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Mit einer Persönlichkeits-Inventur zu nachhaltigen Veränderungen

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Dass wir uns gerade in einer sich schnell drehenden Welt anpassen und verändern sollten, liegt auf der Hand. Doch wie einfach ist es, sich zu weiterzuentwickeln?

In meinen Konfliktmanagement-Seminaren frage ich manchmal zu Beginn ab, in wessen Familie offen diskutiert und gestritten wurde und bei wem offene Konflikte tabu waren, meist mit Rücksicht auf ein erkranktes Elternteil. Die Erkenntnisse dieser Mini-Umfrage decken sich ziemlich genau mit der Frage, wer eher offen und unerschrocken und wer eher zurückhaltend in Konfliktgespräche geht. Aus solchen Erfahrungssituationen unseres Lebens entsteht dann nach und nach ein mutiges, neugieriges, (un)geduldiges, aufbrausendes, ausdauerndes, selbstreflexives, willensstarkes, aushaltendes, gütiges, strenges, vertrauendes oder skeptisches Selbst.

An dieses Unbewusste kommen wir heran, wenn wir eine Liste zusammen stellen aus Satzanfängen wie:

  • Ich bin ein Mensch, der …
  • Oder: Ich bin nicht ein Mensch, der …

Diese Satzanfänge lassen sich mit verschiedenen Rollen ausweiten, die wir im Leben einnehmen: Mann, Frau, Kolleg*in, Freund*in, Vater, Mutter, Führungskraft, usw.

Aber Vorsicht! Bei den Rollen vermischt sich die eigene Sicht mit Erwünschtheiten. Deshalb ist es wichtig, klar zwischen der eigenen Sichtweise und fremden Erwartungen zu trennen, um herauszufinden, worin das Eigene besteht.

Was bin ich also für ein Mensch? Was bin ich für eine Führungskraft? Und wie kann ich mich verändern? Dazu möchte ich Ihnen ein Programm aus drei Schritten anbieten:

Schritt 1: Inventur

Als erstes brauchen wir eine Inventur der oft unbewussten inneren Selbstaussagen:

  • Ich könnte ein Mensch sein, der lange Diskussionen nicht aushält.
  • Ich könnte jemand sein, die es meist sehr genau nimmt, auch bei der Vorbereitung eines Sommerfests.
  • Ich könnte ein Mensch sein, der sehr gut und geduldig zuhören kann (oder auch nicht).
  • Ich könnte jemand sein, der sich von der Enttäuschung eines Mitarbeiters leicht mitreißen lässt. Oder, der sich im Gegenteil gut abgrenzen kann.
  • Ich könnte sehr kritisch gegenüber Neuerungen sein. Oder stattdessen schnell zu begeistern sein.
  • Es könnte mir leicht oder schwer fallen, Entscheidungen gegen Widerstände durchzusetzen.

Schritt 2: Einordnung des Inventars

Als zweites ist es wichtig, unser Inventar zu sortieren. Folgende Kategorien sind dazu hilfreich:

  1. Damit bin ich zufrieden. Das kann so bleiben, weil ich damit Erfolg habe.
  2. Damit bin ich unzufrieden. Das will ich verändern, weil ich damit keinen Erfolg habe und mir mein Leben oder meine Arbeit erschwere.
  3. Damit bin ich selbstzufrieden. Denn insgeheim könnte es sein, dass ich nur zu bequem bin, um mich zu verändern.

Schritt 3: Weiterentwicklung

Wie jedoch lässt sich das eigene Selbst überarbeiten?

Zuerst einmal ist es wichtig, das eigene Selbst zu wertschätzen: Da ist eine Macherin, ein Empath, ein Mutiger oder eine Neugierige. All das ist erst einmal gut und hilfreich. Wir sind jedoch nicht nur ein mutiger Typ, sondern auch ein mutiger Typ. Es geht also um Differenzierung anstatt Ausschluss. Die Frage ist nur: In welchen Situationen ist welcher Selbst-Anteil von mir sinnvoll?

