Die Rennmaschine

Es war einmal ein Päärchen, das sorgenvoll auf ihren 15-jährigen Zögling blickte. Seine Noten waren durchschnittlich. Er stand kurz vor Weihnachten auf einer Drei. Deshalb kamen sie auf die Idee, ihm einen Deal vorzuschlagen: Wenn er im Durchschnitt auf eine 2,5 kommt, schenken Sie ihm eine richtig teure, schnittige Rennmaschine. Der Junge war begeistert. So ein Rad hatte er sich schon lange gewünscht. Er rackerte wie ein Verrückter. Nach zwei Monaten hatte er es tatsächlich geschafft. Sein Schnitt betrug nun eine 2,5. Seine Eltern jedoch sagten zu ihm: “Ja, schon. Aber wir sind ja noch mitten im Schuljahr. Und wer weiß, was noch alles passierte? Es wäre jedenfalls sicherer, wenn du auf eine 2,3 kämst. Damit es auch bis zum Ende des Schuljahres zu einer Zwei reicht.”

Der Junge sah das ein und ackerte hoch motiviert weiter. Und tatsächlich, nach einem weiteren Monat hatte er einen Durchschnitt von 2,3 erreicht. Seine Eltern waren ganz erstaunt. Irgendwie glücklich. Dennoch hatten sie Angst, ob das neuerliche Engagement ihres Sohnes nicht nur ein Strohfeuer war. Daher entgegneten sie ihm: “Schau mal. Das ist ja alles wunderbar. Aber lass’ uns doch abwarten, wie die restlichen Monate verlaufen. Streng dich noch ein wenig an. Dann kommst du bestimmt auf eine 2,0 am Schuljahresende.”

Der Junge war stocksauer. Aber aus Trotz dachte er sich: Denen zeig’ ich’s. Die werden schon sehen. Und tatsächlich: Am Ende des Schuljahres kam er auf eine 2,0. Als die Eltern das sahen, waren sie überglücklich. Doch als es zur Einlösung der Gegenleistung kam, zögerten sie und meinten: “Weißt du, du machst doch nächstes Jahr deinen Realschulabschluss. Wäre es nicht eine tolle Sache, deine Zwei zu halten oder sogar zu verbessern? Vielleicht kommst du ja noch in dem ein oder anderen Fach auf eine Eins? Deine Mutter und Ich haben beschlossen, dir die Rennmaschine erst nach der mittleren Reife zu kaufen. Du hast so einen guten Lauf. Und es wäre sehr schade, würden wir den jetzt zerstören.”

Ab da ging der Junge nur noch auf Partys und machte keinen Finger mehr krumm. Die Eltern verstanden die Welt nicht mehr, aber dachten sich: Vermutlich liegt es an der Pubertät.