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Veränderungen begleiten

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Changemanagement oder Transformationsprozess?

Um zu verstehen, wie ich als Changemanager*in und Führungskraft Veränderungen am besten begleite, ist es hilfreich, die Begriffe Change und Transformation zu unterscheiden, gerade weil die beiden Begriffe häufig synonym verwendet werden.

Interessanterweise wird seit einigen Jahren kaum noch von Changemanagement gesprochen, sondern meist von Transformationen. Doch worin besteht der Unterschied?

Sowohl Change als auch Transformation lassen sich mit Veränderung übersetzen. Der Begriff der Transformation lässt sich jedoch zusätzlich als Umwandlung oder Verwandlung beschreiben. Während sich daher mit dem Begriff Change der äußere Wandel und damit entweder der Wunsch nach oder die Notwendigkeit einer Veränderung bezeichnen lässt, beispielsweise digitaler zu werden, um nicht den Anschluss an die Konkurrenz zu verpassen, zielt ein Transformationsprozess auf den inneren Wandel von Menschen, Teams und Organisationen ab.

Wenn in manchen Büchern von der digitalen Transformation die Rede ist, geht es jedoch in der Regel nicht um die Mensch-Maschine. Aus der Wahl der Begrifflichkeit lässt sich wohl eher der Wunsch ablesen, dass Veränderungen in Unternehmen nicht nur oberflächlich mitgemacht, sondern tatsächlich gelebt werden sollen. Ob die Nutzung des Transformationsbegriffs Veränderungen erleichtern oder nicht wird sich noch zeigen. Es könnte jedoch sein, dass genau diese rhetorische Vereinnahmung der Metamorphose des gesamten Menschen zu trotzigen Abwehrreaktionen führt: „Veränderungen mussten immer schon mitgemacht werden. Als Angestellter bleibt mir da wenig Spielraum. Meine innere kritische Meinung gegenüber der Veränderung möchte ich dennoch behalten“.

Die Trauernden und die Neugierigen

In Transformationen geht es also um innerpsychische Prozesse als Reaktion auf die äußere Veränderung. Meist haben wir es dabei mit Wut, Ängsten und Unsicherheiten zu tun, genauso aber auch mit Neugier oder Aufbruchstimmung.

Die bekannten Trauerphasen nach Elisabeth Kübler-Ross von

  1. Verdrängung und Nicht-Wahrhaben-Wollen der Notwendigkeit einer Anpassung,
  2. Wut über die erzwungene Anpassung durch die äußere Veränderung,
  3. Verhandlung als Möglichkeit noch etwas vom Alten zu retten,
  4. Verzweiflung und Trauer als Zeichen der Akzeptanz der inneren Veränderung und
  5. Akzeptanz des Neubeginns und Integration der Transformation in den eigenen Alltag …

… gelten daher nur für jene Menschen, die sich mit einem Transformationsprozess schwer tun, weil sie noch stark am Alten hängen. Nennen wir sie die Trauernden, was wesentlich wertschätzender ist als Querulanten, Bremser oder Blockierer. Andere hingegen sehen ihre Chance, der Veränderung ihren eigenen Stempel aufzudrücken. Nennen wir sie die Neugierigen.

Gäbe es nur eine Gruppe, wäre die Begleitung einer Veränderung einfach. Ich müsste dann entweder nur die fünf Phasen der Trauerverarbeitung durchspielen oder könnte sofort ins Neuland aufbrechen.

Gleichzeitig sind die Widerstände in Veränderungen auch ein Segen, da manches vom Alten durchaus mitgenommen werden sollte, weil niemals alles falsch war und ist.

Veränderungen und Transformationen begleiten

Die eigentliche Transformationsphase als unbekanntes Niemandsland befindet sich zwischen dem Alten und dem noch unbekannten Neuen. Als Transformationsbegleiter*in sollte ich folglich ebenso zweigleisig denken, um beiden Gruppen gerecht zu werden, den Traurigen, die manchmal wütend sind und den Neugierigen, die oft ungeduldig sind:

