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Wenn Optimismus nicht mehr ausreicht, braucht es Utopien, um mit Belastungen umzugehen

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Während sich der Optimismus auf Zahlen und Fakten beruft und gut gelaunt in die Zukunft blickt, indem er sich anschaut, welchen Einfluss er geltend machen kann, bleibt die Hoffnung oft vage, vorsichtig, kann sogar sorgenvoll sein, weil ihr die Referenzwerte fehlen und sie meist vom Schicksal oder Zufall abhängt.

Sage ich bspw. am Roulette-Tisch „Ich bin optimistisch, dass ich dieses mal gewinne“, ziehe ich diesen Optimismus daraus, dass ich heute meine Glückshosen anhabe oder bereits den ganzen Tag über Glück hatte. Sage ich jedoch „Ich hoffe, dass ich heute gewinne“, schwingt die Angst mit, auf eine dramatische Art zu verlieren, weil es das Schicksal nicht gut mit mir meint. Vielleicht kann meine Miete bald nicht mehr zahlen oder habe mir sogar Geld von der Mafia geliehen.

Unser Optimismus bezieht sich in der Regel auf positive Erfahrungen, die unserer Hoffnung fehlen: „Ich hoffe, dass wir bald wieder jemand Neuen im Team haben, weiß es jedoch nicht. Ich weiß allerdings aus Erfahrung, dass wir als Team immer dann Durststrecken meisterten, wenn wir gut zusammen arbeiteten.“

Diese Unsicherheit macht den Umgang mit Hoffnung grundsätzlich schwieriger als mit Optimismus. Deshalb bezieht sich die Hoffnung oft auf ein Leben nach dem Tod oder vermeintlich mächtige Menschen als sogenannte Hoffnungsträger. Sowohl auf Kamala Harris als auch Donald Trump ruhen derzeit die Hoffnungen vieler Menschen in den USA nach einem besseren Leben. Dabei wird die Macht einzelner meist überschätzt und die Macht der Systeme (Netzwerke, internationale Verträge, Banken, Lobbyismus, usw.) unterschätzt. Damit zeigt sich jedoch, wie sehr Menschen Hoffnung brauchen, wenn sie sich in einer Situation befinden, die sie nicht einschätzen können. Krieg, ein Grubenunglück, eine schwere Krankheit, wirtschaftliche Krisen oder auch der aktuelle Zustand der Unterbesetzung und damit Dauerbelastung in vielen Teams sind solche Situationen. Werden wir mit einer unerwarteten und unberechenbaren Situation konfrontiert, greift unser wohlgepflegter Optimismus nicht mehr. Der Roulette-Spieler kann seine Chancen auf einen Gewinn errechnen, was seinem Optimismus Futter gibt. Dies war bei unterbesetzten Teams früher auch der Fall. Ist der Arbeitsmarkt jedoch leer gefegt, bleibt nur noch die Hoffnung auf eine positive Wendung in der nahen Zukunft. Hierauf haben wir zwar wenig Einfluss, können aber dennoch etwas dafür tun, indem wir als Team gut zusammenarbeiten und damit das Erreichen der Hoffnung wahrscheinlicher machen. Dennoch bleibt die Ambivalenz zwischen einer positiven Aussicht in der Zukunft und der Befürchtung, dass sich der Traum davon nicht erfüllen wird.

Während der Optimismus streng genommen lediglich einen positiven Blick auf die Zukunft wirft, indem er positive Fakten über- und negative unterbewertet, erfordert die Hoffnung einen utopischen Blick nach vorne. Was zuerst als Manko erscheint, könnte jedoch eine Chance sein, wenn die Unbestimmtheit der Zukunft als Freiheit verstanden wird, sich im Geiste eine bessere Welt frei von allen Erfahrungen vorzustellen. Dies wiederum scheinen wir verloren zu haben. Der Optimismus ist schnell bei der Hand, wenn es heißt: Immer positiv denken. Der Optimismus arbeitet jedoch mit dem Vorhandenen und kreiert nichts Neues. Erst die Hoffnung auf eine bessere Zukunft könnte wahrlich utopistisch etwas Neues erdenken, wenn wir uns davon frei machen, der Naivität bezichtigt zu werden. Denn das schwingt heutzutage meistens mit, wenn von Hoffnungen die Rede ist. „Spinn’ nicht herum“, heißt es bereits bei kleinen Kindern. Politiker*innen sollten Realpolitik machen. Und der Rest der Welt sollte sich an den vorhandenen Bedingungen orientieren und keine Luftschlösser bauen: „Es gibt nun mal keine Ressourcen! Woher nehmen, wenn nicht stehlen?“

