Unterbesetzte Teams, bürokratische Hürden, eine hohe Fluktuation und ein gerade in Deutschland hoher Krankenstand zwingen Führungskräfte dazu, immer wieder am Limit zu arbeiten. In einer solchen Krisenstimmung ist es wenig hilfreich auf Durchhalteparolen zu setzen, die kaum noch ernst genommen werden. Wie also sollten Sie als Führungskraft mit diesen Dauerbelastungen umgehen, um trotzdem zu führen? Neben einem realistischen Optimismus braucht es ebenso die Hoffnung auf eine bessere Zukunft. Die Hoffnung greift dann, wenn Sie Ihren Optimismus verlieren, weil die Datenlage zu unklar ist oder die Einflüsse von außen zu groß. Hoffnung beginnt dann, wenn Sie der negativen Realität ins Auge blicken und das Beste daraus machen. Sie wissen als Teamleitung zwar nicht, ob Sie bald wieder ein voll besetztes Team haben werden. Aber Sie können zumindest die Hoffnung nicht aufgeben und damit gerade in schwierigen Zeiten der Demotivation und Apathie entgegen wirken. Hoffnung alleine reicht jedoch nicht aus, um im Alltag stabil zu führen. Ergänzend braucht es die Fähigkeit, resilient zu sein, um Belastungen auszuhalten und einen agilen Pragmatismus an den Tag zu legen, um in einer Welt handlungsfähig zu sein, in der sich Ziele, Pläne und Ressourcen stetig verändern. Das alles funktioniert am nachhaltigsten im moderierten Austausch, um die Verbundenheit des Teams auch in mobilen Zeiten zu fördern.
Seminarinhalte:
Vorbereitung: Akzeptanz und Resilienz als Basis eineskrisenfesten Teams
Warum erst eine radikale Akzeptanz unveränderlicher Situationen handlungsfähig macht.
Wie Sie die Wir-Resilienz Ihres Teams erhöhen.
Zukunftsvision: Optimismus und Hoffnung als Führungsinstrumente in schwierigen Zeiten
Warum Ziele und Visionen unserem Handeln einen Sinn verleihen.
Wann Sie am besten Optimismus und wann Hoffnung einsetzen.
Wie sich eine positive Sicht auf die Zukunft auf die Motivation und Kreativität auswirkt.
Wie Sie am mit Zukunfts-Skepsis in Ihren Teams umgehen.
Trotzdem handeln: Improvisation und Pragmatismus
Warum wir in Krisenzeiten eine gute Mischung aus Idealismus und agilem Pragmatismus brauchen.
Wie Sie zu einem Improvisations-Profi werden.
Wie Sie den Zufall geschickt herausfordern und für sich nutzen.
Gemeinsam handeln: Verbundenheit im Team fördern
Was sich aus der Quantenphysik zum Thema Verbundenheit lernen lässt.
Wie Sie das gemeinsame Wachstum der Teammitglieder fördern, um für kommende Krisen gewappnet zu sein.
Wie Sie die gegenseitige Solidarität und Unterstützung im Team – auch bei mobilen Teams – fördern.
Anfragen bei Interesse (in Präsenz oder online, als Vortrag oder Seminar) unter info@huebler.de.
