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Warum wir einen Paradigmenwechsel in Mitarbeiter-Seminaren brauchen

Von der Führungsmacht zur Zusammenarbeit auf Augenhöhe

In Zeiten von Agilität, Partizipation und Homeoffice haben Führungskräfte immer weniger direkten Einfluss auf ihre Mitarbeiter*innen. Stattdessen nimmt die Macht der Mitarbeiter*innen – auch durch den Fachkräftemangel – immer mehr zu. Mit dieser neuen Macht ist jedoch auch eine neue Verantwortung verbunden, derer sich viele Mitarbeiter*innen noch nicht bewusst sind. Wollen sie dieser neuen Macht gerecht werden, braucht es in Zukunft für Mitarbeiter*innen mehr als nur die üblichen Zeit- und Projektmanagement-Trainings, damit Teams in Zukunft nicht nur arbeitsfähig, sondern auch intern stabil bleiben.

Warum führt Macht zu Stabilität in einem Team?

Ein Team besteht nicht nur aus einer Gruppe von Menschen mit unterschiedlichen Eigenschaften, Kompetenzen und Aufgaben. Diese Gruppe wird auch durch ein unsichtbares Band zusammengehalten, auf das sich, im Falle eines stabilen Teams, alle einlassen, meist ohne darüber zu sprechen. Um dieses Band genauer zu definieren, sollten wir über einen Begriff sprechen, der in Zeiten der Agilität, Gleichberechtigung und Führung auf Augenhöhe aus dem Blick geraten ist. Sprechen wir also über Macht.

Die Konflikttheorie des Soziologen Max Weber besagt, dass Macht mit der tatsächlichen oder potentiellen Ausübung von Gewalt zusammenhängt. Auf gesellschaftlicher Ebene mag dies oftmals stimmen: Wenn ich mit meinem Auto ohne Nummernschild durch die Gegend fahre, von der Polizei angehalten werde und daraufhin eine Diskussion beginne, muss ich auf die eine oder andere Weise mit Gewalt rechnen. In beruflichen Situationen spielt Gewalt jedoch eine untergeordnete Rolle. Und dennoch gibt es mehr oder weniger klare Machtverhältnisse, an die sich die Menschen weitgehend halten.

Zur Erklärung der Gründe dieses Zusammenhalts ohne Androhung oder Anwendung von Gewalt entwickelte die Philosophin Hannah Arendt die Konsenstheorie: In einem sozialen Kontext haben alle Parteien ein Nutzen durch die Verteilung von Macht. Die Manager*innen und Führungskräfte bekommen mehr Geld und haben mehr Mitbestimmungsrechte, was für sie häufig mit der Freiheit zu tun hat, sich die eigene Zeit selbst einzuteilen und Aufgaben zu erledigen, die ihnen attraktiver vorkommen. Die Mitarbeiter*innen wiederum vertrauen darauf, dass ihre Chef*innen sie vor Angriffen von außen schützen, bspw. vor verbal übergriffigen Kund*innen, auch mal länger bleiben, wenn etwas dringend erledigt werden muss, während sie sich an einer regelmäßigen Arbeitszeit orientieren und sich nicht unbedingt einen Kopf um die langfristigen und externen Konsequenzen ihrer Arbeit machen müssen. Zudem investieren Führungskräfte i.d.R. mehr Zeit und Mühen, um sich Wissen und Führungskompetenzen anzueignen. Zeit, die die restliche Belegschaft lieber in private Belange investiert.

Aufgrund dieser Vorteile sind Mitarbeiter*innen in der Regel gerne bereit, auf eine umfassende Mitbestimmung zu verzichten. Lassen sich beide Seiten auf diesen Deal ein, erhöht dies die Stabilität in einem Team, weil eindeutig geklärt ist, wer wofür zuständig ist.

