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Warum wir ein Wechselspiel zwischen Stress und Entspannung brauchen

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Gesunde Dynamiken

Bei viel Stress in der Arbeit ist die Sehnsucht nach Entspannung – am liebsten direkt in der Arbeit – verständlich. Dabei ist Stress ansich nichts Negatives. Werfen wir einen Blick auf unser genetisches Erbe, lebten wir die meiste Zeit über in starken Dynamiken:

  • Entweder es gab viel zu essen oder gar nichts.
  • Entweder die Menschen waren auf der Jagd oder ruhten sich aus.
  • Und ohne dämmende Häuser war es entweder heiß oder kalt.

Unser genetisches Erbe kennt sich also aus mit Extremen.

Heutzutage leben wir jedoch häufig in einem Gleichklang:

  • Entweder wir haben einen Job, bei dem es dauerhaft stressig zugeht. Oder wir haben einen Job mit wenig Abwechslung.
  • Entweder wir haben – beispielsweise als Vertriebler – einen Job, bei dem wir ständig auf Achse sind. Oder wir sitzen das ganze Jahr über im Büro oder Homeoffice.

Dabei wäre es gesünder, dynamischer zu leben, d.h. mit einem gesunden Wechsel aus …

  • Anspannung und Entspannung
  • Bewegung und Ruhe
  • Abwechslung und Routine

Das Wechselspiel zwischen Sympathikus und Parasympathikus

Tatsächlich besteht eine Eigenart von Säugetieren darin, mit Hilfe unseres Sympathikus Gas zu geben und mit unserem Parasympathikus auf die Bremse zu treten.

Unser Sympathikus steigert unsere Herztätigkeit, erhöht unseren Blutdruck, fördert unsere Durchblutung und erhöht unseren Stoffwechsel. Durch diese Aktivierungen fühlen wir uns lebendig. Damit diese Steigerungen möglich sind, muss jedoch anderswo, beispielsweise bei der Verdauung gespart werden. Deshalb brauchen wir Erholungsphasen, die mit Hilfe unseres Parasympathikus eingeleitet werden.

Es ist also ganz normal, Leistung in der Arbeit spannend zu finden und sich damit wertvoll, gebraucht und lebendig zu fühlen. Problematisch wird es erst, wenn wir uns in Daueralarm befinden. Wenn wir auch in der Freizeit immer erreichbar sind, befinden wir uns zwar nur im Standby-Modus, unser inneres System kann dennoch nicht ganz abschalten, weshalb es manchen schwer fällt, sich auf einen Roman zu konzentrieren oder im Urlaub einfach nur ein paar Stunden aufs Meer zu schauen.

Bereits dieses Wissen hilft uns dabei, wieder beide Welten zu genießen:

  • Leistung zu bringen und dabei Stress zu empfinden kann Spaß machen. Ich muss auch nicht jederzeit in Balance sein. Manchmal gibt es Wochen oder Monate, an denen ich kaum zur Ruhe komme. Aber das ist OK.
  • Gleichzeitig sollte ich mir Ruheinseln einrichten, an denen ich komplett ungestört bin, um damit zu 100% zu entspannen und meine Batterien wieder aufzuladen.

Über die Emotionalisierung der Arbeitswelt

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Die Psychologisierung der Arbeitswelt

In den 70er Jahren, als Therapien und Coachings intensiv erforscht wurden und zumindest im privaten Bereich u.a. durch Encountergroups in Mode kamen, gab es noch eine strikte Trennung zwischen Privatem und Arbeitsleben. Heutzutage gelten Coachings teilweise schon zum guten Ton. Es gbit noch Ausnahmen in deutschen Unternehmen. Doch der Weg ist geebnet. Der Makel ein Coaching zu benötigen ist kaum noch vorhanden. Stattdessen heißt es eher: Toll, dass unsere Firma dafür Geld ausgibt. Coachings werden heutzutage weitgehend als Wertschätzung für eine*e Coachee betrachtet.

Mediationen haben es immer noch schwer. Doch mit dem Coaching kam auch der Gedanke einer emotionalen Ganzheitlichkeit in die Unternehmen. In einem Coaching wird – nicht immer, aber meistens – nicht nur eine Teilkompetenz des Menschen, sondern der ganze Mensch angesprochen, mitsamt seiner Schwächen, Ängste und Probleme. Dieser Blick hinter die Bühne ist normalerweise nicht erlaubt. Zu recht, denn welcher Kunde möchte sich mit den Sorgen und Nöten eines Verkäufers oder einer Beraterin auseinandersetzen? Auf der Arbeitsbühne gilt es eine saubere Vorstellung hinzulegen. Auf der Bühne zählen Kompetenzen, auch wenn ein Sahnehäubchen menschliche Fehlbarkeit niemals fehl am Platz sind.

Doch hinter der Bühne darf der Mensch als Ganzes wahrgenommen werden. Er muss es sogar, damit er später gut „performen“ kann. Erst wenn er lernt, gut mit seinen Schwächen umzugehen, ist er in der Lage, später eine gute Leistung abzuliefern, die nicht darauf beruht, Unsicherheiten zu verbergen, sondern darauf fußt, seine Schwächen zu kennen und sie im Griff zu haben.

