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Weihnachten überstehen

Bald ist es wieder soweit. Dann treffen am Fest der Liebe Menschen aufeinander, die genau einmal im Jahr in einer solchen Konstellation zusammentreffen und sich so gar nicht verstehen. Das war schon immer so. Und doch haben die potenziellen Themen des Missverstehens in den letzten Jahren so zugenommen wie die Jahresendmägen der Diskutanden. Zum einen gab es früher keine Coronamaßnahmen, Waffenlieferungen an Europas Grenzgebiete, Solidaritätsfrieren oder Straßenblockaden der selbsternannten „Letzten Generation“. Auch Themen wie Veganismus oder Flugreisen wurden weniger heiß diskutiert. Zum anderen scheinen Diskussionen allgemein jakobinischer geworden zu sein.

Grund genug, sich anzusehen, welche Möglichkeiten es gibt, das Weihnachtsfest auch bei weit auseinander liegenden Meinungen heil zu überstehen.

Zwischen Befürchtungen und Bedürfnissen

Bevor wir dazu kommen, ist es hilfreich zu überlegen, aus welchen Gründen jemand seine Meinung vehement verteidigt. Ein Grund, der häufig genannt wird ist die allgemeine Meinungsfreiheit. Dahinter scheint es eine Angst zu geben, in dunkle Zeiten zurückzufallen, in denen nicht mehr alles gesagt werden durfte. Schnell ist dann der Begriff einer „Cancel Culture“ zur Hand, in der eine Meinung zwar gesagt werden darf, aber drastische Konsequenzen nach sich zieht. Wenn beispielsweise eine Professorin an einer Universität eine Statistik zitiert, bei der es um biologische Unterschiede zwischen Mann und Frau geht, die von manchen gesellschaftlichen Gruppierungen geleugnet werden. Hier stellt sich jedoch die Frage, ob es sich dabei um eine ganz banale Diskussion handelt, die durchaus auch heiß werden kann, oder ob das Zitat der Professorin tatsächlich zu einer Entlassung oder einer Ausladung von Konferenzen führt. Im ersten Fall, der nach meiner Beobachtung weit häufiger passiert, allerdings im Vergleich zu früher nun vor aller Augen im Internet vollzogen wird, handelt es sich sicherlich nicht um einen Fall von Cancel Culture. Im zweiten Fall wohl schon. Leben wir also in einer Gesellschaft, in der einzelne Meinungen gecancelt werden? Ja und Nein.

Was passiert jedoch an Weihnachten? Muss ich befürchten, dass ich kein leckeres Stück von der Weihnachtsgans (bereits hier kann der Streit schon anfangen) aufgrund meiner Äußerungen bekomme? Oder dass ich mit bösen Blicken überzogen werde? Zwei Tage später ist der Liebes-Spuck wieder vorbei und ich kann in mein altes Leben und in meine ganz persönliche Filterblase zurückkehren. Die Konsequenzen sind also überschaubar.

In öffentlichen Diskussionen greift zudem die Angst um sich, dass ich meine Meinung gegen andere „falsche“ Meinungen verteidigen muss, damit mein Gegenüber seinen Einfluss auf potentielle Anhänger*innen nicht ausbaut. Auch dieses Argument fällt in Familien weg.

Neben diesen Befürchtungen bleiben ureigene Bedürfnisse übrig, mit denen sich wesentlich besser erklären lässt, woher die Vehemenz in Diskussionen kommt. Menschen suchen nach Anerkennung. Und sie wollen vor allem gesehen werden. Zumindest diese Minimalvoraussetzung sollte gegeben sein: Ich muss die Meinungen anderer nicht gut finden, aber ich kann sie mir zumindest anhören und mein Gegenüber damit wahrnehmen.