Zum zweiten stellt sich die etwas kompliziertere Frage, warum mir ein Teil meiner selbst wichtig erscheint. Warum halte ich Diskussionen nicht aus bzw. warum “muss” etwas in mir nach maximal zehn Minuten ein Machtwort sprechen?

Zur tieferen Beschäftigung mit den Hintergründen von meinem Selbst ist die Warum-Methode aus dem japanischen Lean-Management hilfreich. Im Ursprung lautete die Anleitung dazu: Frage fünf mal Warum, bevor du eine Entscheidung triffst. Analog dazu könnte die Anleitung hier lauten: Frage fünf mal Warum, um zu erkennen, wer du wirklich bist und was dir wichtig ist:

  1. Warum halte ich Diskussionen nicht aus? → Weil wir dann nicht mit der Arbeit voran kommen.
  2. Warum ist es mir wichtig, mit der Arbeit voran zu kommen? → Weil es in meiner Verantwortung als Chef liegt.
  3. Warum ist mir Verantwortungsübernahme wichtig? → Weil mir Kontrolle wichtig ist?
  4. Warum ist es mir wichtig, Kontrolle zu haben? → Weil es sich sicherer anfühlt. Ich weiß dann, was als nächstes zu tun ist.
  5. Warum ist es mir wichtig, zu wissen, was als nächstes zu tun ist? → Weil ich mich ungern auf Unwegbarkeiten einstelle.

Manchmal braucht es mehr als fünf Runden, manchmal weniger. Fakt ist jedoch: Wir stellen unser Selbst bzw. uns selbst infrage, werfen dadurch ein Licht auf Stellen, die wir ansonsten ungern beleuchten und sind durch diese Bewusstmachung in der Lage, an uns zu arbeiten und uns weiter zu entwickeln. Es geht nun nicht mehr darum, Diskussionen per se laufen zu lassen. Es kann durchaus sinnvoll sein, an der ein oder anderen Stelle ein Machtwort zu sprechen. Es geht vielmehr darum, für sich selbst zu klären, wie ich besser mit Unwegbarkeiten umgehen kann bzw. den daraus resultierenden Kontrollverlust besser aushalte. Bereits diese Selbst-Erkenntnis ist ein erster, essentieller Schritt in Richtung Veränderung.

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Ein ehrlicher Umgang mit Veränderungen

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Wie oft befinden wir uns in diesem großen Als-ob-Spiel? Wir tun so, als würden wir genau wissen, was zu tun ist. Die Mitarbeiter*innen wissen im Rahmen von Ankündigungen großer Veränderungen natürlich, dass das nicht stimmt, weil die Erfahrung oft genug zeigte, dass es anders kam. Und wenn das dann passierte, wird es nicht heißen: Wir haben gelogen. Oder: Wir wussten es nicht besser. Sondern: Wir mussten reagieren. Oder: Wir haben schnell gelernt. Wenn uns das nicht an die Politik der letzten Jahre erinnert?

Doch die meisten Mitarbeiter*innen spielen trotz besseren Wissens dieses Spiel mit. Entweder weil sie davon ausgehen, dass es ohnehin nichts bringen würde, Kritik zu üben. Oder weil sie bereits aufgegeben haben. Oder weil es zu anstrengend ist. Sie konzentrieren sich auf ihr Alltagsgeschäft und blenden den Rest aus. Der kleine Rest, der Kritik über, gilt als Pessimist und Querulant.