Systemische Gründe für eine akzeptierte Machtverteilung

Neben diesen persönlichen Gründen gibt es noch weitere gruppendynamische Argumente für eine Akzeptanz der Verteilung von Macht:

  • Konfliktvermeidung: Sich um Macht zu streiten kostet Energie, die zur Erreichung des Ziels einer Gruppe besser investiert werden kann.
  • Bindung: Menschen wollen dazu gehören. Wer sich unterordnet oder sich eine Nische im System sucht, ohne sich auf einen Machtkampf einzulassen, riskiert in Folge auch keinen Ausschluss aus der Gruppe.
  • Status Quo-Bewahrung: Wer sich einmal auf ein System eingelassen hat, arrangiert sich selbst bei Unzufriedenheit lieber mit dem Status Quo als sich mit Machthabenden anzulegen. Die Folgen eines solchen Machtkampfes können unkalkulierbar sein, sind jedoch mindestens mit Stress verbunden.

Kulturelle Regeln vs. Sanktionsregeln

Dieses unbewusste Band wird durch meist ebenso unausgesprochene kulturelle Regeln gelebt. Solche Regeln lassen sich als Wenn .., dann …-Verknüpfungen erfassen und beziehen sich auf alles Mögliche rund um die Zusammenarbeit:

Lob und Kritik:

  • Wenn ich anderer Meinung bin als mein Chef, (dann) kläre ich das unter vier Augen, um seine Machtposition nicht zu gefährden, indem ich ihn öffentlich herausfordere.

Arbeitsethos:

  • Wenn mein Chef länger bleibt, (dann) heißt das noch lange nicht, dass ich auch länger bleiben muss.
  • Wenn ich doch einmal gezwungen bin, „die Extrameile zu gehen“, (dann) sollte das eine Ausnahme sein. Zudem erwarte ich ein Extralob oder eine anderweitige Vergütung.

Wollen Sie selbst den Regeln in Ihren Teams auf den Grund gehen, fragen Sie sich:

  • Wofür bekommen die Teammitglieder Anerkennung?
  • Wofür werden sie bewundert?
  • Was darf nicht angesprochen werden, wird aber dennoch befolgt?

Sollte es in Ausnahmefällen doch einmal nötig sein, wird mittels Sanktionsregeln auf die Gewaltkomponente als eine Art Joker zurückgegriffen, die ebenfalls als Wenn …, dann …-Regeln funktionieren:

  • Wenn jemand dauerhaft gegen Arbeitsregeln verstößt, bekommt er oder sie eine Abmahnung.

Die Regel lautete bislang: Je weniger offizielle Sanktionen notwendig sind, desto mehr halten sich die Teammitglieder an inoffizielle kulturelle Regeln und desto stabiler ist ein Team.

Die „Neue Normalität“ als Irritation

In neuer Zeit hat dieses System einen Riss bekommen und dies nicht erst seit Corona:

  • Agilität und Partizipation: Teamleitungen ohne Weisungsbefugnis, wie es in agilen Teams häufig der Fall ist, verfügen kaum noch über Macht. Damit greift die alte Aufteilung zwischen Mächtigen, die mehr leisten und auch mehr Befugnisse haben und weniger Mächtigen mit klaren Arbeitszeiten nicht mehr. In einem Team zu arbeiten, das alles zusammen entscheidet, macht sicherlich mehr Spaß, als in einem streng hierarchischen Team zu sein. Ob jedoch alle auch gerne länger bleiben, wenn es notwendig ist, hängt meist von den familiären Rahmenbedingungen der Mitarbeiter*innen ab. Zudem gibt es immer noch Menschen, die sich lieber als andere weiterbilden und dafür vermutlich auch einen Macht-Benefit in Unternehmen erwarten. Was würde jedoch passieren, wenn es diesen nicht mehr gibt?
  • Eigeninitiative im Homeoffice: Die Arbeit im Homeoffice führt automatisch zu mehr Eigenverantwortung. Und Eigeninitiative kann eine feine Sache sein, wenn Mitarbeiter*innen dies wollen. Manche Mitarbeiter*innen sind jedoch überfordert bei so viel Verantwortung. Während sie früher von der Arbeit nach Hause gingen, selbst, wenn eine dringende Aufgabe noch nicht erledigt war, mit dem Vertrauen darauf, dass ihr/e Chef*in den Rest erledigen wird, sind sie nun stärker auf sich alleine gestellt. Die Erwartungen an jede/n Einzelnen sind definitiv gestiegen.
  • Krisen und Dauerbelastungen: Lautete der Deal früher für Mitarbeiter*innen „Ich mache meinen Job, aber mehr auch nicht“, wird nun dauerhaft von ihnen verlangt, in unterbesetzten Teams mehr zu leisten als früher, oftmals jedoch ohne die Sicherheit zu haben, dass sie ihren Job auch morgen noch haben werden. Ob dies für sie unangenehm ist, hängt von der jeweiligen Branche und dem entsprechenden Fachkräftemangel ab. Bei vielen Mitarbeiter*innen (und Führungskräften ebenso) geht dies auch an die körperliche Substanz bis hin zu somatischen Beschwerden wie Schlafstörungen, Rückenschmerzen oder psychischen Beschwerden wie Depressionen oder einem Burnout.

