Ich beschäftige mich seit über 10 Jahren mit dem Thema Wissensmanagement und hatte sogar 2015 das Privileg, ein Jahr lang in ganz Bayern unterwegs zu sein, um Stadtverwaltungen zu ihrem Wissensmanagement zu interviewen. Daraus entstand damals der Guide „Wissensmanagement in der öffentlichen Verwaltungen“ (externer Link). Zudem tummelte ich mich eine zeitlang auf Knowledge-Camps, aber irgendwie schien das Thema nie so richtig an Fahrt aufzunehmen.
In letzter Zeit ändert sich das. In meinem Kurs „Strategische Personalentwicklung“ suchten sich gleich mehrere Teilnehmer*innen das Thema Wissensmanagement bzw. Entwicklung einer Lernplattform aus. Und die Anfragen an mich als Berater und Trainer häufen sich ebenso. Woran liegt das wohl?
Zum einen sind es sicherlich die technischen Möglichkeiten, die es früher nicht gab. Zum anderen sind es aber auch die vielen Aspekte der aktuellen Veränderungen und Dauerkrise, die ein funktionierendes Wissensmanagement immer dringender machen:
Der Personalmangel führt zu Überlastungen. Überlastete Mitarbeiter*innen kündigen schneller und nehmen ihr Wissen mit. Die hohe Fluktuation in vielen Firmen ist Gift für das bislang weitgehend analoge und über Wissensträger funktionierende Wissensmanagement.
Einarbeitungen laufen heutzutage oft hybrid ab und sollten dennoch umfassend sein. Das spricht zum einen für ein Patensystem, zum anderen aber auch für eine gute bestückte Wissensmanagementplattform, um auch digital schnell an Informationen zu kommen.
Auch die Arbeit selbst findet mittlerweile in vielen Bereichen mobil bzw. im Homeoffice statt. Umso wichtiger, dass Mitarbeiter*innen wissen, wie sie an wichtige Informationen kommen und an wen sie sich wenden können – egal von wo aus. Nebenbei nimmt auch der Trend zu Weiterbildungen aus den eigenen vier Wänden zu, was für den Ausbau von digitalen Lernmanagement-Systemen spricht.
Und schließlich ist der Gedanke eines schnellen und unkomplizierten Wissensmanagements prinzipiell ein Instrument der Dezentralisierung und Enthierarchisierung: Warum soll ich meine Führungskraft fragen, wenn ich an die entsprechenden Informationen auch anderweitig komme? Und diese Denke wiederum passt gut zu der aktuellen Stimmung einer Zusammenarbeit auf Augenhöhe: Während früher Wissen als Macht definiert wurde gilt es nun, Wissen zu teilen, damit es wächst.
Es ist also gerade für Unternehmen, die mit Fluktuation und Personalmangel zu kämpfen haben, dringend an der Zeit proaktiv zu werden und sich um den Aufbau ihres Wissensmanagements zu kümmern, auch wenn gerade jetzt keine Zeit dafür zur Verfügung steht.
Vor knapp 10 Jahren schrieb ich mein erstes Buch für einen kleinen Verlag mit dem Titel „Motivation – Die neue Lust auf Leistung“. Das Buch bekam zwar ein paar sehr positive Bewertungen auf Amazon, wurde jedoch zu einem Ladenhüter. Das Thema schien tot zu ein. Und klar: Bereits Reinhard Sprenger stellte 1995 in seinem Buch „Das Prinzip Selbstverantwortung – Wege zur Motivation“ fest: Wer nicht intrinsisch motiviert ist, kann extrinsisch nur kurzfristig angeschoben werden. Ich kann also zur Selbst- oder Mitverantwortung anregen, wer jedoch kurz vor der Rente steht und absolut keine Lust mehr auf Veränderungen hat, lässt sich schwer zur Verantwortungsübernahme überreden.
Aktuell hat das Thema jedoch wieder enorm an Wichtigkeit gewonnen. In einer Kollegialen Beratung mit Führungskräften wurde das Thema in verschiedenen Facetten drei mal von insgesamt 12 Fällen genannt: Motivation von schwierigen Mitarbeiter*innen (was auch immer das ist) oder auch Motivation von Menschen kurz vor der Rente. Und in einer Klausurtagung kristallisierte sich das Thema Motivation als unangefochtene Nummer 1 unter den Führungsaufgaben heraus.
Woher kommt auf einmal diese Renaissance des Themas Motivation? Dazu habe ich drei Hypothesen:
1. Der Personalmangel hievt das Thema Motivation wieder auf die Agenda
Vermutlich war das Thema niemals weg. In einer Zeit, in der wir jedoch mehr Bewerber*innen als Jobs hatten, musste man sich nicht so sehr darum kümmern. Bewerber A ist nicht motiviert. Dann nehmen wir eben Bewerberin B. Und zur Not warten wir die Probezeit ab.