Olaf Scholz: „Ich möchte mich bei meinen Ampelpartnern entschuldigen. Ich hätte als größter Partner in der Koalition mehr Führung übernehmen sollen. Ich hätte die Konflikte, die wir hatten, mehr moderieren sollen. Vielleicht wäre es dann gar nicht zu diesem Bruch gekommen. Und bei den Bürgerinnen und Bürgern möchte ich mich ebenso – ich denke im Namen aller – entschuldigen. Es tut mir leid, dass diese Fortschrittskoalition, die – ihr erinnert euch – so motiviert gestartet ist, so schnell abstürzte. Im Rückblick weiß ich selbst nicht, wie das passieren konnte. Dass wir den Bürgerinnen und Bürgern dieses Landes in diesen turbulenten Zeiten keine sichere Regierung bieten konnten tut mir persönlich sehr leid. Ich muss leider demütig gestehen, dass dieses Land eine bessere Regierung verdient.“
Robert Habeck: „Auch mir tut es leid. Wir als Grüne hatten so viel vor. Vielleicht hatten wir sogar – in den Zeiten des Klimawandels und der damit verbundenen Energieversorgung – die größten Ziele. Und vielleicht sind wir deshalb – zumindest in den Augen vieler – am meisten gescheitert. Wir hatten noch so viel vor. Und wir dachten, wir könnten einiges davon gemeinsam mit der SPD und den Liberalen umsetzen. Denken wir nur für einen kurzen Moment zurück an das Selfie, das wir zu Beginn der Koalition mit Volker, Annalena und Christian machten. Wir hatten doch alle das Gefühl, das wir hier eine große Chance für Deutschland in den Händen halten. Und nun sind wir wie Ikarus nach nur 3 Jahren abgestürzt. Wollten wir alle zu viel und haben uns deshalb zu sehr in unseren Diskussionen verbissen? Ich weiß es nicht. Ich weiß nur, dass ich am heutigen Tag auch persönlich traurig bin und hoffe, dass – wenn sich eine solche Chance wieder einmal ergibt – wir alle das irgendwie besser machen.“
Christian Lindner: „Was soll ich da noch sagen? Meine Vorredner sprechen mir aus der Seele. Ich gelte normalerweise als rhetorisch starker Redner. Doch lassen wir die Rhetorik einfach mal beiseite. Auch ich bin enttäuscht. Enttäuscht auch von der eigenen Partei. Selbst wenn ich nichts von den D-Day-Plänen wusste, ärgere ich mich maßlos darüber. So etwas darf nicht passieren und es tut mir leid. Von der SPD gab es mal die Losung: Erst das Land, dann die Partei. Diese Maxime sollte gerade in Krisenzeiten gelten. Warum es so weit kam? Auch ich weiß es nicht. Vielleicht bekamen wir Panik vor der 5%-Hürde und wollten einen klaren Schnitt. Aber selbst wenn, ist das nur eine Erklärung und keine Entschuldigung. Deshalb will auch ich meinen Teil der Schuld am Scheitern der Koalition eingestehen und kann ebenfalls wie Robert nur hoffen, es in Zukunft besser zu machen, nicht für uns, sondern für unser Land.“
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Neulich in einem Seminar der obersten Führungsriege einer Organisation meinte eine Führungskraft: „Die Entscheidungsträger, das sind doch wir. Wer wenn nicht wir könnte etwas verändern?“
Während sich der Optimismus auf Zahlen und Fakten beruft und gut gelaunt in die Zukunft blickt, indem er sich anschaut, welchen Einfluss er geltend machen kann, bleibt die Hoffnung oft vage, vorsichtig, kann sogar sorgenvoll sein, weil ihr die Referenzwerte fehlen und sie meist vom Schicksal oder Zufall abhängt.
Sage ich bspw. am Roulette-Tisch „Ich bin optimistisch, dass ich dieses mal gewinne“, ziehe ich diesen Optimismus daraus, dass ich heute meine Glückshosen anhabe oder bereits den ganzen Tag über Glück hatte. Sage ich jedoch „Ich hoffe, dass ich heute gewinne“, schwingt die Angst mit, auf eine dramatische Art zu verlieren, weil es das Schicksal nicht gut mit mir meint. Vielleicht kann meine Miete bald nicht mehr zahlen oder habe mir sogar Geld von der Mafia geliehen.
Unser Optimismus bezieht sich in der Regel auf positive Erfahrungen, die unserer Hoffnung fehlen: „Ich hoffe, dass wir bald wieder jemand Neuen im Team haben, weiß es jedoch nicht. Ich weiß allerdings aus Erfahrung, dass wir als Team immer dann Durststrecken meisterten, wenn wir gut zusammen arbeiteten.“
Diese Unsicherheit macht den Umgang mit Hoffnung grundsätzlich schwieriger als mit Optimismus. Deshalb bezieht sich die Hoffnung oft auf ein Leben nach dem Tod oder vermeintlich mächtige Menschen als sogenannte Hoffnungsträger. Sowohl auf Kamala Harris als auch Donald Trump ruhen derzeit die Hoffnungen vieler Menschen in den USA nach einem besseren Leben. Dabei wird die Macht einzelner meist überschätzt und die Macht der Systeme (Netzwerke, internationale Verträge, Banken, Lobbyismus, usw.) unterschätzt. Damit zeigt sich jedoch, wie sehr Menschen Hoffnung brauchen, wenn sie sich in einer Situation befinden, die sie nicht einschätzen können. Krieg, ein Grubenunglück, eine schwere Krankheit, wirtschaftliche Krisen oder auch der aktuelle Zustand der Unterbesetzung und damit Dauerbelastung in vielen Teams sind solche Situationen. Werden wir mit einer unerwarteten und unberechenbaren Situation konfrontiert, greift unser wohlgepflegter Optimismus nicht mehr. Der Roulette-Spieler kann seine Chancen auf einen Gewinn errechnen, was seinem Optimismus Futter gibt. Dies war bei unterbesetzten Teams früher auch der Fall. Ist der Arbeitsmarkt jedoch leer gefegt, bleibt nur noch die Hoffnung auf eine positive Wendung in der nahen Zukunft. Hierauf haben wir zwar wenig Einfluss, können aber dennoch etwas dafür tun, indem wir als Team gut zusammenarbeiten und damit das Erreichen der Hoffnung wahrscheinlicher machen. Dennoch bleibt die Ambivalenz zwischen einer positiven Aussicht in der Zukunft und der Befürchtung, dass sich der Traum davon nicht erfüllen wird.
