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Das postmoderne Drama

Ganz ehrlich: Ich liebe die Postmoderne. Was heutzutage alles möglich ist, wäre bis vor kurzem beinahe ein Wunder gewesen:

  • Wir sprechen in Unternehmen offen über psychische Gesundheit.
  • Führungskräfte versuchen mit Mitarbeiter*innen auf Augenhöhe zu kommunizieren.
  • Ich kann in Trainingspausen bei Nicht-Wissen schnell Chatgpt fragen, um zumindest ein paar Ideen zu bekommen.

Gleichzeitig gilt nicht nur, dass wir mehr über die Funktionsweise von Maßnahmen und Systemen wissen, als wir verändern können. Wir können auch nicht mehr so tun, als wüssten wir es nicht besser.

1 Radikale Erkenntnisgewinne bei begrenzten Umsetzungsmöglichkeiten

Die Postmoderne ist geprägt von neurobiologischem Wissen, systemtheoretischen Einsichten und Erkenntnissen aus Soziologie und Organisationspsychologie, die teilweise auch schon einige Jahre auf dem Buckel haben, aber erst jetzt so richtig im Mainstream angekommen sind. Dadurch wissen wir heute ziemlich genau, dass beispielsweise Einzelmaßnahmen in Unternehmen systemisch kaum wirken, wir wissen, welche Nebenwirkungen sie haben oder dass sie oftmals sogar kontraproduktiv sind:

  • Motivations- und Mindset-Workshops ohne strukturelle Reformen führen eher zu Frustrationen, weil dadurch die Lücke zwischen persönlichen Chancen und strukturellen Hemmnissen nur noch sichtbarer werden.
  • KI-Systeme werden meist von denjenigen genutzt, die ohnehin schon gut sind, wodurch deren Produktivität noch mehr steigt, während Skeptiker und Unsichere den Anschluss verpassen.
  • Die Arbeit im Homeoffice reproduziert nicht nur gesellschaftliche Privilegien, sondern kommt v.a. denjenigen entgegen, die ohnehin schon selbstorganisiert arbeiten und die ohne Störungen von Kolleg*innen jetzt noch schneller werden, während die Unorganisierten in der Luft hängen.

Die Liste ließe sich endlos fortführen:

  • Wer geht am liebsten auf externe Fortbildungen? Diejenigen, die es brauchen könnten oder diejenigen, die ohnehin schon gut sind und sich damit langfristig aus dem Unternehmen fortbilden?
  • Selbst die simple Frage, wer eine Aufgabe übernehmen will, erweitert oftmals die Kompetenz-Schere, weil sich darauf diejenigen melden, die sich das zutrauen und sich damit noch mehr weiterentwickeln.

Wir wissen also, dass Einzelmaßnahmen ohne strukturelle Veränderungen das aktuelle Probleme der Leistungs- und Verantwortungs-Schere eher noch verstärken. Gleichzeitig wissen wir aber auch, dass Systeme träge sind, starke Selbststabilisierungsmechanismen haben und sich einer stringenten Steuerung entziehen.

Daraus zu schlussfolgern, dass es am besten wäre, die Dinge laufen zu lassen, kann jedoch auch keine Lösung sein, wenn wir hoffnungsvoll und ernsthaft etwas verbessern wollen. Weil also echte Systemveränderung schwierig ist, machen wir das, was kurzfristig möglich ist:

  • Themenspezifische Trainings, Coachings und Mediationen
  • Etablierung von KI-Tools als Assistenz
  • Anpassung von Arbeitsmodellen in Richtung mobiles Arbeiten
  • Führungscurricula und Kompetenzprogramme

Wohl wissend, dass auch hier in den meisten Fällen gilt: Diejenigen, die offen für solche Maßnahmen sind, profitieren am meisten davon, wodurch Ungleichheiten evtl. verschärft werden.

2 Konsequenzen für Organisationen und Führungskräfte

2.1 Maßnahmen nicht isoliert durchführen, sondern als Paket

Weil beinahe jede Einzelmaßnahme Nebenwirkungen erzeugt, sollten flankierend immer strukturelle Veränderungen mitgedacht werden.

Am Beispiel KI-Nutzung:

  • KI-Recherchen greifen logischerweise auf vorhandene Daten zurück. Wurden diese Daten jedoch aus einer bestimmten Sichtweise verfasst, wird durch die Nutzung der Daten diese Sichtweise verstärkt (Stichwort: Bias). Einfach formuliert: Wird auf Daten zurückgegriffen, die nur von weißen Männern zwischen 25 und 30 Jahren verfasst wurden, braucht es eine diverse Gruppe, um diese Daten zu bewerten.
  • Der Zugang zu KI-Tools sollte allen zugänglich sein.
  • Es braucht ein Mentoring für weniger digital-affine Gruppen.