Dabei wusste bereits Kant, dass wir in zwei Welten leben, einer realen und einer ideellen. Ernst Bloch meinte daher, dass Hoffnungen immer auch ein Stück Realitätsverweigerung sind, um eine noch nicht vorhandene Welt zu erschaffen. Utopien bestehen laut Bloch aus einem „In-Möglichkeit-Seienden“, was im Kern bereits angelegt ist. Es geht ergo nicht darum, sich vollkommen unrealistische Hoffnungen zu machen. Diese würden nur enttäuscht werden. Stattdessen sollten wir darauf achten, was wir bereits jetzt tun können, damit utopische Ideen Wirklichkeit werden können.

Um Hoffnung zu haben und schwierige Situationen durchzuhalten, braucht es u.a. folgende Tugenden:

  • Offenheit für ungewöhnliche Lösungen
  • Bereitschaft, sich mit anderen auszutauschen
  • Energie, Ausdauer und Beharrlichkeit
  • Die Demut und Bescheidenheit, mit kleinen Lösungen zufrieden zu sein
  • Achtsamkeit im Umgang mit sich selbst
  • Selbstbeherrschung und Geduld
  • Dankbarkeit trotz allem
  • Humor oder sogar Galgenhumor
  • Spiritualität, Religiösität

Andererseits führen zu konkrete Hoffnungen ebenfalls zu Enttäuschungen. Hoffen wir nach einer Krankheit auf eine schnelle Genesung oder darauf, wieder vollkommen hergestellt zu sein, wird dies vermutlich scheitern. Hoffen wir jedoch darauf, eines Tages wieder ein gutes Leben führen zu können – auch mit der Krankheit – bleibt dies vage genug, um nicht enttäuscht zu werden und ist dennoch motivierend genug, um die Verzweiflung hinter sich zu lassen.

Haben wir bspw. die Hoffnung einer autofreien Stadt in der Zukunft, könnte das eines Tages durch Postboten-Drohnen oder fliegende Autos durchaus Wirklichkeit werden. Dazu braucht es jedoch eine Menge Forschung und eine gute Zusammenarbeit zwischen verschiedenen Forschungsgebieten (Technik, IT, Jura, Sozialwissenschaften, etc.). Gleichzeitig bleibt unklar, wie genau die autofreie Stadt der Zukunft aussehen wird. Ähnlich ergeht es Teams in Unternehmen. Einem unterbesetzten Team wird es kaum ausreichen, die Hoffnung zu haben, dass es eines Tages wieder besser wird. Das Team braucht eine tragfähige und motivierende Vision, die neben einer guten, menschlichen Zusammenarbeit vermutlich die Dunkelverarbeitung durch K.I., eine andere Aufgabenunterteilung und weniger Bürokratie mit einschließt. Wie genau die Utopie in der Zukunft aussehen und wann genau sie kommen wird bleibt unklar. Sonst wäre es keine Utopie. Ohne Utopien sind Dauerbelastungen jedoch kaum auszuhalten. Stattdessen werden über kurz oder lang die Besten gehen, die Schwächsten krank werden und der Laden alsbald zusammen brechen.

Literatur: Kraft und Walker: Positive Psychologie der Hoffnung. Springer, 2018

Wie wir von einem statischen und trennenden zu einem dynamischen und verbindenden Mindset kommen

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Spätestens in der Schule beginnt der Einstieg in ein statisches und trennendes Denken:

  • Was kann ich, was andere nicht können?
  • Worin bin ich besser?
  • Womit kann ich mich von anderen abgrenzen?
  • Wofür bekomme ich von den Lehrer*innen Lob und Anerkennung?
  • Was darf ich auf keinen Fall tun?