Wie sagt der Kabarett-Comedian Till Reiners so treffend: „Die Wahrheit ist wie ein entfernter Verwandter. Schon nett, muss jetzt aber nicht jeden Tag sein.“

Ginge das nicht anders? Irgendwie würdevoller. Wie wäre es damit:

„Die Fakten sind uns wohl allen weitgehend bekannt. Klar ist auch, dass wir handeln müssen. Denn, wenn wir jetzt nicht handeln, verpassen wir Chancen, den Anschluss an die Konkurrenz, was auch immer. Wir könnten jetzt so tun, als ob wir genau wüssten, was zu tun ist. Das wäre jedoch gelogen. Wir schiffen sicherlich nicht im Trüben. Wir rechnen mit Wahrscheinlichkeiten. Wir sichern uns ab. Wir lassen uns beraten. Und wir bringen eine Menge Erfahrungen aus den letzten Jahrzehnten mit. Dennoch wissen wir nicht zu 100%, ob das, was wir heute tun, genau zu dem führt, was wir uns erhoffen. Es bleibt also immer ein wenig wackelig. Ich würde es mir anders wünschen. Oder auch nicht: Denn dann würden wir in einem Determinismus leben, der das Leben letztlich langweilig macht. Ist es nicht so? Wir heiraten, bekommen Kinder, erlernen einen Beruf und wünschen uns, dass alles so wird, wie wir uns das immer erträumt haben … Und dann kommt es doch anders. Wir merken nach einigen Jahren, dass unser*e Partner*in eigene Wünsche hat, die nicht mehr zu unseren passen, dass unsere Kinder Schulprobleme haben, dass unser Beruf unsere Neigungen weniger trifft, als wir uns das im Studium oder unserer Ausbildung dachten. Was also tun? Würden wir mit dem Wissen in ein paar Jahren heute anders handeln, um vielleicht anders enttäuscht zu werden? Wir hätten dann nicht geheiratet und keine Kinder und wüssten nicht einmal, was wir verpassen. Und wir hätten einen anderen Job, der sich ebenfalls als schwierig herausstellt. Wer die Bremsen an seinem Fahrrad repariert, weiß, was er tun muss, damit es später funktioniert. Komplexe Entscheidungen, insbesondere, wenn sie viele Menschen betreffen, sind immer unsicher. Wir werden nach bestem Wissen und Gewissen handeln. Dennoch geht es letztlich nicht nur darum, was wir heute entscheiden, sondern auch darum, wie wir uns gemeinsam auf diese Entscheidung einlassen und mit allen Folgen dieser Richtungsentscheidung umgehen, v.a. wenn wir später Anpassungen vornehmen müssen. In diesem Sinne hoffe ich, dass wir gemeinsam einen guten Weg für die Zukunft einschlagen, mit dem wir alle – trotz Unsicherheit – gut leben können.“

Wie sich das Konzept der Meta-Emotion in der Führung nutzen lässt

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Meta-Emotionen sind Emotionen über Emotionen. Macht es mich bspw. wütend, dass ich Angst habe? Oder macht es mich noch ängstlicher? Wenn wir also zu oberflächlich auf Emotionen blicken, die bspw. im Rahmen einer Veränderung bei Mitarbeiter*innen ausgelöst werden, ist das zu kurz gedacht.

Untersucht wurde das Phänomen der Meta-Emotionen u.a. anhand der Frage, warum Menschen Filme anschauen und was sie daraus ziehen. Dazu führten Anne Bartsch u.a. einige Studien durch. Zusammenfassend stellten sie folgendes fest:

  • Manche wollen Spaß haben, andere suchen Nervenkitzel oder Rührung.
  • Negative Emotionen wie Angst, Horror, Trauer oder Spannung werden als positiv erlebt. Dies weist auf die bereits erwähnten Meta-Emotionen hin.
  • Gleichzeitig regen vermeintlich negative Emotionen zum Nachdenken an und verändern die Sichtweise auf die Welt, insbesondere bei Dramen oder intelligenten Krimis. Es wird oft also nicht nur der bloße Konsum gesucht.
  • Viele Studienteilnehmer*innen gaben ebenso an, sich gerne über das Erlebte auszutauschen, wobei dies noch mehr für Serien gilt.
  • Frauen tendieren mehr dazu, traurige Filme positiv zu bewerten, während Männer eher spannende Filme positiv betrachten.
  • Die Nachdenklichkeit über Filme nimmt mit dem Alter zu.

