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Das ideale Zusammenspiel zwischen Denken und Fühlen in Konfliktgesprächen

Emotionen in Konflikten gelten als Eskalationsturbo schlechthin. Auch in meiner Ausbildung zum Mediator waren Emotionen im Grunde tabu. Mein Ausbilder war ein sachlich-denkender Jurist und folgte streng dem Harvard-Prinzip, womit ich extrem fremdelte und mich ehrlich gesagt wegen diesem Thema schon beinahe mit ihm anlegte. Der Mann war ein Profi und ließ mich geschickt auflaufen, indem er meine Fragen und Kritik fortan in seinen Vortrag vorauseilend einbaute, sodass ich mehr oder weniger mundtot gemacht wurde: „Der Herr Hübler würde an dieser Stelle sagen …“ Geschenkt. Erst später lernte ich den U-Prozess von Friedrich Glasl und Rudi Ballreich kennen und schätzen, was zumindest zu einer inneren Bestätigung führte.

Dennoch bleibt es eines der spannungsreichsten Themen in Mediationen und Konfliktgesprächen: Wie emotional darf es sein? Wann ist Sachlichkeit angezeigt?

Fakt ist, dass unser Denken und Fühlen unterschiedlichen Logiken folgt, die sich ideal ergänzen, wenn wir erkennen, dass ein Zusammenspiel an beide Herangehensweisen an eine Konfliktlösung sinnvoll ist.

Unser Denken bringt v.a. drei große Vorteile mit:

  1. Sachlichkeit: Wir können sachlich nach Ursachen und Lösungen suchen.
  2. Selektive Lösungssuche: Wir können ein Problem geistig auseinander nehmen und uns dafür Teillösungen ausdenken, selbst wenn diese ungewöhnlich sind.
  3. Zukunftsblick: Wir können uns über mögliche Zukünfte unterhalten und deren Konsequenzen im Geiste testen.

Leider hat unser Denken auch einen trennenden Effekt:

  • Denken wir in Wahr-oder-falsch-Kategorien, muss eine Person in einem Konflikt richtig liegen und die andere falsch.
  • Sprache kann selektiv wirken. Dies betrifft jegliche Art von Fachsprache, auch Ich-Botschaften oder die Gewaltfreie Kommunikation. Wer weiß, wie man „richtig“ kommuniziert, kann von seinem Gegenüber als arrogant wahrgenommen werden.
  • Denken muss nicht zwingend zu Handlungen führen. Wir können über viel reden, ohne jemals davon etwas umzusetzen. Als Testballon ist dies ein großer Vorteil. Folgen dem Reden keine Taten, wird es schnell unglaubwürdig.

In diesen Bereichen bringt unser Fühlen drei ergänzende Vorteile mit:

  1. Augenhöhe: Akzeptieren wir, dass jeder Mensch dieselbe emotionale Sprache mit Körperhaltungen, Mimiken und Gesten spricht, treffen sich zwei Menschen auf Augenhöhe, egal wie hoch ihr Bildungsstand oder ihre Position in einem System ist.
  2. Bedürfnisse: Realisieren wir, dass bei Lösungen eines Konflikts nicht darum geht, wer recht hat, sondern tiefer liegende (Affekt-) Logiken und Bedürfnisse berücksichtigt werden müssen wie Gerechtigkeit, Vertrauen, Unsicherheit, Anerkennung, Wertschätzung, Respekt, etc., ist trotz unterschiedlicher Meinungen eine Begegnung möglich.
  3. Glaubwürdigkeit: Spüren wir, dass unser Gegenüber von einer Aussage tatsächlich bewegt ist und nicht nur so tut, können wir von einer hohen Wahrscheinlichkeit ausgehen, dass er entsprechend handeln wird.