Dabei hat dieses Denken durchaus nachvollziehbare Hintergründe. In kleinen Gruppen wie Familien oder Freundeskreisen werden Menschen stärker als Individuen wahrgenommen. Je größer die Gruppe ist, desto wichtiger werden Abgrenzungen durch Geschlecht, Eigenschaften, Fähigkeiten oder Meinungen. Schließlich muss ich mich im Kampf um Aufmerksamkeit bzw. um Kontakte, Beziehungen oder sogar Aufträge sichtbar machen und positionieren, um nicht unterzugehen.

Damit einher gehen jedoch zwei Effekte, die ein Miteinander erschweren:

  1. Sofort ins Auge fällt die Abgrenzung von anderen.
  2. Genauso dramatisch ist jedoch eine statische Denkweise des Könnens anstatt einer dynamischen Sichtweise des Entwickelns. Unsere persönliche Entwicklung wiederum ist sehr stark von anderen abhängig, mit denen wir zusammen arbeiten, die unsere Kompetenzen ergänzen und von denen wir etwas lernen können.

Die Psychologin Carol Dweck prägte zur Unterscheidung dieser beiden Mindsets die Begriffe Wachstums- versus Leistungs-Mindset. Beide Denkweisen haben Vor- und Nachteile:

  • Das Leistungsmindset vermittelt uns Sicherheit, indem wir uns darauf berufen, was wir können oder nicht können. Es hindert uns jedoch daran, Neues zu wagen, bei dem wir uns unserer Kompetenzen noch nicht sicher sein können.
  • Das Wachstumsmindset hiflt uns dabei, uns weiter zu entwickeln im Sinne eines lebenslangen Lernens. Es kann jedoch zu einer Rastlosigkeit bis zum Burnout führen.

Diese Erkenntnisse sind bereits relativ alt. Die Forschungen von Dweck gehen bis in die 70er Jahre zurück und finden sich in einer komplexeren Form in der Psychologie als Attribuierungstheorie wieder. Dabei wird jedoch die Komponente der Bindung weitgehend ausgespart. Denn Bindung bedeutet letztlich sich aufeinander zu beziehen und voneinander zu lernen. Damit hängt Bindung direkt mit persönlichem Wachstum zusammen. Selbst wenn ich „nur“ ein Buch lese oder mir ein Info-Video auf Youtube ansehe, gehe ich damit eine lose Verbindung mit anderen Menschen, Autor*innen oder Hersteller*innen des Videos ein. In Seminaren wird es noch deutlicher: Baue ich als Trainer zu Beginn eine gute Bindung zu meinen Seminarteilnehmer*innen auf und fördere insbesondere die Beziehungen untereinander, fördert das nicht nur den Austausch, sondern macht ein gemeinsames Lernen insgesamt möglich.

Ich bin nach all den Jahren jedesmal aufs Neue erstaunt, wie schnell und einfach es im Grunde geht, eine Gruppe von Menschen (meistens etwa 12 Personen) innerhalb kürzester Zeit zusammenzubringen. Spätestens nach dem ersten gemeinsamen Mittagessen ergeben sich Netzwerke, auf deren Basis sich beinahe jede*r auch mit seinen Schwächen zeigen kann. In externen freilich mehr als in Inhouse-Seminaren. Doch auch hier ergibt sich oft in meinen Seminaren eine Offenheit, die ein Wachstums-Mindset und damit ein Voneinander-Lernen erst ermöglicht.

Dieser Aufbau einer psychologischen Sicherheit auf der Beziehungsebene kann über ganz unterschiedliche Ansätze stattfinden:

  • Erwartungen austauschen und sich später auf die Erwartungen der Teilnehmer*innen beziehen,
  • die Teilnehmer*innen beim Namen nennen,
  • Smalltalk in der Pause,
  • der Einsatz von Humor und Selbstironie,
  • den Austausch in Kleingruppen fördern,
  • mehr Fragen stellen als einheitliche Lösungen bieten,
  • zum öffentlichen, gemeinsamen Nachdenken anregen,
  • gemeinsam etwas unternehmen (Mittagessen, Abendspaziergang),
  • niemanden mit seinen Ansichten separieren oder bloß stellen, usw.