Dieser grundlegende Coaching-Gedanke ging über die letzten Jahrzehnte auch in andere Bereiche des Arbeitslebens über, beispielsweise in die Didaktik in Seminaren:

  • In Seminaren nach behaviouristischem Muster geht es um pure Verhaltensänderungen. Seminarteilnehmer*innen sollen sich Wissen aneignen, um es bei Bedarf abzurufen. Unser Schulsystem ist weitgehend so aufgebaut. Trainer*innen treten hier als Expert*innen auf. In den letzten Jahrzehnten kam dieses Modell jedoch immer mehr aus der Mode, da es wenig nachhaltig ist.
  • Seminare nach kognitivistischem Muster sollen das Verständnis fördern. Seminarteilnehmer*innen analysieren und reflektieren Themen und Probleme, um eigene Schlüsse daraus zu ziehen. Trainer*innen treten in diesem Kontext als Mentor oder Tutor auf.
  • In einem systemisch-konstruktivistischen Kontext wiederum werden Seminare als Partizipationsveranstaltung konzipiert. Jede*r Teilnehmer*in gilt als Expert*in ihres eigenen Gebiets. Entsprechend werden auf Augenhöhe gemeinsam neue Wege und Lösungen erkundet. Diese Erkundungen werden von Coaches, Moderator*innen oder Teamentwickler*innen begleitet, damit es nicht zu einem Chaos kommt und Ungleichheiten in Teams ausgeglichen werden.

In den letzten Jahren verschob sich die Didaktik in Seminaren immer mehr in Richtung systemisch-konstruktivistisch. Insbesondere, wenn wir an Formate wie Open Space oder Bar Camps denken. Das heisst nun nicht, dass nur noch offen diskutiert wird. Natürlich spielt Expertenwissen immer noch eine Rolle, beispielsweise im Rahmen kurzer Online-Impulsvorträge. Und auch das „einfache“ Reflektieren über Probleme und Themenstellungen ist nach wie vor wichtig. Die grundsätzliche Organisation zur Wissensgenerierung und Kompetenzentwicklung ist jedoch weniger hierarchisch als früher.

Der Mensch wird also heutzutage nicht nur in Coachings oder Therapien, sondern auch in Seminaren ganzheitlicher angesprochen. Ein zentraler Satz des Vorreiters des Open Space-Gedankens, Harrison Owen, lautet entsprechend: Was da ist, ist da.1 Es wird mit den Ideen und dem Wissen gearbeitet, das aktuell im Rahmen einer Veranstaltung im Raum ist. Ein klassischer Spruch aus dem Wissensmanagement unterstreicht diesen Gedanken: Wenn das Unternehmen wüsste, was das Unternehmen weiß …

Die Generation-Z hätte es gerne emotionaler

Doch damit nicht genug. Auch in Teamentwicklungsmaßnahmen fand über Jahrzehnte hinweg eine Emotionalisierung statt, von Kletterparks bis Escape-Rooms. All das kommt insbesondere jüngeren Generationen entgegen, die sich laut Umfragen sowohl eine klarere Positionierung ihres Unternehmens in punkto Werte, beispielsweise zu Themen wie Nachhaltigkeit und Diversität, als auch eine ehrlichere und damit auch authentischere Kommunikation wünschen. Das Verstecken von Chef*innen hinter einer Rolle der Macht ist weniger angesagt. Arbeit soll stattdessen Spaß machen und sich gut mit dem restlichen Leben, beispielsweise im Homeoffice vereinbaren lassen.2 Kein Wunder, dass ein Begriff wie Work-Life-Balance, der eine klare Trennlinie zwischen Arbeit und Privatleben suggeriert, von vielen eher skeptisch betrachtet wird.

Doch auch hier stellt sich die Frage: Was passiert, wenn jemand kein Spieltyp ist und keine Lust auf Escape-Rooms hat? Was passiert beispielsweise mit Menschen mit autistischen Zügen, die sich anderen Menschen ungern öffnen und offenbaren? Früher konnten diese Menschen einfach nur ihrer Arbeit nachgehen. Sie schlüpften in eine Rolle, erfüllten bestimmte Erwartungen und Anforderungen und gingen am Abend vermutlich nicht glücklich, aber doch irgendwie zufrieden nach Hause.