Daher ist es sinnvoll, Denken und Fühlen in Konfliktgesprächen einerseits getrennt anzusprechend, um deren Vorteile gezielt zu nutzen, und andererseits stetig zu pendeln:

  • Augenhöhe: Sie treffen sich hier als zwei Menschen, die sehr viel gemeinsam haben. Sie sprechen beide eine universelle emotionale Sprache, egal wo Sie herkommen und in welcher Rolle Sie in Ihrem Unternehmen auftreten.
  • Sachlichkeit: Wie kam es sachlich betrachtet zu Ihrem Konflikt?
  • Selektive Lösungssuche: Aus welchen unterschiedlichen Teilen besteht Ihr Konflikt (meistens: Kommunikation, Absprachen, Verantwortlichkeit) und womit wollen wir beginnen? Und später: Was an diesem Problem lässt sich einfach lösen, was nicht? Zu wieviel % ist dieses Problem aktuell gelöst? Was würde sich verändern, wenn wir dieses Problem um 10% mehr lösen? Wie könnte das gehen?
  • Bedürfnisse: Was ist Ihnen beiden wichtig, jenseits unterschiedlicher Meinungen?
  • Zukunftsblick: Auch wenn Sie sich jetzt noch streiten, ist die Zukunft unbestimmt. Wir können uns also ganz ins Blaue hinein eine positivere Zukunft ausmalen.
  • Glaubwürdigkeit: Ich habe das Gefühl, dass Sie das, was Ihre Kollegin gerade gesagt hat, auf irgendeine Weise bewegt. Ist das so? Wenn ja: Können Sie das, was Sie bewegt, in Worte fassen?

Diese Anleitung zum Pendeln ist nicht als Kurz-Mediation gedacht, sondern zieht sich freilich durch das gesamte Konfliktgespräch:

  • Braucht es Abstand und Sachlichkeit, ist ein Wechsel auf die Denken-Ebene sinnvoll.
  • Braucht es mehr Nähe und Verbindlichkeit, ist ein Wechsel auf die Gefühlsebene hilfreich.

Gleichzeitig werden damit sowohl die Bedürfnisse von Mediand*innen mit Denken-Schlagseite, als auch diejenigen mit Hang zum Fühlen bedient und ausgeglichen.

Literatur: Gerhard Schwarz: Konfliktmanagement

Missverständnis oder schon ein Konflikt?

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Die Eskalationsstufen nach Friedrich Glasl kennen viele. Hier geht es u.a. um Meinungsverschiedenheiten, sich stetig wiederholende unnachgiebige Debatten, Gruppenbildungen, kleine und große Tätlichkeiten (von Informationen zurückhalten bis zum Anschwärzen vor Kund*innen) und schließlich einem erbitterten Kampf, der nicht selten vor Gericht landet. Doch ab wann können wir überhaupt von einem Konflikt sprechen? Womit sich auch die Frage beantworten lässt, ab wann eine Situation geklärt werden und gegebenenfalls eine Führungskraft oder die Personalabteilung intervenieren sollte.

Die folgende Liste gibt Aufschluss darüber:

  • Mindestens eine Person schläft aufgrund der aktuellen Situation nachts schlechter.
  • Mindestens eine Person geht einer anderen aus dem Weg.
  • Eine bestimmte Person wird regelmäßig in Diskussionen übergangen.
  • Es finden Gespräche hinter dem Rücken von jemandem statt.
  • Bestimmte Themen werden nicht angesprochen, um Eskalationen zu vermeiden.
  • Mindestens eine Person ist öfter irritiert von einer anderen und weiß nicht, wie sie reagieren soll.
  • Mindestens eine Person fühlt sich durch jemand anderen gekränkt.
  • Mindestens eine Person fühlt sich unwohl, wenn eine bestimmte Person den Raum betritt.
  • Die Gespräche verstummen, wenn eine bestimmte Person den Raum betritt.
  • Es fallen in die Richtung einer bestimmten Person häufig zynische Kommentare.

Warum wir zwingend eine positive Sicht auf die Welt brauchen

Wer sich derzeit in der Welt umsieht, scheint beinahe nur noch mit Negativem konfrontiert zu sein. Europa bereitet sich auf einen Handelskrieg mit den USA vor und gleichzeitig auf die Gefahr, die seit den Hunnen aus dem Osten zu kommen scheint (Literaturempfehlung über Ur-Ängste und Konflikte: Ralf Langejürgen – Entfasziniert euch!). Die Belastung in deutschen Organisationen erreicht beinahe wöchentlich neue Hochstände. Aber lassen wir das. Sie kennen die Hiobsbotschaften.