Verstehen bezieht sich nicht auf Meinungen

Zwar kommt vorschnell der Satz „Das musst du doch verstehen!“. Ein Verstehen ist jedoch niemals in Gänze möglich und auch nicht wünschenswert, weil jeder Mensch mit anderen Erfahrungen und anderen Fähigkeiten auf die Welt blickt. Was den einen ängstigt, ist für den anderen normal. Zudem ist es keineswegs wünschenswert, einen anderen Menschen komplett zu verstehen. Was das Zusammenleben von Menschen spannend und interessant macht, ist gerade das Gegensätzliche. Was wäre denn, würde ich meine Frau oder meine Kinder komplett verstehen? Wir müssten uns nicht mehr unterhalten. Sie würde einen Satz beginnen … und ich würde sofort sagen: „Weiß ich. Kenne ich. Geht mir genauso“. Ist es da nicht viel spannender, sich ein Leben lang vom Gegenüber, selbst nach vielen Jahren, immer wieder aufs Neue überraschen zu lassen?

Zudem ließe sich der Drang eines allumfassenden Verstehens eines anderen Menschen durchaus als privaten Kolonialismus deuten: „Ich ordne dich komplett in mein Verstehens-Schema, um dich zu begreifen“. Wie schnell wird dann aus einem „Begreifen“ ein „Ergreifen“ oder „Im Griff haben“?

Vielleicht kennen Sie das Phänomen, wenn andere Menschen vorschnell zu Ihnen sagen: „Das verstehe ich“, obwohl Sie noch nicht am Ende Ihrer Erzählung angekommen sind. In einem solchen Fall fühlen Sie sich in der Regel alles andere als verstanden. Sie wurden eingeordnet und möchten laut ausrufen: „Stopp! Ich will gar nicht, dass Du mich verstehst! Du kannst das vermutlich auch gar nicht verstehen! Wirklich verstehen kann nur ich, was ich erlebt habe. Denn Du warst nicht dabei“.

Dass es dennoch eine Sehnsucht gibt, verstanden zu werden, ist unbenommen. Diese Sehnsucht lässt sich vermutlich tatsächlich nur von Erlebens- und Leidensgenossen oder Menschen, denen wir sehr nahe stehen, stillen. Kein Wunder, dass es seit einiger Zeit eine starke Tendenz in unserer Gesellschaft gibt, sich in solchen Erlebensgruppen gegenseitig auszutauschen und zu solidarisieren. Sozusagen eine organische und stützende Solidarität unter Gleichen zu pflegen, während nach dem Soziologen Emile Durkheim in modernen Gesellschaften ebenfalls eine funktioniale und ergänzende Solidarität unter Ungleichen besteht. Bei gleichzeitiger Auflösung von Verbindungen – nachdem Gewerkschaften und Kirche bereits seit langer Zeit im Rückgang sind, lösen sich aktuell auch berufsbezogene Verbindungen durch die Arbeit im Homeoffice auf – ist die Suche nach neuen stützenden Verbindungen evident. Das Tummeln in Filterblasen lässt sich also auch aus einem Bedürfnis nach Verständnis deuten.

5 Tipps für bessere Gespräche an Weihnachten (und überhaupt)

Wenn also ein Verständnis unter Ungleichen schwer möglich und vielleicht sogar nicht einmal sinnvoll ist, was wäre dann zu tun, um sich an Weihnachten nicht gegenseitig den Appetit zu verderben?

Tipp 1: Wohlwollen als Grundbedingung

Vorneweg ist eine Grundbedingung wichtig, um sich zumindest nicht destruktiv zu begegnen: Das Wohlwollen, dass mein Gegenüber mich nicht anlügt, sondern aus seiner Sicht einen Teil der Wahheit über die Welt in der Hand hält, auch wenn das für mich übertrieben oder sogar vollkommen hahnebüchen erscheint. Wir sollten uns allerdings immer vor Augen halten: Unser Gegenüber denkt genauso.

