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Ein ehrlicher Umgang mit Veränderungen

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Wie oft befinden wir uns in diesem großen Als-ob-Spiel? Wir tun so, als würden wir genau wissen, was zu tun ist. Die Mitarbeiter*innen wissen im Rahmen von Ankündigungen großer Veränderungen natürlich, dass das nicht stimmt, weil die Erfahrung oft genug zeigte, dass es anders kam. Und wenn das dann passierte, wird es nicht heißen: Wir haben gelogen. Oder: Wir wussten es nicht besser. Sondern: Wir mussten reagieren. Oder: Wir haben schnell gelernt. Wenn uns das nicht an die Politik der letzten Jahre erinnert?

Doch die meisten Mitarbeiter*innen spielen trotz besseren Wissens dieses Spiel mit. Entweder weil sie davon ausgehen, dass es ohnehin nichts bringen würde, Kritik zu üben. Oder weil sie bereits aufgegeben haben. Oder weil es zu anstrengend ist. Sie konzentrieren sich auf ihr Alltagsgeschäft und blenden den Rest aus. Der kleine Rest, der Kritik über, gilt als Pessimist und Querulant.

Wie sagt der Kabarett-Comedian Till Reiners so treffend: „Die Wahrheit ist wie ein entfernter Verwandter. Schon nett, muss jetzt aber nicht jeden Tag sein.“

Ginge das nicht anders? Irgendwie würdevoller. Wie wäre es damit:

„Die Fakten sind uns wohl allen weitgehend bekannt. Klar ist auch, dass wir handeln müssen. Denn, wenn wir jetzt nicht handeln, verpassen wir Chancen, den Anschluss an die Konkurrenz, was auch immer. Wir könnten jetzt so tun, als ob wir genau wüssten, was zu tun ist. Das wäre jedoch gelogen. Wir schiffen sicherlich nicht im Trüben. Wir rechnen mit Wahrscheinlichkeiten. Wir sichern uns ab. Wir lassen uns beraten. Und wir bringen eine Menge Erfahrungen aus den letzten Jahrzehnten mit. Dennoch wissen wir nicht zu 100%, ob das, was wir heute tun, genau zu dem führt, was wir uns erhoffen. Es bleibt also immer ein wenig wackelig. Ich würde es mir anders wünschen. Oder auch nicht: Denn dann würden wir in einem Determinismus leben, der das Leben letztlich langweilig macht. Ist es nicht so? Wir heiraten, bekommen Kinder, erlernen einen Beruf und wünschen uns, dass alles so wird, wie wir uns das immer erträumt haben … Und dann kommt es doch anders. Wir merken nach einigen Jahren, dass unser*e Partner*in eigene Wünsche hat, die nicht mehr zu unseren passen, dass unsere Kinder Schulprobleme haben, dass unser Beruf unsere Neigungen weniger trifft, als wir uns das im Studium oder unserer Ausbildung dachten. Was also tun? Würden wir mit dem Wissen in ein paar Jahren heute anders handeln, um vielleicht anders enttäuscht zu werden? Wir hätten dann nicht geheiratet und keine Kinder und wüssten nicht einmal, was wir verpassen. Und wir hätten einen anderen Job, der sich ebenfalls als schwierig herausstellt. Wer die Bremsen an seinem Fahrrad repariert, weiß, was er tun muss, damit es später funktioniert. Komplexe Entscheidungen, insbesondere, wenn sie viele Menschen betreffen, sind immer unsicher. Wir werden nach bestem Wissen und Gewissen handeln. Dennoch geht es letztlich nicht nur darum, was wir heute entscheiden, sondern auch darum, wie wir uns gemeinsam auf diese Entscheidung einlassen und mit allen Folgen dieser Richtungsentscheidung umgehen, v.a. wenn wir später Anpassungen vornehmen müssen. In diesem Sinne hoffe ich, dass wir gemeinsam einen guten Weg für die Zukunft einschlagen, mit dem wir alle – trotz Unsicherheit – gut leben können.“

Wie sich das Konzept der Meta-Emotion in der Führung nutzen lässt

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Meta-Emotionen sind Emotionen über Emotionen. Macht es mich bspw. wütend, dass ich Angst habe? Oder macht es mich noch ängstlicher? Wenn wir also zu oberflächlich auf Emotionen blicken, die bspw. im Rahmen einer Veränderung bei Mitarbeiter*innen ausgelöst werden, ist das zu kurz gedacht.