Vor ein paar Jahren wurde ich als Mediator zu einem Konflikt berufen, bei dem ein Mitarbeiter sich partout nicht am Teamgeschehen beteiligen wollte. Alle Vermittlungsversuche schlugen fehl, weil sich der Mitarbeiter im Rahmen der Mediation nur noch mehr verschloss. Es endete schließlich mit einer Kündigung, wie ich im Nachhinein erfuhr. Der Mitarbeiter passte letztlich nicht in das kleine Team von etwa sechs Personen, weil er nicht zum Mittagessen mitging und auch sonst mit den Kolleg*innen kaum einen kommunikativen Austausch pflegen wollte. Dies wurde ihm als Vertrauensbrauch ausgelegt. Der Fall hatte insgesamt eine kompliziertere Vorgeschichte als hier dargestellt. Der Mitarbeiter startete zusammen mit dem Geschäftsführer als Zweiterteam. Doch irgendwann ist zwischen den beiden aufgrund eines beinahe gescheiterten Projekts ein Bruch entstanden, worauf sich der Mitarbeiter zurück zog. Was aber, wenn ein Mitarbeiter von Anfang nicht so offen kommunizieren will? Gibt es Inseln für diese Menschen? Verbannen wir sie ins Homeoffice? Oder profitieren dann endlich diejenigen, die früher leiden mussten und es immer schon emotionaler wollten?

Höhere Ansprüche erfordern mehr Offenheit

Sicherlich, die Ansprüche sind gestiegen. Das Homeoffice erfordert eine Menge Selbstführung von Mitarbeiter*innen, die bislang das Thema Führung eher vermieden. Der Umgang mit Krisen, Dauerbelastungen und Unterbesetzung erfordert von allen Beteiligten enorme (Rest-) Reserven ab. Und die stetigen Veränderungen und Anpassungen torpedieren das Thema „Lernende Organisation“ erneut auf die Unternehmens-Agenda. All das erfordert auch ein offeneres Miteinander.

Und dennoch, oder gerade deshalb, gibt es eine enorme Sehnsucht von Mitarbeiter*innen, wenn auch nur temporär, einfach nur ihren Job zu machen – sachlich, stoisch, unemotional und vollkommen unbegeistert.

Dieses Bedürfnis ist auch in Seminaren zu spüren: Wer in der Arbeit stetig Entscheidungen trifft, möchte sich auch mal berieseln und von Expert*innen die Welt erklären lassen. Vielleicht spiegelt sich darin auch der gesellschaftliche Trend der Expertokratie wieder. Oder frei nach Karl Valentin: Denken ist schön. Macht aber auch Arbeit.

Seien wir also froh darüber, dass der Trend der letzten Jahre in der Arbeit eindeutig in Richtung Offenheit und Partizipation ging, gewähren den Mitarbeiter*innen zur emotionalen Erholung aber auch den ein oder anderen Moment des bloßen sachlichen Ableistens ohne große Emotionalität.

1Vgl. https://de.wikipedia.org/wiki/Open_Space

2Vgl. https://unicum-media.com/marketing-wiki/generation-z/#werte

Der Wunsch des Menschen nach Authentizität

Nur wer eine Rolle spielt, spielt eine Rolle

In vormodernen Zeiten war es normal, insbesondere in der Öffentlichkeit in Rollen aufzutreten. „Da steht er. Hochgewachsen, breitschultrig. Das Kinn kantig, die Haut wettergegerbt, die Augen in die Ferne gerichtet. Wortkarg. Einsam. Und im Herzen eine Sehnsucht“.1 Der klassische Mann wird hier als Macher, Held, Eroberer und einsamer Wolf beschrieben, als hätte Clint Eastwood die Regie für ihn verfasst. Ein Mann, der Gefahren trotzt und erst so richtig aufblüht, wenn eine Krise ins Haus steht. Ein Mann, der dann die Zügel in die Hand nimmt und Frau und Kinder vor einer chaotischen Welt schützt. Ein Mann, der vielleicht auch höflich und galant einer Frau die Tür aufhält. Ein Mann, der sich erst beweisen muss, um zu dem zu werden, der er innerlich schon ist – oder sein sollte.

Die Frau hingegen hatte sich unterzuordnen, demütig zu warten, das Essen herzurichten und sich mit Zigaretten oder „Frauengold“ zu beruhigen, wenn der Mann einmal über die Strenge schlägt.2 Sie hatte folglich in der Öffentlichkeit genau die gegenteilige Rolle des Mannes zu spielen, um ihrer weiblichen Rolle gerecht zu werden. Andernfalls galt sie als zickig, frigide oder hysterisch.

Ein Vertreter der Frankfurter Schule – mein Pädagogikstudium ist schon eine Weile her, deshalb weiß ich leider nicht mehr wer – stellte in den 60er Jahren die Vermutung auf, dass Männer in der Öffentlichkeit vermutlich deshalb so dominant auftreten, weil sie zuhause nichts zu sagen hätten. Auch wenn es in der Öffentlichkeit zur Unterdrückung von Frauen führte, erst recht, wenn sie zuhause nichts zu sagen hatten, war es wohl v.a. für Männer ein Spiel mit ihrer Rolle. Einige Männer werden dieses Spiel genossen haben, andere litten vermutlich darunter. Andernfalls würden wir heute nicht in einer Welt leben, in der die Spielregeln der Geschlechterrollen neu definiert werden. Sowohl Männer als auch Frauen – und Nonbinäre sowieso – treten so auf, wie sie sich innerlich fühlen.