Tipp 2: An der eigenen Toleranz arbeiten

Bereits hier scheint ein Scheitern vorprogrammiert. Denn es gehört (aus unserer eigenen Sicht) eine Menge Ambiguitätstoleranz und Geduld dazu, unser Gegenüber mit seinen seltsamen Meinungen auszuhalten. Dabei ist es genau diese Toleranz, die ein Miteinander unter Ungleichen seit jeher ausmachte. Wir glauben vielleicht, wir sollten gleich sein, weil wir doch aus einer Familie kommen. Doch wir sind in der Regel verschiedener als im Austausch mit Freunden.

Tipp 3: Fokus auf Sachen

Stellen Sie sich vor, Sie wären in der Arbeit und müssen mit Menschen auskommen, die Sie kaum kennen. Was tun Sie? Sie konzentrieren sich auf die Sache. Sie müssen niemanden von Ihrer Meinung überzeugen. Es reicht, wenn „der Laden läuft“. So ein Fokus auf die Sache kann sehr entspannend sein. Vielleicht gehen deshalb manche Menschen so gerne in die Arbeit. Weil es nicht so menschelt.

Übertragen auf Weihnachten bedeutet das: Fokussieren Sie sich auf gemeinsame Tätigkeiten. Kochen Sie zusammen, decken den Tisch, schmücken den Baum, packen Geschenke aus oder spielen ein Spiel. Und sorgen Sie dafür, dass die Welt der vielen Meinungen da draußen zumindest für ein paar Tage schweigen darf.

Tipp 4: Seien Sie neugierig

Gibt es in Ihrem eigenen Umfeld kaum eine solche Exotin wie Ihre Schwester? Freuen Sie sich, sich Sichtweisen und Meinungen erläutern zu lassen, die komplett anders sind als das, was Sie gewohnt sind. Manche Menschen scheinen beinahe Angst zu haben, durch abweichende Meinungen beschmutzt zu werden. Aber warum? Sind Sie so leicht zu verunsichern, dass Sie am Ende noch umgestimmt werden könnten? Was soll schon passieren? Sie hören sich das „Exotische“ aus einem höflichen, aber neugierigen Wissensdrang heraus an und können auch Ihrerseits darum bitten, angehört zu werden.

Tipp 5: Experimentieren Sie

Haben Sie jemals versucht, andere Menschen, die komplett anderer Meinung sind als Sie, von Ihrer Meinung zu überzeugen? Und? Hat es funktioniert? Vermutlich nicht.

Wie wäre es, wenn Sie experimentieren und etwas anderes versuchen? Was wäre, wenn es nicht darum ginge, Ihr Gegenüber zu überzeugen, sondern darum, ein interessantes Gespräch zu führen? Sie könnten Ihre Sprechart verändern, beispielsweise langsamer, unheimlicher, akzentuierter oder ruhiger sprechen, Betonungen anders setzen, Metaphern nutzen, Humor einsetzen oder Ihre Aussagen in Fragen formulieren.

Bei Experimenten geht es nicht darum, Ihr Gegenüber zu überzeugen, sondern darum, es zu locken und neugierig zu machen auf das, was Sie zu sagen haben.

In diesem Sinne: Frohe Weihnachten!

Inspiriert durch mehrere Artikel im aktuellen Philosophie-Magazin 01/2023

Siehe auch: https://www.metropolitan.de/buch/wir-sollten-reden

Das Leben in verwirbelten Zeiten

Vor etwa 25 Jahren begeisterten mich die Sandman-Comics von Neil Gaiman zum ersten mal. Aktuell stieß ich durch die gleichnamige Netflix-Serie wieder auf den Sandman-Kosmos. Dort gibt es eine Figur namens Rose Walker. Einen sogenannten Wirbel, der es schafft, in fremden Träumen aufzutauchen. Diesen Gedanken finde ich faszinierend. Normalerweise bauen wir unsere Träume um uns herum auf. Und wenn wir jemanden in sie einladen, geschieht das aufgrund unseres Willens. Ein Wirbel mischt sich eigenständig ein, was natürlich verwirrend ist.