Die Gemeinsamkeit all dieser Ansätze ist das Augenmerk auf das Verbindende. Es geht eben nicht darum, was ich weiß oder jemand anderes kann, sondern was dieses Wissen oder Können für andere bedeutet. Es geht auch nicht darum über etwas zu lachen, sondern gemeinsam über etwas zu lachen und sich gemeinsam über anderes zu ärgern. Insofern gibt es keine NoGos, wie die Neurowissenschaften manchmal nahe legen, wenn es bspw. um den Begriff des Problems geht, der bitteschön durch Herausforderung oder Chance ersetzt werden sollte. Auch wenn der Begriff der Herausforderung positivere Assoziationen in uns weckt, kann der Problem-Begriff ebenso verbindend wirken und gleichzeitig wertschätzend signalisieren, wie schwer eine Situation für Mitarbeiter*innen aktuell aussieht.

In diesem Sinne beginnt die Förderung von Verbindungen in Gruppen mit unserer Sprache:

  • Was können wir gemeinsam erreichen?
  • Was können wir voneinander lernen?
  • Was kann jede*r zum Gelingen eines Erfolgs beitragen?
  • Was haben wir bereits zusammen erreicht?
  • Wie können wir uns in unseren Kompetenzen ergänzen?
  • Wie können wir uns gegenseitig unterstützen?
  • Welche Erfahrungen verbinden uns?

Es geht hier nicht darum, dass immer alles harmonisch ablaufen sollte. Auch um den richtigen Weg streiten verbindet, sofern es ein gemeinsames Ziel gibt, das unterschiedliche Menschen mit unterschiedlichen Erfahrungen und unterschiedlichen Sichtweisen auf unterschiedliche Art und Weisen erreichen wollen. Dennoch bleibt das verbindende Ziel, das dabei hilft, die unterschiedlichen Sichtweisen und Kompetenzen als Ergänzung und nicht als Trennung wahrzunehmen.

Mit der Quantenphysik die Welt retten

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Everything, everywhere, all at once

Viele von uns waren in Filmen wie „Everything everywhere all at once“. Was als spaßige oder spleenige Actionkomödie angelegt ist, hat jedoch einen ernsten Hintergrund: Erkenntnisse aus der Quantenphysik besagen, dass auf einer subatomaren Ebene alles jederzeit stattfindet. Das wiederum ist für uns schwer vorstellbar. Wer sich jedoch intensiver mit dem Thema beschäftigt, merkt einerseits, dass es komplett logisch ist, dass alles jederzeit stattfindet und andererseits, dass wir immer noch durch und durch von der klassischen Aufklärung des Sezierens einzelner Phänomene geprägt sind, die keineswegs jederzeit alles sein können. Was also ist dran an der Quantenphysik?

Beginnen wir mit dem Gedankenexperiment um Schrödingers Katze, das der ein oder die andere vermutlich schon einmal in der Schule gehört, für eine verücktes Idee gehalten und daraufhin wieder vergessen hat – so wie ich: In einer Kiste befinden sich eine Katze, ein radioaktives Präparat, ein Detektor für die beim Zerfall erzeugte Strahlung und ein tödliches Gift, das bei Ansprechen des Detektors freigesetzt wird. Die Kiste ist allerdings so verschlossen, dass wir nicht wissen können, ab wann die Katze tot ist. Erst wenn die Kiste geöffnet wird, erkennen wir, ob sie schon tot oder noch lebendig ist. Daraus lassen sich zweierlei Erkenntnisse ziehen:1

  1. Solange die Kiste nicht geöffnet wird, könnte die Katze sowohl tot als auch lebendig sein.
  2. Erst in dem Moment des Öffnens lässt sich der Zustand der Katze feststellen, wodurch die Rolle des Beobachters auf irgendeine Weise wichtig erscheint.

In Folge wurden in den letzten Jahrzehnten eine Menge Studien durchgeführt, die alle zu ähnlichen Erkenntnissen führen: Subatomare Teilchen (bspw. ein Quarks) lassen sich erst eindeutig bestimmen, wenn sie „festgehalten“ und beobachtet werden. Bis dahin schwirren sie durch den Raum und könnten auch etwas anderes sein (bspw. ein Anti-Quarks).