Während der Optimismus streng genommen lediglich einen positiven Blick auf die Zukunft wirft, indem er positive Fakten über- und negative unterbewertet, erfordert die Hoffnung einen utopischen Blick nach vorne. Was zuerst als Manko erscheint, könnte jedoch eine Chance sein, wenn die Unbestimmtheit der Zukunft als Freiheit verstanden wird, sich im Geiste eine bessere Welt frei von allen Erfahrungen vorzustellen. Dies wiederum scheinen wir verloren zu haben. Der Optimismus ist schnell bei der Hand, wenn es heißt: Immer positiv denken. Der Optimismus arbeitet jedoch mit dem Vorhandenen und kreiert nichts Neues. Erst die Hoffnung auf eine bessere Zukunft könnte wahrlich utopistisch etwas Neues erdenken, wenn wir uns davon frei machen, der Naivität bezichtigt zu werden. Denn das schwingt heutzutage meistens mit, wenn von Hoffnungen die Rede ist. „Spinn’ nicht herum“, heißt es bereits bei kleinen Kindern. Politiker*innen sollten Realpolitik machen. Und der Rest der Welt sollte sich an den vorhandenen Bedingungen orientieren und keine Luftschlösser bauen: „Es gibt nun mal keine Ressourcen! Woher nehmen, wenn nicht stehlen?“
Dabei wusste bereits Kant, dass wir in zwei Welten leben, einer realen und einer ideellen. Ernst Bloch meinte daher, dass Hoffnungen immer auch ein Stück Realitätsverweigerung sind, um eine noch nicht vorhandene Welt zu erschaffen. Utopien bestehen laut Bloch aus einem „In-Möglichkeit-Seienden“, was im Kern bereits angelegt ist. Es geht ergo nicht darum, sich vollkommen unrealistische Hoffnungen zu machen. Diese würden nur enttäuscht werden. Stattdessen sollten wir darauf achten, was wir bereits jetzt tun können, damit utopische Ideen Wirklichkeit werden können.
Um Hoffnung zu haben und schwierige Situationen durchzuhalten, braucht es u.a. folgende Tugenden:
Offenheit für ungewöhnliche Lösungen
Bereitschaft, sich mit anderen auszutauschen
Energie, Ausdauer und Beharrlichkeit
Die Demut und Bescheidenheit, mit kleinen Lösungen zufrieden zu sein
Achtsamkeit im Umgang mit sich selbst
Selbstbeherrschung und Geduld
Dankbarkeit trotz allem
Humor oder sogar Galgenhumor
Spiritualität, Religiösität
Andererseits führen zu konkrete Hoffnungen ebenfalls zu Enttäuschungen. Hoffen wir nach einer Krankheit auf eine schnelle Genesung oder darauf, wieder vollkommen hergestellt zu sein, wird dies vermutlich scheitern. Hoffen wir jedoch darauf, eines Tages wieder ein gutes Leben führen zu können – auch mit der Krankheit – bleibt dies vage genug, um nicht enttäuscht zu werden und ist dennoch motivierend genug, um die Verzweiflung hinter sich zu lassen.