  1. In der Phase der Verabschiedung des Alten sollte ich gleichzeitig das, was bislang gut funktionierte wertschätzen und schützen:
  • Die Frage „Was wollen wir erhalten?“ geht an die Traurigen.
  • Die Frage „Wovon wollen wir uns verabschieden?“ geht an die Neugierigen.
  1. In der Phase des Niemandslands geht es vor allem um Geduld, Toleranz und Verständnis füreinander:
  • Die Neugierigen wollen so schnell wie möglich den Neuanfang starten und sind frustriert, dass viele Prozesse so zäh vorwärts kommen. Für diese Ungeduld braucht es Verständnis und Toleranz. Toleranz und Geduld braucht es aber auch für Experimente in dieser Phase, die scheitern können. Aktuell ist jedoch noch nichts in Stein gemeiselt.
  • Die Trauernden wiederum wollen – trotz des Signals, dass auch etwas vom Alten erhalten bleibt – am Alten als Gesamtkonstrukt festhalten. Entsprechend der fünf Phasen nach Kübler-Ross kann es hier auch zu Wut, Trotzreaktionen („Ich hab’s ja gleich gesagt. Das ist doch alles Mist! Das klappt doch nie!“) oder Ängsten bis hin zu Panik kommen („Wie soll ich da jemals mitkommen? Ich verstehe das alles nicht mehr. Das ist nicht mehr meine Welt.“). Auch dafür braucht es Verständnis, Toleranz und Geduld.
  1. In der Phase des Neuanfangs schließlich zeigen sich erste stabile und belastbare Erkenntnisse: „Ja, unsere Wissensmanagement-Plattform wird genutzt. Ja, unsere Kunden reagieren positiv auf unsere Anpassungen.“ Wie in der Natur bekommen wir also ein positives oder negatives Feedback zurück, um uns zu zeigen, ob wir auf der richtigen Spur sind. Und damit bekommen wir neue Energie und Sicherheit, um den Weg weiterzuverfolgen oder gegebenenfalls anzupassen:
  • Ein positives Feedback ist jedoch weniger für die Neugierigen, als vielmehr für die Trauernden als Sicherheits-Signal geeignet, auf dem richtigen Weg zu sein.
  • Ein negatives Signal könnte für die Trauernden eine Bestätigung für das Scheitern der Veränderung sein, ist jedoch auch hier mehr für die Neugierigen als Gedulds-Signal geeignet, sich bei Veränderungen in Demut zu üben. Rom wurde schließlich auch nicht an einem Tag erbaut.

Wenn Sie die innerpsychischen Prozesse Ihrer Mitarbeiter*innen ernst nehmen, ist es egal, ob Sie im Rahmen eines Veränderungsprozesses von Change oder Transformation sprechen. Denn letztlich symbolisieren die beiden Begriffe die beiden Seiten einer Medaille.

Äußerer versus innerer Wandel

Silvester ist wieder einmal vorbei und viele Menschen werden in der Zeit zwischen den Zeiten nachdenklich oder sogar spirituell. Auch bei mir gibt es seit einigen Jahren die Tradition, mich mehr als bspw. im Sommerurlaub mit mir und meinem Leben auseinander zu setzen. Wer will das schon, wenn Sonne und Badesee locken?

  • Äußerer Wandel: Wo soll es dieses Jahr hingehen und was will ich erreichen beschäftigen sich mit den eher oberflächlichen Fragen eines forcierten Wandels.
  • Innerer Wandel: Geht es mir gut und wie könnte es mir gesundheitlich, körperlich oder psychisch besser gehen betrifft einen inneren Wandel.

Beides verzahnt sich oft, nicht jedoch automatisch. Ein neues Projekt, ein neuer Job oder ein Umzug bringen frischen Wind ins Leben. Nicht selten werden jedoch alte Probleme mitgenommen. Wie heißt es so treffend:

Du kriegst den Jungen aus dem Dorf ‚raus, aber nicht das Dorf dem Jungen.

Ein äußerer Wandel – forciert oder wie in Krisenzeiten (ohne das C-Wort zu nennen, das kaum noch jemand hören kann) erzwungenermaßen – kann jedoch ein willkommener Anlass sein, etwas tiefer zu graben und damit auch einen inneren Wandel anzustoßen.

Prinzipien inneren Wandels

All das haben Sie vermutlich schon einige Male gelesen oder gehört. Doch was genau macht einen inneren Wandel aus?

