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Warum die Möglichkeit zu Partizipation in Unternehmen oft nicht angenommen wird

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Partizipation gehört mittlerweile in vielen Unternehmen zum guten Ton. Dabei entpuppt sich das Projekt „Mehr Beteiligung“ häufig als komplizierter als gedacht. O-Ton einer Führungskraft aus einem Vortrag zum Thema Agiles Führen: „Die wollen gar nicht.“

Wie kann das sein? Sollten Mitarbeiter*innen nicht dankbar sein, mitreden zu dürfen? Und hatten sie nicht genau das jahrzehntelang eingefordert?

Es ist wie meist etwas schwieriger als es oberflächlich erscheint. Ja, das Motiv der Gestaltung oder besser Mit-Gestaltung ist in uns Menschen angelegt. Doch das Thema hat eine Geschichte: Wer jahrelang wollte, aber nicht durfte, will eines Tages nicht mehr, wenn er soll. Denn oft geht es gar nicht mehr um ein Endlich-Dürfen, sondern um ein Sollen oder Müssen. Und damit sind wir bei einem systemischen Problem angelangt, das Führungskräfte alleine nicht lösen können, jedoch verstehen sollten: Wenn Arbeit nur noch funktioniert, wenn Mitarbeiter*innen Dinge erledigen, die ursprünglich nicht in ihrem Bereich lagen, ist Partizipation eben nicht mehr freiwillig und stößt entsprechend schnell auf Widerwillen. Ein prominentes Beispiel sind Putzkräfte, die ihre Putzmittel selber besorgen „dürfen“ und sich das Unternehmen wundert, dass sie darüber nicht begeistert sind.

Nehmen wir zur Vertiefung ein Team aus 10 Personen, dessen typische Struktur aus einer Teamleitung und 9 Mitarbeiter*innen besteht. Die Teamleitung wiederum kann nicht zu 100% Aufgaben als Teamleitung übernehmen. Zum einen muss sie idR. auch Fachaufgaben übernehmen. Zum anderen ist sie mal krank oder geht in Urlaub. Rein faktisch ist das restliche Team also entweder zeitweilig führungslos, was für ein gutes Team kein Problem darstellen sollte. Oder es braucht eine Vertretung, eine stellvertretende Führungskraft bzw. ganz allgemein andere Teammitglieder, die zum Teil Führungsaufgaben erledigen.

Zweiteres wollen jedoch viele Mitarbeiter*innen nicht übernehmen. Die typische Gegenfrage lautet: „Bekomme ich dafür mehr Geld?“ Ungeachtet der Tatsache, dass dafür meist kein Geld zur Verfügung steht, reagieren viele Führungskräfte auf diese Frage empört, als wäre mehr Verantwortung bereits Belohnung genug. Doch wie unverschämt ist die Nachfrage wirklich?

Systemisch betrachtet schaut es doch so aus: Hätte die Teamleitung weniger Fachaufgaben zu erledigen, bräuchte sie keine Stellvertreter*innen. Zudem hat eine Teamleitung idR. tatsächlich nicht nur mehr Verantwortung, sondern bekommt auch mehr Geld. Ist die Frage nach einer höheren Entlohnung als universelles Zeichen der Anerkennung da so verwunderlich?

Was könnte es stattdessen geben, wenn schon kein Geld vorhanden ist? In meinen Seminaren sitzen regelmäßig stellvertretende Führungskräfte. Für diese Menschen ist Weiterbildung inklusive ein wenig Auszeit und gutem Essen auf jeden Fall eine Anerkennung ihrer Leistung. Wir dürfen nicht vergessen: Es geht immer um das symbolische Gesamtpaket. Auch andere Seminare können eine positive Wirkung haben, sollten jedoch eine logische Verbindung zur Tätigkeit haben. Auch der Ausblick auf einen späteren Aufstieg kann ein Anreiz sein, wenn dieser realistisch ist. Oder aber, es werden Teamvents oder Teamentwicklungs-Workshops für alle angeboten. Überhaupt ist die Belohnung des gesamten Teams für die Bindung sinnvoller als individuelle Angebote. Dies passiert relativ selten, wird jedoch aus meiner Erfahrung extrem dankbar angenommen. Auch Trainer-Sicht halte ich es jedoch für extrem wichtig, den Austausch- und Spaß-Faktor hier nicht zu kurz kommen zu lassen.