Teilchen und Schattenteilchen

Gleichzeitig wurde deutlich, dass es letztlich keine tatsächlichen Elementarteilchen gibt, weil jedes Teilchen immer im Verbund mit einem anderen Teilchen (Quarks und Anti-Quarks, Protonen und Elektronen) auftritt. Die Quantenphysik spricht tatsächlich davon, dass jedes Teilchen einen Schatten hat. C. G. Jung, der Urheber der sogenannten Schattenanteile, hätte sich darüber vermutlich gefreut. Die Suche nach dem einen Elementarteilchen war bislang erfolglos. Das wiederum wusste der gesunde Menschenverstand bereits vorher. Frieden wird schließlich erst zu Frieden durch die Existenz von Krieg. Plus ist ohne Minus nicht denkbar. Freude lässt sich erst genießen durch die potentielle Möglichkeit von Trauer. Wir wüssten nicht einmal, wie wir miteinander sprechen sollten, wenn es den jeweils anderen Gegenpol nicht gäbe. Dann wäre letztlich alles neutral: Wir wären nicht gut oder schlecht gelaunt, sondern neutral. Genau das passiert auch, wenn sich Materie und Antimaterie treffen. Am Ende steht das Nicht, das sich dann logischerweise selbst mit den feinsten Messgeräten nicht mehr messen lässt.

In unseren Alltag übertragen bedeutet dies, dass nicht nur auf der subatomaren Ebene jederzeit alles möglich ist, solange niemand hinsieht und sich erst durch die Beobachtung durch eine Bewertung ein wahrnehmbarer Zustand manifestiert. Beobachten wir aus der Ferne ein Paar, das sich lautstark unterhält, könnte es ein Streit sein oder eine lebhafte, aber von Liebe durchdrungene Unterhaltung. Die beiden könnten sich schon lange kennen oder gerade eben erst begegnet sein. Erst wenn wir näher hingehen, erkennen wir, um was für eine Unterhaltung es sich handelt. Dann jedoch verändern wir bereits das Setting durch unsere subjektive Beobachtung, wodurch sich die Situation nicht mehr zu 100% objektiv erfassen lässt. Wir selbst nehmen wahr, was wir wahrnehmen wollen. Und das Paar wird sich der Beobachtung bewusst und lässt sich dadurch in einen bestimmten Zustand (Konflikt, lebhafte Auseinandersetzung, Liebesspiel, etc.) materiell „einfrieren“, obwohl zuvor evtl. verschiedene Zustände möglich waren.

Ein ähnliches Phänomen spielt sich in Organisationen ab, wenn ein Mitarbeiter, der an vielen Veränderungen herum nörgelt aus der einen Perspektive als anstrengend, aus einer anderen jedoch – er hat ja auch häufig recht mit seiner Kritik, auch wenn es niemand hören will – als wertvoller Kritiker wahrgenommen wird. Erst durch die Beobachtung bzw. Bewertung des Mitarbeiters wird sein Verhalten in Stein gemeißelt und zieht manifeste Folgen nach sich.

Frage ich in meinen Seminaren in die Runde, wer mit wem am meisten Probleme hat, zeigt sich beinahe immer: Der eine mag keine Nörgler, die nächste keine Besserwisser und der dritte kann nicht mit Jammerern. Hierbei handelt es sich vermutlich um einen persönlichen Schattenanteil (oder die ganz persönliche Anti-Materie), die mich erst zu einem ganzen Menschen macht. Konkret heißt das: Fragen Sie sich, was ein Nörgler, Besserwisser, Jammerer, etc. beziehungstechnisch mit Ihnen macht und was Sie daraus lernen können.