Das Gleiche lässt sich auf unser Wachsein übertragen. Noch vor kurzem konnten die meisten von uns relativ unbehelligt ihr Leben leben. Natürlich gab es Ausnahmen: Marginalisierte Gruppen, Arbeitslose, Benachteiligte, usw. hatten es immer schon schwer. Doch für den Rest galt mehr oder weniger das Motto „Leben und leben lassen“. Dies hat sich seit Corona massiv verändert. Sowohl der Staat als auch andere Menschen mischen sich mehr denn je in unser Leben ein.

Wir können also analog zum Sandman’schen Wirbel behaupten in verwirbelten Zeiten zu leben: Lass dich impfen! Nein, bloß nicht! Bist du pro oder contra Ukraine, Gendern, usw.?

Wo ist der Halt?

In solchen Krisenzeiten sucht die Menschheit nach einem Halt inmitten des gesellschaftspolitischen Sturms. Dieser Halt kann unterschiedlich aussehen:

  • Der Glaube des Wissenschaftlers an die Objektivität des Forschens.
  • Die Flucht vor der Absurdität des Lebens in Religion und Esoterik.
  • Die Orientierung an Traditionen (beispielsweise Dorffeste), eine politische Partei als Vertreter der eigenen „richtigen“ Werte oder an einer vermeintlich objektiven Weltanschauung bzw. Prinzipien der Aufklärung, Vernunft und Rationalität.

Wie also finden wir Halt? Die Sache mit den Werten ist kompliziert, wie ich finde. Wer lange genug wartet, erkennt, dass was gestern noch falsch war heute richtig ist und umgekehrt. Die Atomkraft ist aktuell das beste Beispiel dafür. Sinnhaftigkeit kann also nur im (zeitlichen) Kontext stattfinden. Gleichzeitig kann einen der Blick in die Zukunft (in spätestens einem Jahr werden wir wieder neu über Atomkraft diskutieren) verrückt machen. Schließlich müssen wir heute Entscheidungen treffen und nicht in einem Jahr. Und ob diese richtig sein werden, können wir nur erahnen. Zumindest könnte ein schwarmintelligenter Ansatz dabei helfen, gute Kompromisse zu finden, die auch in der Zukunft tragfähig sind.

Die negative Alternative, wenn uns der Halt verloren geht, hat meist mit Drogen oder Suizid zu tun. Der Konsum von Tabak ist während Corona um 30% gestiegen. Der Alkoholkonsum (externer Link) hat durch die Lockdowns und Kontaktbeschränkungen ebenfalls zugenommen. Offensichtlich fällt es dem Menschen schwer, auf sich alleine gestellt, den Sinn seines Daseins zu ergründen, weshalb er häufiger zu Fluchtmitteln greift.

Brauchen wir also klare Werte (beispielsweise die Solidarität mit der Ukraine im Team Nato), für die wir stehen, wohl wissend, dass sich diese evtl. in einigen Monaten verändert haben werden? In Krisenzeiten scheint es ein Bedürfnis nach Hop- oder Top-Positionen zu geben. Gibt uns das zumindest einen temporären Halt in verwirbelten Zeiten? Gleichzeitig sind es genau diese Werte der Menschen, die zu neuen Konfliktlinien führen.

Oder gibt es andere Möglichkeiten zur Stabilisierung?

  • Tägliche Rituale (wie der Tatortreiniger sagt: Einfach weitermachen)? Wenigstens ist am Wochenende Fußball, das Oktoberfest steht vor der Tür und am Dienstag-Abend ist Stammtisch.
  • Eine Aufgabe im Leben finden, die die Welt nicht verändert, aber der eigenen kleinen Welt einen Sinn verleiht?
  • Sich um das eigene Umfeld kümmern (ohne über die Weltpolitik zu sprechen)?
  • Sich selbst Prinzipien eines guten Menschseins auferlegen? Ja, was macht eigentlich einen guten Menschen aus und wie oft orientieren wir uns an solchen Prinzipien im Alltag?
  • Und nicht wenige in meinem Umfeld „flüchten“ (ohne Wertung, ich reise selber sehr gerne, um abzuschalten) sich in Reisen, Religion oder Spiritualität.

