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Umgang mit Stress und Corona-Burnout

2021. Was für ein Jahr? Wer hätte das gedacht? Nachdem 2020 bereits mehr als herausfordernd war. Für mich persönlich ist es schon das 3. Ausnahme-Jahr in Folge. 2019 hatte ich massive Zahnprobleme. Nichts Ungewöhnliches mit Ende 40. Hätte dennoch nicht sein müssen. Wenigstens mussten damals bei meinem Zahnarzt Spezialisten aus der Schweiz eingeflogen werden. Auch darauf hätte ich verzichten können. Egal. Als 2019 vorbei war, dachte ich mir: 2019 klingt ohnehin nicht nach einem Top-Jahr. Aber 2020 wird alles besser. Neues Gebiss, neuer Biss.

Was dann kam wissen wir. 2021 wurde zumindest ein wenig besser. Oder auch nicht. Vielleicht haben wir uns lediglich daran gewöhnt, dass kurzzeitig wieder einiges möglich ist, gerade in freiberuflichen Branchen. Doch schon im Sommer war klar: So locker wie wir das gewohnt sind, ist das nicht wirklich.

Und jetzt? Wer auf Expertenmeinungen hofft, könnte auch von 2022 enttäuscht werden. Nichts genaues weiß man nicht. Wenigstens können wir darauf achten, wie es uns geht. Uns und unseren Familien, unseren Freunden und Kolleg:innen.

Der Stress erscheint jedenfalls enorm. 2021 war ich beinahe ausschließlich mit zwei Themen unterwegs: Achtsamkeit und Konfliktmanagement. Auf sich selbst zu achten (gerade im Homeoffice), um keinen Corona-Burnout zu bekommen und auf andere zu achten, um Freundschaften nicht zu verlieren, insbesondere wenn diese andere Meinungen vertreten oder sich in Distanz befinden.

Vor zwei Wochen ging ein 5-wöchiges Achtsamkeitstraining für Angestellte der Universität Dresden zu Ende. Online. In kleinen Dosen. Mit Reflexionen und MP3s zwischen den Treffen. Ein Trainingsmodell mit Zukunft. Ein Modell, das sich in der Form ohne Corona nicht so schnell etabliert hätte. Dafür kann ich dankbar sein.

Letzte Woche hatte ich das letzte Konfliktmanagementtraining für Führungskräfte für dieses Jahr. Auch hier spielen Corona-Themen natürlich eine Rolle. Mit unterschiedlichen Meinungen zu Corona und den Maßnahmen umzugehen erscheint mir derzeit eine der größten Herausforderungen für Führungskräfte. Um Konflikte soll es hier nicht weiter gehen. Dazu hab ich an anderer Stelle mehr geschrieben. Doch auch Konflikte führen zu Stress. Darum soll es hier gehen.

Die eigene Lebensbalance erhalten

Das Jahr endet. Aber der Stress geht weiter. Umso wichtiger ist es, sich seine eigene Lebensbalance zu erhalten, um etwas zu verhindern, das ich Corona-Burnout nenne: Du drehst dich im Kreis, weißt zwar nicht genau, ob es sinnvoll ist, was du tust, aber machst dennoch weiter. Muss ja.

Auf bookboon gibt es einige Hörbücher von mir zu Themen wie Achtsamkeit, Umgang mit Stress oder Zeitmanagement im Homeoffice. 2020 und 2021 entstanden für meinen dänischen Verlag beinahe 200 Experttalks zwischen 8 und 30 Minuten. Der Zugang zu bookboon (derzeit 6,99 € pro Monat) lohnt sich schon beinahe wegen meiner eigenen, kleinen Bibliothek. Eigenlob Ende.

Als Appetithappen (und als Belohnung bis hierhin durchgelesen zu haben) finden Sie hier zwei exklusive Experttalks:

  1. Reflexionen über eine gelingende Work Life Balance: Ideal zum Abschluss des alten oder Beginn des neuen Jahres. Wer es lieber schriftlich haben möchte: Reflexionsfragen zur Lebensbalance
  2. Rhythmen im Homeoffice: Im Homeoffice sind wir weniger abhängig von sozialen Rhythmen wie der Mittagspause oder dem Gang zum Kaffeeautomaten. Dies bietet die Chance, sich stärker an eigenen biologischen Rhythmen wie Müdigkeit oder Bewegungsdrang zu orientieren, was allerdings ein gutes eigenes Selbstmanagement voraussetzt.