Meta-Emotionen in Veränderungen

Wenn wir diese Erkenntnisse auf Veränderungen in Unternehmen übertragen, geht es zum einen nicht nur darum, ob Mitarbeiter*innen im Zuge einer geplanten Veränderung Angst haben, wütend oder enttäuscht sind, sondern auch darum, wie sie diese Angst, Enttäuschung oder Wut bewerten. Prinzipiell sind daher viele Zusammenspiele zwischen Emotionen und Meta-Emotionen möglich:

EmotionenMeta-Emotionen
Wut über die VeränderungAngst davor, in der Wut die Beherrschung zu verlieren,
Wut über die eigene Wut, sofern es unangenehm ist wütend zu sein.
Enttäuschung darüber, die eigene Beherrschung zu verlieren.
Angst vor der VeränderungAngst vor der eigenen Angst.
Wut über die eigene Angst, weil Angst als Zeichen von Schwäche gelten kann.
Enttäuschung über sich selbst, ängstlich zu sein.
Enttäuschung über den Ablauf der VeränderungAngst davor, enttäuscht zu werden und daher Leugnung der Realität.
Wut über die Enttäuschung, weil Enttäuschung schmerzhafter ist als Wut.
Enttäuschung über sich selbst, anscheinend zu blauäugig gewesen zu sein bzw. zu viel Vertrauen gehabt zu haben.

Wenn also Mitarbeiter*innen an der Oberfläche wütend sind, kann es sich um eine Wut auf die Veränderungsmaßnahme handeln, um eine Wut auf die eigene Unsicherheit oder sogar um eine Verdrängung der eigenen Enttäuschung. Oder aber Mitarbeiter*innen befürchten nicht nur die einschneidenden Veränderungen an sich, sondern fürchten sich gleichzeitig vor der eigenen Angst. Schließlich können Mitarbeiter*innen enttäuscht darüber sein, wie sich Prozesse entwickeln oder auch wütend darüber, dass sie der Geschäftsleitung vermeintlich zu viel Vertrauen entgegen brachten.

Während Emotionen sichtbar sind, müssen Meta-Emotionen erschlossen werden, können jedoch einen entscheidenden Schlüssel für erfolgreiche Veränderungsprozesse liefern, indem Führungskräfte Hypothesen aufstellen und deren Richtigkeit in ihren Teams abklären:

„Ich sehe, wie aufgebracht und wütend ihr seid. Seid ihr wütend, weil ihr glaubt, das geht in eine vollkommen falsche Richtung (Emotion)? Oder seid ihr wütend, weil euch das alles eiskalt erwischt und ihr erst einmal nicht wisst, wie es weitergehen soll (Meta-Emotion 1)? Oder seid ihr vielleicht sogar enttäuscht von der Geschäftsleitung, weil das auf einmal ganz schnell gehen muss (Meta-Emotion 2)?“

Die positive Bewertung negativer Emotionen

Zum anderen wissen wir aus den Film-Studien von Bartsch u.a., dass negative Emotionen wie Trauer und Spannung auch positiv bewertet werden können. Der große Unterschied zu Filmen ist jedoch die reale Situation. Filme lassen sich mit Abstand ansehen. Veränderungen in Unternehmen haben sofort einen direkten Einfluss auf das eigene Leben. Dennoch lässt sich auch hier mit dem Prinzip der Meta-Emotion arbeiten:

„Es klingt erst einmal seltsam, aber Ängste, Sorgen, Ärger oder Enttäuschung müssen nicht nur negativ sein, sondern können auch positive Effekte haben. Ich würde euren Ängsten, … gerne einen guten Rahmen geben, damit wir sie positiv nutzen können und uns in unseren Prozessen weiterbringen.“

Sich seiner selbst bewusst werden

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Wie einfach ist es, sich zu verändern? Diese Frage stellt sich umso mehr, je schneller sich die Welt um uns herum dreht. Ist es dann eher gut, so zu bleiben, wie wir sind – als Fels in der Brandung? Oder wäre es angebracht, sich weiter zu entwickeln?