Haben wir bspw. die Hoffnung einer autofreien Stadt in der Zukunft, könnte das eines Tages durch Postboten-Drohnen oder fliegende Autos durchaus Wirklichkeit werden. Dazu braucht es jedoch eine Menge Forschung und eine gute Zusammenarbeit zwischen verschiedenen Forschungsgebieten (Technik, IT, Jura, Sozialwissenschaften, etc.). Gleichzeitig bleibt unklar, wie genau die autofreie Stadt der Zukunft aussehen wird. Ähnlich ergeht es Teams in Unternehmen. Einem unterbesetzten Team wird es kaum ausreichen, die Hoffnung zu haben, dass es eines Tages wieder besser wird. Das Team braucht eine tragfähige und motivierende Vision, die neben einer guten, menschlichen Zusammenarbeit vermutlich die Dunkelverarbeitung durch K.I., eine andere Aufgabenunterteilung und weniger Bürokratie mit einschließt. Wie genau die Utopie in der Zukunft aussehen und wann genau sie kommen wird bleibt unklar. Sonst wäre es keine Utopie. Ohne Utopien sind Dauerbelastungen jedoch kaum auszuhalten. Stattdessen werden über kurz oder lang die Besten gehen, die Schwächsten krank werden und der Laden alsbald zusammen brechen.
Literatur: Kraft und Walker: Positive Psychologie der Hoffnung. Springer, 2018
Spätestens in der Schule beginnt der Einstieg in ein statisches und trennendes Denken:
Was kann ich, was andere nicht können?
Worin bin ich besser?
Womit kann ich mich von anderen abgrenzen?
Wofür bekomme ich von den Lehrer*innen Lob und Anerkennung?
Was darf ich auf keinen Fall tun?
Dabei hat dieses Denken durchaus nachvollziehbare Hintergründe. In kleinen Gruppen wie Familien oder Freundeskreisen werden Menschen stärker als Individuen wahrgenommen. Je größer die Gruppe ist, desto wichtiger werden Abgrenzungen durch Geschlecht, Eigenschaften, Fähigkeiten oder Meinungen. Schließlich muss ich mich im Kampf um Aufmerksamkeit bzw. um Kontakte, Beziehungen oder sogar Aufträge sichtbar machen und positionieren, um nicht unterzugehen.
Damit einher gehen jedoch zwei Effekte, die ein Miteinander erschweren:
Sofort ins Auge fällt die Abgrenzung von anderen.
Genauso dramatisch ist jedoch eine statische Denkweise des Könnens anstatt einer dynamischen Sichtweise des Entwickelns. Unsere persönliche Entwicklung wiederum ist sehr stark von anderen abhängig, mit denen wir zusammen arbeiten, die unsere Kompetenzen ergänzen und von denen wir etwas lernen können.
Die Psychologin Carol Dweck prägte zur Unterscheidung dieser beiden Mindsets die Begriffe Wachstums- versus Leistungs-Mindset. Beide Denkweisen haben Vor- und Nachteile:
Das Leistungsmindset vermittelt uns Sicherheit, indem wir uns darauf berufen, was wir können oder nicht können. Es hindert uns jedoch daran, Neues zu wagen, bei dem wir uns unserer Kompetenzen noch nicht sicher sein können.
Das Wachstumsmindset hiflt uns dabei, uns weiter zu entwickeln im Sinne eines lebenslangen Lernens. Es kann jedoch zu einer Rastlosigkeit bis zum Burnout führen.
Diese Erkenntnisse sind bereits relativ alt. Die Forschungen von Dweck gehen bis in die 70er Jahre zurück und finden sich in einer komplexeren Form in der Psychologie als Attribuierungstheorie wieder. Dabei wird jedoch die Komponente der Bindung weitgehend ausgespart. Denn Bindung bedeutet letztlich sich aufeinander zu beziehen und voneinander zu lernen. Damit hängt Bindung direkt mit persönlichem Wachstum zusammen. Selbst wenn ich „nur“ ein Buch lese oder mir ein Info-Video auf Youtube ansehe, gehe ich damit eine lose Verbindung mit anderen Menschen, Autor*innen oder Hersteller*innen des Videos ein. In Seminaren wird es noch deutlicher: Baue ich als Trainer zu Beginn eine gute Bindung zu meinen Seminarteilnehmer*innen auf und fördere insbesondere die Beziehungen untereinander, fördert das nicht nur den Austausch, sondern macht ein gemeinsames Lernen insgesamt möglich.