Untersucht wurde das Phänomen der Meta-Emotionen u.a. anhand der Frage, warum Menschen Filme anschauen und was sie daraus ziehen. Dazu führten Anne Bartsch u.a. einige Studien durch. Zusammenfassend stellten sie folgendes fest:

  • Manche wollen Spaß haben, andere suchen Nervenkitzel oder Rührung.
  • Negative Emotionen wie Angst, Horror, Trauer oder Spannung werden als positiv erlebt. Dies weist auf die bereits erwähnten Meta-Emotionen hin.
  • Gleichzeitig regen vermeintlich negative Emotionen zum Nachdenken an und verändern die Sichtweise auf die Welt, insbesondere bei Dramen oder intelligenten Krimis. Es wird oft also nicht nur der bloße Konsum gesucht.
  • Viele Studienteilnehmer*innen gaben ebenso an, sich gerne über das Erlebte auszutauschen, wobei dies noch mehr für Serien gilt.
  • Frauen tendieren mehr dazu, traurige Filme positiv zu bewerten, während Männer eher spannende Filme positiv betrachten.
  • Die Nachdenklichkeit über Filme nimmt mit dem Alter zu.

Meta-Emotionen in Veränderungen

Wenn wir diese Erkenntnisse auf Veränderungen in Unternehmen übertragen, geht es zum einen nicht nur darum, ob Mitarbeiter*innen im Zuge einer geplanten Veränderung Angst haben, wütend oder enttäuscht sind, sondern auch darum, wie sie diese Angst, Enttäuschung oder Wut bewerten. Prinzipiell sind daher viele Zusammenspiele zwischen Emotionen und Meta-Emotionen möglich:

EmotionenMeta-Emotionen
Wut über die VeränderungAngst davor, in der Wut die Beherrschung zu verlieren,
Wut über die eigene Wut, sofern es unangenehm ist wütend zu sein.
Enttäuschung darüber, die eigene Beherrschung zu verlieren.
Angst vor der VeränderungAngst vor der eigenen Angst.
Wut über die eigene Angst, weil Angst als Zeichen von Schwäche gelten kann.
Enttäuschung über sich selbst, ängstlich zu sein.
Enttäuschung über den Ablauf der VeränderungAngst davor, enttäuscht zu werden und daher Leugnung der Realität.
Wut über die Enttäuschung, weil Enttäuschung schmerzhafter ist als Wut.
Enttäuschung über sich selbst, anscheinend zu blauäugig gewesen zu sein bzw. zu viel Vertrauen gehabt zu haben.

Wenn also Mitarbeiter*innen an der Oberfläche wütend sind, kann es sich um eine Wut auf die Veränderungsmaßnahme handeln, um eine Wut auf die eigene Unsicherheit oder sogar um eine Verdrängung der eigenen Enttäuschung. Oder aber Mitarbeiter*innen befürchten nicht nur die einschneidenden Veränderungen an sich, sondern fürchten sich gleichzeitig vor der eigenen Angst. Schließlich können Mitarbeiter*innen enttäuscht darüber sein, wie sich Prozesse entwickeln oder auch wütend darüber, dass sie der Geschäftsleitung vermeintlich zu viel Vertrauen entgegen brachten.