Auf einer ganz praktischen Ebene stellt sich diese Frage in meinen Führungstrainings, wenn Teilnehmer*innen sagen: “Das klingt ja ganz gut, was Sie da sagen. Aber in der Praxis ist das nicht möglich.” Und eigentlich meinen sie: “So einfach ist das alles nicht. Ich bin nun mal … (eher zupackend, zurückhaltend, usw.).” Oder:”Ich bin eben kein Macher-Typ.”

In persönlichen Veränderungen haben wir es folglich immer mit mindestens zwei Ebenen zu tun:

  1. Wir nehmen etwas wahr, das wir tun könnten, anders machen könnten, usw.
  2. Wir nehmen wahr, was wir wahrnehmen und bewerten das Wahrgenommene.

In unserem Gehirn sitzt also ein kleiner Homunculus, ein kleines Menschlein, das uns beim Wahrnehmen beobachtet und entscheidet, was mit den neuen Informationen anzufangen ist. Diesen kleinen Menschen in uns drin können wir als unser Selbst bezeichnen. Dieses Selbst wiederum ist schwer zu (be)greifen. Wie auch? Besteht es doch aus unseren tiefsten, meist unbewussten Prägungen, die bis weit in unsere Kindheit zurückgehen. In meinen Konfliktmanagement-Seminaren frage ich manchmal zu Beginn ab, in wessen Familien offen diskutiert und gestritten wurde und bei wem nicht. Die Erkenntnisse dieser Mini-Umfrage decken sich meist ziemlich genau mit der Frage, wer eher offen und unerschrocken und wer eher zurückhaltend in Konfliktgespräche geht. Aus solchen und vielen weiteren Erfahrungssituationen unseres Lebens entsteht nach und nach unser Selbst. Unser Selbst könnte mutig, neugierig, (un)geduldig, aufbrausend, ausdauernd, selbstreflexiv, willensstark, aushaltend, gütig, streng, vertrauend, skeptisch, usw. sein.

An dieses Unbewusste kommen wir heran, wenn wir eine Liste zusammen stellen aus Satzanfängen wie:

  • Ich bin eben ein Mensch (Typ), der …
  • Oder: Ich bin nicht ein Mensch (Typ), der …

Diese Satzanfänge lassen sich mit verschiedenen Rollen ausweiten, die wir im Leben einnehmen: Mann, Frau, Kolleg*in, Freund*in, Vater, Mutter, Führungskraft, usw.

Aber Vorsicht! Bei den Rollen vermischt sich die eigene Sicht mit Erwünschtheiten. Deshalb ist es wichtig, klar zwischen der eigenen Sichtweise und fremden Erwartungen zu trennen, um herauszufinden, worin das Eigene besteht.

Was bin ich also für ein Mensch? Was bin ich für eine Führungskraft? Und wie kann ich mich verändern? Dazu möchte ich Ihnen ein Programm aus drei Schritten anbieten:

Schritt 1: Inventur

Als erstes brauchen wir eine Inventur der oft unbewussten inneren Selbstaussagen:

  • Ich könnte ein Mensch sein, der lange Diskussionen nicht aushält.
  • Ich könnte jemand sein, die es meist sehr genau nimmt, auch bei der Vorbereitung eines Sommerfests.
  • Ich könnte ein Mensch sein, der sehr gut und geduldig zuhören kann (oder auch nicht).
  • Ich könnte jemand sein, der sich von der Enttäuschung eines Mitarbeiters leicht mitreißen lässt. Oder, der sich im Gegenteil gut abgrenzen kann.
  • Ich könnte auch sehr kritisch gegenüber Neuerungen sein. Oder stattdessen schnell zu begeistern sein.
  • Es könnte mir leicht (oder schwer) fallen, Entscheidungen durchzuboxen.

Schritt 2: Einordnung des Inventars

Als zweites ist es wichtig, unser Inventar zu sortieren. Folgende Kategorien sind dazu hilfreich:

  1. Ich bin zufrieden. Ich kann so bleiben, weil ich damit Erfolg habe.
  2. Ich bin unzufrieden. Ich sollte mich verändern, weil ich damit keinen Erfolg habe und mir das Leben (oder meine Arbeit) erschwere.
  3. Ich bin selbstzufrieden. Denn insgeheim könnte es sein, dass ich nur zu bequem bin, um mich zu verändern.