Wer sich dergestalt um die Bindung seiner Mitarbeiter*innen zu sich als auch untereinander kümmert, wird mit Sicherheit die Frage nach einer höheren Entlohnung bei Mehrarbeit wesentlich seltener zu hören bekommen.

Machen uns Werte glücklich?

Derzeit stelle ich mir immer mal wieder die Frage, warum viele Menschen so gestresst sind. Sicherlich: Die Arbeitsbelastung ist hoch. Aber vielleicht liegt es auch an einer Welt, in der alles möglich erscheint und gleichzeitig viele nicht so recht wissen, wo es eigentlich in ihrem Leben hingehen soll. Mehr noch: Wohin driftet die Welt? Wer in den Medienwald blickt, stößt allerorten auf Unzufriedenheit und Ratlosigkeit: Die Regierung ist (mal wieder) die Schlimmste, die wir jemals hatten. Der Krieg in der Ukraine ist omnipräsent. Und das Klima ist ohnehin nicht mehr zu retten. Bald sind wir alle tot, könnte man meinen. Also flüchten wir uns in einen Hedonismus, der uns lediglich ablenkt, jedoch keine neue, positive Energie bringt. An dieser Stelle könnte uns eine klarere Ausrichtung an Werten helfen.

Lust- versus Werteorientierung

In einer Studie von Todd Kashdan u.a. wurde der Einfluss von Werten auf unsere Zufriedenheit untersucht. Dazu sollten Teilnehmer*innen ein Tagebuch führen, in denen sie ihre täglichen Aktivitäten verschriftlichten. Kashdan untersuchte daraufhin, ob es sich dabei um hedonistische (lustorientierte) oder eudämonische (werteorientierte) Tätigkeiten handelte. Eine hedonistische Tätigkeit wäre beispielsweise Essen gehen, eine eudämonische ein Fest für Freunde organisieren. Gleichzeitig sollten die Teilnehmer*innen ein tägliches Fazit ihrer Zufriedenheit ziehen.

Das Ergebnis war eindeutig: Wer mehr Tätigkeiten nachgeht, die auf persönlichen Werten beruhen, ist glücklicher als Menschen, die lediglich ihrer momentanen Lust folgen.

Der Wertekompass

In diesem Sinne sind Werte wie ein Kompass, der uns über schwierige Situationen hinaus eine Orientierung im Leben bietet. Gegenüber konkreten Zielen leitet uns ein Kompass lediglich in die richtige Richtung. Auf dem Weg zum Ziel kann jedoch so viel passieren, dass sich das vermeintliche Ziel verändert. Damit verhindern wir den tiefen Fall in ein emotionales Loch nach Erreichen eines Ziels, weil wir auf der Basis unserer Werte immerwährend neue Ziele entwickeln können. Wer einmal im Jahr ein großes Fest für Freund*innen und Bekannte organisiert, um ihnen für ihre Freundschaft zu danken und gemeinsam eine verbindende Zeit zu verbringen, weiß genau, dass er dies nächstes Jahr wieder machen wird.

Wie also könnten solche Werte in unserem Kompass aussehen – in der Mindmap bezogen auf Arbeit und Zusammenarbeit?