Wie also steht es heute um unsere Authentizität in der Öffentlichkeit? Sind wir wirklich so authentisch wie wir glauben oder uns das wünschen? Eine Frage, die nicht nur für Stars und Influencer interessant ist, sondern für alle, die sich im Internet präsentieren.

Wer sich in digitalen Netzwerken wie Instagram oder Tiktok umsieht, wird nicht umhin kommen, diese Frage zu verneinen. Die dort eingenommenen Rollen folgen allerdings keinem einheitlichen Muster. Die klassischen Männer und Frauen-Rollen gibt es zwar noch, insbesondere in manchen Hollywood-Streifen, wenn es wieder einmal darum geht, dass Männer die Welt retten und Frauen staunend daneben stehen. Aber auch im aktuellen Roman von Benjamin von Stuckrad-Barre: „Noch wach?“ scheint sich diese klassische Rollenaufteilung erhalten zu haben, wenn Medienmogule Frauen einen Klaps auf den Hintern geben und die Frauen von sich selbst erstaunt sind, dass sie die Challenge um den kürzesten Rock im Büro mitmachen.3

Das passiert jedoch eher dort, wo die Scheinwerfer nicht hinleuchten. Auf der öffentlichen Bühne von Twitter und Co. geht es vor allem um die Steigerung der Affizierung. Nur was Affekte auslöst, gilt als wertvoll.4 Dabei scheint es egal zu sein, ob ich mir damit viele Freunde oder auch Feinde mache. Für das Spiel mit Rollen bedeutet das v.a. aktuelle Trends der Wokeness oder Anti-Wokeness zu kennen und diese möglichst nahe an der Grenze zum Zeig- und Sagbaren auszudehnen – in beide Richtungen. Typische Trends lauten: Sensibilität, Solidarität, das Outing psychischer Krankheiten, Authentizität selbst, eine gesunde Ernährung, Fitness, aber auch Nachhaltigkeit und Umweltfreundlichkeit – oder entsprechend das Wettern dagegen. Um nur zwei Beispiele zu nennen: Auf Tiktok gibt es seit Anfang 2023 den Trend sich mit psychischen Erkrankungen zu outen oder diese zu kopieren.5 Und ein Musiker wie Harry Styles ist zwar nicht Transgender, posiert jedoch gerne mit Rock und bunten Tüchern.6

Dass sich Berühmtheiten mit bunten Federn darstellen und in extravagante Rollen schlüpfen ist nicht neu. Dieses Spiel trieben bereits Elton John und David Bowie in den 70ern auf die Spitze. Neu ist jedoch die Demokratisierung des öffentlichen Rollenspiels, so wie heutzutage alles demokratisiert wurde, vom öffentlichen Schreiben bis hin zu Fernreisen. Dank des einfachen Zugangs zu digitalen Medien hat heutzutage beinahe jede*r die Möglichkeit, sich in sozialen Netzwerken zu präsentieren.7

Um jedoch tatsächlich zu einem Star bzw. Influencer zu werden oder auch nur bemerkt zu werden, braucht es Follower. Und diese erreiche ich nur, wenn ich übertreibe und damit Freund und Feind affiziere. Aus diesem Grund funktionieren Rollenspiele im Internet nicht mehr nach einem statischen Muster wie es früher der Fall war, sondern haben sich dynamisiert. Wenn ich heute als Mann einen bunten Schal trage, mögen das einige Fans bewundernswert finden. Da sich dieser Effekt jedoch schnell abnutzt, muss es morgen ein bunter Rock und übermorgen eine Federboa sein. Die Grenzen des Sagbaren, Zeigbaren und der gezielten Provokation dehnen sich folglich immer mehr aus.

Unser Toleranzfenster verschiebt sich

Ich persönlich glaube nicht, dass diese Darstellungen eine Lüge sind. Und wenn wird es schnell offensichtlich. Ich denke durchaus, dass sich dahinter ein Funken Wahrheit befindet, damit es funktioniert, gerade weil Authentizität in unserer modernen Gesellschaft wichtig ist. Ein Star wie Harry Styles muss sich letztlich wohl fühlen in seiner Kleidung, um sich darin ehrlich präsentieren zu können. Das Spiel mit Rollen ist jedoch ein stetiges Ausbalancieren zwischen dem, was gerade noch passt und dem was zu viele Menschen negativ affizieren könnte.

Dies gilt selbstredend nicht nur für das Spiel mit dem Outfit, sondern erst recht für die Kommunikation im Internet. Auch damit stellen sich Politiker*innen genauso wie einfache Bürger*innen in Rollen dar, wenn sie als gezielte Provokateure auftreten. Und dennoch muss auch diese Provokations-Rolle ein Teil von ihnen sein, um sie authentisch darzustellen.

