Archiv der Kategorie: Mediation

Die Spielfeldmetapher als kommunikatives Handwerkszeug

Das Bild des Spielfelds bietet uns einen spielerischen Zugang um zu erkennen, welche sozialen und kommunikativen Regeln in einer Situation gelten und wie ich mein Gegenüber sanft beeinflussen kann. Die Kernfragen lauten:

  • Befinden Sie sich zu einem großen Teil Ihres Lebens auf dem eigenen oder auf fremden Spielfeldern?
  • Wie lauten die sozialen und kommunikativen Regeln auf den jeweiligen Spielfeldern?
  • Sind Sie damit zufrieden oder hätten Sie es gerne anders?

Das Was und das Wie

Wer das Spielfeld bestimmt, bestimmt auch die Regeln des Umgangs miteinander. Dabei spielt es nicht automatisch eine Rolle, ob Sie angestellt sind oder wie ich freiberuflich unterwegs. Als Freiberufler liegt es nahe davon auszugehen, dass ich das Spiel bestimme. Ich bin schließlich frei. Dennoch bewege ich mich auf vielen verschiedenen Spielfeldern. Unternehmen A wird durch eine andere Kultur geprägt als Unternehmen B. In Branche A gelten andere Regeln als in Branche B. Usw. Als Selbständiger, der für eine Vielzahl von Unternehmen tätig ist, lernte ich, mich wie ein Chamäleon an unterschiedliche Firmenkulturen anzupassen, um nicht zu stark als Fremdkörper wahrgenommen zu werden. Und dennoch fühlt es sich so an, als würde ich die Teilnehmer*innen in Seminaren, Mediationen oder Coachings auf mein Spielfeld einladen. Die Ziele eines Seminars und damit das „Was“ werden zuvor festgelegt. Das „Wie“ und damit die Regeln bestimme ich, wenn ich beispielsweise sage: „Lernen mit Übungen aus dem Improtheater macht Spaß“. Damit lade ich meine Seminarteilnehmer*innen auf mein Spielfeld ein, auf dem sie zu Mitspieler*innen werden.

Sollten Sie angestellt sein, sind Sie in einer ähnlichen Situation. Ihr Arbeitgeber gibt zwar vor, was zu tun ist. Wie Sie dies erreichen und wie Sie die Zusammenarbeit mit Ihren Kolleg*innen gestalten, ist jedoch Ihnen überlassen. Laden Sie Ihre Kolleg*innen auf Ihr Spielfeld ein und freuen sich im Gegenzug (!) auf eine Einladung auf deren Spielfeld? Gestalten Sie nach und nach ein gemeinsames Spielfeld? Und welche Regeln gelten dort?

Über Einladungen, Angriffe und Spielregeln

Zur Verdeutlichung ein kleines Alltagsbeispiel: Sie unterhalten sich mit einer Kollegin über dies und das. Da merken Sie, wie geknickt sie plötzlich ist. Die Zeit- und Arbeitsverdichtung, der Krieg, die Corona-Situation, usw. machen ihr zu schaffen. Zeigen Sie sich empathisch, begeben Sie sich auf das Spielfeld Ihres Gegenübers. Sie bestimmt nun die Regeln. Diese lauten grob vereinfacht: „Ich bin geknickt. Unterstütze mich.“ Für ein gutes Miteinander ist es freilich sinnvoll, die implizite Einladung anzunehmen, sich damit auf die Regeln des Gegenübers einzulassen und „das Spiel mitzuspielen“. Doch plötzlich merken Sie, dass Sie sich auf dem fremden Spielfeld zunehmend unwohl fühlen. Im Schach könnten wir sagen: Die Spielfiguren ziehen vor und zurück, vor und zurück, es entsteht jedoch keine wirkliche Entwicklung des Spiels und damit keine Spannung. Sie befinden sich in einer Pattsituation. Sie sollten folglich einen „Angriff“ wagen. Dies tun Sie, indem Sie scherzhaft (auf der Basis einer guten Beziehung) aufzählen, wieviel Leid es in der Welt gibt. Sie enden mit einem Augenzwinkern, um zu verdeutlichen, dass das was wir hier tun ein Jammern auf sehr hohem Niveau ist. Ihre Kollegin wundert sich nun über sich selbst und beginnt zu lächeln. Sie hat die Einladung, auf Ihr Spielfeld zu kommen angenommen und spielt nun, wenigstens für ein paar Momente, nach Ihren Regeln.