  • Wir könnten uns an Gesundheit orientieren, um auch in Zukunft fit und leistungsfähig zu sein. Dies impliziert einen achtsamen Umgang mit sich und anderen.
  • Wir könnten als Maxime unserer Arbeit aufstellen, die Welt mit unseren Produkten und Dienstleistungen ein klein wenig schöner zu machen, beispielsweise indem wir auf hochwertige und langlebige Materialien achten.
  • Wir könnten die Leistungen unserer Mitarbeiter*innen anerkennen und öffentlich ehren.
  • Wir könnten darauf achten, uns mit Toleranz und Respekt zu begegnen.
  • Es könnte uns wichtig sein, gleiche Karriere-Chancen für alle herzustellen, unabhängig von Herkunft, Geschlecht, etc.
  • In der Abgrenzung zur Gleichheit könnten wir auch wert darauf legen, dass mehr Leistung fairerweise mehr belohnt wird.
  • In puncto Loyalität ist es denkbar, Team- und Unternehmensbelange wieder höher anzusiedeln als Einzelinteressen. Ein Punkt, der in letzter Zeit in meinen Seminaren immer wieder als aktuelles Manko genannt wird.
  • Damit folgt auch die Solidarität auf den Fuß, indem wir uns auf die Fahnen schreiben, uns insbesondere in Krisenzeiten gegenseitig zu unterstützen, anstatt dass jede*r nur an sich selbst denkt.
  • Dazu braucht es auch die Ehrlichkeit und Offenheit, Fehler und Schwächen anzusprechen, um angemessen damit umzugehen.
  • Und schließlich braucht es die Freiheit, in unklaren Situationen Entscheidungen zu treffen, deren Folgen sich noch nicht abschätzen lassen, ohne im Nachhinein auf vermeintlichen Fehlentscheidungen herumzureiten.

Die konkrete Umsetzung mit Werten

Viele Unternehmen geben mittlerweile Wertekataloge im Rahmen von Führungsleitlinien vor. Das ist zwar einerseits gut und richtig. Andererseits jedoch oft schwer, im Alltag zu implementieren. Umso wichtiger ist es, sich als Führungskraft selbst Gedanken über seinen eigenen Wertekompass zu machen. Was also ist Ihnen von den oben genannten Werten wichtig? Wie wichtig auf einer Skala von 0-10 sind Ihnen die Werte? Dabei können (und sollen) diese Werte auch sehr gut im Team diskutiert werden.

Zum zweiten stellt sich die Frage nach der konkreten Umsetzung. Was bedeutet es, dass mir die Gesundheit meiner Leute wichtig ist? Will ich in Zukunft als Führungskraft mehr auf eine mögliche Überlastung meiner Mitarbeiter*innen achten? Will ich im Zweifelsfall nachfragen, wie es ihnen geht? Will ich besonders Überlastete nach Hause schicken?

Analog zum Gesundheitsbeispiel lassen sich alle Werte durchgehen und konkretisieren, wobei es häufig ein guter Zwischenschritt ist, sich Fragen zu den Werten zu überlegen bzw. gemeinsam mit dem Team zu erörtern:

  • Was bedeutet für uns Gleichheit und Gerechtigkeit?
  • Wie viel Gleichheit ist sinnvoll und ab wann sollte es gerecht zugehen?
  • Wie viel freie Entscheidungen sind in unserem Bereich möglich und wo liegen die Grenzen, beispielsweise wenn die Konsequenzen einer freien Entscheidung andere zu tragen haben? Usw.

Fakt ist: Werte bieten uns insbesondere in agilen Zeiten eine ideale Orientierung, weil sie zwar einerseits klar definieren, was uns wichtig ist und wo es hingehen soll, andererseits jedoch stets flexibel bleiben und immer wieder angepasst werden können. So kann es in Krisenzeiten oberste Priorität sein, sich gegenseitig zu unterstützen und sich loyal zu seinem Team zu verhalten, während die Ehrung von Leistungen eher hinten an steht. Diese kann in „normalen“ Zeiten wieder wichtiger werden.

Sich seiner selbst bewusst werden

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Wie einfach ist es, sich zu verändern? Diese Frage stellt sich umso mehr, je schneller sich die Welt um uns herum dreht. Ist es dann eher gut, so zu bleiben, wie wir sind – als Fels in der Brandung? Oder wäre es angebracht, sich weiter zu entwickeln?

Auf einer ganz praktischen Ebene stellt sich diese Frage in meinen Führungstrainings, wenn Teilnehmer*innen sagen: “Das klingt ja ganz gut, was Sie da sagen. Aber in der Praxis ist das nicht möglich.” Und eigentlich meinen sie: “So einfach ist das alles nicht. Ich bin nun mal … (eher zupackend, zurückhaltend, usw.).” Oder:”Ich bin eben kein Macher-Typ.”

In persönlichen Veränderungen haben wir es folglich immer mit mindestens zwei Ebenen zu tun:

  1. Wir nehmen etwas wahr, das wir tun könnten, anders machen könnten, usw.
  2. Wir nehmen wahr, was wir wahrnehmen und bewerten das Wahrgenommene.