Viel Spaß damit und einen guten Start ins neue Jahr.

Mediation und Konfliktmanagement in Zeiten von Corona

Wie können Teams bei unterschiedlichen Meinungen trotzdem zusammen arbeiten?

Seit der 3G-Regel in Unternehmen häufen sich die Hinweise auf ein hohes Konfliktpotential in der Arbeit. Sind jedoch Konfliktgespräche zum Thema Corona, wenn es um Abstandsregeln, Masken und insbesondere um Impf- oder Testverweigerungen geht, überhaupt möglich?

Grundsätze einer Mediation und eines Konfliktgesprächs

Bevor ich aus Mediationssicht eine Antwort auf diese Frage gebe, sollten wir einen Blick auf die Ziele eines Konfliktgesprächs richten. Ich fokussiere mich dabei auf drei Punkte:

  1. Offenheit: Ein Konfliktgespräch sollte – wie grundsätzlich jedes Gespräch – ergebnisoffen sein. Natürlich kommt am Ende jeden Gesprächs ein Ergebnis heraus, mit dem die beteiligten Parteien leben müssen. So kann es dazu führen, dass Mitarbeiter*innen nicht bereit sind
  2. Verstehen: In der Mediation gilt der Grundsatz einer Allparteilichkeit. Allparteilichkeit bedeutet, Personen aus ihrem Kontext heraus zu verstehen. Ich selbst würde vermutlich anders handeln. Ich kann jedoch zumindest zu versuchen, die Beweggründe einer Person aufgrund ihrer biografischen Erfahrungen zu verstehen.
  3. Einigung: Eine Einigung ist erst möglich, wenn ein gegenseitiges Verstehen stattfindet. Die Lösungen nach einer Phase des gegenseitigen Verstehens sind oftmals überraschend. Meist geht es auch wesentlich schneller als erwartet.

Konfliktlösungen mit Mitarbeiter*innen zu Corona-Themen

Wenn wir uns diese Grundbedingungen ansehen, wird deutlich, dass es schwierig bis unmöglich erscheint, Konfliktlösungen zu Corona-Themen gemeinsam zu erarbeiten im Sinne einer Win-Win-Situation. Stattdessen dominieren sowohl medial als auch politisch erwünschte oder unerwünschte Bilder von der einen und von der anderen Seite der Konfliktparteien. Bekanntermaßen geht dies nicht nur in eine moralische Richtung, sondern auch eine juristische. Es geht hier strukturell betrachtet also nicht nur um Meinungsverschiedenheiten, über die moralisch unterschiedlich geurteilt werden könnte, sondern v.a. um rechtliche Vorgaben. Tragfähige Lösungen im Sinne eines Aufeinanderzubewegens zweier oder mehrerer Parteien sind daher nicht möglich. Und damit rücken auch Heilungen und Einigungen in weite Ferne.

Konfliktverschiebungen

Wenn Konfliktlösungen nicht möglich, aber die Meinungsverschiedenheiten dennoch vorhanden sind, was passiert dann mit dem Frust der Kontrahent*innen?

Zum einen finden Konfliktverschiebungen statt. Schauen wir uns solche Verschiebungen an einem typischen Beispiel aus meiner Mediationspraxis an: Ein Mitarbeiter kann oder will sich nicht impfen lassen. Er weiß, dass er sich dann vor Ort täglich testen lassen muss. Seine Arbeit erlaubt es, aus dem Homeoffice zu arbeiten. Da er jedoch der einzige im Team ist, empfinden dies die anderen Kolleg*innen als ungerecht, weil er viele Aufgaben aufgrund der Ferne nicht mitbekommt. Warum also verweigert er die Testungen?

Auch wenn die genauen Umstände im Einzelfall vielleicht bekannt sind, erlebe ich es in meiner Praxis auch bei anderen Themen sehr häufig, dass Führungskräfte eher zu wenig als zu viel von den Hinter- und Beweggründen ihrer Mitarbeiter*innen wissen. Daher plädiere ich grundsätzlich erst einmal für die Offenheit und Neugier des Wissenwollens. Ich muss nicht gut finden, warum mein*e Mitarbeiter*innen dies oder jenes tun. Interesse dafür sollte ich jedoch mitbringen.