Warum mir der Umgang mit leidenden Menschen schwer fällt

Eine Anekdote am Rande: Mir persönlich fällt der Umgang mit leidenden Charakteren schwer. Der Grund ist in meiner Kindheit zu finden. Meine Mutter hatte früher starke Migräne-Attacken, worauf wir in der Familie Rücksicht nehmen mussten. Ich durfte nicht laut sein, keine Freunde mitbringen und wir unternahmen selten Ausflüge. Dadurch lernte ich, meine Befindlichkeiten zurückzunehmen und niemandem zur Last zu fallen, wodurch sich jedoch Wut aufstaut, die irgendwann einmal raus muss oder krank macht. Oberflächlich betrachtet könnte ich nun sagen: Jammern macht mich wütend. Dabei bestand die eigentliche Unzufriedenheit darin, mein eigenes Bedürfnis anderen in einem gesunden Maß zur Last zu fallen, nicht auszuleben. Ich tat mich jahrelang schwer, fremde Hilfe anzunehmen. Erst durch die Integration meiner Anti-Materie (dem ungeliebten Jammern) habe ich die Möglichkeit, ein vollkommenerer und zufriedenerer Mensch zu werden.

Das Mindset der klassischen Aufklärung

Unser menschlicher Geist hängt leider noch am Mindset der klassischen Aufklärung. Die klassischen Naturwissenschaften gingen davon aus, dass jeder Körper für sich selbst besteht und untersucht werden kann. Diese Sezierung von Gesamtzusammenhängen führte einerseits zu vielen Erkenntnissen, verstellte jedoch andererseits den Blick darauf, was Systeme zusammen hält.

Unterstützt wird das Ganze durch den Kapitalismus:

  • Mein Haus, mein Auto, mein Pferd, mein Raumschiff.
  • Unterm Strich zähl’ ich.

Ebenso spielt der Heldenmythos dieser Denkweise in die Karten. Als könnten ein paar Marvelfiguren die gesamte Welt retten. Mit Schwarmintelligenz tun sich die Menschen seit jeher schwer. Kein Wunder, dass mein Buch zu diesem Thema letztes Jahr aufgrund zu schwacher Verkaufszahlen eingestampft wurde.

Wir brauchen ein neues Mindset

Die Quantenphysik legt uns nahe, uns von diesem Denken zu verabschieden, indem wir akzeptieren, dass wir alle – und insbesondere Gegenpole – miteinander verbunden sind. Die Welt um uns herum entstand nicht durch Elementarteilchen, sondern durch das Zusammenspiel von Materie und Antimaterie, von Teilchen und Schattenteilchen. Insofern werden auch wir nicht angetrieben von einzelnen (abgegrenzten) Menschen, sondern erst durch das Zusammenspiel in einem Team.

Diese Denkweise könnte weitreichende Konsequenzen haben:

  • Anstatt in Bewerbungsgesprächen zu fragen, welche Kompetenzen jemand mitbringt, bietet sich die Frage an, was jemand bieten kann, um ein Team zu ergänzen.
  • Anstatt Veränderungen gegen Widerstände durchzuboxen, wäre es sinnvoller, kritische Meinungen sozusagen als natürliche Anti-Materie zu akzeptieren und zu integrieren.
  • Anstatt in Konflikten davon auszugehen, dass nur meine Meinung richtig ist, wäre es wichtig, sich damit anzufreunden, dass auch mein Gegenüber recht hat.

Wer sich bereits mit systemischem Denken und Mediationen auseinander setzte, erkennt hier wenig Neues. Neu ist jedoch die Erkenntnis, dass all das kein bloßes pädagogisches Schönwetter-Wunschdenken ist, sondern tief verwurzelt ist in der DNA unserer Welt.

Sollte diese Denkweise eines schönen Tages in der Gesellschaft angekommen sein, würden die Menschen vielleicht endlich verstehen, dass sie nur gemeinsam die Welt retten können, anstatt gegeneinander in Konkurrenz zu treten.

Literatur:

Lynne Haggard – The Bond. Die Wissenschaft der Verbundenheit

Hüther und Spannbauer – Verbundenheit

1https://de.wikipedia.org/wiki/Schr%C3%B6dingers_Katze

Neues Thema, neues Projekt, neues Angebot?