Nehmen wir zur Verdeutlichung folgende Aussage: Ich bin nunmal ein Macher-Typ, der bei langen Diskussionen im Team ungeduldig wird und dann ein Machtwort spricht. Ich bin zufrieden. Die Diskussionen bei uns ufern nicht aus. Die Leute respektieren mich als starken Chef-Typen. Es ist jedoch auch so, dass kaum jemand von sich aus zu mir mit Problemen kommt. Zudem entstanden Diskussionen in letzter Zeit oft gar nicht mehr. Die Stimmung im Team ist extrem sachlich und produktiv. Emotionales gehört auch nicht unbedingt in die Arbeit. Dennoch merke ich, dass im Zuge der aktuellen Dauerbelastungen ein anderer Führungsstil (Stichwort: karitativ) manchmal sinnvoll wäre.

Im Grunde ist diese Führungskraft also mit sich zufrieden. Und dennoch ist da ein Funke Unzufriedenheit, der ihr suggeriert, dass sie ein wenig zu selbstzufrieden ist. Sie ist also wortwörtlich mit sich bzw. ihrem Selbst zufrieden. Wenn ich das erkenne, ist es der perfekte Zeitpunkt, an mir zu arbeiten bzw. mein Selbstkonzept zu überdenken.

Schritt 3: Weiterentwicklung

Wie jedoch geht das, das eigene Selbst zu überdenken?

Zuerst einmal ist es wichtig, das eigene Selbst zu wertschätzen: Da ist eine Macherin, ein Empath, ein Mutiger, eine Neugierige, usw. All das ist erst einmal idR. gut und hilfreich. Wir sind jedoch nicht nur ein mutiger Typ, sondern auch ein mutiger Typ. Es geht also um Differenzierung anstatt Ausschluss. Ich bspw. trete als Trainer als Experte auf, höre als Coach und Liebhaber gut zu, treffe als Vater Entscheidungen, v.a. als meine Kinder noch kleiner waren, usw. All das sind Teile meiner selbst. Die Frage ist nur, wann bin ich wer? In welchen Situationen ist welcher Selbst-Anteil von mir sinnvoll? Auch hier spielt wieder die bereits erwähnte Vermischung von Selbstkonzept und Rollen mit hinein.

Zum zweiten stellt sich die etwas kompliziertere Frage, warum mir ein Teil meiner selbst wichtig erscheint. Warum halte ich Diskussionen nicht aus bzw. warum “muss” etwas in mir nach maximal 10 Minuten ein Machtwort sprechen?

Zur tieferen Beschäftigung mit den Hintergründen von meinem Selbst ist die Warum-Methode aus dem japanischen Lean-Management hilfreich. Im Ursprung lautete die Anleitung dazu: Frage dich 5 mal “Warum”, bevor du eine Entscheidung triffst. Analog dazu könnte die Anleitung hier lauten: Frage dich 5 mal Warum, um zu erkennen, wer du wirklich bist und was dir wichtig ist:

  1. Warum halte ich Diskussionen nicht aus?
  • Weil wir sonst nicht mir der Arbeit weiter kommen.
  1. Warum ist es mir wichtig, mit der Arbeit voran zu kommen?
  • Weil es in meiner Verantwortung als Chef liegt.
  1. Warum ist mir Verantwortungsübernahme wichtig?
  • Weil ich dann das Gefühl habe, “alles” im Griff zu haben?
  1. Warum ist es mir wichtig, alles im Griff zu haben?
  • Weil sich das sicherer anfühlt. Ich weiß dann, was als nächstes zu tun ist.
  1. Warum ist es mir wichtig, zu wissen, was als nächstes zu tun ist?
  • Weil ich mich ungern auf Unwegbarkeiten einstelle.