All dies zeigt uns, dass das bisherige Konsensmodell der Machtverteilung in weiten Teilen nicht mehr greift und damit die Stabilität in vielen Teams gefährdet:

  • Ob in agilen Teams oder im Homeoffice: Die Verantwortung für Ergebnisse hängt nicht mehr final von der Führungskraft ab, sondern wird im besten Fall auf alle Schultern verteilt.
  • Bei einer Führung auf Distanz entsteht zudem der Eindruck, dass Führungskräfte nicht so greifbar sind, so schnell wie vor Ort reagieren und für ihre Mitarbeiter*innen die Kohlen aus dem Feuer holen können, wobei dies v.a. ein psychologischer Faktor ist. Selbst wenn die alten Machtverhältnisse aufrecht erhalten bleiben, ist es für Mitarbeiter*innen schwer, die Signale der Macht zu deuten und damit Klarheit darüber zu erlangen, wem sie aufgrund eines souveränen Auftretens als Führungskraft Macht zutrauen und wem nicht.
  • Am schwersten wiegt jedoch die derzeitige Dauerbelastung: Während Mitarbeiter*innen früher leichter abschalten konnten, werden sie heute mehr in die Pflicht genommen, was die Gefahr mit sich bringt, dass sich manche überarbeiten, während sich andere vehementer als früher abgrenzen und egoistischer werden.

Kulturelle Regeln bewusst machen

Insbesondere der letzte Punkt eröffnet die Gefahr, verstärkt mit Sanktionen gegenüber sich egoistisch Abgrenzenden zu arbeiten, da diese leichter umzusetzen sind, als über kulturelle Regeln der Zusammenarbeit zu sprechen. Dabei würde genau das zu einer nachhaltigen Stabilisierung führen. In diesem Sinne ist es hilfreich für Teams, den bislang unbewussten Nutzen der beiden Seiten bewusst zu machen, um zu klären, welche neuen kulturellen Regeln sich ein Team geben will, um unter neuen Bedingungen, d.h. im Homeoffice und im Rahmen einer Führung auf Augenhöhe als auch unter Dauerbelastungen stabil zu bleiben, bspw:

  • Wenn ich überlastet bin, (dann) spreche ich darüber.
  • Wenn wir gemeinsam Entscheidungen treffen, (dann) hören wir alle Meinungen im Team an, bevor wir ein finales Urteil fällen.
  • Wenn wir an unsere Grenzen kommen, (dann) gehen wir davon aus, dass jede*r sein / ihr Bestes gibt.
  • Wenn ich sehe, dass jemand dauerhaft über seine Grenzen geht, (dann) biete ich ihm oder ihr Hilfe an.

Erhöhung der sozialen Kompetenz

Die Klärung neuer kultureller Regeln machen einen Teil der sozialen Kompetenz in einem Team aus. Diese lässt sich noch weiter erhöhen, indem – insbesondere bei einer Zusammenarbeit auf Distanz – der egozentrierte Blick aller Mitarbeiter*innen immer wieder auf das soziale Zusammenspiel der Akteure gelenkt wird:

  • Wie fördern wir das Verständnis füreinander?
  • Wir bauen wir Bindungen zueinander auf und lassen tragfähige Netzwerke entstehen?
  • Welche Ziele verfolgen wir gemeinsam?
  • Wie sollten wir zusammenarbeiten, um unsere Ziele zu erreichen?
  • Was ist uns in der Arbeit und Zusammenarbeit wichtig?
  • Welches Verhalten könnte zu Missverständnissen führen?
  • Oder konkret: Wie könnte sich Kollege X fühlen, wenn er nicht weiß, wann er seine Unterlagen von Kollegin Y bekommt?