In unserem Gehirn sitzt also ein kleiner Homunculus, ein kleines Menschlein, das uns beim Wahrnehmen beobachtet und entscheidet, was mit den neuen Informationen anzufangen ist. Diesen kleinen Menschen in uns drin können wir als unser Selbst bezeichnen. Dieses Selbst wiederum ist schwer zu (be)greifen. Wie auch? Besteht es doch aus unseren tiefsten, meist unbewussten Prägungen, die bis weit in unsere Kindheit zurückgehen. In meinen Konfliktmanagement-Seminaren frage ich manchmal zu Beginn ab, in wessen Familien offen diskutiert und gestritten wurde und bei wem nicht. Die Erkenntnisse dieser Mini-Umfrage decken sich meist ziemlich genau mit der Frage, wer eher offen und unerschrocken und wer eher zurückhaltend in Konfliktgespräche geht. Aus solchen und vielen weiteren Erfahrungssituationen unseres Lebens entsteht nach und nach unser Selbst. Unser Selbst könnte mutig, neugierig, (un)geduldig, aufbrausend, ausdauernd, selbstreflexiv, willensstark, aushaltend, gütig, streng, vertrauend, skeptisch, usw. sein.

An dieses Unbewusste kommen wir heran, wenn wir eine Liste zusammen stellen aus Satzanfängen wie:

  • Ich bin eben ein Mensch (Typ), der …
  • Oder: Ich bin nicht ein Mensch (Typ), der …

Diese Satzanfänge lassen sich mit verschiedenen Rollen ausweiten, die wir im Leben einnehmen: Mann, Frau, Kolleg*in, Freund*in, Vater, Mutter, Führungskraft, usw.

Aber Vorsicht! Bei den Rollen vermischt sich die eigene Sicht mit Erwünschtheiten. Deshalb ist es wichtig, klar zwischen der eigenen Sichtweise und fremden Erwartungen zu trennen, um herauszufinden, worin das Eigene besteht.

Was bin ich also für ein Mensch? Was bin ich für eine Führungskraft? Und wie kann ich mich verändern? Dazu möchte ich Ihnen ein Programm aus drei Schritten anbieten:

Schritt 1: Inventur

Als erstes brauchen wir eine Inventur der oft unbewussten inneren Selbstaussagen:

  • Ich könnte ein Mensch sein, der lange Diskussionen nicht aushält.
  • Ich könnte jemand sein, die es meist sehr genau nimmt, auch bei der Vorbereitung eines Sommerfests.
  • Ich könnte ein Mensch sein, der sehr gut und geduldig zuhören kann (oder auch nicht).
  • Ich könnte jemand sein, der sich von der Enttäuschung eines Mitarbeiters leicht mitreißen lässt. Oder, der sich im Gegenteil gut abgrenzen kann.
  • Ich könnte auch sehr kritisch gegenüber Neuerungen sein. Oder stattdessen schnell zu begeistern sein.
  • Es könnte mir leicht (oder schwer) fallen, Entscheidungen durchzuboxen.

Schritt 2: Einordnung des Inventars

Als zweites ist es wichtig, unser Inventar zu sortieren. Folgende Kategorien sind dazu hilfreich:

  1. Ich bin zufrieden. Ich kann so bleiben, weil ich damit Erfolg habe.
  2. Ich bin unzufrieden. Ich sollte mich verändern, weil ich damit keinen Erfolg habe und mir das Leben (oder meine Arbeit) erschwere.
  3. Ich bin selbstzufrieden. Denn insgeheim könnte es sein, dass ich nur zu bequem bin, um mich zu verändern.

Nehmen wir zur Verdeutlichung folgende Aussage: Ich bin nunmal ein Macher-Typ, der bei langen Diskussionen im Team ungeduldig wird und dann ein Machtwort spricht. Ich bin zufrieden. Die Diskussionen bei uns ufern nicht aus. Die Leute respektieren mich als starken Chef-Typen. Es ist jedoch auch so, dass kaum jemand von sich aus zu mir mit Problemen kommt. Zudem entstanden Diskussionen in letzter Zeit oft gar nicht mehr. Die Stimmung im Team ist extrem sachlich und produktiv. Emotionales gehört auch nicht unbedingt in die Arbeit. Dennoch merke ich, dass im Zuge der aktuellen Dauerbelastungen ein anderer Führungsstil (Stichwort: karitativ) manchmal sinnvoll wäre.