Um zu verdeutlichen, wie dieses Spiel mit der Provokation funktioniert, ist das Toleranzfenster des Professors für Psychiatrie Dan Siegel hilfreich. Dieses besagt, dass wir je nach Gewohnheit ein bestimmtes Toleranzlevel besitzen, um mit schwierigen Situationen oder konfrontativen Themen umzugehen. Dieses Toleranzlevel lässt sich als Fenster darstellen. Befindet sich eine Konfrontation innerhalb des Fensters, ist alles im grünen Bereich. Fehlt eine Affizierung führt dies zu Ausschlägen unterhalb des Fensters. Dan Siegel spricht in diesem Fall von einer Hypoerregung. Der Mensch langweilt sich. Führt die Konfrontation zu Ausschlägen oberhalb des Fensters, spricht Dan Siegel von einer Hypererregung. Kurzfristig feuert dann unser Sympathikus, um die Situation zu meistern. Bei einer langfristigen Erregung kollabiert entweder unser System oder wir gewöhnen uns daran.8

Im Umgang mit konfrontativen Themen passiert genau das: Das Fenster verschiebt sich nach oben mit zwei Folgen:

  1. Unsere Hypoerregung und Langeweile tritt immer schneller ein. Wir dürsten sozusagen nach neuen Skandalen.
  2. Unsere Hypererregung tritt immer langsamer ein, weil wir uns das, was gestern noch provokativ war, bereits gewöhnten. Das Sag- und Zeigbare muss daher immer konfrontativer werden, um weitere Erregungen auszulösen bzw. aus der Masse meiner Konkurrenz in digitalen Netzwerken herauszutreten.

Dass aktuell die halbe Menschheit erschöpft ist, ist also kein Wunder.9

Für unsere Sehnsucht nach Authentizität stellt sich daher die Frage, ab wann das Spiel mit einer Rolle aufhört authentisch zu sein und nur noch bedient wird, weil es andere Menschen in meinem Netzwerk positiv oder negativ affiziert?

Authentizität als Ideologie

Skurril wird es dann, wenn Menschen sich gezwungen fühlen, sich authentisch darzustellen, wenn sie beispielsweise nicht nur gute Arbeit abliefern, sondern in ihrer Arbeit aufgehen bzw. begeistert sein sollen, wie wir es in diversen modernen Unternehmen sehen. Authentizität wäre dann nicht nur eine Möglichkeit, als echter Mensch aufzutreten, sondern gerät damit zur Ideologie. Ideologien wiederum wirken umso stärker auf uns, weil sie unbewusst sind und sich daher schlecht hinterfragen lassen. Der Philosoph Slavoy Zizek geht davon aus, dass wir im Zeitalter der Ideologien leben, weil wir viele Dinge des Alltags als gegeben hinnehmen, ohne sie zu hinterfragen. So suggeriert uns beispielsweise die Werbung in einer Doppelbotschaft, dass wir uns einerseits gut ernähren und auf Zucker und Fett verzichten, andererseits aber auch konsumieren sollen, um glücklich zu sein. Die Lösung lautet daher nicht – wie es ebenso naheliegend sein könnte – weniger Zucker und Fett zu konsumieren, sondern stattdessen Produkte mit Zuckerersatzstoffen oder spezielle fettreduzierte Produkte zu kaufen.10

Authentizität wird damit zu einer Meta-Ideologie. Lasse ich mich auf dieses Spiel ein, wird durch solche unbewussten Ideologien der Druck auf den Menschen erhöht. Es reicht dann nicht mehr aus, Veganer*in oder Radfahrer*in zu sein. Ich muss es voller Überzeugung sein. Und im beruflichen Bereich reicht es nicht aus, einfach seinen Job zu machen. Ich sollte mit Leib und Seele dabei sein.

Im Berufsleben erscheint die Sehnsucht nach Authentizität besonders dramatische Konsequenzen zu haben. Denn häufig wäre es wesentlich einfacher, eine Rolle zu spielen, bestehend aus klaren, begrenzten Erwartungen an mich. Die sich daraus ergebenden Aufgaben haben den Vorteil, im Rahmen eines Rollenspiels stattzufinden, das sich wiederum durch klare Regeln auszeichnet. Durch diese Regeln lässt sich definieren, was eine Führungskraft, ein Einkäufer oder eine Vertrieblerin zu tun haben, um als erfolgreich zu gelten, beliebt zu sein und anerkannt zu werden. Soll ich jedoch mein authentisches Herzblut einbringen, ist es schwer, zu definieren, wann die Begeisterung ausreicht, um einen richtig guten Job zu machen. Schließlich können meine Kolleg*innen immer noch ein wenig begeisterter sein als ich, ähnlich wie sich ein konkurrierender Influencer in einem noch bunteren Kostüm präsentiert als ich.

