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Serendipity – Den Zufall für sich nutzen

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Was bedeutet Serendipität?

Serendip ist ein alter Sanskrit-Name für Ceylon, dem heutigen Sri Lanka. Der Name geht auf eine Geschichte zurück, in der die Söhne des weisen Königs Jafer allerlei kuriose Erlebnisse entlang ihrer Reisen erleben. Die Moral von der Geschichte: Mit der nötigen Beobachtungsgabe erkennt man Dinge, die anderen verborgen bleiben – und hilft damit seinem Glück auf die Sprünge.

Das Kunstwort Serendipität oder häufiger Serendipity bezeichnet also das Stolpern über eine Sache, nach der man nicht gesucht hat, die jedoch ein Problem auf überraschende Weise lösen kann, wenn ich offen dafür bin. Es braucht also sowohl ein Ziel als auch die Bereitschaft, offen für ungeplante Erkenntnisse auf dem Weg dorthin zu sein.

Welche Rolle spielt der Zufall in unserem Leben?

Der Zufall spielt in unserem Leben eine größere Rolle als wir glauben. Alleine die Liste an zufälligen Erfindungen ist riesig und reicht von Teflon-Pfannen über Penicilin, Post-its, Weißwürste und Brezeln bis zu Kartoffel-Chips. Der Zufall durchdringt sozusagen unser Leben und spielt auch in alltäglichen Begegnungen eine große Rolle. Ein Team um den Sozialpsychologen Mitja Back untersuchte vor Jahren, wie Freundschaften entstehen. Die Forscher verteilten Studienanfänger per Los in einem Hörsaal. Auf ihrem Platz angekommen, stellte sich jede/r kurz vor und wurde von den anderen bezüglich ihrer oder seiner Sympathie eingeschätzt. Ein Jahr später wurde untersucht, wer miteinander befreundet war. Die Sympathiewerten spielten hier allerdings keine große Rolle. Wichtig war v.a. wer neben wem in der Reihe saß.

Zufall versus Planung

Im Rückblick versucht der Mensch Begebenheiten oft einen Sinn zu vermitteln oder sich selbst eine gute Planung zuzuschreiben: „Es musste einfach so kommen. Das war schon gut so. Wer weiß, wozu es gut war? Auf jeden Fall habe ich genau richtig gehandelt.“

Dass vieles aus Zufall entstand fühlt sich seltsam an. Stattdessen ist der eigene Partner der perfekte „match“. Der Urlaub der bestmögliche. Und der eigene Job genau der richtige. Wir wissen genau, dass das nicht stimmt. Wir wären auch mit jemand anderem glücklich geworden. Woanders wäre es auch schön geworden. Und vielleicht hätten wir insgeheim ganz gerne einen anderen Job. Aber daran zu denken könnte unglücklich machen. Denn dann hätten wir eventuell anders handeln müssen. Und wichtige Ereignisse in unserem Leben dem Zufall zuzuschreiben fühlt sich stark nach Kontrollverlust an.

Zufall versus Schicksal

Ein wenig anders sieht es mit dem Schicksalsgedanken oder einer (göttlichen) Fügung aus. Dann wird aus einem langweiligen und beliebigen Zufall eine Bestimmung. Dass ich meine Partnerin kennenlernte war vorbestimmt. Dass ich diesen Menschen in genau dieser Stadt zu diesem Zeitpunkt traf, der mir später einen Job vermittelte, war ebenfalls Fügung. Natürlich könnte ich auch sagen: Zufall. Oder: Ich habe viel dafür unternommen. Viele Kontakte geknüpft und irgendwas davon musste ja fruchten. Doch während ich beim einen keine Kontrolle über mein Leben habe, kann mich das zweite – auf Dauer überfordern. Bei einem erfolgreichen Leben kann ich mich vielleicht noch auf meine Serendipity verlassen und den Zufall herausfordern. Doch bei einem weniger erfolgreichen Leben, Durststrecken oder unerklärlichen Begebenheiten kann es sehr entlastend sein, das eigene Scheitern an eine äußere Instanz, das Schicksal meinetwegen, abzugeben.

Wie wird der Zufall positiv herausgefordert?

Ich kann bspw. in einem Gespräch meinem Gegenüber möglichst viele Anknüpfungspunkte bieten, über meine Arbeit sprechen, Filme erwähnen, Hobbys oder das Buch, das ich gerade lese.

In Projekten kann ich zu Beginn möglichst viele Ideen sammeln, diese ein Stück weit weiterverfolgen und dann fallen lassen, wenn sich nichts daraus ergibt. Ich sollte mich also nicht sofort festlegen.

Im Urlaub könnte ich mich durch eine Stadt treiben lassen, Menschen im Restaurant beobachten und darauf reagieren, was mir im übertragenen Sinn die Katze vor die Tür legt.

Hilfreich dafür sind nicht nur Neugier und eine hohe Frustrationstoleranz, sondern auch die Fähigkeit Situationen schnell zu erfassen, zu analysieren und Schlüsse daraus zu ziehen. Mit solchen Eigenschaften geht meist auch ein großes soziales Netzwerk einher.