Ein innerer Wandel geschieht immer aus einem dualen Gegensatzpaar heraus, so wie unser gesamtes Leben aus Gegensatzpaaren besteht: Wir geben Gas und treiben damit eine Veränderung voran (Sympathicus), müssen jedoch ab und an innehalten, sozusagen auf die Bremse treten, um über das Erreichte nachzudenken (Parasympathicus). In der chinesischen Naturphilosophie gibt es dazu den Kreis aus Yang (Veränderung, die Tür öffnet sich) und Yin (Begrenzung, die Tür schließt sich wieder). Beide Pole sollten sich in einer gesunden Balance befinden.

Im kabbalistischen Lebensbaum (siehe auch: https://www.m-huebler.de/die-psychotische-gesellschaft-teil-iii-auf-der-suche-nach-identitaet-heimat-und-sinn) gibt es die Balance zwischen Geben und Begrenzen als zentralem Bestandteil unserer Persönlichkeit:

  • Was kann und will ich geben?
  • Welche Stärken und Kompetenzen habe ich?
  • Wo liegen meine Grenzen?
  • Wozu sollte ich öfter Nein sagen?

Ich persönlich empfinde die Balance zwischen Geben und Begrenzen wesentlich stimmiger als das gängigere Geben und Nehmen, weil wir es damit selbst in der Hand haben.

Die aktuelle gesellschaftliche Disbalance

Aktuell erleben wir in vielen Bereichen einen Überschuss des Gasgebens (Umweltverschmutzung, Krieg, Dauerstress in der Arbeit, Nachrichten- und Informations-Überfluss). Wir befinden uns daher in einer starken Disbalance, weil das Zögern, produktive Zweifeln, Innehalten und Nachdenken oft zu kurz kommt. Gehen wir jedoch nach einer langen Phase des Überschusses in eine Ruhephase über, wird der Körper häufig krank, weil er es nicht mehr gewohnt ist, mit Ruhepausen umzugehen. Wir werden dann nervös, vermutlich weil wir insgeheim wissen, dass irgendetwas nicht in Ordnung ist. Kein Wunder, dass viele Menschen mit Achtsamkeitsübungen Schwierigkeiten haben.

Auch der Umgang mit Lockdowns als erzwungene Yin-Phase wurde unterschiedlich wahrgenommen. Während manche die Ruhephase dankbar annahmen, litten andere daran, dass sie ihr Bedürfnis nach Yang nicht los wurden, außer vielleicht mit Sport und kilometerweiten Spaziergängen.

Polaritäten als Weg zur inneren Balance

Auch wenn das Gasgeben und Innehalten einleuchtet, stellt sich dennoch die Frage, was dies konkret bedeutet. Dazu ist es hilfreich, darüber nachzudenken, was genau das Gasgeben und Innehalten in Ihrem Leben ausmacht. Schauen wir uns dazu einige typische charakterliche Gegensatzpaare an:

  • Es gibt Menschen, die viel Abwechslung im Leben brauchen und sehr neugierig sind (Yang bzw. Gas geben). Meist können diese Menschen gut mit unklaren Situationen umgehen, während andere mehr Struktur und Ordnung brauchen (Yin bzw. Innehalten) und gerne beim Bewährten bleiben. Darin steckt keine Bewertung. Das eine ist so wertvoll wie das andere, da zu viel Abwechslung zu Chaos führen kann und zu viel Struktur zu Angst vor Veränderungen, Kontrolle und Rigidität. Daher braucht auch der kreativste Mensch ein wenig Struktur, um produktiv zu sein. Und ein struktrurierter Mensch benötigt ein wenig Abwechslung, um nicht abzustumpfen.

Greifbar wird dieses Verhältnis, wenn Sie 10 Punkte verteilen. Wie wichtig ist Ihnen Abwechslung? Wie wichtig ist Ihnen Struktur? 7 zu 3? Oder 4 zu 6? Um von einer bloßen Standortbestimmung zum Wandel zu kommen, machen Sie sich nun Gedanken über vergangene und zukünftige Veränderungen: Wie wichtig waren Ihnen Abwechslung und Struktur früher? Woran machen Sie Abwechslung und Struktur in Ihrem Leben fest? Sind Sie aktuell zufrieden? Was wünschen Sie sich für die Zukunft und wie erreichen Sie dies?