Ich bin nach all den Jahren jedesmal aufs Neue erstaunt, wie schnell und einfach es im Grunde geht, eine Gruppe von Menschen (meistens etwa 12 Personen) innerhalb kürzester Zeit zusammenzubringen. Spätestens nach dem ersten gemeinsamen Mittagessen ergeben sich Netzwerke, auf deren Basis sich beinahe jede*r auch mit seinen Schwächen zeigen kann. In externen freilich mehr als in Inhouse-Seminaren. Doch auch hier ergibt sich oft in meinen Seminaren eine Offenheit, die ein Wachstums-Mindset und damit ein Voneinander-Lernen erst ermöglicht.
Dieser Aufbau einer psychologischen Sicherheit auf der Beziehungsebene kann über ganz unterschiedliche Ansätze stattfinden:
Erwartungen austauschen und sich später auf die Erwartungen der Teilnehmer*innen beziehen,
die Teilnehmer*innen beim Namen nennen,
Smalltalk in der Pause,
der Einsatz von Humor und Selbstironie,
den Austausch in Kleingruppen fördern,
mehr Fragen stellen als einheitliche Lösungen bieten,
zum öffentlichen, gemeinsamen Nachdenken anregen,
gemeinsam etwas unternehmen (Mittagessen, Abendspaziergang),
niemanden mit seinen Ansichten separieren oder bloß stellen, usw.
Die Gemeinsamkeit all dieser Ansätze ist das Augenmerk auf das Verbindende. Es geht eben nicht darum, was ich weiß oder jemand anderes kann, sondern was dieses Wissen oder Können für andere bedeutet. Es geht auch nicht darum über etwas zu lachen, sondern gemeinsam über etwas zu lachen und sich gemeinsam über anderes zu ärgern. Insofern gibt es keine NoGos, wie die Neurowissenschaften manchmal nahe legen, wenn es bspw. um den Begriff des Problems geht, der bitteschön durch Herausforderung oder Chance ersetzt werden sollte. Auch wenn der Begriff der Herausforderung positivere Assoziationen in uns weckt, kann der Problem-Begriff ebenso verbindend wirken und gleichzeitig wertschätzend signalisieren, wie schwer eine Situation für Mitarbeiter*innen aktuell aussieht.
In diesem Sinne beginnt die Förderung von Verbindungen in Gruppen mit unserer Sprache:
Was können wir gemeinsam erreichen?
Was können wir voneinander lernen?
Was kann jede*r zum Gelingen eines Erfolgs beitragen?
Was haben wir bereits zusammen erreicht?
Wie können wir uns in unseren Kompetenzen ergänzen?
Wie können wir uns gegenseitig unterstützen?
Welche Erfahrungen verbinden uns?
Es geht hier nicht darum, dass immer alles harmonisch ablaufen sollte. Auch um den richtigen Weg streiten verbindet, sofern es ein gemeinsames Ziel gibt, das unterschiedliche Menschen mit unterschiedlichen Erfahrungen und unterschiedlichen Sichtweisen auf unterschiedliche Art und Weisen erreichen wollen. Dennoch bleibt das verbindende Ziel, das dabei hilft, die unterschiedlichen Sichtweisen und Kompetenzen als Ergänzung und nicht als Trennung wahrzunehmen.
Viele von uns waren in Filmen wie „Everything everywhere all at once“. Was als spaßige oder spleenige Actionkomödie angelegt ist, hat jedoch einen ernsten Hintergrund: Erkenntnisse aus der Quantenphysik besagen, dass auf einer subatomaren Ebene alles jederzeit stattfindet. Das wiederum ist für uns schwer vorstellbar. Wer sich jedoch intensiver mit dem Thema beschäftigt, merkt einerseits, dass es komplett logisch ist, dass alles jederzeit stattfindet und andererseits, dass wir immer noch durch und durch von der klassischen Aufklärung des Sezierens einzelner Phänomene geprägt sind, die keineswegs jederzeit alles sein können. Was also ist dran an der Quantenphysik?