2.2 Kleine kulturelle Veränderungen

Um Abhängigkeiten von individuellen Kompetenzen zu verhindern, braucht es gleichzeitig kleine Eingriffe, die jedoch langfristig den kulturellen Rahmen verändern können:

  • Transparente Beförderungskriterien statt rein informellen Entscheidungen
  • Standardisierte Kompetenzprogramme und Führungscurricula anstatt individuellen Leistungsbeurteilungen
  • Interne (Pflicht-)Seminare für alle anstatt freien Weiterbildungsbudgets, die nur wenige nutzen
  • Rotationsprogramme, um Wissen und Chancen fair zu verteilen

2.3 Reflexive Führung fördern

Postmoderne Organisationen brauchen Führungskräfte, die verstehen, dass Maßnahmen Nebenwirkungen haben, Verantwortung immer geteilt werden sollte und sie daher häufig kontraintuitiv handeln sollten:

  • Diejenigen zu Fortbildungen schicken, die keine Lust haben.
  • Aufgaben an diejenigen verteilen, die etwas noch nicht können.
  • Und diejenigen zurück pfeifen, die nur allzu gerne neue Aufgaben übernehmen.

Sie sollten daher immer die langfristige Perspektive mitdenken:

  • Kurzfristig ist es sinnvoll, Aufgaben an bereits kompetente Mitarbeiter*innen zu verteilen, weil es Zeit spart und die Qualität vermutlich passt.
  • Langfristig ist es sinnvoller, genau das Gegenteil zu tun, um Kompetenz- und Verantwortungsverhältnisse zu verändern.

Mir ist vollkommen klar, dass damit ein riesiger Aufwand einhergeht, gerade weil die Zeit dafür im Grunde nicht zur Verfügung steht. Dennoch ist das Wissen um diese Effekte hilfreich, um zumindest in manchen Fällen kontra-intuitiv zu handeln.

2.4 Individuen nicht nur fördern, sondern auch unterstützen

Damit Einzelmaßnahmen die soziale Schere nicht noch weiter vergrößern, sollten Individuen nicht nur gefördert, sondern auch strukturell entlastet werden:

  • Lernzeit und Ressourcen garantieren: Wer KI-Tools, Wissen aus Seminaren oder Homeoffice nutzt, braucht Lernzeit, einen guten Zugang und Unterstützung.
  • Psychologische Sicherheit als Grundbedingung: Wer den Anschluss an die „early adopter“ nicht verpassen will, braucht das klare Signal aus der Führungsriege: „Es ist OK, etwas auszuprobieren und Fehler zu machen.“
  • Orientierung bieten statt nur auf Eigenverantwortung zu setzen: Das neoliberale Denken überfordert Mitarbeiter*innen oft mit Appellen wie „Du musst dich selbst entwickeln, wenn die den Anschluss nicht verpassen willst“ oder konkreter „Du musst KI nutzen“ oder „Du musst Verantwortung übernehmen“. Im Sinne einer kollektiv lernenden Organisation ist es sinnvoller, klare Lernpfade zu definieren und flankierende niederschwellige und verbindliche Hilfsangebote zu schalten.

3 Vom individuellen zum solidarischen Optimismus

3.1 Das Problem des traditionellen Optimismus

Damit stellt sich auch die Frage, ob wir uns den klassischen, individuellen Optimismus noch leisten können?

Der traditionelle Optimismus lautet: „Wir schaffen das, wenn wir uns anstrengen.“ Das klingt auf den ersten Blick motivierend, ist jedoch systemisch betrachtet problematisch:

  • Für Optimist*innen ist die Entscheidung für oder gegen eine Veränderung bereits abgeschlossen. Sie denken bereits an deren Umsetzung, während Skeptiker*innen noch mit der Entscheidung hadern.
  • Manche Pessimist*innen sehen sich selbst als wertvolle Ressource, indem sie auf mögliche Fehlentwicklungen hinweisen, was jedoch selten gerne gehört wird.
  • Andere Pessimist*innen haben Angst vor Veränderungen und sind deshalb kritisch. Auch damit vergrößert sich die Wissens- und Kompetenz-Lücke zu den Optimist*innen.
  • Optimist*innen nutzen Einzelmaßnahmen wie Coachings oder Seminare schneller und häufiger.
  • Da Unternehmen grundsätzlich dafür da sind, Veränderungen positiv anzugehen – alles ändere wäre paradox – kann die Illusion entstehen, dass Probleme im Grunde individuell vorhanden und folglich auch individuell zu lösen sind.

Dabei wird meistens vergessen, dass Skepsis heute oft die realistischere Sichtweise ist, sofern Pessimismus nicht pauschal bedeutet, dass alles immer schlimmer wird, sondern dass jede Veränderung neben einem positiven Effekt auch negative Nebenwirkungen nach sich zieht. Dies wiederum ist kein Argument gegen Veränderungen, sondern ein Argument für wohldurchdachte Veränderungen.

3.2 Prinzipien eines solidarischen Optimismus

Aus diesen Gründen können wir uns den klassischen, indivuellen und damit spalterischen Optimismus nicht mehr leisten. Stattdessen brauchen wir eine postmoderne Form des Optimismus, die nicht individuell überhöht und moralisiert (Sei doch optimistisch!), sondern einen Austausch, in dem sowohl die Optimist*innen als auch die Pessimist*innen voneinander lernen. Bezogen auf den Optimismus sprechen wir hier von einem relationalen oder solidarischen Optimismus: Optimismus ist keine persönliche Tugend, sondern eine Beziehungsqualität, mit der wir uns unterstützen, Kompetenzlücken kompensieren und uns gegenseitig entlasten, um gemeinsam etwas zu erreichen.

