammenarbeit vermutlich die Dunkelverarbeitung durch K.I., eine andere Aufgabenunterteilung und weniger Bürokratie mit einschließt. Wie genau die Utopie in der Zukunft aussehen und wann genau sie kommen wird bleibt unklar. Sonst wäre es keine Utopie. Ohne Utopien sind Dauerbelastungen jedoch kaum auszuhalten. Stattdessen werden über kurz oder lang die Besten gehen, die Schwächsten krank werden und der Laden alsbald zusammen brechen.

Literatur: Kraft und Walker: Positive Psychologie der Hoffnung. Springer, 2018

Mit der Quantenphysik die Welt retten

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Everything, everywhere, all at once

Viele von uns waren in Filmen wie „Everything everywhere all at once“. Was als spaßige oder spleenige Actionkomödie angelegt ist, hat jedoch einen ernsten Hintergrund: Erkenntnisse aus der Quantenphysik besagen, dass auf einer subatomaren Ebene alles jederzeit stattfindet. Das wiederum ist für uns schwer vorstellbar. Wer sich jedoch intensiver mit dem Thema beschäftigt, merkt einerseits, dass es komplett logisch ist, dass alles jederzeit stattfindet und andererseits, dass wir immer noch durch und durch von der klassischen Aufklärung des Sezierens einzelner Phänomene geprägt sind, die keineswegs jederzeit alles sein können. Was also ist dran an der Quantenphysik?

Beginnen wir mit dem Gedankenexperiment um Schrödingers Katze, das der ein oder die andere vermutlich schon einmal in der Schule gehört, für eine verücktes Idee gehalten und daraufhin wieder vergessen hat – so wie ich: In einer Kiste befinden sich eine Katze, ein radioaktives Präparat, ein Detektor für die beim Zerfall erzeugte Strahlung und ein tödliches Gift, das bei Ansprechen des Detektors freigesetzt wird. Die Kiste ist allerdings so verschlossen, dass wir nicht wissen können, ab wann die Katze tot ist. Erst wenn die Kiste geöffnet wird, erkennen wir, ob sie schon tot oder noch lebendig ist. Daraus lassen sich zweierlei Erkenntnisse ziehen:1

  1. Solange die Kiste nicht geöffnet wird, könnte die Katze sowohl tot als auch lebendig sein.
  2. Erst in dem Moment des Öffnens lässt sich der Zustand der Katze feststellen, wodurch die Rolle des Beobachters auf irgendeine Weise wichtig erscheint.

In Folge wurden in den letzten Jahrzehnten eine Menge Studien durchgeführt, die alle zu ähnlichen Erkenntnissen führen: Subatomare Teilchen (bspw. ein Quarks) lassen sich erst eindeutig bestimmen, wenn sie „festgehalten“ und beobachtet werden. Bis dahin schwirren sie durch den Raum und könnten auch etwas anderes sein (bspw. ein Anti-Quarks).

Teilchen und Schattenteilchen

Gleichzeitig wurde deutlich, dass es letztlich keine tatsächlichen Elementarteilchen gibt, weil jedes Teilchen immer im Verbund mit einem anderen Teilchen (Quarks und Anti-Quarks, Protonen und Elektronen) auftritt. Die Quantenphysik spricht tatsächlich davon, dass jedes Teilchen einen Schatten hat. C. G. Jung, der Urheber der sogenannten Schattenanteile, hätte sich darüber vermutlich gefreut. Die Suche nach dem einen Elementarteilchen war bislang erfolglos. Das wiederum wusste der gesunde Menschenverstand bereits vorher. Frieden wird schließlich erst zu Frieden durch die Existenz von Krieg. Plus ist ohne Minus nicht denkbar. Freude lässt sich erst genießen durch die potentielle Möglichkeit von Trauer. Wir wüssten nicht einmal, wie wir miteinander sprechen sollten, wenn es den jeweils anderen Gegenpol nicht gäbe. Dann wäre letztlich alles neutral: Wir wären nicht gut oder schlecht gelaunt, sondern neutral. Genau das passiert auch, wenn sich Materie und Antimaterie treffen. Am Ende steht das Nicht, das sich dann logischerweise selbst mit den feinsten Messgeräten nicht mehr messen lässt.