Während Emotionen sichtbar sind, müssen Meta-Emotionen erschlossen werden, können jedoch einen entscheidenden Schlüssel für erfolgreiche Veränderungsprozesse liefern, indem Führungskräfte Hypothesen aufstellen und deren Richtigkeit in ihren Teams abklären:

„Ich sehe, wie aufgebracht und wütend ihr seid. Seid ihr wütend, weil ihr glaubt, das geht in eine vollkommen falsche Richtung (Emotion)? Oder seid ihr wütend, weil euch das alles eiskalt erwischt und ihr erst einmal nicht wisst, wie es weitergehen soll (Meta-Emotion 1)? Oder seid ihr vielleicht sogar enttäuscht von der Geschäftsleitung, weil das auf einmal ganz schnell gehen muss (Meta-Emotion 2)?“

Die positive Bewertung negativer Emotionen

Zum anderen wissen wir aus den Film-Studien von Bartsch u.a., dass negative Emotionen wie Trauer und Spannung auch positiv bewertet werden können. Der große Unterschied zu Filmen ist jedoch die reale Situation. Filme lassen sich mit Abstand ansehen. Veränderungen in Unternehmen haben sofort einen direkten Einfluss auf das eigene Leben. Dennoch lässt sich auch hier mit dem Prinzip der Meta-Emotion arbeiten:

„Es klingt erst einmal seltsam, aber Ängste, Sorgen, Ärger oder Enttäuschung müssen nicht nur negativ sein, sondern können auch positive Effekte haben. Ich würde euren Ängsten, … gerne einen guten Rahmen geben, damit wir sie positiv nutzen können und uns in unseren Prozessen weiterbringen.“

Veränderungen richtig begleiten

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Führungskräfte kennen das Dilemma in Veränderungen. Manche Informationen sollen aus diplomatischen Gründen zurückgehalten werden. Gleichzeitig sind Teams und Abteilungen frustriert, wenn sie nicht wissen, was auf sie zukommt. Wie also sollten Teams in Veränderungen am besten begleitet werden?

Der Psychologe Shlomo Bresnitz führte dazu eine erhellende Studie durch. Er unterteilte eine Kompanie von Soldaten in vier Gruppen. Alle vier Gruppen sollten unter den gleichen Bedingungen einen Fußmarsch von 40 km absolvieren:

  • Die 1. Gruppe wusste von den 40 km und bekam regelmäßig die Rückmeldung ihres aktuellen Stands.
  • Die 2. Gruppe absolvierte den Gewaltmarsch ohne jegliche Informationen, auch nicht über die 40-km-Distanz.
  • Der 3. Gruppe wurde erzählt, sie hätten 30 km zu absolvieren. Kurz vor Ende kam dann die Hiobsbotschaft der restlichen 10 km.
  • Und der 4. Gruppe wurde erzählt, sie hätten 60 km abzuleisten.

Am Ende wurde der Cortisol- und Prolaktin-Spiegel der Soldaten gemessen, zwei Hormonen als Hinweis auf empfundenen Stress.

Welche Gruppe verzeichnete wohl den niedrigsten bzw. größten Stresspegel?

  • Spontan könnte man denken, Gruppe 4 müsste eigentlich gut dran sein. Sie hatten sich viel vorgenommen und es dann früher als geplant geschafft.
  • Spontan könnte man auch glauben, dass Gruppe 3 besonders schlecht dran war, weil es frustrierend ist, nach erreichtem Ziel weitere 10 km herunter zu reißen.

Fakt ist jedoch:

  • Gruppe 1 hatte den niedrigsten Stresslevel. Sie wussten immer woran sie waren.
  • Gruppe 2 erging es am schlechtesten. Sie hingen die ganze Zeit in der Luft und wussten nie, wie sie ihre Kräfte einteilen sollten.
  • Gruppe 3 war zwar sauer auf die weiteren 10 km, absolvierten diese jedoch ohne große Schwierigkeiten.
  • Gruppe 4 hingegen erging es fast noch schlechter als Gruppe 2. Die Aussicht auf 60 km war für viele aus der Gruppe so entmutigend, dass bereits nach 10 km die ersten Soldaten aufgaben. Diejenigen, die es bis zum Ende schafften, waren körperlich so am Ende, dass sie sich kaum über das vorzeitige Ende freuen konnten.