Das angestrebte Beziehungsziel lässt sich als Hoffnung auf ein besseres, produktives, gemeinschaftliches Miteinander begreifen. Und da Hoffnungen sich als Zusammenspiel von Zuversicht und Zweifel definieren lassen, brauchen wir für das Erreichen dieses Ziels sowohl die Skeptiker*innen als auch die Optimist*innen.

Deshalb gewinnen hier beide Seiten:

  • Pessimist*innen werden nicht stigmatisiert, sondern bringen wichtige Signale über Risiken, Grenzen und strukturelle Barrieren in die Diskussion mit ein.
  • Optimist*innen erweitern ihre Vorreiter-Rolle um eine Fürsorge-Funktion. Sie übersetzen, ermutigen, bauen Brücken und stellen Ressourcen zur Verfügung.

Optimismus wird damit zum Bindungskitt und nicht zu einer persönlichen Leistung.

Mehr zu einem solchen Bindungsmindset in meinem Buch (externer Link) „Hoffnung! Die unterschätzte Führungsstärke in turbulenten Zeiten

Unternehmen als Träger kultureller Kontinuität: Hoffnung über das eigene Wirken hinaus

In einer Zeit, in der neoliberale Ideale wie Konkurrenzdenken, Selbstoptimierung und kurzfristige Gewinnmaximierung ins Zentrum rückten, reduzierte sich auch die menschliche Existenz zunehmend auf das Individuum, während das Gemeinschaftliche nach und nach verkümmerte. Dieses Phänomen gilt auch in der Arbeitswelt. Früher erfüllten Unternehmen nicht nur die Funktion einer Bühne für persönliche Interessen, sondern boten auch Räume kollektiver Identität, in denen Mitarbeiter*innen Teil einer Geschichte wurden, die Generationen überdauerte.

In Zeiten des Postoptimismus westlicher Gesellschaften (Stichwort: Nullwachstum) scheint der Traum des persönlichen Aufstiegs mehr und mehr ausgeträumt. Damit einher verbindet sich die Chance, das Individuum wieder für gemeinschaftliche Ideen zu gewinnen. Wenn schon ein persönlicher Aufstieg immer weniger realistisch erscheint, wäre es fahrlässig, diese Krise nicht gleichzeitig als Chance zu sehen, darüber nachzudenken wie ein gutes (Arbeits-) Leben im Kollektiv aussehen könnte.

Da die Arbeitswelt einen zentralen Raum im Leben von Menschen einnimmt, bietet es sich an, dass Unternehmen – ähnlich wie und gleichzeitig anders als früher – (wieder) als identitätsstifte Organisationen auftreten, um die Möglichkeit eines solchen kollektiv-besseren Lebens anzubieten.

1. Historische Funktion von Tradition in Unternehmen

Früher verstanden sich viele Betriebe – von Handwerksfamilien bis zu Industriekonzernen – als Glieder einer längeren historischen Kette. Mitarbeiter*innen traten nicht nur in ein Unternehmen ein, sondern in ein Projekt, das vor ihnen begonnen hatte und nach ihnen weiterging.

Diese historische Tiefe erzeugte ein Gefühl von Sinn und Stolz, das weit über das individuelle Arbeitsleben hinausreichte. Friedrich Hegel nannte das den „objektiven Geist“: Die Arbeit des Einzelnen wurde eingebettet in ein größeres kulturelles Ganzes, das Identität stiftete und eine Hoffnung auf Fortsetzung vermittelte.

2. Der Bruch im neoliberalen Zeitalter

Wer sich wie ich intensiv mit dem Thema Hoffnung auseinander setzt, stößt zwangsläufig auch auf die Hoffnung auf ein Leben nach dem Tod. Die zentrale Aussage dieses Phänomens lautet: Auch wenn mein Leben aktuell nicht großartig ist, ich die Belastungen jedoch annehme und ein gutes Leben führe, werde ich dafür im Jenseits belohnt. Selbst die protestantische Idee der innerweltlichen Askese, die aus einem gottesfürchtigen ein fleißiges Leben machte, blieb der Belohnung im Jenseits treu.

Mit der neoliberalen Wende der letzten Jahrzehnte wurde diese Verbindung zwischen Diesseits und Jenseits durch eine Veränderung der Zeitstruktur in der Wirtschaft nach und nach unterbrochen.

Eine Zeitlang galt noch das Mantra, wir würden dafür arbeiten, dass es unsere Kinder eines Tages besser haben würden. Die historische Dimension hatte sich bereits hier vom Jenseits auf das Diesseits verlagert.

Mittlerweile gilt auch diese Verbindung nicht mehr. Nun geht es für viele Mitarbeiter*innen nur noch darum, für sich selbst zu arbeiten, nicht mehr für die eigenen Kinder und nicht mehr für die langfristige Entwicklung eines Unternehmens.

Die Unternehmen selbst sind an dieser Entwicklung freilich nicht unschuldig, können sich also nur bedingt über eine mangelnde Bindung an ihr Unternehmen beklagen, da langfristige Perspektiven durch Projekt- und Quartalslogiken ersetzt wurden. Unternehmen verloren ihre Selbstdefinition als kulturelle Institutionen und wurden zu temporären Aggregaten von Kapital und Effizienz. Nun ging es nicht mehr um eine gemeinsame kulturelle Identität, in der zusammen Ideen umgesetzt wurden, worauf die Mitarbeiter*innen stolz waren, sondern um das Erreichen von Projekt- und Jahreszielen. Smarte Ziele ersetzten Werte. Leistung wurde wichtiger als Zugehörigkeit.