Zum anderen ist es schwerer, am Abend abzuschalten, wenn der gesamte Mensch vereinnahmt wird. Denn eine Trennung zwischen Privatleben und Arbeit findet dann nicht mehr statt. Mehr noch: Soll der Mensch in seiner Arbeit mindestens ebenso begeistert sein wie in seinem Privatleben, stellt sich die Frage, was dann noch in seinem privaten Leben an Begeisterung übrig bleibt. Entweder er toppt seine beruflichen emotionalen Erfolge, indem er auch im Privaten nach ähnlichen emotionalen Höhenflügen strebt, im Sinne von Abenteuerurlauben und Wellnesstempeln. Oder er gerät in Depressionen, wenn ihm sein Privatleben weniger spannend als sein berufliches Leben vorkommt.11

Wir sollten uns folglich klar machen, wann Authentizität sinnvoll ist, weil sie unser Leben bereichert und wann wir in eine Authentizitäts-Eskalations-Spirale geraten, die ab einem bestimmten Zeitpunkt nicht mehr gesund ist, und vermutlich auch nicht mehr authentisch.

1Vgl. https://www.deutschlandfunk.de/was-machte-den-mann-zum-mann-100.html

2Vgl. https://de.wikipedia.org/wiki/Frauengold

3Vgl. https://www.freitag.de/autoren/erika-thomalla/noch-wach-von-benjamin-von-stuckrad-barre-ist-reine-selbstrechtfertigung

4Vgl. Andreas Reckwitz: Gesellschaft der Singularitäten, S. 70f

5Vgl. https://www.inrlp.de/ratgeber/technik/internet-handy/wegen-tiktok-videos-jugendliche-kopieren-psychische-stoerungen-experten-sehen-probleme-art-5610606

6Vgl. https://www.freitag.de/autoren/the-guardian/queerbaiting-ist-gefaehrlich-vorwuerfe-an-harry-styles-und-taylor-swift

7Vgl. Andreas Reckwitz: Gesellschaft der Singularitäten, S. 68ff

8Vgl. https://psy.iks-hagen.de/images/Methodenzettel-Toleranzfenster.pdf

9Vgl. https://www.m-huebler.de/erschoepft-vom-leben

10Vgl. Nieder mit der Ideologie. Philosophische Sternstunden mit Slavoj Zizek: https://www.youtube.com/watch?v=Lsc1e3pYtRw

11Vgl. Byung-Chul Han: Vom Verschinden der Rituale, S. 25ff

Veränderungen begleiten

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Changemanagement oder Transformationsprozess?

Um zu verstehen, wie ich als Changemanager*in und Führungskraft Veränderungen am besten begleite, ist es hilfreich, die Begriffe Change und Transformation zu unterscheiden, gerade weil die beiden Begriffe häufig synonym verwendet werden.

Interessanterweise wird seit einigen Jahren vermehrt von Transformationsprozessen anstatt Changemanagement gesprochen. Doch worin besteht der Unterschied?

Sowohl der Begriff Change als auch Transformation lassen sich mit Veränderung übersetzen. Der Begriff der Transformation lässt sich jedoch zusätzlich als Umwandlung oder Verwandlung beschreiben. Während sich daher mit dem Begriff Change der äußere Wandel und damit entweder der Wunsch nach oder die Notwendigkeit einer Veränderung bezeichnen lässt, beispielsweise digitaler zu werden, um nicht den Anschluss an die Konkurrenz zu verpassen, zielt ein Transformationsprozess auf den inneren Wandel von Menschen, Teams und Organisationen ab. Das gesamte Unternehmen soll sich von innen heraus verändern. Es soll seine innere Einstellungen und Haltungen verändern als wäre es ein Mensch inmitten eines psychologischen Transformationsprozesses.

In Changeprozessen sind Widerstände erlaubt, ja sogar erwünscht, weil sie auf Schwachstellen im System aufmerksam machen. Der Begriff der Transformation hingegen suggeriert, dass ein Veränderungsziel als gegeben anzunehmen ist. Widerstände sind nicht nur störend, sondern sogar selbstzerstörerisch, weil die Transformation bspw. hin zu einem digitalen Unternehmen unumgänglich ist.

Wenn in manchen Büchern von der digitalen Transformation die Rede ist, geht es jedoch in der Regel nicht um die Mensch-Maschine. Aus der Wahl der Begrifflichkeit lässt sich wohl eher der Wunsch ablesen, dass Veränderungen in Unternehmen nicht nur oberflächlich mitgemacht, sondern tatsächlich gelebt werden sollen. Ob die Nutzung des Transformationsbegriffs Veränderungen erleichtert oder nicht wird sich noch zeigen. Es könnte jedoch sein, dass genau diese rhetorische Vereinnahmung der Metamorphose des gesamten Menschen zu trotzigen Abwehrreaktionen führt: „Veränderungen mussten immer schon mitgemacht werden. Als Angestellte/r bleibt mir da wenig Spielraum. Meine innere kritische Meinung gegenüber der Veränderung möchte ich dennoch behalten“.

Die Trauernden und die Neugierigen

In Transformationen geht es also um innerpsychische Prozesse als Reaktion auf die äußere Veränderung. Meist haben wir es dabei mit Wut, Ängsten und Unsicherheiten zu tun, genauso aber auch mit Neugier oder Aufbruchstimmung.

