Es steht schlecht um die Motivation vieler Mitarbeiter*innen. So zumindest lautet die ein oder andere Aussage in meinen Führungstrainings. Das Thema Motivation war lange Zeit kein wirkliches Thema. Jetzt steht es allerdings wieder ganz oben auf der Agenda oder auch auf der Frustrationsliste vieler Führungskräfte (siehe auch hier).
Grund genug, sich dieses schwierige Thema genauer anzusehen. Warum also sind viele Mitarbeiter*innen eher unmotiviert?
Ein Schlüssel zu möglichen Lösungsansätzen bietet uns der Begriff des Willens. Wer in einem Lexikon für Synonyme den Begriff Willen eingibt, stößt neben dem Begriff der Motivation auf eine Vielzahl anderer Begriffe. In eine Ordnung gebracht, könnte diese so aussehen:
Ein Mensch setzt sich erst handelnd in Bewegung, wenn er …
- … einen inneren Antrieb hat, etwas zu tun. Er braucht also Energie, Motivation, Lust und das Potenzial dazu. Ob ich einen inneren Antrieb habe oder wenn nicht, warum das so ist, ist eher spürbar als bewusst.
- Als zweites braucht er eine Bewusstheit über seine möglichen Handlungen. Er kann sich seine Wünsche vorstellen, eine Vision von einer veränderten Zukunft haben und einen entsprechenden Plan zur Umsetzung aufstellen.
- Bei der Umsetzung seines Willens braucht er Beharrlichkeit, Ausdauer und Geduld, insbesondere um innere, oftmals unbewusste Widerstände wie Aufschieberitis oder Zweifel anzugehen. Oft braucht es auch ein Gespür für den passenden Moment.
- Und schließlich verlangt die Durchsetzung des eigenen Willens im Umgang mit äußeren Widerständen Mut, Durchsetzungskraft und evtl. Verhandlungsgeschick.
Oder wie es der Philosoph Peter Bieri formuliert: Es braucht den Wunsch etwas zu tun, die Überzeugung, dass ich es tun kann, die Überlegung, wann ich meinen Wunsch in die Wirklichkeit umsetzen kann und die Bereitschaft zu handeln, wenn sich die Gelegenheit ergibt.
Übertragen wir diese vier verschiedenen Ansätze auf unmotivierte Mitarbeiter*innen, stellt sich die große Frage, woran das, was wir bislang der Einfachheit halber Motivation nannten eigentlich scheitert:
- Fehlt es grundsätzlich an der Energie, ins Handeln zu kommen? Wenn ja, woran liegt das?
- Liegt es an einer konkreten Vision, die dem Handeln vorausgehen sollte, um es zu einem gewollten Handeln zu machen?
- Liegt es am Durchhaltevermögen, etwas Angefangenes so sehr zu wollen, dass es auch zu Ende gebracht wird?
- Oder liegt es an der Durchsetzungskraft, das Gewollte gegen äußere Widerstände zu verteidigen?
Am vierten Punkt scheint es mir nicht zu liegen. Gerade junge Menschen lernen i.d.R. in der Schule mehr als früher, wie man oder frau für sich einsteht und sich und seine Pläne gut verkauft. Konzentrieren wir uns daher auf die anderen drei Punkte:
- Während frühere Generationen noch eine Aufbruchstimmung mitbrachten (Stichworte: Ich-AGs, das Internet demokratisiert die Welt, usw.), hat die Energie in den letzten Jahren stark gelitten. Die Nachrichten suggerieren uns überdeutlich, dass die Welt als Gesamtes nicht mehr zu retten ist. Das Prinzip, dass nur schlechte Nachrichten gute Nachrichten sind, wurde in der Digitalisierung perfektioniert. Das jedoch prägt die Stimmung junger Menschen enorm: Warum soll ich mich bemühen, wenn wir sowieso am Abgrund stehen? Eine Es-gibt-keine-Alternative-Politik und Algorithmen, die uns im Sinne eines quasi unvermeidlichen Determinismus Entscheidungen abnehmen, sind hierbei sicherlich nicht hilfreich.
- An dieser Stelle muss der Begriff der Bürokratie fallen. Selbst wenn die Energie zu einer Handlung vorhanden ist, merken Mitarbeiter*innen schnell, ob echte, willensgesteuerte Handlungen überhaupt möglich bzw. gewollt sind. Macht ein Unternehmen beispielsweise eine Mitarbeiterumfrage, während anschließend weder eine Rückmeldung noch Veränderung erfolgen, hat es sich mit der Motivation in der Belegschaft schnell erledigt. Wenn der Satz „die betrieblichen Umstände ließen es nicht zu“ regelmäßig als Argument eingesetzt wird, braucht es auch kein Lamentieren über eine mangelnde Motivation.
- Auch hier hat sich über die Jahrzehnte hinweg etwas Entscheidendes verschoben. Viele unge Menschen wollen heute nicht mehr wie früher in die Tiefe einer Tätigkeit eindringen. Es reicht ihnen oftmals, Tätigkeiten grob zu verstehen. Die Beharrlichkeit, die ältere Generation noch hatten, hat offensichtlich deutlich gelitten.