Was lässt sich daraus für Veränderungen lernen?

  • Mitarbeiter*innen sollten in Veränderungen so früh und so gut wie möglich informiert werden.
  • Den Teufel an die Wand zu malen in der Hoffnung, dass Mitarbeiter*innen sich freuen, dass es doch nicht so schlimm kommt, kann sich rächen.
  • Stattdessen ist es sinnvoller, kleine Meilensteine anzupeilen, wohlwissend, dass vermutlich noch mehr – noch nicht Spruchreifes – nachkommen wird.

Veränderungen begleiten

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Changemanagement oder Transformationsprozess?

Um zu verstehen, wie ich als Changemanager*in und Führungskraft Veränderungen am besten begleite, ist es hilfreich, die Begriffe Change und Transformation zu unterscheiden, gerade weil die beiden Begriffe häufig synonym verwendet werden.

Interessanterweise wird seit einigen Jahren vermehrt von Transformationsprozessen anstatt Changemanagement gesprochen. Doch worin besteht der Unterschied?

Sowohl der Begriff Change als auch Transformation lassen sich mit Veränderung übersetzen. Der Begriff der Transformation lässt sich jedoch zusätzlich als Umwandlung oder Verwandlung beschreiben. Während sich daher mit dem Begriff Change der äußere Wandel und damit entweder der Wunsch nach oder die Notwendigkeit einer Veränderung bezeichnen lässt, beispielsweise digitaler zu werden, um nicht den Anschluss an die Konkurrenz zu verpassen, zielt ein Transformationsprozess auf den inneren Wandel von Menschen, Teams und Organisationen ab. Das gesamte Unternehmen soll sich von innen heraus verändern. Es soll seine innere Einstellungen und Haltungen verändern als wäre es ein Mensch inmitten eines psychologischen Transformationsprozesses.

In Changeprozessen sind Widerstände erlaubt, ja sogar erwünscht, weil sie auf Schwachstellen im System aufmerksam machen. Der Begriff der Transformation hingegen suggeriert, dass ein Veränderungsziel als gegeben anzunehmen ist. Widerstände sind nicht nur störend, sondern sogar selbstzerstörerisch, weil die Transformation bspw. hin zu einem digitalen Unternehmen unumgänglich ist.

Wenn in manchen Büchern von der digitalen Transformation die Rede ist, geht es jedoch in der Regel nicht um die Mensch-Maschine. Aus der Wahl der Begrifflichkeit lässt sich wohl eher der Wunsch ablesen, dass Veränderungen in Unternehmen nicht nur oberflächlich mitgemacht, sondern tatsächlich gelebt werden sollen. Ob die Nutzung des Transformationsbegriffs Veränderungen erleichtert oder nicht wird sich noch zeigen. Es könnte jedoch sein, dass genau diese rhetorische Vereinnahmung der Metamorphose des gesamten Menschen zu trotzigen Abwehrreaktionen führt: “Veränderungen mussten immer schon mitgemacht werden. Als Angestellte/r bleibt mir da wenig Spielraum. Meine innere kritische Meinung gegenüber der Veränderung möchte ich dennoch behalten”.

Die Trauernden und die Neugierigen

In Transformationen geht es also um innerpsychische Prozesse als Reaktion auf die äußere Veränderung. Meist haben wir es dabei mit Wut, Ängsten und Unsicherheiten zu tun, genauso aber auch mit Neugier oder Aufbruchstimmung.