Während die soziale Kompetenz und damit Deutung von Signalen in Präsenz relativ einfach ist, kommen wir nicht umhin, die soziale Kompetenz insbesondere bei einer Zusammenarbeit auf Distanz aktiv zu fördern und weiterzuentwickeln. Letztlich brauchen also auch Mitarbeiter*innen ohne offizielle Führungsverantwortung Weiterbildungen in Kommunikation und Konfliktmanagement, die bislang v.a. Führungskräften vorbehalten waren. Um diese Lücke zu schließen bietet die Digitalisierung (kurze Online-Trainings, Lernplattformen) enorme Chancen.

Äußerer versus innerer Wandel

Silvester ist wieder einmal vorbei und viele Menschen werden in der Zeit zwischen den Zeiten nachdenklich oder sogar spirituell. Auch bei mir gibt es seit einigen Jahren die Tradition, mich mehr als bspw. im Sommerurlaub mit mir und meinem Leben auseinander zu setzen. Wer will das schon, wenn Sonne und Badesee locken?

  • Äußerer Wandel: Wo soll es dieses Jahr hingehen und was will ich erreichen beschäftigen sich mit den eher oberflächlichen Fragen eines forcierten Wandels.
  • Innerer Wandel: Geht es mir gut und wie könnte es mir gesundheitlich, körperlich oder psychisch besser gehen betrifft einen inneren Wandel.

Beides verzahnt sich oft, nicht jedoch automatisch. Ein neues Projekt, ein neuer Job oder ein Umzug bringen frischen Wind ins Leben. Nicht selten werden jedoch alte Probleme mitgenommen. Wie heißt es so treffend:

Du kriegst den Jungen aus dem Dorf ‘raus, aber nicht das Dorf dem Jungen.

Ein äußerer Wandel – forciert oder wie in Krisenzeiten (ohne das C-Wort zu nennen, das kaum noch jemand hören kann) erzwungenermaßen – kann jedoch ein willkommener Anlass sein, etwas tiefer zu graben und damit auch einen inneren Wandel anzustoßen.

Prinzipien inneren Wandels

All das haben Sie vermutlich schon einige Male gelesen oder gehört. Doch was genau macht einen inneren Wandel aus?

Ein innerer Wandel geschieht immer aus einem dualen Gegensatzpaar heraus, so wie unser gesamtes Leben aus Gegensatzpaaren besteht: Wir geben Gas und treiben damit eine Veränderung voran (Sympathicus), müssen jedoch ab und an innehalten, sozusagen auf die Bremse treten, um über das Erreichte nachzudenken (Parasympathicus). In der chinesischen Naturphilosophie gibt es dazu den Kreis aus Yang (Veränderung, die Tür öffnet sich) und Yin (Begrenzung, die Tür schließt sich wieder). Beide Pole sollten sich in einer gesunden Balance befinden.

Im kabbalistischen Lebensbaum (siehe auch: https://www.m-huebler.de/die-psychotische-gesellschaft-teil-iii-auf-der-suche-nach-identitaet-heimat-und-sinn) gibt es die Balance zwischen Geben und Begrenzen als zentralem Bestandteil unserer Persönlichkeit:

  • Was kann und will ich geben?
  • Welche Stärken und Kompetenzen habe ich?
  • Wo liegen meine Grenzen?
  • Wozu sollte ich öfter Nein sagen?

Ich persönlich empfinde die Balance zwischen Geben und Begrenzen wesentlich stimmiger als das gängigere Geben und Nehmen, weil wir es damit selbst in der Hand haben.

Die aktuelle gesellschaftliche Disbalance

Aktuell erleben wir in vielen Bereichen einen Überschuss des Gasgebens (Umweltverschmutzung, Krieg, Dauerstress in der Arbeit, Nachrichten- und Informations-Überfluss). Wir befinden uns daher in einer starken Disbalance, weil das Zögern, produktive Zweifeln, Innehalten und Nachdenken oft zu kurz kommt. Gehen wir jedoch nach einer langen Phase des Überschusses in eine Ruhephase über, wird der Körper häufig krank, weil er es nicht mehr gewohnt ist, mit Ruhepausen umzugehen. Wir werden dann nervös, vermutlich weil wir insgeheim wissen, dass irgendetwas nicht in Ordnung ist. Kein Wunder, dass viele Menschen mit Achtsamkeitsübungen Schwierigkeiten haben.