Die bekannten Trauerphasen nach Elisabeth Kübler-Ross von

  1. Verdrängung und Nicht-Wahrhaben-Wollen der Notwendigkeit einer Anpassung,
  2. Wut über die erzwungene Anpassung durch die äußere Veränderung,
  3. Verhandlung als Möglichkeit noch etwas vom Alten zu retten,
  4. Verzweiflung und Trauer als Zeichen der Akzeptanz der inneren Veränderung und
  5. Akzeptanz des Neubeginns und Integration der Transformation in den eigenen Alltag …

… gelten daher nur für jene Menschen, die sich mit einem Transformationsprozess schwer tun, weil sie noch stark am Alten hängen. Nennen wir sie die Trauernden, was wesentlich wertschätzender ist als Querulanten, Bremser oder Blockierer. Andere hingegen sehen ihre Chance, der Veränderung ihren eigenen Stempel aufzudrücken. Nennen wir sie die Neugierigen.

Gäbe es nur eine Gruppe, wäre die Begleitung einer Veränderung einfach. Ich müsste dann entweder nur die fünf Phasen der Trauerverarbeitung durchspielen oder könnte sofort ins Neuland aufbrechen.

Gleichzeitig sind die Widerstände in Veränderungen auch ein Segen, da manches vom Alten durchaus mitgenommen werden sollte, weil niemals alles falsch war und ist.

Veränderungen und Transformationen begleiten

Die eigentliche Transformationsphase als unbekanntes Niemandsland befindet sich zwischen dem Alten und dem noch unbekannten Neuen. Als Transformationsbegleiter*in sollte ich folglich ebenso zweigleisig denken, um beiden Gruppen gerecht zu werden, den Traurigen, die manchmal wütend sind und den Neugierigen, die oft ungeduldig sind:

  1. In der Phase der Verabschiedung des Alten sollte ich gleichzeitig das, was bislang gut funktionierte wertschätzen und schützen:
  • Die Frage „Was wollen wir erhalten?“ geht an die Traurigen.
  • Die Frage „Wovon wollen wir uns verabschieden?“ geht an die Neugierigen.
  1. In der Phase des Niemandslands geht es vor allem um Geduld, Toleranz und Verständnis füreinander:
  • Die Neugierigen wollen so schnell wie möglich den Neuanfang starten und sind frustriert, dass viele Prozesse so zäh vorwärts kommen. Für diese Ungeduld braucht es Verständnis und Toleranz. Toleranz und Geduld braucht es aber auch für Experimente in dieser Phase, die scheitern können. Aktuell ist jedoch noch nichts in Stein gemeiselt.
  • Die Trauernden wiederum wollen – trotz des Signals, dass auch etwas vom Alten erhalten bleibt – am Alten als Gesamtkonstrukt festhalten. Entsprechend der fünf Phasen nach Kübler-Ross kann es hier auch zu Wut, Trotzreaktionen („Ich hab’s ja gleich gesagt. Das ist doch alles Mist! Das klappt doch nie!“) oder Ängsten bis hin zu Panik kommen („Wie soll ich da jemals mitkommen? Ich verstehe das alles nicht mehr. Das ist nicht mehr meine Welt.“). Auch dafür braucht es Verständnis, Toleranz und Geduld.
  1. In der Phase des Neuanfangs schließlich zeigen sich erste stabile und belastbare Erkenntnisse: „Ja, unsere Wissensmanagement-Plattform wird genutzt. Ja, unsere Kunden reagieren positiv auf unsere Anpassungen.“ Wie in der Natur bekommen wir also ein positives oder negatives Feedback zurück, um uns zu zeigen, ob wir auf der richtigen Spur sind. Und damit bekommen wir neue Energie und Sicherheit, um den Weg weiterzuverfolgen oder gegebenenfalls anzupassen:
  • Ein positives Feedback ist jedoch weniger für die Neugierigen, als vielmehr für die Trauernden als Sicherheits-Signal geeignet, auf dem richtigen Weg zu sein.
  • Ein negatives Signal könnte für die Trauernden eine Bestätigung für das Scheitern der Veränderung sein, ist jedoch auch hier mehr für die Neugierigen als Gedulds-Signal geeignet, sich bei Veränderungen in Demut zu üben. Rom wurde schließlich auch nicht an einem Tag erbaut.

Wenn Sie die innerpsychischen Prozesse Ihrer Mitarbeiter*innen ernst nehmen, ist es egal, ob Sie im Rahmen eines Veränderungsprozesses von Change oder Transformation sprechen. Denn letztlich symbolisieren die beiden Begriffe die beiden Seiten einer Medaille.

Über den Umgang mit Fake-News und Gerüchten

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Krisen als Nährboden für Gerüchte

Gerüchte – oder moderner Fake News – sind wohl so alt wie die Menschheit. Sie gedeihen v.a. in unsicheren Zeiten, wenn die Menschen wissen wollen, was wirklich los ist:

  • Im 2. Weltkrieg gingen in den USA Gerüchte um, dass Nazi-Deutschland kurz vor einem Sieg steht.
  • Zum Ende des 2. Weltkriegs ging das Gerücht um, dass Atomwaffen ein Gebiet auf lange Zeit unbewohnbar machen würden, was u.a. von den Sozialpsychologen Gordon W. Allport und Leo Postman, die intensiv über das Thema Gerüchte forschten, vehement dementiert wurde.
  • Ende der 90er-Jahre fragten sich viele US-Amerikaner*innen, ob ihr Präsident eine Affäre hat, was selbstredend ebenso vom Weißen Haus dementiert wurde.