Im Grunde ist diese Führungskraft also mit sich zufrieden. Und dennoch ist da ein Funke Unzufriedenheit, der ihr suggeriert, dass sie ein wenig zu selbstzufrieden ist. Sie ist also wortwörtlich mit sich bzw. ihrem Selbst zufrieden. Wenn ich das erkenne, ist es der perfekte Zeitpunkt, an mir zu arbeiten bzw. mein Selbstkonzept zu überdenken.

Schritt 3: Weiterentwicklung

Wie jedoch geht das, das eigene Selbst zu überdenken?

Zuerst einmal ist es wichtig, das eigene Selbst zu wertschätzen: Da ist eine Macherin, ein Empath, ein Mutiger, eine Neugierige, usw. All das ist erst einmal idR. gut und hilfreich. Wir sind jedoch nicht nur ein mutiger Typ, sondern auch ein mutiger Typ. Es geht also um Differenzierung anstatt Ausschluss. Ich bspw. trete als Trainer als Experte auf, höre als Coach und Liebhaber gut zu, treffe als Vater Entscheidungen, v.a. als meine Kinder noch kleiner waren, usw. All das sind Teile meiner selbst. Die Frage ist nur, wann bin ich wer? In welchen Situationen ist welcher Selbst-Anteil von mir sinnvoll? Auch hier spielt wieder die bereits erwähnte Vermischung von Selbstkonzept und Rollen mit hinein.

Zum zweiten stellt sich die etwas kompliziertere Frage, warum mir ein Teil meiner selbst wichtig erscheint. Warum halte ich Diskussionen nicht aus bzw. warum “muss” etwas in mir nach maximal 10 Minuten ein Machtwort sprechen?

Zur tieferen Beschäftigung mit den Hintergründen von meinem Selbst ist die Warum-Methode aus dem japanischen Lean-Management hilfreich. Im Ursprung lautete die Anleitung dazu: Frage dich 5 mal “Warum”, bevor du eine Entscheidung triffst. Analog dazu könnte die Anleitung hier lauten: Frage dich 5 mal Warum, um zu erkennen, wer du wirklich bist und was dir wichtig ist:

  1. Warum halte ich Diskussionen nicht aus?
  • Weil wir sonst nicht mir der Arbeit weiter kommen.
  1. Warum ist es mir wichtig, mit der Arbeit voran zu kommen?
  • Weil es in meiner Verantwortung als Chef liegt.
  1. Warum ist mir Verantwortungsübernahme wichtig?
  • Weil ich dann das Gefühl habe, “alles” im Griff zu haben?
  1. Warum ist es mir wichtig, alles im Griff zu haben?
  • Weil sich das sicherer anfühlt. Ich weiß dann, was als nächstes zu tun ist.
  1. Warum ist es mir wichtig, zu wissen, was als nächstes zu tun ist?
  • Weil ich mich ungern auf Unwegbarkeiten einstelle.

Manchmal braucht es mehr als 5 Runden, manchmal weniger. Fakt ist jedoch: Wir stellen unser Selbst bzw. uns selbst infrage, werfen dadurch ein Licht auf Stellen, die wir ansonsten ungern beleuchten und sind durch diese Bewusstmachung in der Lage, an uns zu arbeiten und uns weiter zu entwickeln. Es geht nun nicht mehr darum, Diskussionen per se laufen zu lassen. Es kann durchaus sinnvoll sein, an der ein oder anderen Stelle ein Machtwort zu sprechen. Es geht vielmehr darum, für sich selbst zu klären, wie ich besser mit Unwegbarkeiten umgehen kann bzw. den daraus resultierenden Kontrollverlust besser aushalte. Bereits diese Selbst-Erkenntnis ist ein erster, essentieller Schritt in Richtung Veränderung.