Wie also findet der Mensch Halt und Orientierung in Krisenzeiten? Durch meditative Abgrenzung am besten verbunden mit Selbstreflexion, soziales Engagement, Spiritualität, Rationalismus, eigene Prinzipien, Rituale, Lebensaufgaben oder etwas ganz anderes?

Quiet quitting, quiet beginning

Das Phänomen des „Quiet Quitting“, zu deutsch etwa „Stilles Aufhören“ wird in meinen Seminaren sehr häufig angesprochen:

  • Mitarbeiter*innen arbeiten nur noch das nötigste.
  • Mitarbeiter*innen lassen die Loyalität zu ihrem Arbeitgeber vermissen, wenn es um flexible Arbeitszeiten oder Überstunden geht.

Noch drängender wird es bei neuen Bewerber*innen in bestimmten Schlüsselfachgebieten, bspw. der IT, wenn Bewerber*innen kaum etwas vom Unternehmen wissen, am liebsten im Homeoffice arbeiten und eher wenig Teambindung haben wollen und aufgrund dessen wenig soziale Bereitschaft aufbringen, mehr als ihren verbrieften Job zu machen.

Quiet Beginning als Zukunftsthema

Das Thema „Stilles Aufhören“ ist also noch mehr ein Thema der Zukunft, wenn wir uns die Werte jüngerer Generationen ansehen und wird damit zu einem „Quiet Beginning“:

  • Familie, Freunde und Hobbys sind wichtiger als Arbeit.
  • Fahrzeiten wollen reduziert werden, insbesondere in Großstädten.

Worum geht es hier wirklich?

Dabei ist der Begriff „Quiet Quitting“ wohl eher der schicken Alliteration geschuldet als einer klaren Beschreibung, worum es wirklich geht. Es geht eben nicht darum, sich langsam und leise aus dem Job zu verabschieden oder – wie in meiner Erweiterung – gar nicht erst 100%ig einzusteigen. Es geht vielmehr darum, sich nicht mehr mit dem Wert der Aufopferung für ein Unternehmen zu identifizieren.

Klassisch – agil – 80%-Engagement

Spannend dabei ist der Werdegang über die letzten Jahrzehnte. Lassen wir die klassische Verbundenheit mit dem Arbeitgeber einmal außen vor – bei vielen Führungskräften in meinen Seminaren kommt der Spruch „die interessieren sich gar nicht mehr dafür, was uns ausmacht“ – gab es durch die agile Revolution, New Work- und Feelgoodmanagement-Bewegung durchaus eine Verschiebung in Richtung Mitarbeiter*innen. Zwar steht in agilen Settings das Kundenwohl an oberster Stelle. Dennoch haben viele Unternehmen verstanden, dass dies nur erreicht wird, wenn ich Mitarbeiter*innen mehr Freiheiten zur kreativen Gestaltung lasse. Wie so oft wurden vermeintliche (agile) Freiheiten aber auch von Unternehmen oder einzelnen Teamleiter*innen pervertiert. Ein Teilnehmer eines meiner Seminare brachte es so auf den Punkt: In agilen Teams herrscht viel Freiheit, die durch tägliche ‚dailys‘ einen Orientierungsrahmen bekommen. Diese Freiheit wurde jedoch durch seinen Exteamleiter zerstört. Wenn jemand im Team nicht gleich wusste, wie er seine tägliche Arbeit in Worte fassen sollte, meinte dieser „Come on. There must have been something, that you’ve been done.“ Damit wurde die vermeintliche Freiheit doch wieder zur Kontrolle. Das traditionelle Mindset killte sozusagen das moderne Framework.