Die emotionale Bindung zwischen Mensch und Organisation zerfiel aufgrund der Austauschbarkeit: Der Stolz auf eine gemeinsame Tradition verschwand. Die Hoffnung auf eine langfristige Kontinuität, in der einzelne Mitarbeiter*innen lediglich Teilziele im großen Ganzen als Vorarbeit für ihre Nachfolger*innen erfüllen müssen, um zufrieden zu sein, wurde durch kurzfristige Ziele ersetzt.

3. Wege zu einer neuen kulturellen Identität

In die alte Welt zurück zu kehren ist freilich weder möglich noch sinnvoll. Die Welt lässt sich schließlich nicht zurück drehen. Immerhin erhöht die kulturelle Herauslösung des Individuums aus kollektiven Kontexten die Flexibilität sowohl von Unternehmen als auch von Mitarbeiter*innen, um auf einem globalen Markt einzustellen und aufzutreten. Gleichzeitig lässt sich auch auf Distanz Bindung durch eine kollektive Identität herstellen, die über das eigene Ego hinaus geht. Damit wiederum wird nicht nur eine historisch-kollektive Identität aufgebaut, sondern auch der Druck von einzelnen Personen genommen: „Du musst die Welt nicht alleine retten. Es reicht, wenn du ein Teil unseres Welt-Verbesserungs-Projekts bist.“

a) Erzählung statt Image

Unternehmen brauchen (wieder) eine narrative Identität, die nicht nur Produkte oder Marken bewirbt, sondern Bedeutung stiftet. Geschichten über Werte, Handwerk, Verantwortung und Gemeinschaft eröffnen eine symbolische Dimension, die über die bloße Gegenwart hinausweist.

Ein Beispiel:Das Unternehmen Faber-Castell betont seine über 250-jährige Tradition und die Verbindung von Handwerk, Kreativität und Nachhaltigkeit. Mitarbeiter*innen sehen sich als Teil einer langjährigen Geschichte, die weit über ihre eigene Karriere und damit den eigenen „beruflichen Tod“ hinausgeht.

b) Zukunft als Fortsetzung der Tradition

Dabei geht es nicht darum eine museale Tradition zu verfolgen, weil früher (anscheinend) alles besser war. Vielmehr lassen sich in der eigenen Tradition die Wurzeln für zukünftige Innovationen finden. Die eigene Geschichte bietet nicht nur eine kulturelle Identität, aus ihr lässt sich auch für die Zukunft lernen.

Ein Beispiel: BMW verbindet die eigene 100-jährige Unternehmensgeschichte mit innovativer Mobilität. Design, Handwerk und Technologie werden nicht nur für den Markt entwickelt, sondern als Teil eines kulturellen Erbes verstanden. Daher gibt es eine Wertschätzung sowohl für alte fossile BMWs als Liebhaberstücke, als auch für neue Entwicklungen auf dem E-Auto-Markt. Das Alte muss daher weder verteufelt, noch glorifiziert werden, um in die Zukunft zu blicken.

c) Langfristige Verantwortung

Die Verantwortung eines Unternehmens sollte wieder verstärkt über kurzfristige Kennzahlen hinaus gedacht werden. Wer ökologische, soziale oder kulturelle Konsequenzen seines Handelns einbezieht, etabliert eine Kontinuität, die Generationen überdauert.

Ein Beispiel:Das Outdoor-Bekleidungs-Unternehmen Patagonia setzt konsequent auf ökologische Nachhaltigkeit. Die Mitarbeiter*innen wissen, dass ihr Handeln langfristige Auswirkungen auf Umwelt, Gesellschaft und kommende Generationen hat. Diese Denkweise ist das klare Signal einer Hoffnung, dass das persönliche Wirken über das eigene Leben hinaus geht.

d) Gemeinschaft statt Marktlogik

Hoffnung entsteht dort, wo Menschen sich als Teil eines größeren Wir erleben. Unternehmen können dies fördern, indem sie Zusammenarbeit, Solidarität und kollektive Aufgabenstrukturen bewusst gestalten.

Aus diesem Grund reflektiere ich in meinen Seminaren regelmäßig die Belohnungskultur der Unternehmen meiner Führungskräfte:

  • Wofür bekommen eure Mitarbeiter*innen Lob und Anerkennung? Wenn sie sich abgrenzen und nur für sich arbeiten? Wenn sie bringen? Oder wenn sie eigene Aufgaben hinten anstellen und andere unterstützen?
  • Wann hat jemand einen hohen Status und wird von anderen bewundert? Wenn jemand sich um seine eigene Karriere kümmert oder sich für andere einsetzt?

Ein Beispiel: Die dänische Firma Novo Nordisk pflegt ein starkes internes Gemeinschaftsgefühl, das über reine Profitziele hinausgeht. Initiativen wie gemeinsame Gesundheitsprojekte oder gesellschaftliches Engagement vermitteln den Mitarbeiter*innen einen Sinn jenseits individueller Karriereziele.