Doch anstatt uns von etwas Unerwartetem positiv überraschen zu lassen, ärgern wir uns meist darüber. Wir sehen das Unerwartete eher als Hindernis, um unser Ziel zu erreichen anstatt als Chance.

Mehr Führung wagen

Wir leben in einer Zeit, in der Selbstständigkeit und Beteiligung als hohe Werte gelten. Sowohl in der Arbeit als auch privat. Wir erledigen unsere Bankgeschäfte selbst, sollen uns eine fundierte Meinung bilden (am besten zu allem) und uns in Diskussionen einbringen, im Homeoffice eigene Entscheidungen treffen und uns in Teamprozesse partizipativ einbringen.

Soweit so gut. New Work ist eine feine Sache. Es macht ja die Menschen durchaus glücklich und zufrieden, wenn sie nach ihrer Meinung gefragt werden, selbst- und mitbestimmen dürfen. Vermutlich will kaum jemand von uns zu einer Führung nach Gutherren-Manier zurück.

Kann es jedoch sein, dass die ständige Selbst- und Mitbestimmung viele Menschen nach einer anfänglichen Euphorie überfordert?

Kann es sein, dass die Überindividualisierung unserer westlichen Welt im Homeoffice viele Mitarbeiter*innen zunehmend vereinzelt und sie sich sehnlichst ein soziales Auffangbecken wünschen, in dem sie für kritische Entscheidungen nicht selbst verantwortlich sind?

Kann es sein, dass sich im Zuge krisenhafter Bedingungen (hohe Fluktuation, Krankheitswellen, strukturelle Dauerunterbesetzung, private soziale Belastungen, etc.) viele Mitarbeiter*innen weitaus weniger Partizipation und Selbstbestimmung wünschen, sondern stattdessen wieder mehr Regeln, vorgegebene Dienstpläne und klare Verhaltensanweisungen?

Brauchen wir folglich gerade in Krisenzeiten wieder eine deutlichere Führung, die ihren Mitarbeiter*innen einen Krisenplan vorgibt, in dem beschrieben wird, dass es in Notfällen nur noch um ein Überleben im weitesten Sinn geht, indem weniger dringende Projekte verschoben werden, eine 80%-Leistung nicht nur erlaubt, sondern erwünscht ist, Meetingzeiten reduziert werden, usw.?

Aus meiner Erfahrung ist es genau das, was sich überforderte Mitarbeiter*innen in Krisenzeiten wünschen und erhoffen, sich jedoch selten auszusprechen trauen, weil es nicht dem Zeitgeist entspricht.

Führungskräfte als Krisenmanager

Die Ereignisse haben sich in den letzten Wochen überschlagen. Für mich ebenso wie für viele meiner Kunden. Corona stellt offensichtlich alles auf den Kopf.

Die Uhren scheinen aktuell schneller zu ticken als sonst. Manche Bildungsanbieter stellen schnellstens auf E-Learning um. Mitarbeiter gehen in Homeoffice. Führungskräfte lernen im Schnellverfahren und Learning-by-doing, per Distanz zu führen.

Vor einem Monat kam mein aktuelles Buch bei Springer Gabler “Die Führungskraft als Mediator” (externer Link) heraus. Immer noch aktuell, nur: Wer hat aktuell Zeit für ein ganze Buch?

Aus diesem Gedanken heraus entstand das nun vorliegende E-Book (externer Link), geschrieben in einer Art Fieberwahn in der letzten Woche: Die Führungskraft als Krisenmanager. Ausgehend von der Corona-Krise bietet es eine Handreichung auf guten 50 Seiten, wie Führungskräfte in Krisen ihren Mitarbeitern Orientierung und Sicherheit bieten können, um gemeinsam einen Weg aus der Krise zu finden. Wie immer bei mir mit einer Menge praxiserprobter Tools, die sofort anwendbar sind.

Wann ist Agilität sinnvoll und wann nicht?

Der Hype um agile Vorgehensweisen dringt in alle Bereiche vor. Dabei wehren sich manche Mitarbeiter vehement gegen die Veränderungen, die stetige Anpassungsprozesse mit sich bringen. Dass sie mit dieser Weigerung ab und an durchaus recht haben, zeigt die folgende Auseinandersetzung damit, wann Agilität sinnvoll ist und wann nicht:

  1. Manche Tätigkeiten und Abläufe sind für stetige Anpassungsprozesse schlichtweg nicht geschaffen. Adaptionsprozesse würden nur zu einem Chaos führen.

  2. Es gibt Tätigkeiten und Abläufe, bei denen es cleverer ist, Experten zu fragen anstatt Kunden. Der Kunde hat zwar Bedürfnisse und oft auch clevere Ideen, ist oftmals aber auch momentgetrieben, zum Beispiel übertrieben preisorientiert, ohne an langfristige Effekte seines Kaufverhaltens zu denken.

