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Renaissance der Motivation als Führungsthema

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Vor knapp 10 Jahren schrieb ich mein erstes Buch für einen kleinen Verlag mit dem Titel „Motivation – Die neue Lust auf Leistung“. Das Buch bekam zwar ein paar sehr positive Bewertungen auf Amazon, wurde jedoch zu einem Ladenhüter. Das Thema schien tot zu ein. Und klar: Bereits Reinhard Sprenger stellte 1995 in seinem Buch „Das Prinzip Selbstverantwortung – Wege zur Motivation“ fest: Wer nicht intrinsisch motiviert ist, kann extrinsisch nur kurzfristig angeschoben werden. Ich kann also zur Selbst- oder Mitverantwortung anregen, wer jedoch kurz vor der Rente steht und absolut keine Lust mehr auf Veränderungen hat, lässt sich schwer zur Verantwortungsübernahme überreden.

Aktuell hat das Thema jedoch wieder enorm an Wichtigkeit gewonnen. In einer Kollegialen Beratung mit Führungskräften wurde das Thema in verschiedenen Facetten drei mal von insgesamt 12 Fällen genannt: Motivation von schwierigen Mitarbeiter*innen (was auch immer das ist) oder auch Motivation von Menschen kurz vor der Rente. Und in einer Klausurtagung kristallisierte sich das Thema Motivation als unangefochtene Nummer 1 unter den Führungsaufgaben heraus.

Woher kommt auf einmal diese Renaissance des Themas Motivation? Dazu habe ich drei Hypothesen:

1. Der Personalmangel hievt das Thema Motivation wieder auf die Agenda

Vermutlich war das Thema niemals weg. In einer Zeit, in der wir jedoch mehr Bewerber*innen als Jobs hatten, musste man sich nicht so sehr darum kümmern. Bewerber A ist nicht motiviert. Dann nehmen wir eben Bewerberin B. Und zur Not warten wir die Probezeit ab.

Das hat sich durch den Personalmangel enorm verändert. Oder wie es ein Teilnehmer eines meiner Seminare neulich formulierte: „Bei uns geht es nicht mehr darum, die richtigen Leute zu finden. Wir sind schon froh, überhaupt jemanden zu finden.“

Das bedeutet jedoch auch, Mitarbeiter*innen einzustellen, die nicht automatisch top-motiviert sind. Viele wissen nicht einmal genau, was ihr potentiell künftiger Arbeitgeber so macht. Andere wollen am liebsten vom Homeoffice aus arbeiten und sich ansonsten gar nicht so sehr mit ihrer Firma beschäftigen. Und damit besteht die große „neue“ Aufgabe einer Führungskraft darin, auch diese Leute einzubinden und zu Leistungen anzutreiben, auch wenn sich die Begeisterung auf der Mitarbeiterseite in Grenzen hält.

2. Nicht wollen oder nicht können?

Die Dauerkrisenstimmung kann ähnlich wie die Unterscheidung zwischen Motivierten und weniger Motivierten ebenso zu einer Spaltung der Belegschaft führen. Den einen machen Krisen offensichtlich wenig aus. Wer jedoch sehr sensibel ist, kann durchaus zu einem labilen Mitarbeiter werden. Und mitunter leidet unter der psychischen Belastung auch die Leistungskraft. Deshalb ist es für Führungskräfte aktuell enorm wichtig zwischen nicht können und nicht wollen zu unterscheiden. Denn nicht jeder, der aktuell weniger Leistung bringt, ist unmotiviert. Viele sind derzeit einfach „nur“ überlastet und würden in stabilen Verhältnissen eine stabile Performance hinlegen.

3. Der Wertewandel in unserer Gesellschaft

Und schließlich ist auch ein Wertewandel in unserer Gesellschaft zu beobachten. Angestoßen von der Generation Z beschäftigen wir uns u.a. mit Themen wie einer 4-Tage-Woche. Die Liste der Beschwerden über die leistungsfeindlichen jungen Menschen ist lang:

  • Punkt 17.00 Uhr wird der Stift fallen gelassen.
  • Keine*r will mehr Verantwortung übernehmen.
  • Führung ist out.
  • Und was ist eigentlich mit dieser ominösen Extrameile passiert?

Aber sind junge Menschen heutzutage tatsächlich unmotivierter als in früheren Zeiten? Und wenn ja, haben sie nicht auch recht damit?

Andere Frage: Besteht Motivation darin, sein Privatleben zu vernachlässigen, Arbeit mit nach Hause zu nehmen, sich bis zum Burnout aufzuarbeiten und gerne auch nach Dienstschluss noch am Schreibtisch zu sitzen?