Was könnte sich nun hinter unserem Beispiel verbergen:

  • Wohlwollend formuliert könnte es sein, dass er sich unwohl fühlt in einem Team, in dem er der einzige Ungeimpfte ist und sich erklären muss.
  • Eventuell kann er sich aufgrund einer schwerwiegenden Krankheit nicht impfen lassen. Gleichzeitig ist es ihm unangenehm darüber zu sprechen.
  • Es könnte auch sein, dass er die aktuelle Situation als ungerecht empfindet und die einzige Macht nutzt, die ihm bleibt: Der stoische Ungehorsam bzw. die Verweigerung des Testens. Eine Nichthandlung als Machtdemonstration.

Mir geht es hier nicht um logisch nachvollziehbare Hintergründe, sondern darum, was in den Menschen emotional vorgeht, welche Bedürfnisse sie haben und welche Wege sie bewusst oder unbewusst einschlagen, um ihren Bedürfnissen gerecht zu werden.

Interessanterweise stieg die Krankenquote zu Beginn der 3G-Regelung für Unternehmen bei den Berliner Verkehrsbetrieben stark an, sodass sogar S-Bahnen ausfielen. Auch Krankheit – simuliert oder entwickelt – ist eine typische Verschiebung von ungeklärten Konflikten auf die Körperebene.

Weitere typische Aggressionsverschiebungen sind:

  • Innere Kündigung
  • Passive Aggressionen: Die Menschen sind dann oberflächlich überfreundlich und beschwichtigend. Unter der Oberfläche werden jedoch Aktionen sabotiert, Termine verschleppt oder Gerüchte in Umlauf gebracht.
  • Auf einer aktiven Ebene wird genörgelt, gegrantelt oder es kommt sogar zum Mobbing.

Filterblasenbildung

Egal in welcher Situation: Jeder Mensch hat Bedürfnisse nach körperlicher oder finanzieller Sicherheit, sozialer Anerkennung und Wertschätzung. Jeder Mensch sucht nach einem Platz in der Welt und möchte ernst genommen werden. Nur die Wege, wie wir Menschen dies erreichen wollen, sind unterschiedlich. Gibt es keine Möglichkeit, seine Bedürfnisse zu befriedigen, werden Notfallpläne aktiviert. Die bedrohten Menschen gehen in Gegenwehr, wie wir dies von Nörglern oder Blockierern kennen, stellen sich tot und hoffen, dass es nicht so schlimm wird oder flüchten. Das Homeoffice in unserem Beispiel ist in diesem Sinne eine Art Flucht als mehr oder weniger aggressive Notwehr – zumindest aus Sicht der agierenden Person.

Gleichzeitig sind die Bedürfnisse immer noch unbefriedigt, was häufig zu einer starken Fokussierung auf Gleichgesinnte führt. Die Person wird sich – außer sie ist ein radikaler Einzelgänger – ähnlich denkende Menschen suchen und sich mit diesen im realen oder virtuellen Leben austauschen. Dadurch wird sie jedoch immer mehr in ihrem Denken bestätigt. Die Angst vor einer Impfung wird also größer. Die Wut auf die Andersdenkenden und die Bestätigung im Recht zu sein ebenso.

Währenddessen passiert im Unternehmen genau dasselbe. Die vor Ort verbleibenden Mitarbeiter*innen befinden sich ebenso in einer Filterblase und bestätigen sich gegenseitig in ihren Sichtweisen gegen dem fehlenden Mitarbeiter.

Wir haben es also mit einem klassischen Konflikt mit Gruppenbildung auf einer mindestens mittleren Eskalationsstufe zu tun, der sich jedoch wie dargestellt nicht so leicht läsen lässt.