Immer wenn ich ein wenig Luft habe, meist ist das in der Sommerzeit oder um Weihnachten der Fall, denke ich über mögliche neue Seminar-Angebote nach. Manchmal werde ich auch aktiv gefragt: “Könnten Sie nicht mal was zum Thema Generation Z machen?” Und dann geht die Gehirn-Maschine los:

  • Soll ich mir das wirklich antun? Lohnt sich der Aufwand? Immerhin muss ich mich in das neue Thema gut einarbeiten.
  • Und ein wenig unsicher ist es auch oft zu Beginn.
  • Aber spannend wäre es schon, mal wieder ein neues Thema anzugehen?
  • Und Spaß macht es auch, einen Stapel Bücher auszuleihen, neue Grafiken zu erstellen und dem Leben neue Blickwinkel hinzuzufügen.

Um solche Gehirnakrobatiken strukturierter anzugehen, helfen mir die vier IKIGAI-Filter:

Natürlich lässt sich die Reihenfolge der vier Filter auch verändern, je nach gusto.

Was macht ein erfolgreiches Inhouse-Seminar aus?

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Aus meiner Sicht sind es drei Aspekte:

  1. Praxisbezug
  2. Spaß
  3. Bindung

1. Praxisbezug

Seminare sind keine pure Wissensvermittlung. Die Zeiten, in denen Organisationen noch Geld genug und v.a. die Zeit hatten, ihre Führungskräfte wochenlang auf Seminare zu schicken sind lange vorbei. Stattdessen habe ich immer mehr Auftraggeber, die ihren Mitarbeiter*innen nur noch einen Tag im Jahr spendieren, oft in den eigenen Räumen, manchmal auch zweimal im Jahr. Die zeitliche Überbelastung der Führungskräfte lässt häufig nicht mehr zu. Bei einem Tag bleibt jedoch wenig Spielraum für eine tiefere Beschäftigung mit einem Thema. Stattdessen braucht es schnelle Erkenntnisse und Übungen, die eine sofortige Umsetzung in die Praxis garantieren. Das wiederum erfordert einen praxisorientierten Methodenkoffer aus kurzen Rollenspielen (ohne Video-Analyse-Tamtam), Impact-Techniken oder mentalen Übungen. Kurzum: Alles, was wenig theoretisch ist, sondern stattdessen sofort spürbar macht, ob eine Vorgehensweise (Ansagen, Fragetechniken, Körpersprache) funktioniert oder nicht.

Dabei spielt der Faktor Geld aus meiner Erfahrung eine geringere Rolle als die Zeit. Wenn Organisationen schon die Dauer eines Seminars verkürzen, sind sie durchaus bereit, für einen solchen Power-Tag mehr zu bezahlen als bislang. Immerhin sparen sie sich den zweiten Tag.

2. Spaß

Wenn Seminarteilnehmer*innen mehr oder weniger gezwungen werden, an einem Training teilzunehmen, sollte es nicht nur einen inhaltlichen Mehrwert bieten, sondern auch Spaß machen. In meinen Seminaren heisst es am Ende häufig: „Der Tag ging schneller vorbei als gedacht. Hat Spaß gemacht.“ … wenn auch nicht unbedingt in dieser Reimform. Anscheinend gibt es da draußen eine Menge Trainer*innen, die glauben, Erkenntnisse müssen mit Leiden zusammen hängen. Ähnlich wie Arbeit in den Augen einiger Menschen nicht leicht sein darf, um ernsthaft Arbeit genannt zu werden, müssen auch Trainings eine gewisse seriöse Ernsthaftigkeit mitbringen.

Dieser Gedanke lässt sich auf das idealistische Denken von Hegel beziehen: Das Sein ist schwierig, aber wir können es durch unser Bewusstsein verändern. Anders formuliert: Lasst uns darüber nachdenken, wie eine gute Führung aussieht und wie wir damit unser Umfeld verändern könn(t)en.

Am Ende eines sehr idealistischen Seminars sind dann bestenfalls alle begeistert. Schließlich steht man auf der guten Seite und will wirklich etwas zum Besseren verändern. Die Atmosphäre wird geprägt von einer beinahe feierlichen Aufbruchsstimmung.