Das gleiche gilt für viele vermeintlich mitarbeiterfreundliche Strukturen, egal ob sie in einer New Work- oder Feelgoodmanagement-Verkleidung daher kommen. Natürlich ist der oberste Unternehmenszweck Geld zu verdienen oder zumindest zu überleben. Dennoch sollte dies niemals zu einem utilitaristischen Selbstzweck verkommen oder schlimmer noch als Nettigkeit verkleidet werden.

Kein Wunder, wenn manche Mitarbeiter*innen nur noch 80% Leistung als Maximum bieten wollen. Lorbeeren mit Extrameilen sollen sich andere verdienen.

Eine wertebasierte Ethik fördert Loyalität

Wer sich intensiver mit dem Balanceakt zwischen Mitarbeiter- und Kundenorientierung auseinandersetzen möchte, kann ich meinen New-Work-Ansatz ans Herz legen (externer Link). Darin geht es auch um die Grenzen der Kundenorientierung und damit um eine klare wertebasierte Ethik zugunsten der Mitarbeiter*innen, sozusagen um Ausnahmen, um die Menschlichkeit im Unternehmen zu erhalten. Stellen sich Führungskräfte hinter ihre Mitarbeiter*innen, fördern sie auch deren Loyalität. Einer meiner Seminarteilnehmer*innen denkt noch heute an seine ersten Arbeitstage bei einem Unternehmen, als sein Computer nicht richtig funktionierte und sein Teamleiter meinte: „Du machst, was möglich ist und wenn etwas schief läuft, nehme ich das auf meine Kappe“.

Führungskräfte (und Unternehmen) sollten gleichzeitig die provokante Frage jüngerer Mitarbeiter*innen „Warum ist das sinnvoll, was ich gerade mache und muss ich das wirklich tun?“ ernst nehmen und auch ihr eigenes Handeln regelmäßig auf den Prüfstand stellen. Mir scheint jedoch, dass die Abwehr gegen das „Why“ der Generation Y mitverantwortlich für die Abkehr der Generation Z ist.

Gesellschafts- oder Generationenkonflikt

Zudem wird der Generationenkonflikt durch die allgemeine gesellschaftliche Stimmung verschärft. Im Angesicht so vieler Krisen (Umwelt, Corona, Krieg, Rezession) scheint vielen Menschen der Sinn in der Arbeit abhanden gekommen zu sein: „Ein Haus kann ich mir nicht mehr leisten. Ein Auto will ich mir (in der Stadt) nicht mehr leisten. Wofür also die ganze Plackerei?“ Überspitzt könnte man auch formulieren: „Wenn die Welt bald untergeht, will ich doch nicht die nächsten Jahre mit Überstunden verbringen“. Damit steht das Wirtschaftsmodell, das wir seit dem Nachkriegs-Wirtschaftswunder fahren verfolgen insgesamt auf dem Prüfstand.

Das Phänomen des „Quiet Quittung“ hat also nicht nur mit Egoismus zu tun, sondern auch mit Frustration und Depression. Manche kleben sich aus Frust auf Straßen fest. Andere ziehen sich zurück ins Private und machen nur noch das Nötigste, um gut durch das Leben zu kommen.

Arbeit kann auch glücklich machen

Auf der anderen Seite wissen wir, dass Arbeit (in vielerlei Formen) auch glücklich machen kann. Und ist es nicht noch frustrierender, wenn Mitarbeiter*innen lediglich Dienst nach Vorschrift machen, obwohl sie noch ein ganzes Arbeitsleben vor sich haben?

An dieser Stelle kommen Aspekte der „Positiven Psychologie“ (externer Link) zum tragen und damit Instrumente wie:

  • Job Crafting, indem Mitarbeiter*innen sich ihre Aufgaben wo möglich selbst zusammenstellen.
  • Transparente Einbeziehung der Mitarbeiter*innen in Entscheidungen.
  • Fehler respektvoll aufarbeiten und vieles mehr.