Intuition als Überlebensfaktor

Unsere Wahrnehmung hat einen guten Draht zu unserem Bauchgefühl. Das wiederum sagt: Es ist schlimm und wird eher noch schlimmer. Und der Austausch mit anderen macht es meist noch schlimmer, weil unser Gehirn lieber nach Bestätigung sucht als nach Korrektur.

Aus Urzeiten wissen wir: Wer im Wald einem potentiell gefährlichen Tier begegnet, denkt nicht lange nach, um zu überleben. Mit weitreichenden Konsequenzen:

  • Wer regelmäßig wilde Tiere kontaktet, weiß (intuitiv) was zu tun ist.
  • Wer zum ersten Mal in seinem Leben eine solche Erfahrung macht, verfügt über keine adequate Lösung.

Ein Mensch ohne Erfahrung spielt folglich Roulette mit einer 1 zu 4-Chance (totstellen, wegrennen, angreifen oder ruhig auf den potentiellen Angreifer einreden). Als Mediator würde ich vermutlich intuitiv auf meine sanfte Mediatoren-Stimme umstellen und hoffen, dass die autditiv-hypnotischen Schwingungen auch bei Nicht-menschlichen Organismen funktionieren. Alles andere läge mir sowieso fern. Aber ob es funktioniert? Keine Ahnung.

Intuition als schnelles Analyse-Tool

Genauso geht es uns allen in Situationen, die wir nicht kennen. Wir sollten schnell handeln, wissen jedoch nicht wie. In solchen Situationen kann unsere Intuition als schnelles Analysetool hilfreich sein. Ein Garant für ein erfolgreiches Handeln ist sie jedoch nicht. Ein Beispiel: Sie sprechen mit einem Mitarbeiter, der Sie vermeintlich „angreift“. Ihre Inttuition flüstert Ihnen folgende Assoziationen ein:

  • eher ein Fuchs als ein Bär oder Wolf
  • er könnte mich hintergehen
  • bloß nicht den Rücken zukehren
  • nicht zu viele Freiräume lassen
  • usw.

Sie können solche intuitiven Übungen freilich mit verschiedenen Tieren durchspielen. In meinen Seminaren tauchen ab und an Aale (glitschig, gleitet einem durch die Hände), Elefanten (schwer zu etwas zu bewegen) oder Platzhirsche (der verteidigt vehement sein Revier) auf. Aber auch andere intuitive Metaphern wie „mein Kindergarten“ oder „Hühnerhaufen“ sind sehr beliebt. Vermutlich entstand aus einem solchen intuitiven Impuls die Idee von Eric Berne, kommunikative Dynamiken in der Transaktionsanalyse zwischen Eltern und Kindern zu untersuchen.

So wertvoll solche intuitiven Analysen sein können, bringen sie doch drei Probleme mit sich:

  1. Mangelnde erfahrungsbasierte Intuition: Wir kennen uns häufig nicht mit solchen Ausnahmesituationen aus, da Führungskräfte eben nur einen Aal, einen Wolf und einen Elefanten im Team haben und kein Dutzend davon. Deshalb ist unsere erfahrungsbasierte Intuition in Ausnahmesituationen überfordert und greift v.a. auf einfache Strategien wie Angriff, Verteidigung oder Aussitzen zurück.
  2. Tendenz zum Negativen: Sie betonen das Negative stärker als das Positive, weil der Mensch in Belastungs- und Bedrohungs-Situationen auf Überleben gepolt ist. Aus der möglicherweise bedrohlichen Ausgangssituation entsteht logischerweise nur eine negative Möglichkeit, damit umzugehen. So erfolgt aus der Analyse, einem Aal gegenüber zu stehen, logischerweise, diesen in einem kleinen Becken zu halten und irgendwie „dingfest“ zu machen. Produktiv sieht anders aus.
  3. Wirklichkeitskonstruktion: Intuitive Analysen sind häufig nicht wertschätzend und daher nicht für einen Austausch mit der betreffenden Person geeignet. Wer mag schon von seiner Führungskraft als Kindergarten oder Wolf bezeichnet werden. Sollte Sie dennoch kommunikativ mit solchen schnellen Analyse arbeiten, können sogar Wirklichkeiten festgeschrieben werden, die zuvor noch gar nicht bestanden. Plötzlich verhält sich der Elefant tatsächlich wie ein Elefant.