Was ist so schlimm daran, wenn ein Azubi sagt: Ich brauche feste Arbeitszeiten, weil ich heute Abend noch was vorhabe?

Ich persönlich hatte schon eine ganze Menge Trainings mit jungen Studierenden und bin eher selten auf wirklich unmotivierte Menschen gestoßen. Die meisten von ihnen waren durchaus sehr leistungsorientiert. Allerdings nicht um jeden Preis. Auch hier sollten wir das Thema Motivation nicht vorschnell an alten Maßstäben, bspw. der Uhrzeit, messen. Ein wesentlich passenderer Maßstab ist die Sinnhaftigkeit einer Tätigkeit. Wer den Sinn einer Arbeit versteht, ist meist auch motiviert, egal ob alt oder jung.

Das Fazit

Das Thema ist zurück, weil wir aktuell in zwei Welten leben. Gedanklich befinden sich viele Unternehmen noch in einer alten Welt mit alten Maßstäben zur Einordnung, wann jemand motiviert ist und wann nicht. Die reale Welt ist jedoch von Mitarbeiter*innen geprägt, die sich nicht mehr bedingungslos aufarbeiten wollen, die sich aufgrund des Personalmangels ihrer neuen Macht bewusst sind oder die von den aktuellen Dauerkrisen überfordert sind.

Führungskräfte kommen daher nicht umhin, ihre eigene Führung immer wieder neu zu reflektieren und sich Gedanken über Mitarbeitermotivation und -zufriedenheit zu machen. Ein guter Ansatz dazu sind die Führungsprinzipien und -haltungen einer positiven Führung, u.a. indem eine positive Atmosphäre der Wertschätzung und des Respekts gefördert, der Arbeit einen Sinn verliehen wird und Mitarbeiter*innen entsprechend ihrer Stärken eingesetzt werden.

Quiet quitting, quiet beginning

Das Phänomen des „Quiet Quitting“, zu deutsch etwa „Stilles Aufhören“ wird in meinen Seminaren sehr häufig angesprochen:

  • Mitarbeiter*innen arbeiten nur noch das nötigste.
  • Mitarbeiter*innen lassen die Loyalität zu ihrem Arbeitgeber vermissen, wenn es um flexible Arbeitszeiten oder Überstunden geht.

Noch drängender wird es bei neuen Bewerber*innen in bestimmten Schlüsselfachgebieten, bspw. der IT, wenn Bewerber*innen kaum etwas vom Unternehmen wissen, am liebsten im Homeoffice arbeiten und eher wenig Teambindung haben wollen und aufgrund dessen wenig soziale Bereitschaft aufbringen, mehr als ihren verbrieften Job zu machen.

Quiet Beginning als Zukunftsthema

Das Thema „Stilles Aufhören“ ist also noch mehr ein Thema der Zukunft, wenn wir uns die Werte jüngerer Generationen ansehen und wird damit zu einem „Quiet Beginning“:

  • Familie, Freunde und Hobbys sind wichtiger als Arbeit.
  • Fahrzeiten wollen reduziert werden, insbesondere in Großstädten.

Worum geht es hier wirklich?

Dabei ist der Begriff „Quiet Quitting“ wohl eher der schicken Alliteration geschuldet als einer klaren Beschreibung, worum es wirklich geht. Es geht eben nicht darum, sich langsam und leise aus dem Job zu verabschieden oder – wie in meiner Erweiterung – gar nicht erst 100%ig einzusteigen. Es geht vielmehr darum, sich nicht mehr mit dem Wert der Aufopferung für ein Unternehmen zu identifizieren.

Klassisch – agil – 80%-Engagement

Spannend dabei ist der Werdegang über die letzten Jahrzehnte. Lassen wir die klassische Verbundenheit mit dem Arbeitgeber einmal außen vor – bei vielen Führungskräften in meinen Seminaren kommt der Spruch „die interessieren sich gar nicht mehr dafür, was uns ausmacht“ – gab es durch die agile Revolution, New Work- und Feelgoodmanagement-Bewegung durchaus eine Verschiebung in Richtung Mitarbeiter*innen. Zwar steht in agilen Settings das Kundenwohl an oberster Stelle. Dennoch haben viele Unternehmen verstanden, dass dies nur erreicht wird, wenn ich Mitarbeiter*innen mehr Freiheiten zur kreativen Gestaltung lasse. Wie so oft wurden vermeintliche (agile) Freiheiten aber auch von Unternehmen oder einzelnen Teamleiter*innen pervertiert. Ein Teilnehmer eines meiner Seminare brachte es so auf den Punkt: In agilen Teams herrscht viel Freiheit, die durch tägliche ‚dailys‘ einen Orientierungsrahmen bekommen. Diese Freiheit wurde jedoch durch seinen Exteamleiter zerstört. Wenn jemand im Team nicht gleich wusste, wie er seine tägliche Arbeit in Worte fassen sollte, meinte dieser „Come on. There must have been something, that you’ve been done.“ Damit wurde die vermeintliche Freiheit doch wieder zur Kontrolle. Das traditionelle Mindset killte sozusagen das moderne Framework.