  • Ein anderes Gegensatzpaar bezieht sich auf das Verhältnis zwischen Leistung erbringen, Konzentration und Disziplin (Gas geben) auf der einen und Genuss und Entspannung (Innehalten) auf der anderen Seite. Hier können Sie ebenso nach dem oberen Muster vorgehen, um zu einer aktuell passenden und gesunden persönlichen Balance zu kommen.
  • Auch Verantwortung zu übernehmen im Ehrenamt oder in einer Führungsposition (Gas geben) bildet zusammen mit dem Aufgehen in einer Gruppe im Fußballverein, als Team- oder Familienmitglied ein Gegensatzpaar. Wie sieht es hier mit der Balance oder Disbalance aus?

Letztlich lassen sich alle Charaktereigenschaften mehr oder weniger einem der beiden Pole zuordnen. Kommunikationsfreudig ist Yang, während reflektiert zu sein Yin zuordnen lässt. Spendabel ist Yang und sparsam Yin.

Am besten, Sie stöbern selbst in Online-Listen (bspw. hier (externer Link): https://karrierebibel.de/charaktereigenschaften), suchen sich 10 für Sie typische Charaktereigenschaften aus, denken darüber nach, ob diese eher gasgebend oder innehaltend sind und machen sich auf die Suche nach ergänzenden Eigenschaften, um sich wieder in Balance zu bringen. Viel Spaß damit.

Übergänge als Zeiten des Wachstums

Übergänge sind die spannendsten und fruchtbarsten Orte in der Natur. Im Übergang zwischen Wald und Wiese, Ökoton genannt, ist sowohl ein Ort der Begegnung zwischen Wald- und Wiesen-Tieren, als auch ein Ort an dem Pflanzen und Tiere ihr Zuhause finden, die es sonst nirgendwo gibt. Während der Wald im besten Fall ein Ort des Chaos ist, mit einem wildwuchernden systemisch perfekt aufeinander abgestimmten Netzwerk aus Wurzeln, Pilzen und Tieren, wird die Wiese regelmäßig gemäht und bewirtschaftet. Die Wiese ist damit das genaue Gegenstück zum Wald, ein Ort der Ordnung. Dazwischen ist der Übergang, weder zu 100% Ordnung, noch zu 100% Chaos.

In der Natur gibt es viele solche Übergänge. Zwischen Meer und Land wachsen Korallenriffe. Auch Dünen gelten als einzigartige Ökosysteme. Und am Fuß eines Berges endet das Quellwasser aus dem Berg und führt auch hier zu einer einzigartigen Fruchtbarkeit, weshalb es früher logisch war, sich hier anzusiedeln.

Solche Übergangsorte der Begegnung finden sich auch bei uns Menschen, beispielsweise an den Randgebieten der Innenstadt in Häusern, die noch kein Vorort sind, aber auch nicht mehr zur schicken und teuren Innenstadt gehören. Dort zieht meist eine bunte Mischung aus ärmeren Menschen, Migrant*innen und Künstler*innen ein, die wesentlich weniger homogen und damit spannender im Austausch untereinander sind als die Menschen in Vororten oder Innenstädten.

Auch Schulen und Ausbildungsstätten sind Orte des Übergangs. Der Schüler ist noch nicht fertig. Er wächst noch. Es sollte in Schulen daher weniger darum gehen, keine Angst zu haben, sondern mit seiner Angst gut begleitet zu werden.

In Übergängen, beispielweise der Geburt, Pubertät, Ausbildung, Trennung, dem Tod oder einem Neuanfang, ist noch nicht klar definiert, was einmal daraus wird. Deshalb gelten für Übergänge andere Maßstäbe als für „normale“ Zeiten. Niemand kann wissen, was richtig oder falsch ist. Sinnvoller ist es, Beziehungen zu pflegen, Dinge auszuprobieren und sich auszuprobieren, das Leben zu beobachten und sich zu beobachten. Und so während des Übergangs für die Zeit danach zu lernen.

In diesem Sinne sind Zeiten des Übergangs Zeiten des Wachstums. Der Mensch muss sich noch nicht beweisen. Er darf noch reifen und sollte lernen, diese Reifung, die immer auch mit einer guten Portion Ungewissheit einher geht, lieben zu lernen.