Mein Tipp: Lassen Sie die Spielfeldmetapher in nächster Zeit in einfachen und später auch in schwierigen Situationen im Hinterkopf mitlaufen und fragen sich:

  • Wie lauten die Spielregeln meines Gegenübers?
  • Wie lange soll ich das Spiel meines Gegenübers mitspielen?
  • Wofür spiele ich das Spiel meines Gegenübers mit?
  • Was kann ich tun, um mein Gegenüber auf mein Spielfeld einzuladen?
  • Welche Regeln gelten auf meinem Spielfeld?
  • Was will ich damit erreichen?
  • Was hätte mein Gegenüber davon?

Viel Spaß damit!

Warum wir einen Minimalkonsens in Diskussionen brauchen

Leben wir in postfaktischen Zeiten? Gibt es keine festen Wahrheiten mehr, auf die wir uns verlassen können? Ist wirklich alles verhandelbar oder sollte es sein?

Um das zu klären, ist eine klare Trennung zwischen einem radikalen und gemäßigten Konstruktivismus hilfreich:

  • Ein radikaler Konstruktivismus stellt alles in Frage.
  • Ein gemäßigter Konstruktivismus basiert auf einem gemeinsamen Diskussionsgerüst. Hier gibt es Fakten, auf die wir uns einigen.

Machen wir dazu ein Beispiel: Ein Stuhl ist nicht nur ein Stuhl, weil wir ihn als Stuhl bezeichnen, sondern weil sich die deutschsprachige Menschheit darauf einigte, ihn so zu definieren. Bei genauer Betrachtung ist dies weniger beliebig als es scheint. Immerhin klingt ein Stuhl wesentlich unbequemer als ein Sessel. Denken wir an den Gegensatz zwischem dem eher harten St in Stuhl und dem eher weichen S in Sessel. Oder wie wäre es mit einem Sofa. Klingt das nicht noch gemütlicher als der Stuhl? Es kommt also nicht von ungefähr, dass sich die Menschen auf diese Begriffe einigten.

Der Konsens eines gemäßigten Konstruktivismus besteht nun darin, dass wir nicht mehr darüber streiten, …

  • was wir als Stuhl bezeichnen: ein eher schlichtes, funktionales Sitzmöbel mit einer Lehne und vier Beinen (ohne Lehne und häufig nur drei Beinen hieße es Hocker);
  • und was wir als Sessel bezeichnen: ein eher gemütliches Sitzmöbel für eine Person zur Entspannung in der Freizeit.

Auf der Basis dieses Grundkonsens können wir dennoch darüber diskutieren, wie ein perfekter Büro-Stuhl oder Freizeitsessel geformt sein und aussehen sollte.

Übertragen wir diese Unterscheidung zwischen einem radikalen und gemäßigten Konstruktivismus auf unsere Diskussionskultur wird deutlich, dass wir auch hier einen Minimalkonsens brauchen, um diskussionsfähig zu bleiben. Wir brauchen eine Einigkeit darüber, ob es Covid 19 gibt, was eine Diktatur ist, was ein Krieg ist, usw. Es ist folglich sinnvoll in den aktuellen Diskussionen zuerst einmal abzuklären, ob es überhaupt einen Grundkonsens gibt, auf dessen Basis wir unterschiedliche Meinungen diskutieren können, bevor wir darüber streiten, welche Rolle ein Staat in der Gesundheitsfürsorge einnehmen sollte oder wie sich Deutschland in dem Ukraine-Krieg verhalten sollte.

Mediation und Konfliktmanagement in Zeiten von Corona

Wie können Teams bei unterschiedlichen Meinungen trotzdem zusammen arbeiten?

