Veränderungen begleiten

Bild von rawpixel.com auf Freepik

Changemanagement oder Transformationsprozess?

Um zu verstehen, wie ich als Changemanager*in und Führungskraft Veränderungen am besten begleite, ist es hilfreich, die Begriffe Change und Transformation zu unterscheiden, gerade weil die beiden Begriffe häufig synonym verwendet werden.

Interessanterweise wird seit einigen Jahren vermehrt von Transformationsprozessen anstatt Changemanagement gesprochen. Doch worin besteht der Unterschied?

Sowohl der Begriff Change als auch Transformation lassen sich mit Veränderung übersetzen. Der Begriff der Transformation lässt sich jedoch zusätzlich als Umwandlung oder Verwandlung beschreiben. Während sich daher mit dem Begriff Change der äußere Wandel und damit entweder der Wunsch nach oder die Notwendigkeit einer Veränderung bezeichnen lässt, beispielsweise digitaler zu werden, um nicht den Anschluss an die Konkurrenz zu verpassen, zielt ein Transformationsprozess auf den inneren Wandel von Menschen, Teams und Organisationen ab. Das gesamte Unternehmen soll sich von innen heraus verändern. Es soll seine innere Einstellungen und Haltungen verändern als wäre es ein Mensch inmitten eines psychologischen Transformationsprozesses.

In Changeprozessen sind Widerstände erlaubt, ja sogar erwünscht, weil sie auf Schwachstellen im System aufmerksam machen. Der Begriff der Transformation hingegen suggeriert, dass ein Veränderungsziel als gegeben anzunehmen ist. Widerstände sind nicht nur störend, sondern sogar selbstzerstörerisch, weil die Transformation bspw. hin zu einem digitalen Unternehmen unumgänglich ist.

Wenn in manchen Büchern von der digitalen Transformation die Rede ist, geht es jedoch in der Regel nicht um die Mensch-Maschine. Aus der Wahl der Begrifflichkeit lässt sich wohl eher der Wunsch ablesen, dass Veränderungen in Unternehmen nicht nur oberflächlich mitgemacht, sondern tatsächlich gelebt werden sollen. Ob die Nutzung des Transformationsbegriffs Veränderungen erleichtert oder nicht wird sich noch zeigen. Es könnte jedoch sein, dass genau diese rhetorische Vereinnahmung der Metamorphose des gesamten Menschen zu trotzigen Abwehrreaktionen führt: “Veränderungen mussten immer schon mitgemacht werden. Als Angestellte/r bleibt mir da wenig Spielraum. Meine innere kritische Meinung gegenüber der Veränderung möchte ich dennoch behalten”.

Die Trauernden und die Neugierigen

In Transformationen geht es also um innerpsychische Prozesse als Reaktion auf die äußere Veränderung. Meist haben wir es dabei mit Wut, Ängsten und Unsicherheiten zu tun, genauso aber auch mit Neugier oder Aufbruchstimmung.

Die bekannten Trauerphasen nach Elisabeth Kübler-Ross von

  1. Verdrängung und Nicht-Wahrhaben-Wollen der Notwendigkeit einer Anpassung,
  2. Wut über die erzwungene Anpassung durch die äußere Veränderung,
  3. Verhandlung als Möglichkeit noch etwas vom Alten zu retten,
  4. Verzweiflung und Trauer als Zeichen der Akzeptanz der inneren Veränderung und
  5. Akzeptanz des Neubeginns und Integration der Transformation in den eigenen Alltag …

… gelten daher nur für jene Menschen, die sich mit einem Transformationsprozess schwer tun, weil sie noch stark am Alten hängen. Nennen wir sie die Trauernden, was wesentlich wertschätzender ist als Querulanten, Bremser oder Blockierer. Andere hingegen sehen ihre Chance, der Veränderung ihren eigenen Stempel aufzudrücken. Nennen wir sie die Neugierigen.

Gäbe es nur eine Gruppe, wäre die Begleitung einer Veränderung einfach. Ich müsste dann entweder nur die fünf Phasen der Trauerverarbeitung durchspielen oder könnte sofort ins Neuland aufbrechen.

Gleichzeitig sind die Widerstände in Veränderungen auch ein Segen, da manches vom Alten durchaus mitgenommen werden sollte, weil niemals alles falsch war und ist.

Veränderungen und Transformationen begleiten

Die eigentliche Transformationsphase als unbekanntes Niemandsland befindet sich zwischen dem Alten und dem noch unbekannten Neuen. Als Transformationsbegleiter*in sollte ich folglich ebenso zweigleisig denken, um beiden Gruppen gerecht zu werden, den Traurigen, die manchmal wütend sind und den Neugierigen, die oft ungeduldig sind:

  1. In der Phase der Verabschiedung des Alten sollte ich gleichzeitig das, was bislang gut funktionierte wertschätzen und schützen:
  • Die Frage „Was wollen wir erhalten?“ geht an die Traurigen.
  • Die Frage „Wovon wollen wir uns verabschieden?“ geht an die Neugierigen.
  1. In der Phase des Niemandslands geht es vor allem um Geduld, Toleranz und Verständnis füreinander:
  • Die Neugierigen wollen so schnell wie möglich den Neuanfang starten und sind frustriert, dass viele Prozesse so zäh vorwärts kommen. Für diese Ungeduld braucht es Verständnis und Toleranz. Toleranz und Geduld braucht es aber auch für Experimente in dieser Phase, die scheitern können. Aktuell ist jedoch noch nichts in Stein gemeiselt.
  • Die Trauernden wiederum wollen – trotz des Signals, dass auch etwas vom Alten erhalten bleibt – am Alten als Gesamtkonstrukt festhalten. Entsprechend der fünf Phasen nach Kübler-Ross kann es hier auch zu Wut, Trotzreaktionen („Ich hab’s ja gleich gesagt. Das ist doch alles Mist! Das klappt doch nie!“) oder Ängsten bis hin zu Panik kommen („Wie soll ich da jemals mitkommen? Ich verstehe das alles nicht mehr. Das ist nicht mehr meine Welt.“). Auch dafür braucht es Verständnis, Toleranz und Geduld.
  1. In der Phase des Neuanfangs schließlich zeigen sich erste stabile und belastbare Erkenntnisse: „Ja, unsere Wissensmanagement-Plattform wird genutzt. Ja, unsere Kunden reagieren positiv auf unsere Anpassungen.“ Wie in der Natur bekommen wir also ein positives oder negatives Feedback zurück, um uns zu zeigen, ob wir auf der richtigen Spur sind. Und damit bekommen wir neue Energie und Sicherheit, um den Weg weiterzuverfolgen oder gegebenenfalls anzupassen:
  • Ein positives Feedback ist jedoch weniger für die Neugierigen, als vielmehr für die Trauernden als Sicherheits-Signal geeignet, auf dem richtigen Weg zu sein.
  • Ein negatives Signal könnte für die Trauernden eine Bestätigung für das Scheitern der Veränderung sein, ist jedoch auch hier mehr für die Neugierigen als Gedulds-Signal geeignet, sich bei Veränderungen in Demut zu üben. Rom wurde schließlich auch nicht an einem Tag erbaut.

Wenn Sie die innerpsychischen Prozesse Ihrer Mitarbeiter*innen ernst nehmen, ist es egal, ob Sie im Rahmen eines Veränderungsprozesses von Change oder Transformation sprechen. Denn letztlich symbolisieren die beiden Begriffe die beiden Seiten einer Medaille.