Beginnen wir mit dem Gedankenexperiment um Schrödingers Katze, das der ein oder die andere vermutlich schon einmal in der Schule gehört, für eine verücktes Idee gehalten und daraufhin wieder vergessen hat – so wie ich: In einer Kiste befinden sich eine Katze, ein radioaktives Präparat, ein Detektor für die beim Zerfall erzeugte Strahlung und ein tödliches Gift, das bei Ansprechen des Detektors freigesetzt wird. Die Kiste ist allerdings so verschlossen, dass wir nicht wissen können, ab wann die Katze tot ist. Erst wenn die Kiste geöffnet wird, erkennen wir, ob sie schon tot oder noch lebendig ist. Daraus lassen sich zweierlei Erkenntnisse ziehen:1
Solange die Kiste nicht geöffnet wird, könnte die Katze sowohl tot als auch lebendig sein.
Erst in dem Moment des Öffnens lässt sich der Zustand der Katze feststellen, wodurch die Rolle des Beobachters auf irgendeine Weise wichtig erscheint.
In Folge wurden in den letzten Jahrzehnten eine Menge Studien durchgeführt, die alle zu ähnlichen Erkenntnissen führen: Subatomare Teilchen (bspw. ein Quarks) lassen sich erst eindeutig bestimmen, wenn sie „festgehalten“ und beobachtet werden. Bis dahin schwirren sie durch den Raum und könnten auch etwas anderes sein (bspw. ein Anti-Quarks).
Teilchen und Schattenteilchen
Gleichzeitig wurde deutlich, dass es letztlich keine tatsächlichen Elementarteilchen gibt, weil jedes Teilchen immer im Verbund mit einem anderen Teilchen (Quarks und Anti-Quarks, Protonen und Elektronen) auftritt. Die Quantenphysik spricht tatsächlich davon, dass jedes Teilchen einen Schatten hat. C. G. Jung, der Urheber der sogenannten Schattenanteile, hätte sich darüber vermutlich gefreut. Die Suche nach dem einen Elementarteilchen war bislang erfolglos. Das wiederum wusste der gesunde Menschenverstand bereits vorher. Frieden wird schließlich erst zu Frieden durch die Existenz von Krieg. Plus ist ohne Minus nicht denkbar. Freude lässt sich erst genießen durch die potentielle Möglichkeit von Trauer. Wir wüssten nicht einmal, wie wir miteinander sprechen sollten, wenn es den jeweils anderen Gegenpol nicht gäbe. Dann wäre letztlich alles neutral: Wir wären nicht gut oder schlecht gelaunt, sondern neutral. Genau das passiert auch, wenn sich Materie und Antimaterie treffen. Am Ende steht das Nicht, das sich dann logischerweise selbst mit den feinsten Messgeräten nicht mehr messen lässt.
In unseren Alltag übertragen bedeutet dies, dass nicht nur auf der subatomaren Ebene jederzeit alles möglich ist, solange niemand hinsieht und sich erst durch die Beobachtung durch eine Bewertung ein wahrnehmbarer Zustand manifestiert. Beobachten wir aus der Ferne ein Paar, das sich lautstark unterhält, könnte es ein Streit sein oder eine lebhafte, aber von Liebe durchdrungene Unterhaltung. Die beiden könnten sich schon lange kennen oder gerade eben erst begegnet sein. Erst wenn wir näher hingehen, erkennen wir, um was für eine Unterhaltung es sich handelt. Dann jedoch verändern wir bereits das Setting durch unsere subjektive Beobachtung, wodurch sich die Situation nicht mehr zu 100% objektiv erfassen lässt. Wir selbst nehmen wahr, was wir wahrnehmen wollen. Und das Paar wird sich der Beobachtung bewusst und lässt sich dadurch in einen bestimmten Zustand (Konflikt, lebhafte Auseinandersetzung, Liebesspiel, etc.) materiell „einfrieren“, obwohl zuvor evtl. verschiedene Zustände möglich waren.
Ein ähnliches Phänomen spielt sich in Organisationen ab, wenn ein Mitarbeiter, der an vielen Veränderungen herum nörgelt aus der einen Perspektive als anstrengend, aus einer anderen jedoch – er hat ja auch häufig recht mit seiner Kritik, auch wenn es niemand hören will – als wertvoller Kritiker wahrgenommen wird. Erst durch die Beobachtung bzw. Bewertung des Mitarbeiters wird sein Verhalten in Stein gemeißelt und zieht manifeste Folgen nach sich.