Seit der 3G-Regel in Unternehmen häufen sich die Hinweise auf ein hohes Konfliktpotential in der Arbeit. Sind jedoch Konfliktgespräche zum Thema Corona, wenn es um Abstandsregeln, Masken und insbesondere um Impf- oder Testverweigerungen geht, überhaupt möglich?

Grundsätze einer Mediation und eines Konfliktgesprächs

Bevor ich aus Mediationssicht eine Antwort auf diese Frage gebe, sollten wir einen Blick auf die Ziele eines Konfliktgesprächs richten. Ich fokussiere mich dabei auf drei Punkte:

  1. Offenheit: Ein Konfliktgespräch sollte – wie grundsätzlich jedes Gespräch – ergebnisoffen sein. Natürlich kommt am Ende jeden Gesprächs ein Ergebnis heraus, mit dem die beteiligten Parteien leben müssen. So kann es dazu führen, dass Mitarbeiter*innen nicht bereit sind
  2. Verstehen: In der Mediation gilt der Grundsatz einer Allparteilichkeit. Allparteilichkeit bedeutet, Personen aus ihrem Kontext heraus zu verstehen. Ich selbst würde vermutlich anders handeln. Ich kann jedoch zumindest zu versuchen, die Beweggründe einer Person aufgrund ihrer biografischen Erfahrungen zu verstehen.
  3. Einigung: Eine Einigung ist erst möglich, wenn ein gegenseitiges Verstehen stattfindet. Die Lösungen nach einer Phase des gegenseitigen Verstehens sind oftmals überraschend. Meist geht es auch wesentlich schneller als erwartet.

Konfliktlösungen mit Mitarbeiter*innen zu Corona-Themen

Wenn wir uns diese Grundbedingungen ansehen, wird deutlich, dass es schwierig bis unmöglich erscheint, Konfliktlösungen zu Corona-Themen gemeinsam zu erarbeiten im Sinne einer Win-Win-Situation. Stattdessen dominieren sowohl medial als auch politisch erwünschte oder unerwünschte Bilder von der einen und von der anderen Seite der Konfliktparteien. Bekanntermaßen geht dies nicht nur in eine moralische Richtung, sondern auch eine juristische. Es geht hier strukturell betrachtet also nicht nur um Meinungsverschiedenheiten, über die moralisch unterschiedlich geurteilt werden könnte, sondern v.a. um rechtliche Vorgaben. Tragfähige Lösungen im Sinne eines Aufeinanderzubewegens zweier oder mehrerer Parteien sind daher nicht möglich. Und damit rücken auch Heilungen und Einigungen in weite Ferne.

Konfliktverschiebungen

Wenn Konfliktlösungen nicht möglich, aber die Meinungsverschiedenheiten dennoch vorhanden sind, was passiert dann mit dem Frust der Kontrahent*innen?

Zum einen finden Konfliktverschiebungen statt. Schauen wir uns solche Verschiebungen an einem typischen Beispiel aus meiner Mediationspraxis an: Ein Mitarbeiter kann oder will sich nicht impfen lassen. Er weiß, dass er sich dann vor Ort täglich testen lassen muss. Seine Arbeit erlaubt es, aus dem Homeoffice zu arbeiten. Da er jedoch der einzige im Team ist, empfinden dies die anderen Kolleg*innen als ungerecht, weil er viele Aufgaben aufgrund der Ferne nicht mitbekommt. Warum also verweigert er die Testungen?

Auch wenn die genauen Umstände im Einzelfall vielleicht bekannt sind, erlebe ich es in meiner Praxis auch bei anderen Themen sehr häufig, dass Führungskräfte eher zu wenig als zu viel von den Hinter- und Beweggründen ihrer Mitarbeiter*innen wissen. Daher plädiere ich grundsätzlich erst einmal für die Offenheit und Neugier des Wissenwollens. Ich muss nicht gut finden, warum mein*e Mitarbeiter*innen dies oder jenes tun. Interesse dafür sollte ich jedoch mitbringen.