In unseren Alltag übertragen bedeutet dies, dass nicht nur auf der subatomaren Ebene jederzeit alles möglich ist, solange niemand hinsieht und sich erst durch die Beobachtung durch eine Bewertung ein wahrnehmbarer Zustand manifestiert. Beobachten wir aus der Ferne ein Paar, das sich lautstark unterhält, könnte es ein Streit sein oder eine lebhafte, aber von Liebe durchdrungene Unterhaltung. Die beiden könnten sich schon lange kennen oder gerade eben erst begegnet sein. Erst wenn wir näher hingehen, erkennen wir, um was für eine Unterhaltung es sich handelt. Dann jedoch verändern wir bereits das Setting durch unsere subjektive Beobachtung, wodurch sich die Situation nicht mehr zu 100% objektiv erfassen lässt. Wir selbst nehmen wahr, was wir wahrnehmen wollen. Und das Paar wird sich der Beobachtung bewusst und lässt sich dadurch in einen bestimmten Zustand (Konflikt, lebhafte Auseinandersetzung, Liebesspiel, etc.) materiell „einfrieren“, obwohl zuvor evtl. verschiedene Zustände möglich waren.

Ein ähnliches Phänomen spielt sich in Organisationen ab, wenn ein Mitarbeiter, der an vielen Veränderungen herum nörgelt aus der einen Perspektive als anstrengend, aus einer anderen jedoch – er hat ja auch häufig recht mit seiner Kritik, auch wenn es niemand hören will – als wertvoller Kritiker wahrgenommen wird. Erst durch die Beobachtung bzw. Bewertung des Mitarbeiters wird sein Verhalten in Stein gemeißelt und zieht manifeste Folgen nach sich.

Frage ich in meinen Seminaren in die Runde, wer mit wem am meisten Probleme hat, zeigt sich beinahe immer: Der eine mag keine Nörgler, die nächste keine Besserwisser und der dritte kann nicht mit Jammerern. Hierbei handelt es sich vermutlich um einen persönlichen Schattenanteil (oder die ganz persönliche Anti-Materie), die mich erst zu einem ganzen Menschen macht. Konkret heißt das: Fragen Sie sich, was ein Nörgler, Besserwisser, Jammerer, etc. beziehungstechnisch mit Ihnen macht und was Sie daraus lernen können.

Warum mir der Umgang mit leidenden Menschen schwer fällt

Eine Anekdote am Rande: Mir persönlich fällt der Umgang mit leidenden Charakteren schwer. Der Grund ist in meiner Kindheit zu finden. Meine Mutter hatte früher starke Migräne-Attacken, worauf wir in der Familie Rücksicht nehmen mussten. Ich durfte nicht laut sein, keine Freunde mitbringen und wir unternahmen selten Ausflüge. Dadurch lernte ich, meine Befindlichkeiten zurückzunehmen und niemandem zur Last zu fallen, wodurch sich jedoch Wut aufstaut, die irgendwann einmal raus muss oder krank macht. Oberflächlich betrachtet könnte ich nun sagen: Jammern macht mich wütend. Dabei bestand die eigentliche Unzufriedenheit darin, mein eigenes Bedürfnis anderen in einem gesunden Maß zur Last zu fallen, nicht auszuleben. Ich tat mich jahrelang schwer, fremde Hilfe anzunehmen. Erst durch die Integration meiner Anti-Materie (dem ungeliebten Jammern) habe ich die Möglichkeit, ein vollkommenerer und zufriedenerer Mensch zu werden.

Das Mindset der klassischen Aufklärung

Unser menschlicher Geist hängt leider noch am Mindset der klassischen Aufklärung. Die klassischen Naturwissenschaften gingen davon aus, dass jeder Körper für sich selbst besteht und untersucht werden kann. Diese Sezierung von Gesamtzusammenhängen führte einerseits zu vielen Erkenntnissen, verstellte jedoch andererseits den Blick darauf, was Systeme zusammen hält.

Unterstützt wird das Ganze durch den Kapitalismus:

  • Mein Haus, mein Auto, mein Pferd, mein Raumschiff.
  • Unterm Strich zähl’ ich.