Siehe auch meine Zusammenfassung von New Work auf der Basis einer positiven Psychologie.

Das Phänomen des Quiet Quitting ist damit noch lange nicht behoben, da es – wie dargelegt – auch ein kulturelles Thema ist. Ganz machtlos sind Führungskräfte und Unternehmen jedoch auch nicht.

Die Spielfeldmetapher als kommunikatives Handwerkszeug

Das Bild des Spielfelds bietet uns einen spielerischen Zugang um zu erkennen, welche sozialen und kommunikativen Regeln in einer Situation gelten und wie ich mein Gegenüber sanft beeinflussen kann. Die Kernfragen lauten:

  • Befinden Sie sich zu einem großen Teil Ihres Lebens auf dem eigenen oder auf fremden Spielfeldern?
  • Wie lauten die sozialen und kommunikativen Regeln auf den jeweiligen Spielfeldern?
  • Sind Sie damit zufrieden oder hätten Sie es gerne anders?

Das Was und das Wie

Wer das Spielfeld bestimmt, bestimmt auch die Regeln des Umgangs miteinander. Dabei spielt es nicht automatisch eine Rolle, ob Sie angestellt sind oder wie ich freiberuflich unterwegs. Als Freiberufler liegt es nahe davon auszugehen, dass ich das Spiel bestimme. Ich bin schließlich frei. Dennoch bewege ich mich auf vielen verschiedenen Spielfeldern. Unternehmen A wird durch eine andere Kultur geprägt als Unternehmen B. In Branche A gelten andere Regeln als in Branche B. Usw. Als Selbständiger, der für eine Vielzahl von Unternehmen tätig ist, lernte ich, mich wie ein Chamäleon an unterschiedliche Firmenkulturen anzupassen, um nicht zu stark als Fremdkörper wahrgenommen zu werden. Und dennoch fühlt es sich so an, als würde ich die Teilnehmer*innen in Seminaren, Mediationen oder Coachings auf mein Spielfeld einladen. Die Ziele eines Seminars und damit das „Was“ werden zuvor festgelegt. Das „Wie“ und damit die Regeln bestimme ich, wenn ich beispielsweise sage: „Lernen mit Übungen aus dem Improtheater macht Spaß“. Damit lade ich meine Seminarteilnehmer*innen auf mein Spielfeld ein, auf dem sie zu Mitspieler*innen werden.

Sollten Sie angestellt sein, sind Sie in einer ähnlichen Situation. Ihr Arbeitgeber gibt zwar vor, was zu tun ist. Wie Sie dies erreichen und wie Sie die Zusammenarbeit mit Ihren Kolleg*innen gestalten, ist jedoch Ihnen überlassen. Laden Sie Ihre Kolleg*innen auf Ihr Spielfeld ein und freuen sich im Gegenzug (!) auf eine Einladung auf deren Spielfeld? Gestalten Sie nach und nach ein gemeinsames Spielfeld? Und welche Regeln gelten dort?