Auch der Umgang mit Lockdowns als erzwungene Yin-Phase wurde unterschiedlich wahrgenommen. Während manche die Ruhephase dankbar annahmen, litten andere daran, dass sie ihr Bedürfnis nach Yang nicht los wurden, außer vielleicht mit Sport und kilometerweiten Spaziergängen.

Polaritäten als Weg zur inneren Balance

Auch wenn das Gasgeben und Innehalten einleuchtet, stellt sich dennoch die Frage, was dies konkret bedeutet. Dazu ist es hilfreich, darüber nachzudenken, was genau das Gasgeben und Innehalten in Ihrem Leben ausmacht. Schauen wir uns dazu einige typische charakterliche Gegensatzpaare an:

  • Es gibt Menschen, die viel Abwechslung im Leben brauchen und sehr neugierig sind (Yang bzw. Gas geben). Meist können diese Menschen gut mit unklaren Situationen umgehen, während andere mehr Struktur und Ordnung brauchen (Yin bzw. Innehalten) und gerne beim Bewährten bleiben. Darin steckt keine Bewertung. Das eine ist so wertvoll wie das andere, da zu viel Abwechslung zu Chaos führen kann und zu viel Struktur zu Angst vor Veränderungen, Kontrolle und Rigidität. Daher braucht auch der kreativste Mensch ein wenig Struktur, um produktiv zu sein. Und ein struktrurierter Mensch benötigt ein wenig Abwechslung, um nicht abzustumpfen.

Greifbar wird dieses Verhältnis, wenn Sie 10 Punkte verteilen. Wie wichtig ist Ihnen Abwechslung? Wie wichtig ist Ihnen Struktur? 7 zu 3? Oder 4 zu 6? Um von einer bloßen Standortbestimmung zum Wandel zu kommen, machen Sie sich nun Gedanken über vergangene und zukünftige Veränderungen: Wie wichtig waren Ihnen Abwechslung und Struktur früher? Woran machen Sie Abwechslung und Struktur in Ihrem Leben fest? Sind Sie aktuell zufrieden? Was wünschen Sie sich für die Zukunft und wie erreichen Sie dies?

  • Ein anderes Gegensatzpaar bezieht sich auf das Verhältnis zwischen Leistung erbringen, Konzentration und Disziplin (Gas geben) auf der einen und Genuss und Entspannung (Innehalten) auf der anderen Seite. Hier können Sie ebenso nach dem oberen Muster vorgehen, um zu einer aktuell passenden und gesunden persönlichen Balance zu kommen.
  • Auch Verantwortung zu übernehmen im Ehrenamt oder in einer Führungsposition (Gas geben) bildet zusammen mit dem Aufgehen in einer Gruppe im Fußballverein, als Team- oder Familienmitglied ein Gegensatzpaar. Wie sieht es hier mit der Balance oder Disbalance aus?

Letztlich lassen sich alle Charaktereigenschaften mehr oder weniger einem der beiden Pole zuordnen. Kommunikationsfreudig ist Yang, während reflektiert zu sein Yin zuordnen lässt. Spendabel ist Yang und sparsam Yin.

Am besten, Sie stöbern selbst in Online-Listen (bspw. hier (externer Link): https://karrierebibel.de/charaktereigenschaften), suchen sich 10 für Sie typische Charaktereigenschaften aus, denken darüber nach, ob diese eher gasgebend oder innehaltend sind und machen sich auf die Suche nach ergänzenden Eigenschaften, um sich wieder in Balance zu bringen. Viel Spaß damit.

Das Verhältnis von Führung, Professionalität und Agilität, oder: Was Führung wirklich bedeutet?

Eine seltsame Frage, oder? Denn im Alltag macht man und frau sich darüber meist keine Gedanken. Führung bedeutet dann u.a. Mitarbeiter*innen Anleitungen zu geben, sie zu coachen, zu entwickeln und natürlich auch Veränderungen gut, respektvoll und wertschätzend zu begleiten, was mir als Mediator besonders am Herzen liegt.