Das gleiche gilt für viele vermeintlich mitarbeiterfreundliche Strukturen, egal ob sie in einer New Work- oder Feelgoodmanagement-Verkleidung daher kommen. Natürlich ist der oberste Unternehmenszweck Geld zu verdienen oder zumindest zu überleben. Dennoch sollte dies niemals zu einem utilitaristischen Selbstzweck verkommen oder schlimmer noch als Nettigkeit verkleidet werden.

Kein Wunder, wenn manche Mitarbeiter*innen nur noch 80% Leistung als Maximum bieten wollen. Lorbeeren mit Extrameilen sollen sich andere verdienen.

Eine wertebasierte Ethik fördert Loyalität

Wer sich intensiver mit dem Balanceakt zwischen Mitarbeiter- und Kundenorientierung auseinandersetzen möchte, kann ich meinen New-Work-Ansatz ans Herz legen (externer Link). Darin geht es auch um die Grenzen der Kundenorientierung und damit um eine klare wertebasierte Ethik zugunsten der Mitarbeiter*innen, sozusagen um Ausnahmen, um die Menschlichkeit im Unternehmen zu erhalten. Stellen sich Führungskräfte hinter ihre Mitarbeiter*innen, fördern sie auch deren Loyalität. Einer meiner Seminarteilnehmer*innen denkt noch heute an seine ersten Arbeitstage bei einem Unternehmen, als sein Computer nicht richtig funktionierte und sein Teamleiter meinte: „Du machst, was möglich ist und wenn etwas schief läuft, nehme ich das auf meine Kappe“.

Führungskräfte (und Unternehmen) sollten gleichzeitig die provokante Frage jüngerer Mitarbeiter*innen „Warum ist das sinnvoll, was ich gerade mache und muss ich das wirklich tun?“ ernst nehmen und auch ihr eigenes Handeln regelmäßig auf den Prüfstand stellen. Mir scheint jedoch, dass die Abwehr gegen das „Why“ der Generation Y mitverantwortlich für die Abkehr der Generation Z ist.

Gesellschafts- oder Generationenkonflikt

Zudem wird der Generationenkonflikt durch die allgemeine gesellschaftliche Stimmung verschärft. Im Angesicht so vieler Krisen (Umwelt, Corona, Krieg, Rezession) scheint vielen Menschen der Sinn in der Arbeit abhanden gekommen zu sein: „Ein Haus kann ich mir nicht mehr leisten. Ein Auto will ich mir (in der Stadt) nicht mehr leisten. Wofür also die ganze Plackerei?“ Überspitzt könnte man auch formulieren: „Wenn die Welt bald untergeht, will ich doch nicht die nächsten Jahre mit Überstunden verbringen“. Damit steht das Wirtschaftsmodell, das wir seit dem Nachkriegs-Wirtschaftswunder fahren verfolgen insgesamt auf dem Prüfstand.

Das Phänomen des „Quiet Quittung“ hat also nicht nur mit Egoismus zu tun, sondern auch mit Frustration und Depression. Manche kleben sich aus Frust auf Straßen fest. Andere ziehen sich zurück ins Private und machen nur noch das Nötigste, um gut durch das Leben zu kommen.

Arbeit kann auch glücklich machen

Auf der anderen Seite wissen wir, dass Arbeit (in vielerlei Formen) auch glücklich machen kann. Und ist es nicht noch frustrierender, wenn Mitarbeiter*innen lediglich Dienst nach Vorschrift machen, obwohl sie noch ein ganzes Arbeitsleben vor sich haben?

An dieser Stelle kommen Aspekte der „Positiven Psychologie“ (externer Link) zum tragen und damit Instrumente wie:

  • Job Crafting, indem Mitarbeiter*innen sich ihre Aufgaben wo möglich selbst zusammenstellen.
  • Transparente Einbeziehung der Mitarbeiter*innen in Entscheidungen.
  • Fehler respektvoll aufarbeiten und vieles mehr.

Siehe auch meine Zusammenfassung von New Work auf der Basis einer positiven Psychologie.

Das Phänomen des Quiet Quitting ist damit noch lange nicht behoben, da es – wie dargelegt – auch ein kulturelles Thema ist. Ganz machtlos sind Führungskräfte und Unternehmen jedoch auch nicht.