Techniken zum Training einer Radikalen Akzeptanz

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Seitdem ich das Prinzip der Radikalen Akzeptanz in meine Seminare einbaue, gibt es jedes mal 2-3 Teilnehmer*innen, für die genau das das Highlight des Trainings ist. Schon allein der Begriff ist ein Hinhorcher.

Für welche Situationen eine Radikale Akzeptanz sinnvoll ist und wie ein grundsätzlicher Zugang zur Radikalen Akzeptanz aussieht, habe ich hier beschrieben.

Doch wie genau funktioniert es, Situationen, die ich nicht ändern kann radikal anzunehmen? Dazu gibt es einige Techniken:

Realitäts-Check

Kern der Radikalen Akzeptanz ist die Vergegenwärtigung, dass unsere Gedanken sich von der Realität unterscheiden. Diese banale Tatsache ist bisweilen ein unerheblicher Teil unseres Alltags, erweist sich jedoch – insbesondere bei negativen Affirmationen – als besonders wichtig.

Unser aktuelles Denken weicht sehr häufig von der Realität ab. Wir haben Tagträume, denken an den kommenden Urlaub oder haben eine Idee für das anstehende Projekt. Manchmal hängen wir jedoch auch Glaubenssätzen an, die sich weder jetzt noch später mit der Realität decken werden.

Ergänzen Sie bitte den folgenden Satz: “Ein Indianer kennt keinen …”

Offensichtlich ist es unmöglich, das fehlende Wort nicht zu denken. Dabei wissen wir genau, dass der Satz Blödsinn ist. Und wenn nicht: Was wäre, wenn Sie auf der Straße einen Indianer träfen, der Sie nach einer Schmerztablette fragt? Geben Sie ihm dann eine Tablette und denken gleichzeitig an diesen Satz? Oder sagen Sie ihm: “Ne, ne, ne. Weißte ja selber, dass das nicht stimmen kann.”

Wir Menschen sind schon was Besonderes. Wir sind wohl die einzige Spezies, die gleichzeitig etwas tun und etwas Gegenteiliges denken kann. Oder wir sind uns bewusst, dass das, was wir denken unsinnig ist und denken es trotzdem.

Die Indianer-Szene erscheint uns nicht nur amüsant. Deren Wahrheitsgehalt ließe sich auch mehr oder weniger einfach überprüfen.

Weniger amüsant wird es bei verbaler Selbstgeißelung, wenn wir bspw. nach einer Kündigung zu uns sagen: “Das war ja von Anfang an klar” oder “Du hättest dich mehr reinknien sollen”. Umso wichtiger ist hier ein genauer Realitäts-Check:

  • Was genau war von Anfang an klar?
  • In welchen Momenten hätte ich mich mehr anstrengen sollen?
  • Was hätte das konkret verändert?

Hätte ich tatsächlich etwas verändern können, gilt es, eine Lehre aus der Situation zu ziehen. Wenn nicht, kann ich die Situation nur radikal akzeptieren.

Typische Muster erkennen

Um nicht wieder in seine üblichen Reiz-Reaktionsmuster zu verfallen, ist es hilfreich, sich selbst gut zu beobachten und seine üblichen Muster zu erkennen. Das bereits erwähnte Beispiel der Kündigung könnte als typisches persönliches Muster bei manchen Menschen die Selbstgeißelung nach sich ziehen. Andere werden in einem solchen Fall wütend und anklagend: “Das ist mal wieder typisch für die da oben. Denen ist doch egal, was aus einem einfachen Angestellten wird.”

Solche internen Muster binden jedoch eine Menge Energie und verhindern eine kreative Auseinandersetzung mit der Situation. Auf der Basis einer Radikalen Akzeptanz des Ist-Zustands könnte ich die Situation stattdessen abhaken und meine Energie in Bewerbungen stecken.

Gedanken erkennen und einordnen

Eine Vorstufe der Mustererkennung kann das bloße, wohlwollende Wahrnehmen der eigenen Gedanken sein: “Aha. Da kommt mal wieder dieser Ärger oder diese Selbstzerfleischung.”

Diese Gedanken können zudem kategorisiert werden:

  • Ah, da ist mal wieder eine Prophezeiung.
  • Ich vergleiche mich mal wieder mit meinem Bruder.
  • Ich bewerte mich mal wieder.