Auf Milton Erickson geht der Satz „energie flows, where concentration goes“ zurück. So kann es sein, dass sogar ein Zu-spät-Kommen zu Teamsitzungen umso häufiger wird, je mehr Aufmerksamkeit Sie diesem Phänomen widmen.

Dieses Phänomen lässt sich auch gesamtgesellschaftlich beobachten:

  • Es kann sein, dass Russland Europa eines Tages angreift. Ob die beinahe schon obsessive Beschäftigung mit Krieg in den Medien dies verhindert, wage ich jedoch zu bezweifeln. Doch so wie der Konflikt- ist offensichtlich auch der Kriegs-Hund sehr hungrig und will gefüttert werden. Der Versöhnungs- und Friedens-Hund scheint dahingegen ein eher bescheidener Genosse zu sein.
  • Es kann sein, dass manche Vetreter*innen der jungen Generation nicht mehr so viel arbeiten wollen wie die Generationen zuvor. Es kann aber auch sein, dass sie noch auf der Suche nach einem guten, eigenen Weg durch den Dschungel sind zwischen einem erfüllenden Job und nach Corona endlich das Leben genießen.

Kurzum: Aufgeregt haben wir uns schnell, weil irgendeine Stimme uns ein schnelles Urteil einflüsterte. Aber ob diese Stimme recht hat?

Intuition als Möglichkeitssinn

Von Robert Musil (Der Mann ohne Eigenschaften) stammt der schöne Begriff des Möglichkeitssinns. Eines Sinns, der in die Zukunft weist, der fantasiert und hofft und damit positiver denkt als unsere Analyse-Intuition. Der Fokus einer solchen Möglichkeits-Intuition sollte jedoch von unserem Gegenüber weg- und zu uns selbst hingehen. Sie nehmen dann den Elefanten, Fuchs oder Kindergarten zwar wahr. Diesen können Sie jedoch ohnehin nicht verändern. Verändern können Sie nur sich selbst. Dazu brauchen Sie jedoch das Gegenstück Ihres Gegenübers. Wer also sind Sie, wenn Ihr Gegenüber ein Elefant, Fuchs oder Kleinkind ist? Ein*e Dompteur*in, Waldhüter*in oder Kindergärtner*in? Oder sehen Sie sich als etwas anderes? Vielleicht ja als Chef*in eines Rudels, als Gefährt*in oder als Anleiter*in für kleine Kindergarten-Wissenschaftler*innen? Und wie können Sie aus dieser intuitiven Figur heraus die Realität positiv beeinflussen?

Eine Anleitung zur intuitiven Veränderung der Wirklichkeit

Aufbauend auf diesen Gedanken lassen sich vier bzw. fünf Schritte zur Veränderung der Wirklichkeit festschreiben:

  1. Intuitive Analyse Ihres Gegenübers: Beispiele: Mein Gegenüber ist wie ein lauernder Wolf, der mich bedroht. Oder: Mein Gegenüber ist wie ein Aal, der mir durch die Finger gleitet. Oder: Mein Gegenüber ist wie ein Maulwurf, der sich in Winderseile versteckt, wenn ich komme. Welches Bild fällt Ihnen von Ihrem Gegenüber spontan ein?
  2. Intuitive Selbstreflexion IhrerErst-Reaktion: Ich passe schlimmstenfalls in sein Beuteschema. Angriff oder Verteidigung! Oder: Der Aal darf nicht zu viele Spielräume haben (kleines Becken), um ihm habhaft zu werden. Oder: Ich muss den Maulwurf los werden, bevor mein Garten ruiniert ist. Wie reagieren Sie intuitiv?
  3. Entscheidung für eine wunsch-intuitive eigene Wirklichkeit: Ich weigere mich, Beuteschema zu sein oder Aalzüchter*in oder Gärtner*in und entscheide mich für einen anderen Gegenpart, bspw. als Gefährt*in, um dem Wolf respektvoll auf Augenhöhe zu begegnen und die jeweiligen Kompetenzen zu ergänzen, in diesem Fall Cleverness und Weitblick. Oder ich akzeptiere den Maulwurf als Eigenbrötler und versuche ihn ab und an (Nachts, wenn alle anderen weg sind?), aus seinem Bau zu locken. Oder ich vertraue darauf, dass der Aal einen eigenen Kompass hat. Wer könnten oder wollen Sie sein, um eine neue Wirklichkeit herzustellen?
  4. Möglichkeitenin gewünschte Bahnen lenken: Ich übersetze meine Wunsch-Intuition in realistische Sprache und bahne damit eine neue Wirklichkeit: „Ich habe das Gefühl, wir könnten uns gut ergänzen. Du bist clever (wie ein Fuchs) und ich habe den Überblick über die kommenden Projekte. Bist du dabei?“ Oder: „Wann wäre eine gute Zeit, sich in Ruhe über Ergebnisse auszutauschen?“ Oder: „Mich würde interessieren, wie dein innerer Kompass aussieht“. Was könnten Sie Ihrem Gegenüber konkret sagen, um eine neue, kooperative Begegnung zu ermöglichen?
  5. Intuitive Wunschvision des Gegenübers fördern: In Coachings oder intensiven, vertrauensvollen Mitarbeitergesprächen bietet es sich zudem an, die intuitive Wunschvision des Gegenübers bspw. mit inneren Bildern oder Bildkarten zu fördern. Dies sollte jedoch losgelöst vom eigenen Bild des Fuchses, Elefanten, etc. stattfinden, um neurobiologische Vorbahnungen zu verhindern. Das Züricher Ressourcenmodell (ZRM) greift dabei auf Bildkarten zu Bergbesteigungen (anstrengend, aber lohnend), Flugzeugen (hoch hinaus), Krieger (ungeahnte Kräfte), Löwen (Stärke), bemalte Gesichter (Vielfalt), helfende Hände (Unterstützung), Apfelbäume (Ernte) oder Jogger (Ausdauer) zurück, um unbewusste Ziele ans Licht zu bringen.

Mit diesem Schema kommen Sie von einer ersten intuitiv-negativen auf eine zweite, produktivere und mit Sicherheit realistischere Sicht auf die Welt oder Ihr Gegenüber.

Literatur: Bernd Schmid – Intuition und Professionalität

Was Führungskräfte von Muhammed Ali lernen können

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Kurz zu den Fakten: Am 30.10.1974 forderte Muhammad Ali (34) George Foreman (25) um die Krone im Schwergewicht heraus. Ali war nicht nur beinahe 10 Jahre älter, sondern hatte zudem seine letzten Kämpfe verloren. Er hatte zwar nach wie einen klangvollen Namen mit einer großen Fangemeinde. Foreman war jedoch als Verteidiger der haushohe Favorit. In seinen letzten Kämpfen kam keiner seiner Gegner über die 5. Runde hinaus. Was konnte Ali dem entgegen setzen?

Bringen wir es gleich auf den Punkt:

  1. Eine Taktik, mit der niemand rechnete.
  2. Ausdauer, die selbst den stärksten Gegner zermürbt.
  3. Provokationen, um sein Gegenüber aus der Reserve zu locken.

Taktik

Ali ließ sich von Beginn an von Foreman nicht nur in die Seile treiben. Er ließ sich sogar darin fallen. Damit das gelang, wies er seinen Trainer an, die Seile weicher zu spannen als normal. Ob das heute noch erlaubt ist, weiß ich nicht. Dadurch konnte er sich jedenfalls so stark zurücklehnen, dass Foreman nicht an seinen Kopf kam und von Runde zu Runde ungeduldiger wurde. Er selbst unternahm kaum Anstrengungen für eigene Angriffe. Stattdessen setzte er zu 100% auf Verteidigung.