Frage ich in meinen Seminaren in die Runde, wer mit wem am meisten Probleme hat, zeigt sich beinahe immer: Der eine mag keine Nörgler, die nächste keine Besserwisser und der dritte kann nicht mit Jammerern. Hierbei handelt es sich vermutlich um einen persönlichen Schattenanteil (oder die ganz persönliche Anti-Materie), die mich erst zu einem ganzen Menschen macht. Konkret heißt das: Fragen Sie sich, was ein Nörgler, Besserwisser, Jammerer, etc. beziehungstechnisch mit Ihnen macht und was Sie daraus lernen können.
Warum mir der Umgang mit leidenden Menschen schwer fällt
Eine Anekdote am Rande: Mir persönlich fällt der Umgang mit leidenden Charakteren schwer. Der Grund ist in meiner Kindheit zu finden. Meine Mutter hatte früher starke Migräne-Attacken, worauf wir in der Familie Rücksicht nehmen mussten. Ich durfte nicht laut sein, keine Freunde mitbringen und wir unternahmen selten Ausflüge. Dadurch lernte ich, meine Befindlichkeiten zurückzunehmen und niemandem zur Last zu fallen, wodurch sich jedoch Wut aufstaut, die irgendwann einmal raus muss oder krank macht. Oberflächlich betrachtet könnte ich nun sagen: Jammern macht mich wütend. Dabei bestand die eigentliche Unzufriedenheit darin, mein eigenes Bedürfnis anderen in einem gesunden Maß zur Last zu fallen, nicht auszuleben. Ich tat mich jahrelang schwer, fremde Hilfe anzunehmen. Erst durch die Integration meiner Anti-Materie (dem ungeliebten Jammern) habe ich die Möglichkeit, ein vollkommenerer und zufriedenerer Mensch zu werden.
Das Mindset der klassischen Aufklärung
Unser menschlicher Geist hängt leider noch am Mindset der klassischen Aufklärung. Die klassischen Naturwissenschaften gingen davon aus, dass jeder Körper für sich selbst besteht und untersucht werden kann. Diese Sezierung von Gesamtzusammenhängen führte einerseits zu vielen Erkenntnissen, verstellte jedoch andererseits den Blick darauf, was Systeme zusammen hält.
Unterstützt wird das Ganze durch den Kapitalismus:
Ebenso spielt der Heldenmythos dieser Denkweise in die Karten. Als könnten ein paar Marvelfiguren die gesamte Welt retten. Mit Schwarmintelligenz tun sich die Menschen seit jeher schwer. Kein Wunder, dass mein Buch zu diesem Thema letztes Jahr aufgrund zu schwacher Verkaufszahlen eingestampft wurde.
Wir brauchen ein neues Mindset
Die Quantenphysik legt uns nahe, uns von diesem Denken zu verabschieden, indem wir akzeptieren, dass wir alle – und insbesondere Gegenpole – miteinander verbunden sind. Die Welt um uns herum entstand nicht durch Elementarteilchen, sondern durch das Zusammenspiel von Materie und Antimaterie, von Teilchen und Schattenteilchen. Insofern werden auch wir nicht angetrieben von einzelnen (abgegrenzten) Menschen, sondern erst durch das Zusammenspiel in einem Team.
Diese Denkweise könnte weitreichende Konsequenzen haben:
Anstatt in Bewerbungsgesprächen zu fragen, welche Kompetenzen jemand mitbringt, bietet sich die Frage an, was jemand bieten kann, um ein Team zu ergänzen.
Anstatt Veränderungen gegen Widerstände durchzuboxen, wäre es sinnvoller, kritische Meinungen sozusagen als natürliche Anti-Materie zu akzeptieren und zu integrieren.
Anstatt in Konflikten davon auszugehen, dass nur meine Meinung richtig ist, wäre es wichtig, sich damit anzufreunden, dass auch mein Gegenüber recht hat.
Wer sich bereits mit systemischem Denken und Mediationen auseinander setzte, erkennt hier wenig Neues. Neu ist jedoch die Erkenntnis, dass all das kein bloßes pädagogisches Schönwetter-Wunschdenken ist, sondern tief verwurzelt ist in der DNA unserer Welt.
Sollte diese Denkweise eines schönen Tages in der Gesellschaft angekommen sein, würden die Menschen vielleicht endlich verstehen, dass sie nur gemeinsam die Welt retten können, anstatt gegeneinander in Konkurrenz zu treten.
Literatur:
Lynne Haggard – The Bond. Die Wissenschaft der Verbundenheit