Den Mustern einen Krankheitsnamen geben

Ebenso kann es hilfreich sein, den eigenen Mustern einen Namen zu geben, der an Krankheiten erinnert:

  • Beschuldigeritis: Wenn ich den Fehler mal wieder bei allen anderen suche, nur nicht bei mir.
  • Rechthaberitis: Wenn ich mal wieder unbedingt Recht haben muss, anstatt mir die Situation genauer anzusehen.
  • Bewerteritis: Wenn ich mich selbst mit allem, was ich tue, negativ bewerte.
  • Übertreiberitis: Wenn ich mich selbst an Maßstäben messe, denen ich niemals gerecht werden kann.
  • Analyseritis: Wenn ich mich selbst analysiere und mich damit fertig mache.
  • Ironisiereritis: Wenn ich die Situation ins Lächerliche ziehe, anstatt der Wahrheit ins Auge zu blicken.
  • Ablenkeritis: Wenn ich mich anstatt der Situation zu stellen, mit ganz anderen Dingen beschäftige.
  • Fluchteritis: Wenn es das alles nicht wahrhaben will.

Externalisieren

Externalisieren schließlich ist eine oft genutzte therapeutische Methode zum Umgang mit schwierigen Situationen. Sobald Probleme schreibend oder zeichnend auf Papier gebracht werden, verlieren sie häufig ihre Dramatik. Kein Wunder, dass so viele Menschen immer noch Tagebuch schreiben.

Matthias Wengenroth: Das Leben annehmen. Huber

Brauchen wir Religion, um moralisch gut zu sein?

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Ein Team um den kanadischen Psychologen Ara Norenzayan testete anhand von Priming-Experimenten die unbewusste Wirkung religiöser Begriffe auf die Entscheidungen einer Gruppe von Menschen, von denen lediglich 50% behaupteten, religiös zu sein (nachzulesen in Frans de Waal: Der Mensch, der Bonobo und die 10 Gebote, Klett-Cotta, 2015, S. 294ff).

Während der eine Teil der Versuchspersonen einen Text bearbeitete, in dem Wörter wie „Gott“, „göttlich“ oder „Prophet “ vorkamen, fehlten solche Begriffe bei der Kontrollgruppe (das klassische Priming-Setting). Anschließend wurden 10 Ein-Dollar-Münzen auf den Tisch gelegt, von denen die Proband*innen für sich nehmen konnten wieviel sie wollten. Was sie jedoch nicht nahmen, bekam ihr/e Nachfolger/in.

Das Ergebnis war beeindruckend: Während in der Gottes-Gruppe im Durchschnitt 4,22 $ zurückblieben, waren es in der nichtgebahnten Gruppe lediglich 1,84 $.

Vermutlich dachte die Gottes-Gruppe an einen unsichtbaren Gott, der über ihre Taten richtet, was sie zu altruistischeren Handlungen verleitete. Eine solche Sichtweise deckt sich mit der geschichtlichen Entstehung von Religionen zu einem Zeitpunkt, an dem Gemeinschaften so groß wurden, dass direkte Verbindungen nicht mehr so einfach möglich waren. Da Herrscher nicht jede Fehltat kontrollieren lassen konnten, brauchte es eine unsichtbare Kraft, um Recht, Ordnung und Moral auch ohne staatliche Sanktionen aufrecht zu erhalten.

In einer weiteren Studie tauschten sie die Gottes-Begriffe gegen Begriffe wie „gutbürgerlich“, „Staatsbürger“, „Geschworene“ und „Gericht“ aus. Der Effekt war derselbe wie bei den Gottes-Begriffen.

Das simple Fazit daraus lautet: Religionen erfüllen durchaus ihren Sinn in einer Gesellschaft, weil sie uns dabei helfen, uns moralisch gut zu verhalten. Sollten Religionen jedoch in mehr und mehr sakularisierten Gesellschaften abgeschafft werden, braucht es die gesellschaftliche Akzeptanz anderer Instanzen, um das Bewusstsein für eine ordnende Kraft zu fördern, damit wir nicht allzu egoistisch verhalten und gut miteinander umgehen.