Das hat sich durch den Personalmangel enorm verändert. Oder wie es ein Teilnehmer eines meiner Seminare neulich formulierte: „Bei uns geht es nicht mehr darum, die richtigen Leute zu finden. Wir sind schon froh, überhaupt jemanden zu finden.“
Das bedeutet jedoch auch, Mitarbeiter*innen einzustellen, die nicht automatisch top-motiviert sind. Viele wissen nicht einmal genau, was ihr potentiell künftiger Arbeitgeber so macht. Andere wollen am liebsten vom Homeoffice aus arbeiten und sich ansonsten gar nicht so sehr mit ihrer Firma beschäftigen. Und damit besteht die große „neue“ Aufgabe einer Führungskraft darin, auch diese Leute einzubinden und zu Leistungen anzutreiben, auch wenn sich die Begeisterung auf der Mitarbeiterseite in Grenzen hält.
2. Nicht wollen oder nicht können?
Die Dauerkrisenstimmung kann ähnlich wie die Unterscheidung zwischen Motivierten und weniger Motivierten ebenso zu einer Spaltung der Belegschaft führen. Den einen machen Krisen offensichtlich wenig aus. Wer jedoch sehr sensibel ist, kann durchaus zu einem labilen Mitarbeiter werden. Und mitunter leidet unter der psychischen Belastung auch die Leistungskraft. Deshalb ist es für Führungskräfte aktuell enorm wichtig zwischen nicht können und nicht wollen zu unterscheiden. Denn nicht jeder, der aktuell weniger Leistung bringt, ist unmotiviert. Viele sind derzeit einfach „nur“ überlastet und würden in stabilen Verhältnissen eine stabile Performance hinlegen.
3. Der Wertewandel in unserer Gesellschaft
Und schließlich ist auch ein Wertewandel in unserer Gesellschaft zu beobachten. Angestoßen von der Generation Z beschäftigen wir uns u.a. mit Themen wie einer 4-Tage-Woche. Die Liste der Beschwerden über die leistungsfeindlichen jungen Menschen ist lang:
Punkt 17.00 Uhr wird der Stift fallen gelassen.
Keine*r will mehr Verantwortung übernehmen.
Führung ist out.
Und was ist eigentlich mit dieser ominösen Extrameile passiert?
Aber sind junge Menschen heutzutage tatsächlich unmotivierter als in früheren Zeiten? Und wenn ja, haben sie nicht auch recht damit?
Andere Frage: Besteht Motivation darin, sein Privatleben zu vernachlässigen, Arbeit mit nach Hause zu nehmen, sich bis zum Burnout aufzuarbeiten und gerne auch nach Dienstschluss noch am Schreibtisch zu sitzen?
Was ist so schlimm daran, wenn ein Azubi sagt: Ich brauche feste Arbeitszeiten, weil ich heute Abend noch was vorhabe?
Ich persönlich hatte schon eine ganze Menge Trainings mit jungen Studierenden und bin eher selten auf wirklich unmotivierte Menschen gestoßen. Die meisten von ihnen waren durchaus sehr leistungsorientiert. Allerdings nicht um jeden Preis. Auch hier sollten wir das Thema Motivation nicht vorschnell an alten Maßstäben, bspw. der Uhrzeit, messen. Ein wesentlich passenderer Maßstab ist die Sinnhaftigkeit einer Tätigkeit. Wer den Sinn einer Arbeit versteht, ist meist auch motiviert, egal ob alt oder jung.
Das Fazit
Das Thema ist zurück, weil wir aktuell in zwei Welten leben. Gedanklich befinden sich viele Unternehmen noch in einer alten Welt mit alten Maßstäben zur Einordnung, wann jemand motiviert ist und wann nicht. Die reale Welt ist jedoch von Mitarbeiter*innen geprägt, die sich nicht mehr bedingungslos aufarbeiten wollen, die sich aufgrund des Personalmangels ihrer neuen Macht bewusst sind oder die von den aktuellen Dauerkrisen überfordert sind.
Führungskräfte kommen daher nicht umhin, ihre eigene Führung immer wieder neu zu reflektieren und sich Gedanken über Mitarbeitermotivation und -zufriedenheit zu machen. Ein guter Ansatz dazu sind die Führungsprinzipien und -haltungen einer positiven Führung, u.a. indem eine positive Atmosphäre der Wertschätzung und des Respekts gefördert, der Arbeit einen Sinn verliehen wird und Mitarbeiter*innen entsprechend ihrer Stärken eingesetzt werden.
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