Lösungsansätze

  1. Verstehen statt Lösungen: Für Führungskräfte oder Mediatoren kann es keine Lösung im Sinne einer Win-Win-Situation geben, wie dies normalerweise angestrebt wird. Es kann höchstens ein Verstehen der jeweiligen Positionen geben, sofern dies erwünscht ist. Für das Verstehen muss deutlich signalisiert werden, dass es eine gleichzeitige rechtliche Handlungsbindung gibt.
  2. Emotionen statt Meinungen: Eine Möglichkeit der Annäherung sind Emotionen. Die Meinungen sind mittlerweile sehr verhärtet. Interessanterweise sind die Emotionen aller Parteien jedoch ähnlich. Auf der einen Seite ist da die Wut auf die Gegenpartei. Auf der anderen Seite aber auch eine verbindende Angst. Die eine Partei hat Angst vor Ansteckungen. Die andere Partei hat Angst vor einem neuartigen Impfstoff. Auch wenn die Meinungen unterschiedlich sind, über die gegenseitige Akzeptanz der Emotionen könnte eine Annäherung stattfinden.
  3. Lösungen auf Zeit: Wie im genannten Beispiel kann eine Lösung auf Zeit vereinbart werden, bspw. bis ein Totimpfstoff vorhanden ist, es zu neuen Regeln oder Gesetzen, zu einer allgemeinen Impfpflicht kommt oder die Regeln wieder gelockert werden. Bis dahin ist es wichtig, jenseits von Ressentiments und Vorurteilen möglichst reibungsfrei zusammen zu arbeiten. Die Ansage an alle Parteien müsste lauten: Wir haben kein Verständnis füreinander und respektieren uns dennoch. Dies ist nur auf der Basis gemeinsamer Ziele möglich. So sollte es allen wichtig sein, einen guten Job zu machen und respektvoll miteinander umzugehen. Das gemeinsame Ziel sollte eine sachliche Kooperation sein, anstatt sich in Nebenkriegsschauplätzen wie Blockaden oder Mobbing zu verirren.
  4. Bindungsarbeit jenseits einer Lösung: Eine Führungskraft könnte beispielsweise den direkten Kontakt zu diesem Mitarbeiter per Telefon suchen und sich regelmäßig erkunden, wie es ihm geht. Es kann in diesen Gesprächen wie gesagt nicht um eine Lösung des Problems oder Konflikts handeln, sondern lediglich um die Aufrechterhaltung der Bindung über die Zeit hinweg. Deshalb ist es sinnvoll, dieses Thema ruhen zu lassen und sich stattdessen produktiveren Themen zu widmen. In der Hoffnung, dass eines Tages wieder eine echte Annäherung stattfinden kann.
  5. Die Führungskraft als Shuttle-Mediator: Da beide Parteien in ihren Filterblasen stetig bestätigt werden, könnte eine Führungskraft es als ihre Aufgabe verstehen, zwischen diesen Parteien zu vermitteln. Auch hier kann es aufgrund der aktuell rechtlichen Situation nicht darum gehen, eine Vermittlung anzustreben, sondern lediglich das Verstehen füreinander zu fördern. Die Führungskraft muss folglich zwischen der rechtlichen Ebene und der Verstehens-Ebene unterscheiden. Dies funktioniert ähnlich bei einer Frau, die jahrelang von ihrem Mann missbraucht wurde und diesen schließlich im Schlaf erschlug. Versetze ich mich in das Leben der Frau, kann ich dies nachvollziehen. Rein rechtlich ist sie dennoch des Mordes schuldig, da sie auch anders hätte handeln können, beispielsweise flüchten.
  6. Fragen statt Statements: Daran knüpft nahtlos die Arbeit mit Fragen an. Dominiert in der gegenseitigen eher eine vorwurfsvolle oder eine fragende Haltung. Als Führungskraft könnten Sie konkret die Fragen ihrer Mitarbeiter*innen sammeln und diese der jeweils anderen Seite zum nachdenken vermitteln. Dabei sind alle Fragen bis auf die Warum-Frage erlaubt, bspw: Was macht der Kollege den ganzen Tag? Ist er manchmal früher fertig? Wie oft macht er Pausen? All diese Fragen bzw. deren Beantwortung könnten dazu führen, wieder Vertrauen zueinander zu fassen.
  7. Denken in Alternativen: All das steht und fällt mit der Frage nach der Sinnhaftigkeit des eigenen Einsatzes. Will ich wirklich verstehen, was meinen Mitarbeiter bewegt? Will ich das Risiko eingehen, eventuell selbst unter Beschuss zu geraten, wenn ich dessen Beweggründe verstehen will? Will ich Bindungsarbeit leisten? Will ich zwischen den Parteien vermitteln? Wenn nein, wie lautet die Alternative? Ist Kündigung eine reale Option? Oder gibt es die Möglichkeit, dass nur ich als Führungskraft und nicht das Team mit dem Mitarbeiter zu tun habe? Eventuell bekommt er auch nur solche Aufgaben, für die es keinen Austausch mit dem restlichen Team braucht.

Wer kümmert sich eigentlich um die Führungskräfte in Krisenzeiten?