Die bekannten Trauerphasen nach Elisabeth Kübler-Ross von

  1. Verdrängung und Nicht-Wahrhaben-Wollen der Notwendigkeit einer Anpassung,
  2. Wut über die erzwungene Anpassung durch die äußere Veränderung,
  3. Verhandlung als Möglichkeit noch etwas vom Alten zu retten,
  4. Verzweiflung und Trauer als Zeichen der Akzeptanz der inneren Veränderung und
  5. Akzeptanz des Neubeginns und Integration der Transformation in den eigenen Alltag …

… gelten daher nur für jene Menschen, die sich mit einem Transformationsprozess schwer tun, weil sie noch stark am Alten hängen. Nennen wir sie die Trauernden, was wesentlich wertschätzender ist als Querulanten, Bremser oder Blockierer. Andere hingegen sehen ihre Chance, der Veränderung ihren eigenen Stempel aufzudrücken. Nennen wir sie die Neugierigen.

Gäbe es nur eine Gruppe, wäre die Begleitung einer Veränderung einfach. Ich müsste dann entweder nur die fünf Phasen der Trauerverarbeitung durchspielen oder könnte sofort ins Neuland aufbrechen.

Gleichzeitig sind die Widerstände in Veränderungen auch ein Segen, da manches vom Alten durchaus mitgenommen werden sollte, weil niemals alles falsch war und ist.

Veränderungen und Transformationen begleiten

Die eigentliche Transformationsphase als unbekanntes Niemandsland befindet sich zwischen dem Alten und dem noch unbekannten Neuen. Als Transformationsbegleiter*in sollte ich folglich ebenso zweigleisig denken, um beiden Gruppen gerecht zu werden, den Traurigen, die manchmal wütend sind und den Neugierigen, die oft ungeduldig sind:

  1. In der Phase der Verabschiedung des Alten sollte ich gleichzeitig das, was bislang gut funktionierte wertschätzen und schützen:
  • Die Frage „Was wollen wir erhalten?“ geht an die Traurigen.
  • Die Frage „Wovon wollen wir uns verabschieden?“ geht an die Neugierigen.
  1. In der Phase des Niemandslands geht es vor allem um Geduld, Toleranz und Verständnis füreinander:
  • Die Neugierigen wollen so schnell wie möglich den Neuanfang starten und sind frustriert, dass viele Prozesse so zäh vorwärts kommen. Für diese Ungeduld braucht es Verständnis und Toleranz. Toleranz und Geduld braucht es aber auch für Experimente in dieser Phase, die scheitern können. Aktuell ist jedoch noch nichts in Stein gemeiselt.
  • Die Trauernden wiederum wollen – trotz des Signals, dass auch etwas vom Alten erhalten bleibt – am Alten als Gesamtkonstrukt festhalten. Entsprechend der fünf Phasen nach Kübler-Ross kann es hier auch zu Wut, Trotzreaktionen („Ich hab’s ja gleich gesagt. Das ist doch alles Mist! Das klappt doch nie!“) oder Ängsten bis hin zu Panik kommen („Wie soll ich da jemals mitkommen? Ich verstehe das alles nicht mehr. Das ist nicht mehr meine Welt.“). Auch dafür braucht es Verständnis, Toleranz und Geduld.
  1. In der Phase des Neuanfangs schließlich zeigen sich erste stabile und belastbare Erkenntnisse: „Ja, unsere Wissensmanagement-Plattform wird genutzt. Ja, unsere Kunden reagieren positiv auf unsere Anpassungen.“ Wie in der Natur bekommen wir also ein positives oder negatives Feedback zurück, um uns zu zeigen, ob wir auf der richtigen Spur sind. Und damit bekommen wir neue Energie und Sicherheit, um den Weg weiterzuverfolgen oder gegebenenfalls anzupassen:
  • Ein positives Feedback ist jedoch weniger für die Neugierigen, als vielmehr für die Trauernden als Sicherheits-Signal geeignet, auf dem richtigen Weg zu sein.
  • Ein negatives Signal könnte für die Trauernden eine Bestätigung für das Scheitern der Veränderung sein, ist jedoch auch hier mehr für die Neugierigen als Gedulds-Signal geeignet, sich bei Veränderungen in Demut zu üben. Rom wurde schließlich auch nicht an einem Tag erbaut.