Ausdauer

Durch seine Seil-Taktik sparte er extrem viel Energie. Während sich Foreman aufarbeitete, einige Luftschläge landete und einmal sogar durch den eigenen Schwung beinahe aus dem Ring fiel, teilte sich Ali seine Kräfte ein und konnte auch in späteren Runden noch durch den Ring tänzeln. Während Foreman auf Schnelligkeit und Stärke setzte, setzte Ali auf Ausdauer.

Provokationen

Während sich Foreman bemühte, Ali zu treffen – was ihm jedoch selten gelang – rief ihm dieser immer wieder zu, dass er sich doch endlich mal anstrengen solle. Man könnte das unfair nennen oder einfach clever. Es lohnt sich definitiv, sich die lange Version des Kampfes auf Youtube anzusehen, um zu beobachten, wie Foreman Minute für Minute zuerst frustrierter und später müder und unkontrollierter wird, bis Ali kurz vor dem Ende der 8. Runde aus seiner Deckung heraus mit einigen gezielten Treffern Foreman zu Boden bringt und dieser nicht mehr früh genug wieder aufsteht.

Was lässt sich daraus lernen?

  1. Ausdauer statt Kraft und Schnelligkeit: Manche Situationen lassen sich schnell lösen. Andere erfordern Geduld, Beharrlichkeit und Ausdauer. Krisen, Unterbesetzung, Konflikte oder der Umgang mit einem schwierigen Mitarbeiter erfordern keine Sprints, sondern einen Langstreckenlauf. Wenn sich Probleme nicht schnell lösen lassen, gilt es eben dran zu bleiben.
  2. Ungewöhnliche Problemlösungen: Einstein sagte einmal: Probleme lassen sich nicht mit derselben Denkweise lösen, durch die sie entstanden sind. Entsprechend sollten wir uns in neuen Situationen neue Taktiken ausdenken, die vielleicht unorthodox sind, aber dennoch – oder gerade deshalb – zum Erfolg führen.
  3. Humor: Gerade in Krisen oder unter Dauerbelastungen sollten wir unseren Humor nicht verlieren.

Netzwerken in einer hybriden Welt, Teil 4 (von 5)

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Empathie als zentrale Netzwerkkompetenz

Laut Wikipedia bezeichnet Empathie die Fähigkeit und Bereitschaft, Empfindungen, Emotionen, Gedanken und Motive einer anderen Person zu erkennen, zu verstehen und nachzuempfinden. Damit einher geht die Fähigkeit angemessen auf die Gefühle anderer Menschen einzugehen, beispielsweise nachzufragen, wie eine Situation gerade empfunden wird und ob eine Unterstützung erwünscht ist.

Warum machen uns Online-Meetings müder als Treffen in Präsenz? Ich kenne keine Studie dazu, vermute jedoch, dass es an der Schwierigkeit des Einfühlens liegt. Sehe ich mein Gegenüber nur verzögert auf einem kleinen Bildschirm, muss ich in meinem Gehirn ergänzen, ob es in den nächsten Sekunden etwas sagen möchte oder nicht. War da nicht ein Zucken? Oder doch nicht? Kein Wunder, dass online kaum ein flüssiges Gespräch in Gang kommt.

Bereits in einer direkten Kommunikation können wir uns zwar in andere Menschen über unsere Spiegelneuronen und die Deutung der Körpersprache im Normalfall gut einfühlen. Wir können jedoch das, was unser Gegenüber in Gänze ausmacht, seine sogenannte Qualia, kaum in Wort fassen. Dies gestaltet sich auf Distanz nochmals schwieriger.

In einer Welt, in der andere Menschen als Konkurrenten gesehen werden, Schwächen verpönt sind und Emotionen allenfalls oberflächlich gezeigt werden, steht es ohnehin schlecht um unsere Empathie. Einfühlungsvermögen benötigt nicht nur Offenheit, sondern auch Zeit.