4. Unternehmen als Sinn ermöglichende Mit-Welt

Philosophisch betrachtet ist das Unternehmen nicht nur eine Produktionsgemeinschaft, sondern auch und vor allem als Mit-Welt ein Raum, in dem Menschen Sinn, Wirkung und Verantwortung erfahren:

  • Ich mache etwas, das anderen Menschen das Leben verbessert oder erleichtert.
  • Würde ich dies nicht tun, wäre die Welt ärmer.
  • Gleichzeitig ist mein Schaffen lediglich ein Teil von etwas Größerem.
  • Mein Unternehmen bietet mir einen Rahmen, in dem dieses Größere zusammen mit anderen ermöglicht wird.
  • Dadurch dass mein Unternehmen langfristig agiert, wird es auch nach meinem beruflichen Ausscheiden noch da sein und weiterhin Großes leisten. Ich selbst kann meinen Beitrag dazu leisten.
  • Wenn ich eines Tages dieses Unternehmen verlasse, reiche ich den Staffelstab weiter, damit mein Wirken weiter geht.

Der Philosophin Hannah Arendt zufolge bedeutet Handeln, einen Anfang zu machen, dessen Folgen unabsehbar sind. Unternehmen, die dies ernst nehmen, erlauben Mitarbeiter*innen, ihren Beitrag zu einer Zukunft zu leisten, der größer ist als sie selbst. So wird Arbeit zur Praxis des jenseitigen Hoffens, nicht in einem metaphysischen Jenseits, sondern in einem sozialen, kulturellen und ökologischen Kontinuum.

Fazit und Ausblick

Die Wiedergewinnung kultureller Identität in Unternehmen ist nicht nostalgisch, sondern erscheint in einer Zeit hoher Fluktuation und schwindender Bindungen existenziell notwendig. Sie eröffnet Räume für eine gestalterische Hoffnung, die nicht im Ego endet, sondern über Generationen hinaus wirkt. Die Wiederentdeckung einer kulturellen Identität schafft damit zweierlei:

  1. Sie gibt Menschen das Gefühl, Teil von etwas Größerem zu sein, wodurch sie die Motivation in Zeiten abnehmenden Engagements in Unternehmen wieder erhöht.
  2. Sie befreit den Menschen aus der Denkweise, nur für sich selbst verantwortlich und damit auch Schuld an Problemen zu sein.

Die konkreten Beispiele zeigen, dass Tradition, Verantwortung, Gemeinschaft und Innovation keine Gegensätze sein müssen, sondern Hand in Hand gehen, wenn Unternehmen (wieder) zu Orten werden, an denen Menschen erkennen, dass ihr Tun Bedeutung in der Welt hat. In einer Welt, die neoliberale Effizienz oft über alles stellt, liegt darin die größte Form menschlicher Hoffnung: Die Hoffnung über das eigene Leben hinaus eine positive Wirkung zu haben.

Wieviel Führung braucht der Mensch?

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O.K. Leute. Manche von euch müssen jetzt ganz stark sein. Aber wenn wir Wissenschaft ernst nehmen (Follow the Science!) – in diesem Fall Studien über den Umgang mit Katastrophen – wird klar, dass Menschen viel weniger Führung brauchen als uns das sowohl die Politik als auch Hollywood vormachen wollen. In Wirklichkeit organisieren sich Gruppen von Menschen viel besser als uns weisgemacht wird: Sie helfen sich gegenseitig, sind weniger egoistisch als wir denken und reagieren weniger panisch als wir es aus großen Blockbustern kennen. So geordnet wie Menschen unter Druck reagieren ist fast schon langweilig.

Aber der Reihe nach …

Unser sozialer Aktivierungsmechanismus in Krisen

Geraten Menschen in eine Bedrohungssituation, passiert typischerweise Folgendes:

  • Sie erkennen ihr gemeinsames Schicksal.
  • Dadurch entsteht spontan eine geteilte soziale Identität.
  • Diese neue, gemeinsame Identität und kollektive Hoffnung auf eine Rettung aktiviert die gegenseitige Unterstützung und Koordination.

In der Katastrophen-Forschung nennt sich dieser Mechanismus „emergent social identity“.

Emergenz bezeichnet das Phänomen, dass sich aus geordneten Strukturen unter Chaos eine eigene Ordnung herausbildet, die niemand von außen steuert. Das Prinzip der Selbstorganisation ohne Führung klingt komplizierter als es ist. Wenn wir genauer hinsehen, erlebt jede*r von uns täglich solche Situationen.

Ein Beispiel: Spontane Koordination in einer Fußgängerzone

  1. Situation: Ein Gehweg ist plötzlich durch ein Hindernis blockiert (Bauarbeiten, Lieferwagen).
  2. Einzelverhalten: Jeder Fußgänger weicht intuitiv aus, sucht eine Lücke, passt seine Geschwindigkeit an oder wartet, bis es frei ist. Kinderwägen werden gemeinsam getragen. Ältere Menschen werden gestützt.
  3. Emergentes Muster: Es entsteht ein geordnetes „Fließsystem“ ohne Anordnung: Menschen teilen sich automatisch in zwei Richtungen auf, lassen andere passieren und passen ihr Tempo an. Niemand sagt „Du gehst links, du rechts“, keine Ampel regelt das Geschehen. Dennoch funktioniert das System erstaunlich reibungslos – es wirkt fast wie eine organisierte Struktur.