Was könnte sich nun hinter unserem Beispiel verbergen:

  • Wohlwollend formuliert könnte es sein, dass er sich unwohl fühlt in einem Team, in dem er der einzige Ungeimpfte ist und sich erklären muss.
  • Eventuell kann er sich aufgrund einer schwerwiegenden Krankheit nicht impfen lassen. Gleichzeitig ist es ihm unangenehm darüber zu sprechen.
  • Es könnte auch sein, dass er die aktuelle Situation als ungerecht empfindet und die einzige Macht nutzt, die ihm bleibt: Der stoische Ungehorsam bzw. die Verweigerung des Testens. Eine Nichthandlung als Machtdemonstration.

Mir geht es hier nicht um logisch nachvollziehbare Hintergründe, sondern darum, was in den Menschen emotional vorgeht, welche Bedürfnisse sie haben und welche Wege sie bewusst oder unbewusst einschlagen, um ihren Bedürfnissen gerecht zu werden.

Interessanterweise stieg die Krankenquote zu Beginn der 3G-Regelung für Unternehmen bei den Berliner Verkehrsbetrieben stark an, sodass sogar S-Bahnen ausfielen. Auch Krankheit – simuliert oder entwickelt – ist eine typische Verschiebung von ungeklärten Konflikten auf die Körperebene.

Weitere typische Aggressionsverschiebungen sind:

  • Innere Kündigung
  • Passive Aggressionen: Die Menschen sind dann oberflächlich überfreundlich und beschwichtigend. Unter der Oberfläche werden jedoch Aktionen sabotiert, Termine verschleppt oder Gerüchte in Umlauf gebracht.
  • Auf einer aktiven Ebene wird genörgelt, gegrantelt oder es kommt sogar zum Mobbing.

Filterblasenbildung

Egal in welcher Situation: Jeder Mensch hat Bedürfnisse nach körperlicher oder finanzieller Sicherheit, sozialer Anerkennung und Wertschätzung. Jeder Mensch sucht nach einem Platz in der Welt und möchte ernst genommen werden. Nur die Wege, wie wir Menschen dies erreichen wollen, sind unterschiedlich. Gibt es keine Möglichkeit, seine Bedürfnisse zu befriedigen, werden Notfallpläne aktiviert. Die bedrohten Menschen gehen in Gegenwehr, wie wir dies von Nörglern oder Blockierern kennen, stellen sich tot und hoffen, dass es nicht so schlimm wird oder flüchten. Das Homeoffice in unserem Beispiel ist in diesem Sinne eine Art Flucht als mehr oder weniger aggressive Notwehr – zumindest aus Sicht der agierenden Person.

Gleichzeitig sind die Bedürfnisse immer noch unbefriedigt, was häufig zu einer starken Fokussierung auf Gleichgesinnte führt. Die Person wird sich – außer sie ist ein radikaler Einzelgänger – ähnlich denkende Menschen suchen und sich mit diesen im realen oder virtuellen Leben austauschen. Dadurch wird sie jedoch immer mehr in ihrem Denken bestätigt. Die Angst vor einer Impfung wird also größer. Die Wut auf die Andersdenkenden und die Bestätigung im Recht zu sein ebenso.

Währenddessen passiert im Unternehmen genau dasselbe. Die vor Ort verbleibenden Mitarbeiter*innen befinden sich ebenso in einer Filterblase und bestätigen sich gegenseitig in ihren Sichtweisen gegen dem fehlenden Mitarbeiter.

Wir haben es also mit einem klassischen Konflikt mit Gruppenbildung auf einer mindestens mittleren Eskalationsstufe zu tun, der sich jedoch wie dargestellt nicht so leicht läsen lässt.