Ebenso spielt der Heldenmythos dieser Denkweise in die Karten. Als könnten ein paar Marvelfiguren die gesamte Welt retten. Mit Schwarmintelligenz tun sich die Menschen seit jeher schwer. Kein Wunder, dass mein Buch zu diesem Thema letztes Jahr aufgrund zu schwacher Verkaufszahlen eingestampft wurde.

Wir brauchen ein neues Mindset

Die Quantenphysik legt uns nahe, uns von diesem Denken zu verabschieden, indem wir akzeptieren, dass wir alle – und insbesondere Gegenpole – miteinander verbunden sind. Die Welt um uns herum entstand nicht durch Elementarteilchen, sondern durch das Zusammenspiel von Materie und Antimaterie, von Teilchen und Schattenteilchen. Insofern werden auch wir nicht angetrieben von einzelnen (abgegrenzten) Menschen, sondern erst durch das Zusammenspiel in einem Team.

Diese Denkweise könnte weitreichende Konsequenzen haben:

  • Anstatt in Bewerbungsgesprächen zu fragen, welche Kompetenzen jemand mitbringt, bietet sich die Frage an, was jemand bieten kann, um ein Team zu ergänzen.
  • Anstatt Veränderungen gegen Widerstände durchzuboxen, wäre es sinnvoller, kritische Meinungen sozusagen als natürliche Anti-Materie zu akzeptieren und zu integrieren.
  • Anstatt in Konflikten davon auszugehen, dass nur meine Meinung richtig ist, wäre es wichtig, sich damit anzufreunden, dass auch mein Gegenüber recht hat.

Wer sich bereits mit systemischem Denken und Mediationen auseinander setzte, erkennt hier wenig Neues. Neu ist jedoch die Erkenntnis, dass all das kein bloßes pädagogisches Schönwetter-Wunschdenken ist, sondern tief verwurzelt ist in der DNA unserer Welt.

Sollte diese Denkweise eines schönen Tages in der Gesellschaft angekommen sein, würden die Menschen vielleicht endlich verstehen, dass sie nur gemeinsam die Welt retten können, anstatt gegeneinander in Konkurrenz zu treten.

Literatur:

Lynne Haggard – The Bond. Die Wissenschaft der Verbundenheit

Hüther und Spannbauer – Verbundenheit

1https://de.wikipedia.org/wiki/Schr%C3%B6dingers_Katze

Neues Thema, neues Projekt, neues Angebot?

Immer wenn ich ein wenig Luft habe, meist ist das in der Sommerzeit oder um Weihnachten der Fall, denke ich über mögliche neue Seminar-Angebote nach. Manchmal werde ich auch aktiv gefragt: “Könnten Sie nicht mal was zum Thema Generation Z machen?” Und dann geht die Gehirn-Maschine los:

  • Soll ich mir das wirklich antun? Lohnt sich der Aufwand? Immerhin muss ich mich in das neue Thema gut einarbeiten.
  • Und ein wenig unsicher ist es auch oft zu Beginn.
  • Aber spannend wäre es schon, mal wieder ein neues Thema anzugehen?
  • Und Spaß macht es auch, einen Stapel Bücher auszuleihen, neue Grafiken zu erstellen und dem Leben neue Blickwinkel hinzuzufügen.

Um solche Gehirnakrobatiken strukturierter anzugehen, helfen mir die vier IKIGAI-Filter:

Natürlich lässt sich die Reihenfolge der vier Filter auch verändern, je nach gusto.

Improvisieren als Zukunftskompetenz, Teil 4

Meine persönlichen Empfehlungen zum Thema Improvisieren

Lassen Sie sich treiben

Ich habe eine schlimme Macke: Ich will mich nicht von Navigationsgeräten abhängig machen und lieber den Weg selber finden. Deshalb schaue ich mir vorher an, wo ich hin muss, mache mir grobe Notizen, oft auch eine kleine Skizze und versuche mich dann an die Route zu erinnern. Meine Frau nervt das. Deshalb gehe ich nur noch so vor, wenn ich alleine im Auto sitze. Und auch nur noch, wenn es ländlich wird. In Städten ist mir der Stress für Umwege zu groß. Doch auf dem Land verfahre ich mich immer noch gerne und lerne dabei Gegend und Urbevölkerung kennen, wenn ich Zeit dafür habe. Dennoch ist ein Sich-treiben-lassen mit dem Auto sicherlich nicht für jeden geeignet.