Und in der aktuellen Krisenzeit erzeugt eine dermaßen hohe Anzahl an Gerüchten Schwindelgefühle: Reiche Menschen verjüngen sich mithilfe von Babyblut. Die Impfung wird uns alle umbringen. Der große Volksaustausch steht kurz bevor – wieder einmal. Russland wird demnächst ein weiter Land überfallen (oder doch nicht?). Deutschland wird deindustrialisiert. Die Welt lacht über Deutschland (vermutlich ein paar Monate und dann bewundert sie uns wieder). Und beim FC Bayern gibt es derzeit so viele Gerüchte, dass ich schon gar nicht weiß, wo ich anfangen soll. Und diese Vermutungen breiten sich dank dem Internet schneller aus als ein Friseur Schnipp machen kann.

Die Erforschung von Gerüchten

Gerüchte sind vielleicht so alt wie die Menschheit. Die systematische Erforschung von Gerüchten begann jedoch erst im 2. Weltkrieg in den USA in sogenannten „rumor clinics“. Die Gerüchte in der verunsicherten Bevölkerung sollten in diesen „Kliniken“ untersucht und entschärft werden. Mit Entschärfung wiederum ist letztlich Propaganda gemeint als Bestreben, in der Regel die Meinung der Regierung zur Meinung des Volkes zu machen.

In den 60er Jahren wurden in den USA aus den „rumor clinics“ „rumor center“. Diese hatten u.a. die Aufgabe Gerüchte aus der Welt zu schaffen, um Rassenunruhen zu vermeiden. Sie erreichten allerdings lediglich die weiße Bevölkerung, nicht jedoch die schwarze. Ein großes Problem war schon damals, dass diejenigen, die gegenüber der Regierung skeptisch eingestellt sind, zum einen Gerüchte eher glauben und zum anderen den Dementi der Regierung nicht vertrauen. Daran hat sich offensichtlich wenig geändert.

Erschwerend kommt hinzu, dass sich im Nachhinein – wie die Beispiele zeigen – manche Gerüchte als wahr erweisen. Damit stellt sich die Frage, ob gegen Gerüchte und Fake News überhaupt vorgegangen werden kann.

Gibt es eine Gerüchte-Formel?

Allport und Postman brachten im Zuge ihrer Forschungen die Entstehung von Gerüchten auf die Formel R = i * a: Die Stärke eines Gerüchts (rumor) wird bestimmt durch die Wichtigkeit eines Themas (importance) mal der Unsicherheit der aktuellen Lage (ambiguity).

Auf den ersten Blick erscheint dieser Zusammenhang einleuchtend. Auf den zweiten Blick fehlen jedoch persönliche Merkmale der Adressaten, weshalb die Formel später um den Faktor „kritische Kompetenz“ erweitert wurde. Wem die Unterjochung der Menschheit durch eine Handvoll Eliten dann doch ein wenig zu obskur vorkommt, wird ein entsprechendes Gerücht kaum weiterleiten.

Woran lassen sich Gerüchte erkennen?

Die Formel verdeutlicht es bereits: In einer Krisenstimmung bei einem heiklen Thema kochen Gerüchte und Fake News besonders gerne hoch.

Gleichzeitig zeichnen sich Gerüchte durch ihre Einprägsamkeit aus. Damit diese gewährleistet ist, müssen sie leicht wiederholbar sein, am besten als Mem. Aus diesem Grund sind drei Charakteristika typisch für Gerüchte:

  1. Komplexe und relativierende Details werden häufig weggelassen.
  2. Das Gerücht wird an die eigene Situation angepasst.
  3. Das Gerücht übertreibt.

Vermutlich steckt in jedem Gerücht ein wahrer Kern. Reiche Menschen machen seltsame Sachen. Der Missbrauch von Untergebenen ist nicht ungewöhnlich. Die Corona-Impfung führte tatsächlich bei manchen Menschen zu schweren Nebenwirkungen. Die Industrielandschaft in Deutschland steht vor einem Wendepunkt. Und warum soll Thomas Müller nicht vor einem Wechsel stehen?

Falsche Gerüchte jedoch pauschalisieren, sind raum- und zeitlos und übertreiben oftmals maßlos. Wenn wir uns also denken: „Spannend, polarisierend, skandalös!“ … dann haben wir es vermutlich mit Fake News zu tun. Denn die Wirklichkeit ist in der Regel einerseits wesentlich komplizierter und andererseits doch auch wieder langweiliger als all die superspannenden Gerüchte da draußen.

Literatur

Hans-Joachim Neubauer – Fama. Eine Geschichte des Gerüchts. Matthes & Seitz Berlin