Wenn Sie die innerpsychischen Prozesse Ihrer Mitarbeiter*innen ernst nehmen, ist es egal, ob Sie im Rahmen eines Veränderungsprozesses von Change oder Transformation sprechen. Denn letztlich symbolisieren die beiden Begriffe die beiden Seiten einer Medaille.

Äußerer versus innerer Wandel

Silvester ist wieder einmal vorbei und viele Menschen werden in der Zeit zwischen den Zeiten nachdenklich oder sogar spirituell. Auch bei mir gibt es seit einigen Jahren die Tradition, mich mehr als bspw. im Sommerurlaub mit mir und meinem Leben auseinander zu setzen. Wer will das schon, wenn Sonne und Badesee locken?

  • Äußerer Wandel: Wo soll es dieses Jahr hingehen und was will ich erreichen beschäftigen sich mit den eher oberflächlichen Fragen eines forcierten Wandels.
  • Innerer Wandel: Geht es mir gut und wie könnte es mir gesundheitlich, körperlich oder psychisch besser gehen betrifft einen inneren Wandel.

Beides verzahnt sich oft, nicht jedoch automatisch. Ein neues Projekt, ein neuer Job oder ein Umzug bringen frischen Wind ins Leben. Nicht selten werden jedoch alte Probleme mitgenommen. Wie heißt es so treffend:

Du kriegst den Jungen aus dem Dorf ‘raus, aber nicht das Dorf dem Jungen.

Ein äußerer Wandel – forciert oder wie in Krisenzeiten (ohne das C-Wort zu nennen, das kaum noch jemand hören kann) erzwungenermaßen – kann jedoch ein willkommener Anlass sein, etwas tiefer zu graben und damit auch einen inneren Wandel anzustoßen.

Prinzipien inneren Wandels

All das haben Sie vermutlich schon einige Male gelesen oder gehört. Doch was genau macht einen inneren Wandel aus?

Ein innerer Wandel geschieht immer aus einem dualen Gegensatzpaar heraus, so wie unser gesamtes Leben aus Gegensatzpaaren besteht: Wir geben Gas und treiben damit eine Veränderung voran (Sympathicus), müssen jedoch ab und an innehalten, sozusagen auf die Bremse treten, um über das Erreichte nachzudenken (Parasympathicus). In der chinesischen Naturphilosophie gibt es dazu den Kreis aus Yang (Veränderung, die Tür öffnet sich) und Yin (Begrenzung, die Tür schließt sich wieder). Beide Pole sollten sich in einer gesunden Balance befinden.

Im kabbalistischen Lebensbaum (siehe auch: https://www.m-huebler.de/die-psychotische-gesellschaft-teil-iii-auf-der-suche-nach-identitaet-heimat-und-sinn) gibt es die Balance zwischen Geben und Begrenzen als zentralem Bestandteil unserer Persönlichkeit:

  • Was kann und will ich geben?
  • Welche Stärken und Kompetenzen habe ich?
  • Wo liegen meine Grenzen?
  • Wozu sollte ich öfter Nein sagen?

Ich persönlich empfinde die Balance zwischen Geben und Begrenzen wesentlich stimmiger als das gängigere Geben und Nehmen, weil wir es damit selbst in der Hand haben.

Die aktuelle gesellschaftliche Disbalance

Aktuell erleben wir in vielen Bereichen einen Überschuss des Gasgebens (Umweltverschmutzung, Krieg, Dauerstress in der Arbeit, Nachrichten- und Informations-Überfluss). Wir befinden uns daher in einer starken Disbalance, weil das Zögern, produktive Zweifeln, Innehalten und Nachdenken oft zu kurz kommt. Gehen wir jedoch nach einer langen Phase des Überschusses in eine Ruhephase über, wird der Körper häufig krank, weil er es nicht mehr gewohnt ist, mit Ruhepausen umzugehen. Wir werden dann nervös, vermutlich weil wir insgeheim wissen, dass irgendetwas nicht in Ordnung ist. Kein Wunder, dass viele Menschen mit Achtsamkeitsübungen Schwierigkeiten haben.