Führung funktioniert anders als wir denken

Wer die Cinefin-Matrix (externer Link) auf Führung überträgt, kann zu der Erkenntnis kommen,

  • dass sich einfache Aufgaben gut delegieren lassen,
  • komplizierte Aufgaben ein gutes Gruppengefüge benötigen,
  • komplexe Aufgaben Schwarmintelligenz brauchen,
  • aber unüberschaubare Situationen, also Krisen und Chaos, eine stringente Führung brauchen, bis wieder Klarheit hergestellt ist.

Fakt ist: Medial präsent sind Plünderungen, Egoismen und Regelbrecher. Auswertungen von Tausenden Überlebenden von 9/11 ergaben jedoch: Die meisten Menschen verließen die Gebäude geordnet, halfen einander, trugen Mobilitätseingeschränkte mehrere Stockwerke nach unten und warteten aufeinander, obwohl sie alleine schneller gewesen wären. Panik in Krisensituationen sind weitgehend ein Mythos.

Das Bild von panischen Menschenmassen hat sich tief in unser kollektives Gedächtnis eingeprägt und bestimmt daher auch unsere Entscheidungen und unser Wahlverhalten. Wer daran glaubt, dass Menschen in Krisen zu Plünderern werden (Bsp. Hurrican Kathrina) oder während einer Terrorattacke unkoordiniert durch die Gegend rennen, ist auch dafür, die Befugnisse von Führung jeglicher Art auszubauen. Wer darauf vertraut, dass Menschen sich gerade in Krisen gut selbst organisieren, ist ein Anhänger weitgehender Liberalität. Genau jene Liberalität, die wir brauchen, um sowohl gesellschaftlich als auch beruflich Vertrauen zueinander zu haben.

Studien im Nachgang vieler Katastrophen (Erdbeben, Brände, 9/11) konnten zeigen:

  • Es bilden sich spontan Koordinationsnetzwerke.
  • Rollen entstehen und lösen sich wieder auf.
  • Nach der Krise verschwinden diese flach organisierten Gruppen wieder oder werden formalisiert.

Die „Plünderer“ während Kathrina erwiesen sich im Nachhinein als Menschen, die für andere Menschen Essen besorgten.

Alltag- versus Krisen-Führung

Soziologische Studien zu vermeintlichem Panikverhalten legen nahe, dass Menschen im Alltag, in dem es keine unmittelbare gemeinsame Bedrohung gibt und damit eine gemeinsame Identität weniger notwendig ist, mehr Führung brauchen, weshalb Routinen, Autoritäten und klare Rollen wichtig sind, während in Krisen weniger Führung notwendig ist.

Kommt in Krisen eine Führung von außen, bspw. durch eine Autorität, der die Gruppe nicht vertraut, kann dies eine verheerende Wirkung haben. Auf gesellschaftlicher Ebene passiert dies, wenn sich Politiker*innen als Legislative oder Polizist*innen als Exekutive in die Selbstorganisation einmischen. Auf beruflicher Ebene kann ein externes Krisenmanagement mehr kaputt machen als gedacht. Daher ist es gerade in Krisensituationen hilfreich, wenn das Management der Krise von einer vertrauten Person übernommen wird.

Führung in Krisen ist also nicht ganz obsolet. Sie muss jedoch ein Teil der Gruppe sein, um Gegenwehr zu verhindern. Während in klassischen Modellen davon ausgegangen wird, dass Menschen insbesondere in chaotischen Situationen irrational handeln und von oben gelenkt werden müssen, gehen neuere Modelle davon aus, dass Führung emergent sein sollte: Eine Person oder kleine Gruppe übernimmt dann die Führung, wenn sie als Teil des „Wir“ wahrgenommen wird und glaubwürdig handelt.

Ein Beispiel: Nach dem Anschlag in der Londoner U-Bahn 2005 halfen sich Menschen spontan gegenseitig und befolgten Anweisungen der Einsatzkräfte nicht, weil sie befehligt wurden, sondern weil sie die Einsatzkräfte als ihre Leute wahrnahmen.

Zusammengefasst lässt sich daher festhalten:

Wenn das nicht Hoffnung auf die Zukunft macht?

Literatur

John Drury & Stephen Reicher (Hrsg.) – Crowds in the 21st Century: Perspectives from Contemporary Social Science (Routledge, 2012) → Überblick über moderne Crowd-Psychologie; zeigt, dass „Panik“ selten ist und Solidarität dominiert.

E. L. Quarantelli – What Is a Disaster? Perspectives on the Question (Routledge, 1998) → Klassiker; entwickelt die Idee, dass Katastrophen nicht durch Panik, sondern durch soziale Organisation geprägt sind.

Michael J. Reiss, Roz Diane Lasker, Robyn R. Gershon (Hrsg.) – World Trade Center Evacuation Study: Lessons for Emergency Preparedness
(Centers for Disease Control and Prevention / Columbia University, 2004–2006, diverse Publikationen) → Empirische Auswertung: geordnetes, solidarisches Verhalten, kaum Panik.

Dirk Helbing – Social Self-Organization: Agent-Based Simulations and Experiments to Study Emergent Social Behavior (Springer, 2012) → Quantitative Perspektive auf emergentes Verhalten, auch bei Evakuierungen und Katastrophen.