Lösungsansätze

  1. Verstehen statt Lösungen: Für Führungskräfte oder Mediatoren kann es keine Lösung im Sinne einer Win-Win-Situation geben, wie dies normalerweise angestrebt wird. Es kann höchstens ein Verstehen der jeweiligen Positionen geben, sofern dies erwünscht ist. Für das Verstehen muss deutlich signalisiert werden, dass es eine gleichzeitige rechtliche Handlungsbindung gibt.
  2. Emotionen statt Meinungen: Eine Möglichkeit der Annäherung sind Emotionen. Die Meinungen sind mittlerweile sehr verhärtet. Interessanterweise sind die Emotionen aller Parteien jedoch ähnlich. Auf der einen Seite ist da die Wut auf die Gegenpartei. Auf der anderen Seite aber auch eine verbindende Angst. Die eine Partei hat Angst vor Ansteckungen. Die andere Partei hat Angst vor einem neuartigen Impfstoff. Auch wenn die Meinungen unterschiedlich sind, über die gegenseitige Akzeptanz der Emotionen könnte eine Annäherung stattfinden.
  3. Lösungen auf Zeit: Wie im genannten Beispiel kann eine Lösung auf Zeit vereinbart werden, bspw. bis ein Totimpfstoff vorhanden ist, es zu neuen Regeln oder Gesetzen, zu einer allgemeinen Impfpflicht kommt oder die Regeln wieder gelockert werden. Bis dahin ist es wichtig, jenseits von Ressentiments und Vorurteilen möglichst reibungsfrei zusammen zu arbeiten. Die Ansage an alle Parteien müsste lauten: Wir haben kein Verständnis füreinander und respektieren uns dennoch. Dies ist nur auf der Basis gemeinsamer Ziele möglich. So sollte es allen wichtig sein, einen guten Job zu machen und respektvoll miteinander umzugehen. Das gemeinsame Ziel sollte eine sachliche Kooperation sein, anstatt sich in Nebenkriegsschauplätzen wie Blockaden oder Mobbing zu verirren.
  4. Bindungsarbeit jenseits einer Lösung: Eine Führungskraft könnte beispielsweise den direkten Kontakt zu diesem Mitarbeiter per Telefon suchen und sich regelmäßig erkunden, wie es ihm geht. Es kann in diesen Gesprächen wie gesagt nicht um eine Lösung des Problems oder Konflikts handeln, sondern lediglich um die Aufrechterhaltung der Bindung über die Zeit hinweg. Deshalb ist es sinnvoll, dieses Thema ruhen zu lassen und sich stattdessen produktiveren Themen zu widmen. In der Hoffnung, dass eines Tages wieder eine echte Annäherung stattfinden kann.
  5. Die Führungskraft als Shuttle-Mediator: Da beide Parteien in ihren Filterblasen stetig bestätigt werden, könnte eine Führungskraft es als ihre Aufgabe verstehen, zwischen diesen Parteien zu vermitteln. Auch hier kann es aufgrund der aktuell rechtlichen Situation nicht darum gehen, eine Vermittlung anzustreben, sondern lediglich das Verstehen füreinander zu fördern. Die Führungskraft muss folglich zwischen der rechtlichen Ebene und der Verstehens-Ebene unterscheiden. Dies funktioniert ähnlich bei einer Frau, die jahrelang von ihrem Mann missbraucht wurde und diesen schließlich im Schlaf erschlug. Versetze ich mich in das Leben der Frau, kann ich dies nachvollziehen. Rein rechtlich ist sie dennoch des Mordes schuldig, da sie auch anders hätte handeln können, beispielsweise flüchten.
  6. Fragen statt Statements: Daran knüpft nahtlos die Arbeit mit Fragen an. Dominiert in der gegenseitigen eher eine vorwurfsvolle oder eine fragende Haltung. Als Führungskraft könnten Sie konkret die Fragen ihrer Mitarbeiter*innen sammeln und diese der jeweils anderen Seite zum nachdenken vermitteln. Dabei sind alle Fragen bis auf die Warum-Frage erlaubt, bspw: Was macht der Kollege den ganzen Tag? Ist er manchmal früher fertig? Wie oft macht er Pausen? All diese Fragen bzw. deren Beantwortung könnten dazu führen, wieder Vertrauen zueinander zu fassen.
  7. Denken in Alternativen: All das steht und fällt mit der Frage nach der Sinnhaftigkeit des eigenen Einsatzes. Will ich wirklich verstehen, was meinen Mitarbeiter bewegt? Will ich das Risiko eingehen, eventuell selbst unter Beschuss zu geraten, wenn ich dessen Beweggründe verstehen will? Will ich Bindungsarbeit leisten? Will ich zwischen den Parteien vermitteln? Wenn nein, wie lautet die Alternative? Ist Kündigung eine reale Option? Oder gibt es die Möglichkeit, dass nur ich als Führungskraft und nicht das Team mit dem Mitarbeiter zu tun habe? Eventuell bekommt er auch nur solche Aufgaben, für die es keinen Austausch mit dem restlichen Team braucht.