Da unser Gehirn jedoch nicht wahrnehmen kann ohne zu bewerten und Unsicherheiten kaum aushält, sind wir beständig am ergänzen, was in unserem Gegenüber gerade vor sich geht. Was für die Kommunikation in Online-Meetings gilt, gilt für eine Kommunikation auf Distanz und damit auch in Netzwerken noch verstärkt. Bekommen wir lange Zeit keine Rückmeldung auf eine Anfrage, muss ich die Situation und damit meine Gesprächspartner*innen irgendwie einordnen. Und dies erfolgt nicht unbedingt optimistisch und wohlwollend:

  • Mein*e Netzwerkpartner*in interessiert sich nicht für mich oder ist ein*e Idiot*in und selbst schuld, wenn er oder sie sich nicht meldet.
  • Oder: Ich bin vermutlich nicht wichtig genug.

Stattdessen wäre es sinnvoller, nachzufragen, was wirklich in Kolleg*innen oder Netzwerkkontakten vorgeht, wenn keine Rückmeldung erfolgt. Meist steht dahinter keine böse Absicht, sondern Zeitdruck. Zuerst hat mein Gegenüber noch keine Antwort. Dann kommt etwas dazwischen. Und dann ist es vielleicht nicht mehr aktuell. Das alles sollen keine Ausreden sein, warum sich jemand nicht meldet, sondern lediglich Erklärungen, die logisch nachvollziehbar sind.

Ein zentraler Aspekt der Empathie ist daher die Unterscheidung zwischen Verstehen und Verständnis. Wenn ich mein Gegenüber verstehe, kann ich einen Perspektivwechsel vornehmen und mich damit in sein Denken und Fühlen, seine Ziele und die Logik seiner Handlungen hinein versetzen. Ein Verständnis für seine Handlungen muss ich nicht haben. Das Verstehen einer Person basiert auf einer individuellen Einfühlung. Das Verständnis verbindet dieses mit einer persönlichen Bewertung. Ich verstehe, dass du dich nicht meldest, finde es aber dennoch blöd. Deshalb ist die gängige Diffamierung des Putin-Verstehers unlogisch. Ein Reporter muss Putin verstehen, um über ihn zu berichten. Verständnis für das Agieren des russischen Präsidenten muss er nicht haben.

Um überhaupt zu einem Verstehen zu kommen braucht es als erstes die Achtsamkeit, unsere Wahrnehmung von schnellen Bewertungen zu trennen. Dass ich keine Rückmeldung bekomme kann viele Gründe haben. Erst im zweiten Schritt geht es darum, sich empathisch-wertschätzend zu begegnen, um gerade über die digitale Ferne die Bindung zu erhalten oder aufzubauen. Dazu kann ich mich zum einen in mein Gegenüber hineinversetzen und darüber nachdenken, was er oder sie gerade braucht. Wenn ich beispielsweise zu einem Termin noch nicht zusagen kann, schicke ich zumindest eine Rückmeldung über den Prozess meiner Entscheidungsfindung: Ich muss zuerst dies und das mit Person X abklären und melde mich dann wieder in so und so viel Tagen.

Zum anderen kann ich empathisch nachfragen, wenn ich auf eine Antwort warte. Fragen wirken enorm wertschätzend. Gleichzeitig erfahren Sie bestenfalls, warum jemand sich nicht meldet. Mögliche Fragetechniken lauten:

  • Hypothesenfragen: „Ich vermute, dass bei dir gerade ganz andere Sachen dringender sind. Ist das so?“
  • LösungsorientierteFragen: „Wie wollen wir uns in Zukunft absprechen?“, „Wie könnte es besser funktionieren?“ oder: „Ist es passend für uns zu mailen oder brauchen wir ein anderes Kommunikationsmedium?“
  • Genauern: „Was genau ist bei dir gerade los?“ oder „Was genau meinst du mit: Es ist gerade schwierig?“

Dieser Artikel wurde in leicht veränderter aus dem eBook „Wie kompetent muss ich sein?“ (externer Link) entnommen.