Was sich aus der No-Kings-Bewegung in den USA lernen lässt

Wer sich wie ich mit dem Thema Hoffnung beschäftigt, kommt an der gestaltenden Kraft von „Hoffnung in der Dunkelheit“ – wie ein Buchtitel der großartigen Autorin Rebecca Solnit lautet – nicht vorbei. Ihr Fazit: Veränderungen kommen für Unbeteiligte oft wie aus dem Nichts. Deshalb erscheint es für uns Zuschauer*innen überraschend, dass gestern „plötzlich“ Millionen von Menschen in den USA gegen Donald Trump auf die Straße gingen. Dabei ist es doch logisch, dass eine solche Aktion monatelang im Hinterzimmer geplant wurde, insbesondere, weil die beteiligten Gruppen derart zusammen gewürfelt sind:

  • Welches Motto geben wir uns?
  • Was verbindet all die verschiedenen Gruppen?
  • Welche Netzwerke nutzen wir?

Wir können sogar noch weiter in der Zeit zurück gehen. Der Mensch als historisches Wesen weiß, dass ein gewaltfreier Widerstand schon oft in der Geschichte erfolgreich war, siehe Ghandi oder Martin Luther King. Der Mensch weiß auch, dass Humor eine großartige Waffe sein kann, um sich zu verweigern. Und der us-amerikanische Mensch weiß, welche Trigger in den USA besonders schmerzhaft sind: Der Slogan „No Kings“ hat Symbolkraft, weil er sich auf eine USA bezieht, die sich bewusst von dem britischen Königshaus loslöste, als sich die Gründerväter zu demokratischen Prinzipien bekannten. Das Anti-Symbol des Königs spricht alle Seiten an. Genau das macht die Bewegung – so fragil sie auch sein mag – so gefährlich für die Republikaner um Donald Trump.

Gleichzeitig läuft damit der Vorwurf der Republikaner, die Demonstrant*innen würden Amerika hassen, ins Leere: Die No-Kings-Bewegung steht für Gewaltfreiheit, Freude (man schaue sich nur die lustigen Konstüme an) und die Verteidigung ur-amerikanischer Grundrechte.

Was lässt sich daraus grundsätzlich für den Umgang mit Systemen lernen?

Nicht wenige Führungskräfte in meinen Seminaren beklagen sich über starre Systeme. Eine große Demonstration ist hier natürlich fehl am Platz. Denn in Organisationen geht es nicht darum, „einen König zu stürzen“, sondern darum, andere Werte als die momentan aktuellen zu leben oder Strukturen zu hinterfragen. Es geht darum, einen guten Weg miteinander zu finden. Es geht um die Ur-Frage von Theodor Adorno: Wie gelingt ein gutes Leben in einem schwierigen System?

Eine Anekdote aus meinem Seminaralltag: Zu Beginn eines einmal im Jahr stattfindenden Führungsseminars in einem mittelständischen Unternehmen lässt eine Führungskraft in der Erwartungsabfrage eine mittelschwere, verbale Bombe explodieren: „Das hier ist doch nur ein Feigenblatt! In Wirklichkeit verändert sich doch sowieso nichts!“

Frage an die Trainer*innen da draußen, bevor ihr weiterlest: Was hättet ihr gemacht?

Ich jedenfalls hab leer geschluckt, kurz durchgeatmet und mich dann bei dem Teilnehmer bedankt: „Danke, dass Sie das hier so offen aussprechen. Damit lässt sich arbeiten. Gleichzeitig zeigt es, dass Sie Kritik üben können, ohne rauszufliegen.“

Daraufhin entstand eine lebhafte, aber immer konstruktive Diskussion mit den anderen Teilnehmer*innen und v.a. mit der anwesenden Personalleiterin. So schnell bin ich noch nie in eine Seminar gestartet. Und am Ende gingen alle mit frischer Motivation nach Hause.

Das Beispiel zeigt: Es gibt viele Möglichkeiten, Veränderungen herbei zu führen. Manchmal ist es die öffentliche Kritik einer einzelnen Person, die etwas in Gang bringt. Manchmal ist es aber auch das jahrelange Netzwerken Gleichgesinnter, manchmal Humor, und manchmal das Bewahren der eigenen Würde, nicht alles mitzumachen.

Egal wie: Wer erkennt, dass er die Zukunft mitgestalten kann, muss nicht resignieren. Denn viele Früchte ernten wir erst nach Jahren oder sogar Jahrzehnten. Die No-Kings-Demonstrationen werden zu keinem Sturz von Donald Trump führen. Aber sie zeigen: Die Zivilbevölkerung ist wach.

Vielleicht malen die Mühlen langsam. Aber sie malen.

Genauso wenig führt eine offene Kritik an Strukturen in einem Unternehmen sofort zu Veränderungen. Aber auch hier ist das Signal deutlich: „Ich bin nicht zufrieden, wie es hier läuft. Ich will aber auch nicht kündigen, sondern mitgestalten. Lasst uns reden.“

Als Unternehmensleitung würde ich solche Mitarbeiter*innen sofort in die Pflicht nehmen und mindestens als Co-Leitung in einem Restrukturierungsprojekt einsetzen. Eine solche Energie sollte produktiv genutzt werden.