Empfehlungen zum Umgang mit schwierigen Mitarbeitern

Studien belegen, dass Führungskräfte überproportional viel Zeit in die Lösung von Konflikten investieren. Dabei wird deutlich: Die kleinen Alltagsprobleme aufgrund von Stress sind es nicht, die Führungskräfte so viel Energie kosten, sondern die Beschäftigung mit dauerhaften, schwer zu lösenden Konflikten. Selbst wenn diese nicht allzu häufig vorkommen, kosten sie doch eine Menge Zeit und Nerven, insbesondere, wenn wir nicht nur die Durchführung der Konfliktklärungsgespräche, sondern auch die Vorbereitung und ständige geistige Beschäftigung mit dem Konflikt berücksichtigen. Von der bremsenden Energie im gesamten Team ganz zu schweigen.

Im Zentrum dieser Thematik stehen schwierige Mitarbeiter, die es schon immer gab, deren Auftreten jedoch nach meinen Seminar-Erfahrungen anscheinend zunimmt. Vielleicht, weil der Egoismus zunimmt, die Bindungsfähigkeit und das Aushalten anderer Meinungen abnimmt und die Unzufriedenheit vieler mit ihrem Leben im Allgemeinen zunimmt: „So vielen geht es besser. Nur mir nicht!“ Die Zunahme des Stresses am Arbeitsplatz durch Arbeitsverdichtung, Personalmangel, Ungewissheiten und der Gefahr biographischer Brüche tut das Übrige, um einen jahrelang vor sich hin brodelnden Vulkan zur Explosion zu bringen.

Im folgenden finden Sie 8 Empfehlungen zum möglichst produktiven Umgang mit schwierigen Mitarbeitern:

  1. Die Biographie Ihrer Mitarbeiter kennen(lernen): Zu wissen, was hinter schwierigen Typen steht, welche Geschichte sie mitbringen und welche Beweggründe sie haben, ist hilfreich, um offener mit ihnen umzugehen und Verständnis für sie aufzubringen.
  2. Die Auswirkungen von Stress kennen und Bedingungen für Normalität fördern: Während schwierige Konflikttypen unter Stress überreagieren, sind sie in Normalphasen meist sehr wertvoll. Lernen Sie diese Bedingungen der Normalphasen kennen und reflektieren Sie darüber, was Sie konkret tun können, um Stress zu reduzieren oder die Normalphasen auszudehnen.
  3. Teammitglieder entsprechend der Projektphasen einbinden: In jeder Projektphase sind andere Fähigkeiten der Teammitglieder wichtig. Zu Beginn sind versponnene, kreative Ideen wichtig, während später Kritik angebracht ist. Fragen Sie die Kompetenzen Ihrer Teammitglieder entsprechend der Projektphasen an, um sie gezielt(er) zu nutzen, zu kanalisieren und schwierigen Mitarbeitern so das Signal zu geben, dass sie wertvolle Teammitglieder sind, sofern sie lernen, ihre Eigenarten zum richtigen Zeitpunkt einzusetzen.
  4. Offizielle und geheime Wünsche der Mitarbeiter erkennen und ansprechen: Jeder Mensch verfügt über offizielle und geheime Seiten. Ein Perfektionist könnte beispielsweise den Wunsch haben, viele Dinge auszuprobieren, traut sich jedoch nicht, weil er Angst vor Fehlern hat. Daher geht er den vermeintlich einfacheren Weg, indem er das, was er kann bis zum letzten Komma umsetzt. Wird er auf seine geheimen Wünsche angesprochen, wird er dies verleugnen. Seine Fähigkeiten der Zuverlässigkeit ausschließlich anzusprechen, liegt nahe, zementierte jedoch sein ohnehin vorhandenes Muster der Perfektion. Daher ist es wichtig, beides anzusprechen, denn: Wer so zuverlässig ist, sollte es sich gönnen, in einem kleinen Rahmen etwas ausprobieren, um auch darin – nach und nach – zuverlässiger zu werden.
  5. Kollateralschäden verhindern: Lernen Sie abzuschätzen, wann Sie bei einem schwierigen Mitarbeiter eingreifen sollten und welche Möglichkeiten Sie dafür haben, mit Unzufriedenheiten umzugehen, bevor sich die Unstimmigkeiten aufs Gesamtteam auswirken. Dies muss nicht immer in Randständigkeiten enden, sondern kann das Ziel anstreben, auf einer professionellen Ebene miteinander auszukommen, wenn geklärt wurde, dass Sympathie in der Arbeit nicht immer vorhanden sein muss.
  6. Eigene Schattenanteile erkennen: Erkennen Sie, warum genau dieser Typ Sie so sehr nervt und was dies mit Ihnen zu tun hat. Zeigt ein Mitarbeiter ein Verhalten, das Sie von sich selbst kennen, jedoch nicht mögen oder das Sie sich in Ihrer Position als Führungskraft nicht erlauben, zeigt er zum Beispiel Emotionen wie Leiden, Migräneattacken oder Grantigkeit, folgt der Mitarbeiter damit einem Bedürfnis, das Sie selbst, wenn es vorhanden ist, unterdrücken.
  7. Erkennen, wer im Falle eines „Angriffs“ das Ursprungsproblem hat: Lernen Sie zu erkennen, was an der Kritik oder einem Angriff eines unzufriedenen Mitarbeiters Ihr Problem ist und was nicht. Der „Angriff“ eines Nörglers „Das haben wir ja noch nie so gemacht“ ist zuallererst sein Problem und nicht Ihres. Und nur, wenn Sie diesen „Angriff“ nicht zu Ihrem machen, bewahren Sie sich vor einer Verteidigungshaltung und können in Folge den tieferen Kern der Unzufriedenheit des Nörglers klärend erfragen. Die Frage des Problemeigentums entscheidet auch darüber, welche Interventionsmöglichkeiten Sie anwenden sollten: Während Sie sich bei einem Frontalangriff mit der Gefahr nachhaltiger Kollateralschäden schützen bzw. Ihr Gegenüber in seine Grenzen verweisen sollten, ist es bei einer tiefgreifenden Unzufriedenheit Ihres Gegenübers sinnvoller, dieser fragend auf den Grund zu gehen, ohne sich zu verteidigen. Am Ende des Tages haben in der Regel beide, sowohl der Problemeigentümer als auch sein Gegenüber eine Verantwortung, das Ursprungsproblem gemeinsam zu lösen.
  8. Die Grenze der eigenen Handlungsfähigkeit erkennen und verdeutlichen: Bestimmen Sie für die Grenzen Ihrer Handlungsfähigkeit, der Machbarkeit, Ihrer Verantwortung und des Selbstschutzes. Denken Sie daran: Sie sind nicht nur für einzelne schwierige Teammitglieder zuständig, sondern für das gesamte Team. Zudem gibt es „Fälle“, die beim Therapeuten besser aufgehoben sind als bei Ihnen als Führungskraft. Persönliche Grenzziehungen beginnen damit, die Beratungszeit für ein besonders bedürftiges Teammitglied auf einen bestimmten Zeitraum zu begrenzen, beispielsweise eine persönliche Besprechung der positiven und negativen Vorkommnisse einmal pro Woche jeweils eine halbe Stunde lang. Sie setzen sich fort, indem Sie besonders redefreudigen Kollegen eine begrenzte Redezeit verordnen und enden damit, eine lange Phase intensiver Bemühung nicht frustriert, sondern offiziell nach rechtzeitiger Ankündigung und Absprache mit dem schwierigen Teamtypen zu beenden. Die Zusammenarbeit läuft freilich weiter, allerdings nur auf einer Ebene der reinen Notwendigkeiten.