Auch der Umgang mit Lockdowns als erzwungene Yin-Phase wurde unterschiedlich wahrgenommen. Während manche die Ruhephase dankbar annahmen, litten andere daran, dass sie ihr Bedürfnis nach Yang nicht los wurden, außer vielleicht mit Sport und kilometerweiten Spaziergängen.

Polaritäten als Weg zur inneren Balance

Auch wenn das Gasgeben und Innehalten einleuchtet, stellt sich dennoch die Frage, was dies konkret bedeutet. Dazu ist es hilfreich, darüber nachzudenken, was genau das Gasgeben und Innehalten in Ihrem Leben ausmacht. Schauen wir uns dazu einige typische charakterliche Gegensatzpaare an:

  • Es gibt Menschen, die viel Abwechslung im Leben brauchen und sehr neugierig sind (Yang bzw. Gas geben). Meist können diese Menschen gut mit unklaren Situationen umgehen, während andere mehr Struktur und Ordnung brauchen (Yin bzw. Innehalten) und gerne beim Bewährten bleiben. Darin steckt keine Bewertung. Das eine ist so wertvoll wie das andere, da zu viel Abwechslung zu Chaos führen kann und zu viel Struktur zu Angst vor Veränderungen, Kontrolle und Rigidität. Daher braucht auch der kreativste Mensch ein wenig Struktur, um produktiv zu sein. Und ein struktrurierter Mensch benötigt ein wenig Abwechslung, um nicht abzustumpfen.

Greifbar wird dieses Verhältnis, wenn Sie 10 Punkte verteilen. Wie wichtig ist Ihnen Abwechslung? Wie wichtig ist Ihnen Struktur? 7 zu 3? Oder 4 zu 6? Um von einer bloßen Standortbestimmung zum Wandel zu kommen, machen Sie sich nun Gedanken über vergangene und zukünftige Veränderungen: Wie wichtig waren Ihnen Abwechslung und Struktur früher? Woran machen Sie Abwechslung und Struktur in Ihrem Leben fest? Sind Sie aktuell zufrieden? Was wünschen Sie sich für die Zukunft und wie erreichen Sie dies?

  • Ein anderes Gegensatzpaar bezieht sich auf das Verhältnis zwischen Leistung erbringen, Konzentration und Disziplin (Gas geben) auf der einen und Genuss und Entspannung (Innehalten) auf der anderen Seite. Hier können Sie ebenso nach dem oberen Muster vorgehen, um zu einer aktuell passenden und gesunden persönlichen Balance zu kommen.
  • Auch Verantwortung zu übernehmen im Ehrenamt oder in einer Führungsposition (Gas geben) bildet zusammen mit dem Aufgehen in einer Gruppe im Fußballverein, als Team- oder Familienmitglied ein Gegensatzpaar. Wie sieht es hier mit der Balance oder Disbalance aus?

Letztlich lassen sich alle Charaktereigenschaften mehr oder weniger einem der beiden Pole zuordnen. Kommunikationsfreudig ist Yang, während reflektiert zu sein Yin zuordnen lässt. Spendabel ist Yang und sparsam Yin.

Am besten, Sie stöbern selbst in Online-Listen (bspw. hier (externer Link): https://karrierebibel.de/charaktereigenschaften), suchen sich 10 für Sie typische Charaktereigenschaften aus, denken darüber nach, ob diese eher gasgebend oder innehaltend sind und machen sich auf die Suche nach ergänzenden Eigenschaften, um sich wieder in Balance zu bringen. Viel Spaß damit.