Manchmal braucht es mehr als 5 Runden, manchmal weniger. Fakt ist jedoch: Wir stellen unser Selbst bzw. uns selbst infrage, werfen dadurch ein Licht auf Stellen, die wir ansonsten ungern beleuchten und sind durch diese Bewusstmachung in der Lage, an uns zu arbeiten und uns weiter zu entwickeln. Es geht nun nicht mehr darum, Diskussionen per se laufen zu lassen. Es kann durchaus sinnvoll sein, an der ein oder anderen Stelle ein Machtwort zu sprechen. Es geht vielmehr darum, für sich selbst zu klären, wie ich besser mit Unwegbarkeiten umgehen kann bzw. den daraus resultierenden Kontrollverlust besser aushalte. Bereits diese Selbst-Erkenntnis ist ein erster, essentieller Schritt in Richtung Veränderung.

Veränderungen richtig begleiten

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Führungskräfte kennen das Dilemma in Veränderungen. Manche Informationen sollen aus diplomatischen Gründen zurückgehalten werden. Gleichzeitig sind Teams und Abteilungen frustriert, wenn sie nicht wissen, was auf sie zukommt. Wie also sollten Teams in Veränderungen am besten begleitet werden?

Der Psychologe Shlomo Bresnitz führte dazu eine erhellende Studie durch. Er unterteilte eine Kompanie von Soldaten in vier Gruppen. Alle vier Gruppen sollten unter den gleichen Bedingungen einen Fußmarsch von 40 km absolvieren:

  • Die 1. Gruppe wusste von den 40 km und bekam regelmäßig die Rückmeldung ihres aktuellen Stands.
  • Die 2. Gruppe absolvierte den Gewaltmarsch ohne jegliche Informationen, auch nicht über die 40-km-Distanz.
  • Der 3. Gruppe wurde erzählt, sie hätten 30 km zu absolvieren. Kurz vor Ende kam dann die Hiobsbotschaft der restlichen 10 km.
  • Und der 4. Gruppe wurde erzählt, sie hätten 60 km abzuleisten.

Am Ende wurde der Cortisol- und Prolaktin-Spiegel der Soldaten gemessen, zwei Hormonen als Hinweis auf empfundenen Stress.

Welche Gruppe verzeichnete wohl den niedrigsten bzw. größten Stresspegel?

  • Spontan könnte man denken, Gruppe 4 müsste eigentlich gut dran sein. Sie hatten sich viel vorgenommen und es dann früher als geplant geschafft.
  • Spontan könnte man auch glauben, dass Gruppe 3 besonders schlecht dran war, weil es frustrierend ist, nach erreichtem Ziel weitere 10 km herunter zu reißen.

Fakt ist jedoch:

  • Gruppe 1 hatte den niedrigsten Stresslevel. Sie wussten immer woran sie waren.
  • Gruppe 2 erging es am schlechtesten. Sie hingen die ganze Zeit in der Luft und wussten nie, wie sie ihre Kräfte einteilen sollten.
  • Gruppe 3 war zwar sauer auf die weiteren 10 km, absolvierten diese jedoch ohne große Schwierigkeiten.
  • Gruppe 4 hingegen erging es fast noch schlechter als Gruppe 2. Die Aussicht auf 60 km war für viele aus der Gruppe so entmutigend, dass bereits nach 10 km die ersten Soldaten aufgaben. Diejenigen, die es bis zum Ende schafften, waren körperlich so am Ende, dass sie sich kaum über das vorzeitige Ende freuen konnten.

Was lässt sich daraus für Veränderungen lernen?

  • Mitarbeiter*innen sollten in Veränderungen so früh und so gut wie möglich informiert werden.
  • Den Teufel an die Wand zu malen in der Hoffnung, dass Mitarbeiter*innen sich freuen, dass es doch nicht so schlimm kommt, kann sich rächen.
  • Stattdessen ist es sinnvoller, kleine Meilensteine anzupeilen, wohlwissend, dass vermutlich noch mehr – noch nicht Spruchreifes – nachkommen wird.