Ganz anders das Sich-treiben-lassen per Fuß. Ohne großen Plan durch eine fremde Stadt zu schlendern ist wunderbar. Kleine Restaurants oder Cafes entdecken. Graffitis in Unterführungen fotografieren. In Parks Menschen beim Yoga zusehen. Im Sommer die Füße in den Fluss hängen. An die Schlendertouren vor einigen Jahren mit meiner Frau durch die Budapester Cafe-Welt oder die Markthallen in Florenz erinnere ich mich als wäre es gestern gewesen. Es gibt immer etwas zu entdecken. Und wer sich treiben lässt, kommt mehr in Kontakt mit Einheimischen und erfährt oft erstaunliche Insider-Informationen. Zudem gibt es dann im Seminar-Smalltalk Spannendes zu erzählen.

Halbe Planungen

Als wir noch kinderlos waren, buchten meine Frau und ich grundsätzlich nur Flüge und hangelten uns im Urlaub in Portugal, Tunesien und auf Rhodos von Ort zu Ort. Manchmal fragten wir in Kneipen nach einer Unterkunft und fanden uns kurze Zeit später im ehemaligen Jugendzimmer des ausgezogenen Sohnes wieder. Inklusive Jesus am Kreuz über dem Bett oder einem Wäscheständer im Zimmer. Manchmal nächtigten wir in verlassenen Häusern mitten im Nirgendwo und wurden am Morgen von einem Bauern mit Weintrauben zum Frühstück beschenkt. Wir dachten zuerst, er will uns verjagen. Aber nein: Griechen sind ein wahrhaft liebevolles Völkchen. Wir wurden noch niemals im Urlaub so herzlich aufgenommen, beschenkt und durch die Felder kutschiert. Das funktioniert jedoch nur, wenn sich der eigene Plan auf das Wesentliche beschränkt: Anreise, Abreise und ganz viel Spontaneität im Gepäck.

Machen Sie etwas, das Sie normalerweise niemals tun würden

In Studizeiten beschlossen wir, als WG zu viert geschlossen eine Kaffee-Fahrt nach Eger mitzumachen. Ein schräger Ausflug. Vorschlaghammerpsychologie zum Nachspüren. Am Ende mussten alle aufstehen. Wer etwas kaufte, durfte sich setzen. Die anderen mussten stehen bleiben. Wir blieben geduldig stehen und kauften weder eine Heizdecke noch ein Fußbalsam. Ein Plastik-Campingset, das wir heute noch besitzen, gab es dennoch als Belohnung im Bus nach Hause. Es ist ein gutes Plastik.

Machen Sie, was in keinem Reiseführer steht

Die Sokrates-Street in Rhodos-Stadt ist eine Touristen- und Einkaufsmeile höchster Güte und entsprechend proppenvoll. Es braucht jedoch nur einen kleinen Schlenker in eine Seitengasse, um stille Gassen, kleine Läden und ruhige Cafes zu finden. Dort fanden wir damals den kleinen Laden von Michael, in dem wir uns mit Geschenken eindeckten. Michael hatte beinahe die gleichen Sachen, die es überall gab, allerdings zu einem Bruchteil der üblichen Preise, dafür mit einer Patina, die seinesgleichen suchte. Der Einkauf gestaltete sich allerdings nicht ganz einfach. Der vermutlich schon 70-jährige Michael wollte lieber mit seinem Freund Schach spielen, als uns etwas zu verkaufen. Gut, dass seine Frau ihn immer wieder nachdrücklich antrieb.

Einen der schönsten Tage auf einer Corsikareise verbrachte ich mit meinen Kindern auf einer Flusswanderung. Erst flussaufwärts, dann flussabwärts. Dazwischen sprangen wir von den Felsen in die Gumpen. Die Idee dazu entstand spontan. Wir hatten einen halben Tag nichts zu tun und uns war langweilig. Die unentdeckten Badegumpen zogen uns magisch an. Dreimal dürfen Sie raten, an was sich die Kinder am meisten erinnern. Aber Obacht: Von Felsen zu springen ist gefährlich und geschieht auf Ihr eigenes Risiko.