Bleiben wir bei den Veränderungen. Der Philosoph Michael Andrick (“Erfolgsleere”) schreibt: Professionalität bedeutet, den Status Quo zu wahren, indem eine Tätigkeit effektiv und effizient nach einem bestimmten Muster wiederholt durchgeführt wird. Konkret: Hat ein Kunde einen bestimmten Wunsch, greife ich dazu als Mitarbeiter*in in eine analoge oder digitale Schublade, ziehe dort ein Formular heraus und bearbeite den “Fall” nach einem optimierten und als erfolgreich belegten Muster. Genau das bedeutet es, wenn wir sagen, jemand handelt professionell.

Streng genommen gilt diese Professionalität des Handelns jedoch nur solange, bis sich die Erde weiter dreht und aufgrund neuer Erkenntnisse (Kundenwünsche, Marktlage, Ressourcenknappheit, etc.) ein neues Handlungsmuster notwendig wird. Wer Agilität ernst meint muss also – ebenso streng genommen – sowohl professionell als auch unprofessionell handeln. Denn Professionalität schafft Sicherheit und Verlässlichkeit, während Unprofessionalität einen notwendigen Wandel begleitet.

Führung in diesem Sinne bedeutet also nicht (nur) den Status Quo der im Moment X bereits überholten Professionalität, sondern den Wandel zu organisieren und damit eine neue Professionalität vorzubereiten.

Damit machen sich Führungskräfte jedoch selten Freunde, weil die Mitarbeiter*innen aus der alten Professionalität sowohl Sicherheit gewinnen, als auch Status. Sich professionell zu verhalten ist in Unternehmen selbstredend mehr anerkannt als gegen offizelle Regeln zu verstoßen, indem jemand den Prozess Y einmal beiseite legt und auf seine Intuition horcht. Kein Wunder, dass agile Projektteams im restlichen, “professionellen” Unternehmen missträuisch beäugt werden.

Zudem weiß niemand, ob eine neue Professionalität wirklich erwünschte Verbesserungen mit sich bringt, da sie in der Zukunft liegt. Führungskräfte, die einen Wandel begleiten und voran bringen, sollten also ein dickes Fell mitbringen, um für ihre Sache zu werben. Dazu können sie sich jedoch logischerweise nicht auf den vorherrschenden professionellen Status Quo berufen, sondern brauchen einen eigenen inneren Kompass, der sich bestenfalls aus einer intensiven Auseinandersetzung mit Werten wie Fairness, Respekt oder Menschlichkeit ergibt. Wirkungsvolle Führungskräfte sollten daher gut wissen, wofür sich der Aufwand lohnt, sich mit dem Status Quo anzulegen und eventuell auf eine höhere Karriere zu verzichten.

Nebenbei muss die Beschäftigung mit solchen Werten – beispielweise im Rahmen einer Mediation – einem Unternehmen immer auch ein wenig suspekt sein, weil damit der fühlende Mensch sichtbar wird und nicht mehr der professionelle Mitarbeiter, der am Status Quo festhält.

Eine wirklich wirksame, im Sinne einer veränderungsgestaltenden Führung eckt also immer auch ein wenig an. Weil dies so ist machen leider wenig wirksame Führungskräfte Karriere. Wer funktioniert und nach den Regeln spielt, bietet nicht nur keine Angriffsfläche, sondern wird auch noch für seine Professionalität gelobt. Er schafft es aber nicht, dringliche Veränderungen im Unternehmen gut zu begleiten und zu gestalten. Dies soll keine Rede für jegliches Revoluzzertum in der Führung sein, jedoch darauf aufmerksam machen, dass ein bloßes Erfüllen der Regeln und Muster auf breiter Front langfristig zum Stillstand im Unternehmen führt.

Wer seine Mitarbeiter*innen – sowie das gesamte Unternehmen – als Führungskraft in Veränderungen mitnehmen möchte, kann sich das Bild der Erde vergegenwärtigen. Wer in die Ferne blickt und nichts von der Erdkrümmung weiß, könnte glauben, die Erde wäre flach. Wer nun auf einer langen Allee 100 Meter weiter geht, kann sowohl nach vorne als auch nach hinten sehen. Mit dem Blick nach hinten sehe ich denjenigen, der zuvor dachte, die Erde wäre eine Scheibe. Der Blick nach vorne jedoch lässt erkennen, dass die Erde keine Scheibe ist, sondern die Allee weitergeht. Veränderungen agil zu begleiten bedeutet auch auf Sicht zu fahren. Wir sehen 100 Meter in die Zukunft, doch nach diesen 100 Metern haben wir eine neue Sichtweise auf die Welt, können und sollten über neue Lösungen nachdenken.