Gestern hatte ich ein Coaching-Gespräch mit zwei Geschäftsführer:innen aus einem kleinen, mittelständischen Unternehmen, für die ich schon länger als Coach und Mediator arbeite. Vor dem Termin fragte ich, ob ich mich vorbereiten soll. Die Antwort lautete: Nein.

Also unterhielten wir uns eineinhalb Stunden über alle Baustellen, die aktuell vorhanden sind. Die Überlastung mancher Mitarbeiter:innen hat sich durch Corona und die Maßnahmen dramatisch gesteigert. Mitarbeiter:innen sehen sich kaum noch. Konflikte verschieben sich oder spitzen sich zu. Manche Mitarbeiter:innen sind im Homeoffice überfordert. Eine Studie (externer Link) der Friedrich-Mohn-Stiftung ergab, dass v.a. junge Führungskräfte unter der Distanz leiden. Eventuell, weil sie noch mitten in ihrer Work-Life-Balance stecken, mit Kind und Familie. Manche Mitarbeiter:innen drohen mit Kündigung in einem Bereich, in dem ein eklatanter Fachkräftemangel herrscht. Andere sind dauerhaft in Quarantäne und müssen ersetzt werden.

Kurzum: Bei so vielen Baustellen weiß man nicht, wo man anfangen soll. Der derzeit ganze normale Corona-Wahnsinn?

Wie lautete nun die Erwartung an mich als Coach?

Wie gesagt: Wir unterhielten uns. Ich gab ein paar Rückmeldungen. Wir setzten Prioritäten zwischen wichtig und dringend. Dachten über verschiedene Zukunftsszenarien nach und kamen auf kleine Lösungen. Der große Wurf war nicht dabei. Das Ganze ist ein Prozess und ein großer Wurf wäre weder möglich noch in Anbetracht der Schwere der Probleme respektvoll gewesen.

Am Ende stellte ich ein paar Fragen zur Selbstfürsorge: Was tun Sie bei all dem Stress für sich? Worauf können Sie vertrauen? Was gibt Ihnen Stabilität und Halt?

Vielleicht sind das die wichtigsten Fragen an Führungskräfte in Krisenzeiten: Was können Sie für sich tun? Denn um alle anderen kümmern sich Führungskräfte, sofern sie ihren Job ernst nehmen. Nur nicht um sich selbst. Wenn jedoch der Kopf fällt, fällt auch alles andere.

Themenfokussiertes Coaching in Krisenzeiten

Der Bedarf an Unterstützung in Krisenzeiten ist enorm. Dies legen aktuelle Zahlen von Online-Bildungsanbietern wie bspw. Udemy nahe. Gleichzeitig erlauben Krisen kaum, ein Seminar zum Thema Stressmanagement oder Führung in Krisenzeiten zu besuchen. Fachausbildungen gehen weiter. Softskilltrainings jedoch nicht. Zudem berichten Mitarbeiter zwar von einem erhöhten Stresslevel durch die Arbeit im Homeoffice. Wünschen sich jedoch lieber einen Algorithmus als wertneutralen Berater als ihre eigene Führungskraft als Seelsorger. Aus meiner Erfahrung als Führungstrainer wird mir die Rolle als Seelsorger nicht selten von Teamleitungen berichtet. Das ist also nichts neues. Dennoch, noch dazu auf Distanz, in der Krise offensichtlich schwer umzusetzen.

Es gibt folglich einen enormen Bedarf an neutraler Unterstützung, bei einer gleichzeitig kaum vorhandenen Zeit und Energie. Wenn wir davon ausgehen, dass Beratungsalgorithmen noch nicht soweit sind, dass sie wirklich flexibel auf die Sorgen der Mitarbeiter eingehen können, sollten sich Trainer und Coaches etwas einfallen lassen, um dem gerecht zu werden:

  1. Der Faktor Zeit: Führungscoachings dauern in der Regel 1-1,5 Stunden. Soviel Zeit ist aktuell nicht vorhanden. Es braucht folglich kürzere Einheiten.
  2. Inhalte: Coachings dienen normalerweise sowohl der Lösung von Problemen, als auch der Weiterentwicklung der Klient:innen. Aktuell kann es nur um die Lösung von Problemen gehen. Dazu wäre es wichtig (siehe den Faktor Zeit), bereits klare Themen im Portfolio zu präsentieren: Geht es um:
  • die Durchführung virtueller Mitarbeitergespräche und Meetings,
  • die Fallstricke einer virtuellen Kommunikation,
  • die Vermittlung von Hiobsbotschaften,
  • wertschätzende Kündigungen,
  • schnelle, agile Reaktionen in der Krise,
  • die Motivation der Mitarbeiter:innen über Durststrecken hinweg,
  • die Erhaltung des Teamgeistes in der Krise,
  • das Selbstmanagement und die Resilienz der Mitarbeiter:innen im Homeoffice
  • oder den Umgang mit Sorgen und Ängsten bei sich selbst und den Mitarbeiter:innen.