Grafiken statt Text in Präsentationen

Als letzten Tipp noch etwas Berufliches: Betreutes Vorlesen in Präsentationen halte ich für respektlos. Stattdessen liebe ich es, mein Wissen in kleinen Grafiken, Matrixen, Roadmaps, Vorher-Nachher-, Einerseits-Andererseits-Vergleichen oder Kreismodellen zusammen zu fassen und dann zu erzählen, was mir spontan dazu einfällt. Was ich vergesse, weiß ohnehin niemand außer mir.

Dieser Artikel wurde in leicht veränderter Form aus dem eBook “Wie kompetent muss ich sein?” (externer Link) entnommen.

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Zur dauerhaften Verankerung einer Improvisationshaltung sind zehn goldenen Regeln der Spontaneität und des Improvisierens hilfreich:

  1. Erkenne und nutze den Moment. Dafür brauchst du eine scharfe Wahrnehmung. Denn ohne eine gute Wahrnehmung rauschen viele spannende Gelegenheiten vorbei, als wären sie auf der Durchreise.
  2. Sag öfter Ja als Nein in Situationen, die im ersten Moment schwierig erscheinen. Wenn es Ihnen schwer fällt, Ja zu sagen, denken Sie daran: Wenn Sie jetzt Ja sagen, können Sie später immer noch ein kleines Nein nachschieben: JA, ich bin bei dem Projekt dabei. Und nein, ein klein wenig anders würde ich es dennoch angehen.
  3. Konzentriere dich auf Machbares. Idealismus in Ehren. Aber wer Aufgaben zu idealistisch angeht, wird schnell frustriert. Daher ist es sinnvoll, das zu tun, was auch wirklich umsetzbar ist anstatt nur davon zu träumen, was alles potentiell möglich ist. Anders formuliert: Auf einer einsamen Insel mache ich aus Holz ein Feuer anstatt von einem Gasherd zu träumen.
  4. Sei beharrlich. Irgendetwas geht immer. Sich auf Machbares zu konzentrieren, bedeutet nicht, sich zu limitieren. Das Feuer auf der Insel geht nicht von alleine an. Der Gasherd muss allerdings erst geliefert werden.
  5. Nutze jede Chance zur persönlichen Weiterentwicklung. Das Leben ist eine fortwährende Möglichkeit des Lernens. Sie haben keine Lust, Ihr gebrauchtes Auto an durchtriebene KFZ-Händler zu verkaufen? Willkommen im Club. Kann aber auch Spaß machen.
  6. Wer zu früh plant, plant meist doppelt. Wer kennt das nicht? Der Urlaub wurde perfekt geplant und dann kommt alles ganz anders. Und je mehr ich plante, umso verärgerter bin ich. Wäre es da nicht viel entspannter, nur die groben Rahmendaten ins Visier zu nehmen und die Details vor Ort zu entscheiden?
  7. Umwege erhöhen die Ortskenntnis (Bertolt Brecht). Warum sollte es schlimm sein, wenn wir uns verlaufen? Am Ende lernen wir noch den Partner fürs Leben kennen oder entdecken wenigstens ein spannendes neues Restaurant.
  8. Vertraue auf andere. Am Ende kommt immer etwas heraus, das nicht dem Weltuntergang gleicht. Wenn es Ihnen schwer fällt eine Führungsaufgabe abzugeben und loszulassen, kommt es auf einen Versuch an. Und wenn andere Menschen Aufgaben anders erledigen heißt das noch lange nicht, dass es schlecht wird. Aber Vorsicht: Am Ende läuft der Laden auch ohne Sie.
  9. Vertraue auf das System der Selbstorganisation. Selbstorganisation ist die langfristige Fortsetzung des Vertrauens in andere, erfordert jedoch Zeit und Geduld.
  10. Vermeide zu viel Routine. Warum nicht mal einen anderen Weg zur Arbeit nehmen als den üblichen?

Dieser Artikel wurde in leicht veränderter Form aus dem eBook “Wie kompetent muss ich sein?” (externer Link) entnommen.

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