Über Einladungen, Angriffe und Spielregeln

Zur Verdeutlichung ein kleines Alltagsbeispiel: Sie unterhalten sich mit einer Kollegin über dies und das. Da merken Sie, wie geknickt sie plötzlich ist. Die Zeit- und Arbeitsverdichtung, der Krieg, die Corona-Situation, usw. machen ihr zu schaffen. Zeigen Sie sich empathisch, begeben Sie sich auf das Spielfeld Ihres Gegenübers. Sie bestimmt nun die Regeln. Diese lauten grob vereinfacht: „Ich bin geknickt. Unterstütze mich.“ Für ein gutes Miteinander ist es freilich sinnvoll, die implizite Einladung anzunehmen, sich damit auf die Regeln des Gegenübers einzulassen und „das Spiel mitzuspielen“. Doch plötzlich merken Sie, dass Sie sich auf dem fremden Spielfeld zunehmend unwohl fühlen. Im Schach könnten wir sagen: Die Spielfiguren ziehen vor und zurück, vor und zurück, es entsteht jedoch keine wirkliche Entwicklung des Spiels und damit keine Spannung. Sie befinden sich in einer Pattsituation. Sie sollten folglich einen „Angriff“ wagen. Dies tun Sie, indem Sie scherzhaft (auf der Basis einer guten Beziehung) aufzählen, wieviel Leid es in der Welt gibt. Sie enden mit einem Augenzwinkern, um zu verdeutlichen, dass das was wir hier tun ein Jammern auf sehr hohem Niveau ist. Ihre Kollegin wundert sich nun über sich selbst und beginnt zu lächeln. Sie hat die Einladung, auf Ihr Spielfeld zu kommen angenommen und spielt nun, wenigstens für ein paar Momente, nach Ihren Regeln.

Mein Tipp: Lassen Sie die Spielfeldmetapher in nächster Zeit in einfachen und später auch in schwierigen Situationen im Hinterkopf mitlaufen und fragen sich:

  • Wie lauten die Spielregeln meines Gegenübers?
  • Wie lange soll ich das Spiel meines Gegenübers mitspielen?
  • Wofür spiele ich das Spiel meines Gegenübers mit?
  • Was kann ich tun, um mein Gegenüber auf mein Spielfeld einzuladen?
  • Welche Regeln gelten auf meinem Spielfeld?
  • Was will ich damit erreichen?
  • Was hätte mein Gegenüber davon?

Viel Spaß damit!

Die Säge – eine kurze Geschichte über Demut und Respekt

Neulich erzählte ein Seminarteilnehmer eine kurze Anekdote über seinen Großvater. Als kleiner Junge durfte er in der Holzwerkstatt seines Opas mitwerkeln. Neugierig wie er war wollte er sich nicht mit der Säge für kleine Jungs zufrieden geben, sondern am liebsten gleich mit der großen Säge arbeiten. Sein Großvater sagte damals zu ihm: „Du darfst mit der großen Säge arbeiten. Aber beschwer‘ dich nicht, wenn du dich schneidest.“ Und plötzlich war die kleine Säge für meinen Seminarteilnehmer wieder hoch attraktiv. Ich habe mir auch seine Finger zeigen lassen. Sie waren noch alle dran, wenn auch mit ein paar kleinen Narben.

Diese vermeintlich simple Alltagsgeschichte brachte mich zum Nachdenken. Der häufigste erste Impuls, wenn beispielsweise ein Praktikant mit hohen Ambitionen kommt, ist aus meiner Erfahrung die Beschränkung von außen. Hier geht es freilich nicht darum, sich zu schneiden, sondern um die Angst vor unzufriedenen Kunden oder Fehler im System. In der Geschichte geht es jedoch erst einmal nicht um die Außenwirkung, sondern um die Innenwirkung. Es geht nicht um ein misslungenes Werkstück, sondern um den persönlichen Umgang mit der Säge, bzw. im erweiterten Sinn den Umgang mit den eigenen Fähigkeiten: „Du darfst alles ausprobieren, aber beschwer‘ dich nicht, wenn du später merkst, dass du dich überfordert hast.“

Natürlich sollten Praktikant*innen nicht alles tun dürfen, wenn es tatsächlich um die Außenwirkung geht. Lernen sollte jedoch einen spielerischen Charakter haben, der es jungen Menschen erlaubt, sich selbst auszuprobieren und damit ihre eigenen Grenzen zu kennen zu lernen. Sind die Regeln dessen, was erlaubt ist, zu eng, kommt die Reibung von außen und führt häufig zu Trotz und Widerwillen. Erst das persönliche Spüren dieser Grenzen führt zu Demut vor einer Tätigkeit oder einem komplizierten Prozess und dem Respekt vor denen, die diese Tätigkeit seit Jahren gut meistern.