Hoffnung braucht Vergangenheit

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Schnelle und langsam wachsende Bäume

Ungeduld gehört zur Postmoderne: Wir wünschen uns schnell wachsende Bäume, die dem Klimawandel trotzen oder – im übertragenen Sinn – Veränderungen, die in Unternehmen schnell sichtbar werden. Stabiler sind allerdings langsam wachsende Riesen.

Deshalb jammern wir auf sehr hohem Niveau, als hätten sich bestimmte Themen nicht längst in Unternehmen etabliert: Coachings, Mediationen, Burn-out als Thema, Führung auf Augenhöhe, und und und.

Das heißt nicht, dass nichts mehr zu tun wäre. Dennoch gilt es, die Welt ein wenig realistischer zu sehen, auch wenn damit keine Klicks generiert werden, Zwinkersmiley.

Warum das Negative in unserem Gehirn präsenter ist

Wer Hoffnung für die Zukunft haben will, sollte in die Vergangenheit blicken. Das ist leider schwieriger als gedacht, nicht nur weil unser Gehirn negative Aspekte besser abspeichert als positive, sondern über negative Ereignisse auch mehr gesprochen wird. Was positiv verlief, haken wir schnell ab:

  • Gut, dass es nicht so schlimm kam, wie wir dachten.
  • War doch alles super. Brauchen wir also nicht mehr darüber zu sprechen.

Das Negative wiederum bleibt im Gedächtnis:

  • Das hat doch schon damals nicht geklappt.
  • War ja klar, dass das nicht funktioniert.
  • Ich hab’s doch gewusst. Hab ich’s nicht gesagt?

Zudem hat das Positive und damit das, was uns Hoffnung auf eine bessere Zukunft macht, die Eigenart, sich wie ein zähes, unsichtbares Kaugummi zu ziehen:

  • Einen Konflikt oder Krieg vom Zaun zu brechen geht schnell. An Frieden und guten Beziehungen zu arbeiten und ein gegenseitiges Vertrauen zu fördern dauert lange und bleibt ein Leben lang fragil.
  • Bei einem guten Netzwerk geschieht Ähnliches. Die Früchte daraus lassen sich meist erst Jahrtzehnte später ernten. Gleichzeitig bleibt oft unklar, aus welchen Gründen ein Erfolg erreicht wurde: Waren es wirklich die jahrzehntelang aufgebauten Beziehungen oder doch nur ein glücklicher Zufall?

Erfolge der letzten 30 Jahre – ein echter Paradigmen-Wechsel

Gerade in Krisenzeiten ist es wichtig, sich klar zu machen: Die letzten 30 Jahre gleichen einem Quantensprung in der Zusammenarbeit in Unternehmen:

Vom Humankapital zum „Menschen im Mittelpunkt“

  • Führungskultur: Wer heutzutage noch Führung als Delegieren und Kontrollieren versteht, gehört zu den Dinosauriern. Davon abgesehen würde es im Homeoffice ohnehin nicht so einfach mit der Kontrolle funktionieren. Stattdessen zählen heutzutage Ergebnisse, Eigenverantwortung und Flexibilität.
  • New Work & Agilität: Konzepte wie New Work und agiles Management setzen auf Sinn, Selbstorganisation und Mitgestaltung.
  • Work-Life-Balance → Work-Life-Integration: Unternehmen schaffen Rahmenbedingungen, in denen Arbeit und Privatleben sich gegenseitig stärken (Stichworte: Gleitzeit, Homeoffice, Sabbaticals).
  • Fokus auf psychische Gesundheit: Achtsamkeit, Burnout-Prävention und Coaching-Angebote sind heute weit verbreitet. Wer hätte das vor 30 Jahren gedacht?
  • Diversität & Inklusion: Große Fortschritte in Gleichstellung, LGBTQ+-Akzeptanz, kultureller Vielfalt und Barrierefreiheit. Wer in große Firmen schaut, merkt: Diversity als Thema ist längst etabliert. Nicht weil die dort alle so lieb sind, sondern weil das Thema jahrelang gepusht wurde. Freilich ist hier vieles Fassade und hält deshalb nicht jedem Sturm (Stichwort: Wirtschaftskrieg) stand. Dennoch tun Unternehmen aus eigenem Interesse gut daran, Vielfalt aus Marketing- und Kreativitätsgründen ernst zu nehmen.
  • Feedbackkultur: Als ich noch vor 20 Jahren in Lohn und Brot war, gab es lediglich jährliche Mitarbeitergespräche. Heute gibt es kontinuierliche, dialogorientierte Feedbacks. Ein riesiger Fortschritt!
  • Transparenz und Sinnorientierung: Vision, Werte und soziale Verantwortung prägen nicht nur nach innen, sondern auch bei der Suche nach neuen Bewerber*innen. Während früher Leitbilder mehr oder weniger aus hohlen Phrasen bestanden, definieren sie heute tatsächlich die Kultur eines Unternehmens – oder sollten es auf einem umkämpften Bewerbermarkt tun.

Und warum das alles?

Ganz einfach, weil Unternehmen erkannten, dass Zufriedenheit, Sinn und Vertrauen keine weichen Faktoren in der Wertschöpfungskette, sondern wirtschaftlich entscheidend sind.

Gleichzeitig gilt aber auch: Wir werden in vielen Jahren, vielleicht sogar Jahrzehnten, dass ernten, was wir heute sähen.