Das Problem dabei: Idealistische Denkweisen wirken schnell frustrierend, da sich Systeme nun einmal schwer und wenn, dann nur langsam verändern lassen. Zudem mangelt es idealistischen Sichtweisen oftmals an Realitätsnähe. Kein Wunder, dass dagegen manche Teilnehmer*innen rebellieren.

Externe Seminare halten es in der Regel aus, idealistisch zu sein. Hierzu melden sich schließlich hoch motivierte Menschen an. Inhouse-Seminare sollten sich mehr an dem orientieren, was in der gemeinsamen Realität vorhanden ist. Zudem drehen sich Inhouse-Seminare um ein einziges System, das ansich schon verbindend wirkt. Da es dieses eine System in offenen Seminaren nicht gibt, braucht es andere Bindungsmöglichkeiten der Teilnehmer*innen untereinander. Hierzu drängen sich Ideale geradezu auf.

Der Spaß in einem Seminar folgt einer Komödienlogik und arbeitet mit dem was da ist. Stellen Sie sich vor, Sie wären ein erfolgreicher Manager wie in dem Film „Die Glücksritter“ von Eddie Murphy und müssten mit einem Bettler aufgrund von Umständen, die sich bei Interesse bei Wikipedia nachlesen lassen, die Rollen tauschen. Plötzlich bestimmt nicht mehr Ihr Bewusstsein Ihr Sein – wie bei Hegel – sondern die materiellen Umstände Ihr Bewusstsein – wie bei Marx. Sie müssen sich daher mit dem arrangieren, was materiell vorhanden ist. Und damit meine ich nicht nur die Finanzen, sondern das gesamte Umfeld. Sie müssen lernen zu improvisieren, was – wenn man es nicht zu ernst nimmt – ein erhebliches humoristisches Potential in sich birgt.

Wenn uns das nicht an Situationen erinnert, in die Führungskräfte geworfen werden, wenn das eigene Team wieder einmal dezimiert wird, weil ein junger Mitarbeiter sich unerwartet weg bewirbt und/oder jemand schwanger ist. Im Nu müssen die ehedem großen idealistischen Ziele über Bord geworfen und auf Improvisation umgeschaltet werden.

Tragisch wäre es, an den Zielen festzuhalten, weil damit wenigstens die reine Lehre aufrecht erhalten bleibt: „Ich könnte ja, wenn nicht …“

Komödiantisch wird es, wenn mit einem Augenzwinkern mit der „Materie“ improvisiert wird, die vorhanden ist: „Es hilft ja nichts, also …“

Das ernsthaft Tragische bleibt damit inhaltlich sauber. Das Komödiantische macht sich schmutzig.

Ein Spaßansatz (in Seminaren) nimmt daher paradoxerweise Teilnehmer*innen viel ernster, weil es mit der vorhandenen Realität der Menschen arbeitet: „Es ist wie es ist. Machen wir das Beste daraus.“ Und ganz ehrlich: Das, was in der Theorie gilt, wird sich in der Praxis ohnehin nur zum Teil umsetzen lassen.

(Für eine tiefere Betrachtung der Gegensätze “Tragischer Idealismus versus Komödiantischer Materialismus” siehe hier)

3. Bindung

Fluktuation, Homeoffice und Co. führten in den letzten Jahren dazu, dass die Bindung in Organisationen immer mehr abnimmt, mit weitreichenden negativen Konsequenzen für den Informationsaustausch, aber auch die Resilienz von Teams im Umgang mit Belastungen. Viele Führungskräfte wünschen sich daher mehr Austausch, bspw. kollegiale Beratungen oder regelmäßige Treffen untereinander. Noch so ein idealistisches Ziel, das leider nur selten umgesetzt wird. Zum einen mangelt es an der Zeit für die Umsetzung. Zum anderen braucht es eine klare Organisation.

Inhouse-Seminaren kommt daher die Funktion zu, diese Lücke zu füllen. Ein gutes Seminar fördert daher das Kennenlernen als auch den Austausch der Teilnehmer*innen untereinander. Ich kann daher nur empfehlen, Inhouse-Seminare verpflichtend zu machen, im Sinne von: Wir haben hier ein Angebot aus drei Führungsseminaren pro Jahr. Eines davon solltest du besuchen.