  3. Am prädestiniertesten für Schwarmintelligenz und Agilität sind komplexe, undurchsichtige Situationen, die zuerst einmal geklärt werden müssen.

  4. Chaotische Situationen hingegen können durch eine agile Führung zu Panik führen. In diesen Situationen braucht es eine klare Führung und Lenkung, um die Kontrolle über die Situation zurück zu gewinnen.

Da Bilder mehr als 1000 Worte sagen: Ein Schiff macht sich auf die Reise.

  1. Das Schiff wird gepackt. Dazu gibt es klare Listen, Vorgaben und logische Abläufe.

  2. Für die Reise braucht es Experten im Team, die navigieren, steuern, kochen können, usw. Auf die Essenswünsche der Crew einzugehen, ist sinnvoll. Eine Kartoffelsuppe kann jedoch nur gekocht werden, wenn genügend Kartoffeln da sind.

  3. Strandet das Schiff auf einer Insel, in der es nicht mehr darum geht, zu navigieren oder zu kochen, in der also die Experten überfragt sind, ist es sinnvoll, alle Crewmitglieder vom Offizier bis zum Ruderer, nach ihrer Meinung zu Erkundung der Insel zu befragen.

  4. Gerät das Schiff in einen Sturm, muss der Kapitän, evtl. in Absprache mit dem Steuermann, klare Ansagen machen, bis sich der Sturm wieder legt.

Agil-demokratische Teamentwicklung

Bedenken gegen Agilität und Demokratie

Der Agilität wird oftmals vorgeworfen, dass sie ins Chaos führe. Jeder pickt sich nur noch die Rosinen heraus, machen nur das Nötigste, Qualität und Leistung leiden, missliebige Aufgaben werden nicht mehr übernommen und am Ende weiß niemand, wer was zu tun hat.

Würden wir eine hierarchische Organisation von heute auf morgen in eine selbstorganisierte überführen, bräche Chaos aus. Selbstorganisation will gelernt sein. Tatsächlich ist es wichtig, Autonomie und Kreativität bei einer großen Zahl der Mitarbeiter erst wieder anzulernen.

Um Teams zu mehr Selbstorganisation anzuleiten, braucht es deshalb Regeln und Strukturen zur Überleitung von hierarchischen Abläufen hin zu mehr Demokratie. Offensichtlich gilt es, Autonomie und Kreativität wieder zu erlernen, nachdem unser Schul- und Universitätssystem uns diese Fähigkeiten aberzog.

Agil-demokratische Teamentwicklung mit der 4R-Methode

Für einen raschen Einstieg in die agile Teambildung entwickelte der Autor die 4R-Methode. Die 4R bieten einem Team eine Orientierung, um Überforderungen auf dem Weg zu mehr Autonomie und Demokratie zu vermeiden:

4R

Wir beginnen mit den Rollen und folgen dem Uhrzeigersinn:

  • Die strikten Rollen von Teamleiter und Gefolge lösen sich auf. Dafür bilden sich neue Rollen aus wie Visionär, Entwickler, Planer, Organisator, Beziehungsförderer, Promotor und Kontrolleur.

  • Richtlinien sind keine konkreten, fixen Regeln, grobe Orientierungen im Sinne eines Wertegerüsts. Bei Netflix gibt es beispielsweise die Richtlinie: Entscheidungen werden so autonom getroffen wie möglich und so vernetzt wie nötig.

  • Während Richtlinien einem Team ein gemeinsames Wertegerüst verleihen, bieten uns Regeln ein engeres Korsett. Verstöße gegen Regeln werden strenger gehandhabt als gegen Richtlinien. Mögliche Teamregeln lauten:

    • Angriffe sollten immer sachlich und niemals persönlich sein.  Im Zweifel nachfragen.

    • Jeder hat recht, aus seiner Perspektive.

    • Und besonders für Teamleiter: Erst zuhören, dann reden.

  • Rituale schließlich sind verbindliche, regelmäßige Strukturen, die einem Team einen festen Rahmen verleihen. In vielen Teams gibt es Freitagnachmittags die wöchentliche Dosis Lessions learned:

    • Was lief diese Woche gut? Was lief schlecht? Was können und wollen wir verändern und verbessern?

    Ansich könnte dieses Ritual einem Team eine Struktur verleihen, glichen die meisten Feedbackrunden nicht einem Nichtangriffspakt, bevor sich jeder so schnell wie möglich ins Wochenende verabschiedet.

    Und vielleicht führen zu Sie zusätzlich zu echten Feedbackrunden das Ritual ein, dass Teamleiter jedesmal beim Delegieren “Aua” sagen, wenn ihnen das loslassen schwer fällt.

Anmerkung: Den vollständigen Artikel finden Sie hierDie 4R-Methode dürfen Sie gerne benutzen. Ich würde mich allerdings über meine Nennung als Autor freuen. Ansonsten bin ich selbstredend als Moderator, Mediator, Facilitator und Teamentwickler buchbar, mit dieser und einigen anderen Methoden: info@m-huebler.de, Stichwort: Teamentwicklung