Solche Vorstrukturierungen fördern einen schnellen Einstieg in das Coaching.

  1. Distanz: Ein Coaching auf Distanz war früher undenkbar. Heute ist es möglich, auch per Video genügend Nähe herzustellen, um Probleme intensiv zu besprechen. Mehr noch: Die Distanz ermöglicht es manchen Menschen sogar freier zu sprechen als vor Ort. Diese Mischung aus Nähe und Distanz kommt einem themenfokussierten Coaching zusätzlich entgegen.

Rufen Sie mich an oder mailen mir, wenn Sie Bedarf an einem themenfokussierten Coaching haben. Gerne schicke ich Ihnen vorab ein 20-25 minütiges Audiobook zu Ihrem spezifischen Krisenthema zu. Im Anschluss klären wir kurz und knapp, wie Sie persönlich am besten die aktuellen Herausforderungen meistern.

Persönliche Transformationsprozesse in Krisenzeiten

In Krisenzeiten werden wir gezwungen uns mit einer drastischen Veränderung sowie unserem Umgang damit auseinander zu setzen. In der Regel reagieren wir auf die Veränderung aus einem ersten Impuls heraus. Manche spüren automatisch den Impuls des Widerstands. Andere würden am liebsten den Kopf in den Sand stecken, bis alles vorbei ist. Wieder andere haben Vertrauen in diejenigen, die für uns die wichtigen Entscheidungen treffen. Und eine vierte Gruppe versucht sich kritisch mit dem Thema der Veränderung auseinanderzusetzen. Dieser erste Impuls hilft uns dabei handlungsfähig zu bleiben. Für einen tieferen persönlichen Transformationsprozess ist es jedoch sinnvoll, sich intensiver damit auseinander zu setzen, was uns wirklich bewegt, was wir verändern und was wir dafür tun wollen.

Zur persönlichen Reflexion können Sie entweder einzelne Spalten oder die Zeilen dieser Heuristik durchgehen. Ein Springen zwischen Spalten und Zeilen führt aus meiner Erfahrung zu den erhellendsten Erkenntnissen.

Ausgehend von den vier impulsiven Reaktionsmöglichkeiten stellen sich im 1. Transformationsschritt des Abstands die Fragen, wogegen ich rebelliere, worauf ich mich bei mir selbst konzentrieren will und was das Ziel einer Auseinandersetzung mit mir selbst ist, auf wen oder was ich vertraue und mit welchen Themen ich mich kritisch weiter und tiefer auseinandersetzen möchte.

Im 2. Transformationsschritt geht es um die Neugier. Eine tiefere Auseinandersetzung mit meinem Gegen-Über könnte dazu führen, dass ich mir bewusst werde, was an meinem Ärger interessant ist, was ich selbst für ein Mensch bin und welche Rolle ich in meinem Umfeld spiele, woher mein Vertrauen kommt und um welche Themen es in der Veränderung zusätzlich oder wirklich geht. In der Corona-Krise geht es beispielsweise nicht nur um die Krankheit, sondern auch um Debatten zur Gleichbehandlung, Teilhabe, Diskussionskultur, Freiheit, Umweltproblematik, Überwachung, Rolle der Medien, zum Präventivstaat, Umgang mit dem Tod, usw. Demonstrationen gegen die Anti-Corona-Maßnahmen sind deshalb so schwer zu (be-)greifen, weil in ihnen all diese tiefer liegenden Themen durcheinander auftreten.

Im 3. Transformationsschritt schließlich geht es um die Handlungen. Wogegen will ich konkret aufbegehren? Was will ich an mir verändern? Wie kann ich wieder Vertrauen zu anderen fassen? Was sollte ich dafür tun? Und was kann ich tun, um die Welt so mit zu gestalten, wie ich es für wünschenswert erachte?