Wie Sie diese 8 Punkte konkret umsetzen und sich als Führungskraft positionieren, erfahren Sie im Zwei-Tages-Intensiv-Seminar „Umgang mit schwierigen Mitarbeitern“.

Bei Interesse: info@m-huebler.de oder 0911 / 7662641

Stichwort: Schwierige Mitarbeiter

Agil-demokratische Teamentwicklung

Bedenken gegen Agilität und Demokratie

Der Agilität wird oftmals vorgeworfen, dass sie ins Chaos führe. Jeder pickt sich nur noch die Rosinen heraus, machen nur das Nötigste, Qualität und Leistung leiden, missliebige Aufgaben werden nicht mehr übernommen und am Ende weiß niemand, wer was zu tun hat.

Würden wir eine hierarchische Organisation von heute auf morgen in eine selbstorganisierte überführen, bräche Chaos aus. Selbstorganisation will gelernt sein. Tatsächlich ist es wichtig, Autonomie und Kreativität bei einer großen Zahl der Mitarbeiter erst wieder anzulernen.

Um Teams zu mehr Selbstorganisation anzuleiten, braucht es deshalb Regeln und Strukturen zur Überleitung von hierarchischen Abläufen hin zu mehr Demokratie. Offensichtlich gilt es, Autonomie und Kreativität wieder zu erlernen, nachdem unser Schul- und Universitätssystem uns diese Fähigkeiten aberzog.

Agil-demokratische Teamentwicklung mit der 4R-Methode

Für einen raschen Einstieg in die agile Teambildung entwickelte der Autor die 4R-Methode. Die 4R bieten einem Team eine Orientierung, um Überforderungen auf dem Weg zu mehr Autonomie und Demokratie zu vermeiden:

4R

Wir beginnen mit den Rollen und folgen dem Uhrzeigersinn:

  • Die strikten Rollen von Teamleiter und Gefolge lösen sich auf. Dafür bilden sich neue Rollen aus wie Visionär, Entwickler, Planer, Organisator, Beziehungsförderer, Promotor und Kontrolleur.

  • Richtlinien sind keine konkreten, fixen Regeln, grobe Orientierungen im Sinne eines Wertegerüsts. Bei Netflix gibt es beispielsweise die Richtlinie: Entscheidungen werden so autonom getroffen wie möglich und so vernetzt wie nötig.

  • Während Richtlinien einem Team ein gemeinsames Wertegerüst verleihen, bieten uns Regeln ein engeres Korsett. Verstöße gegen Regeln werden strenger gehandhabt als gegen Richtlinien. Mögliche Teamregeln lauten:

    • Angriffe sollten immer sachlich und niemals persönlich sein.  Im Zweifel nachfragen.

    • Jeder hat recht, aus seiner Perspektive.

    • Und besonders für Teamleiter: Erst zuhören, dann reden.

  • Rituale schließlich sind verbindliche, regelmäßige Strukturen, die einem Team einen festen Rahmen verleihen. In vielen Teams gibt es Freitagnachmittags die wöchentliche Dosis Lessions learned:

    • Was lief diese Woche gut? Was lief schlecht? Was können und wollen wir verändern und verbessern?

    Ansich könnte dieses Ritual einem Team eine Struktur verleihen, glichen die meisten Feedbackrunden nicht einem Nichtangriffspakt, bevor sich jeder so schnell wie möglich ins Wochenende verabschiedet.

    Und vielleicht führen zu Sie zusätzlich zu echten Feedbackrunden das Ritual ein, dass Teamleiter jedesmal beim Delegieren „Aua“ sagen, wenn ihnen das loslassen schwer fällt.

Anmerkung: Den vollständigen Artikel finden Sie hierDie 4R-Methode dürfen Sie gerne benutzen. Ich würde mich allerdings über meine Nennung als Autor freuen. Ansonsten bin ich selbstredend als Moderator, Mediator, Facilitator und Teamentwickler buchbar, mit dieser und einigen anderen Methoden: info@m-huebler.de, Stichwort: Teamentwicklung