Was also lässt sich dem entgegen setzen:
Handlungsfeld Innerer Antrieb
- Eine differenzierte Sichtweise: Vielleicht geht die Welt wirklich eines Tages unter. Dennoch macht es einen Unterschied, ob das Morgen ist oder in 50 Jahren. Auf Unternehmen übertragen macht es auch einen Unterschied, ob wir uns engagieren oder nicht. Hier lässt sich beispielsweise mit der Szenariotechnik arbeiten: Was wäre, wenn wir komplett unmotiviert sind? Was wäre, wenn wir uns gerade mal so engagieren? Und was passiert, wenn wir uns mächtig ins Zeug legen? Welche Szenarien sind dann wahrscheinlich? Selbst wenn die Spielräume gering sind: Die Zukunft ist nicht vorbestimmt.
- Fokus auf Mögliches: Gleichzeitig macht es einen Unterschied, ob ich mich – bis zum Weltuntergang – dennoch engagiere oder nicht. Wenn schon nicht für die eigene Würde, so macht es zumindest bei der Erfüllung von Aufgaben einen Unterschied, ob ich mich auf das konzentriere, das mich frustriert oder darauf, was sofort und ohne Unterstützung anderer umgesetzt werden kann.
- Der persönliche Unterschied, der einen Unterschied macht: Führungskräfte sollten in diesem Sinne auch Mitarbeiter*innen selbst ab und an die Rückmeldung geben, dass es einen positiven Unterschied macht, dass sie da sind.
- Gut sein versus richtig gut sein: Der Impuls junger Menschen, viel Neues kennen zu lernen und daher schneller zu wechseln zwischen Tätigkeiten und Jobs ist vor dem Hintergrund ihres Aufwachsens mit digitalen Medien nachvollziehbar. Gerade deshalb sollte ihnen die Frage gestellt werden, was sie wirklich wollen: Gut sein oder wirklich gut sein? Wer gut ist, kann eine Aufgabe gut erfüllen. Wer jedoch wirklich gut ist, wird mit höherer Wahrscheinlichkeit Karriere machen. Auch wenn die Lust zu Führung und Karriere bei vielen jungen Menschen nicht mehr vorhanden ist, vielleicht lässt sie sich dennoch bei der ein oder dem anderen wieder erwecken. Immerhin macht es einen riesigen Spaß, eine Tätigkeit wirklich zu durchdringen. Das wiederum erfordert nun mal Blut, Schweiß und Tränen.
Handlungsfeld Ideen der Mitarbeiter*innen
- Bürokratie abbauen: Wenn jüngere Menschen fragen, warum etwas so getan werden muss wie es getan wird, braucht es für die Antwort darauf mindestens ein gutes Argument. Andernfalls könnte es sich um eine Regel handeln, die sich überlebt hat. Solche Regeln lassen sich auch systematisch überarbeiten mit der Kill-a-stupid-rule-Methode (externer Link).
- Ideen ernst nehmen: Führungskräfte sollten ihre Mitarbeiter*innen nur nach deren Meinung fragen, wenn sie die Antworten auch verwerten. Natürlich ist Mitarbeit kein Wunschkonzert. Führungskräfte sollten sich deshalb sehr gut überlegen, wo ein Mitdenken wirklich erwünscht und möglich ist und wo nicht.
- Konzepte der Mitgestaltung nutzen: Mitarbeiter*innen wollen i.d.R. nicht bei allem mitsprechen, sondern lediglich ein wenig. Wenn es jedoch möglich und gewollt ist, braucht es strukturierte Konzepte, um einen tragfähigen Gruppenkonsens zu finden. Eine solche Methode ist das Systemische Konsensieren (externer Link). Das Systemische Konsensieren nutze ich u.a., wenn es in Teams um die Nutzung von Räumlichkeiten geht.
Handlungsfeld Durchhaltevermögen
- Beharrlichkeit trainieren: Beharrlichkeit, Durchhaltevermögen und Ausdauer lassen sich auch im Alltag trainieren, begonnen bei Kleinigkeiten, beispielsweise solange bei einer Aufgabe zu bleiben, bis ein zuvor eingestellter Wecker klingelt, Stichwort: Pomodoro-Technik. Solche Techniken sind häufig Teil von Zeitmanagement-Trainings, die im Zuge der Motivationsthematik in den letzten Jahren eine Renaissance bekamen.
- Präsente Führung: Die Präsenz in der Führung hat durch das Homeoffice stark gelitten. Derzeit gibt es jedoch den Trend, zurück an den Arbeitsplatz zu kommen, v.a. weil die Beteiligten merken, dass die Bindung auf Distanz zu sehr leidet. Dies bietet auch Führungskräften die Möglichkeit, wieder mehr physische Präsenz zu zeigen, indem sie mit echter Neugier insbesondere junge Mitarbeiter*innen begleitet. Dies erfordert sicherlich bei dem ein oder anderen Fall eine Menge Geduld, zahlt sich jedoch langfristig aus.
Wie sehen also: Unmotivierte Mitarbeiter*innen sind zwar anstrengend, es gibt jedoch eine ganze Menge Möglichkeiten, damit umzugehen.
Literatur:
Peter Bieri – Das Handwerk Freiheit
Piero Ferrucci – Werde was du bist