Übergänge als Zeiten des Wachstums

Übergänge sind die spannendsten und fruchtbarsten Orte in der Natur. Im Übergang zwischen Wald und Wiese, Ökoton genannt, ist sowohl ein Ort der Begegnung zwischen Wald- und Wiesen-Tieren, als auch ein Ort an dem Pflanzen und Tiere ihr Zuhause finden, die es sonst nirgendwo gibt. Während der Wald im besten Fall ein Ort des Chaos ist, mit einem wildwuchernden systemisch perfekt aufeinander abgestimmten Netzwerk aus Wurzeln, Pilzen und Tieren, wird die Wiese regelmäßig gemäht und bewirtschaftet. Die Wiese ist damit das genaue Gegenstück zum Wald, ein Ort der Ordnung. Dazwischen ist der Übergang, weder zu 100% Ordnung, noch zu 100% Chaos.

In der Natur gibt es viele solche Übergänge. Zwischen Meer und Land wachsen Korallenriffe. Auch Dünen gelten als einzigartige Ökosysteme. Und am Fuß eines Berges endet das Quellwasser aus dem Berg und führt auch hier zu einer einzigartigen Fruchtbarkeit, weshalb es früher logisch war, sich hier anzusiedeln.

Solche Übergangsorte der Begegnung finden sich auch bei uns Menschen, beispielsweise an den Randgebieten der Innenstadt in Häusern, die noch kein Vorort sind, aber auch nicht mehr zur schicken und teuren Innenstadt gehören. Dort zieht meist eine bunte Mischung aus ärmeren Menschen, Migrant*innen und Künstler*innen ein, die wesentlich weniger homogen und damit spannender im Austausch untereinander sind als die Menschen in Vororten oder Innenstädten.

Auch Schulen und Ausbildungsstätten sind Orte des Übergangs. Der Schüler ist noch nicht fertig. Er wächst noch. Es sollte in Schulen daher weniger darum gehen, keine Angst zu haben, sondern mit seiner Angst gut begleitet zu werden.

In Übergängen, beispielweise der Geburt, Pubertät, Ausbildung, Trennung, dem Tod oder einem Neuanfang, ist noch nicht klar definiert, was einmal daraus wird. Deshalb gelten für Übergänge andere Maßstäbe als für “normale” Zeiten. Niemand kann wissen, was richtig oder falsch ist. Sinnvoller ist es, Beziehungen zu pflegen, Dinge auszuprobieren und sich auszuprobieren, das Leben zu beobachten und sich zu beobachten. Und so während des Übergangs für die Zeit danach zu lernen.

In diesem Sinne sind Zeiten des Übergangs Zeiten des Wachstums. Der Mensch muss sich noch nicht beweisen. Er darf noch reifen und sollte lernen, diese Reifung, die immer auch mit einer guten Portion Ungewissheit einher geht, lieben zu lernen.

Persönliche Transformationsprozesse in Krisenzeiten

In Krisenzeiten werden wir gezwungen uns mit einer drastischen Veränderung sowie unserem Umgang damit auseinander zu setzen. In der Regel reagieren wir auf die Veränderung aus einem ersten Impuls heraus. Manche spüren automatisch den Impuls des Widerstands. Andere würden am liebsten den Kopf in den Sand stecken, bis alles vorbei ist. Wieder andere haben Vertrauen in diejenigen, die für uns die wichtigen Entscheidungen treffen. Und eine vierte Gruppe versucht sich kritisch mit dem Thema der Veränderung auseinanderzusetzen. Dieser erste Impuls hilft uns dabei handlungsfähig zu bleiben. Für einen tieferen persönlichen Transformationsprozess ist es jedoch sinnvoll, sich intensiver damit auseinander zu setzen, was uns wirklich bewegt, was wir verändern und was wir dafür tun wollen.

Zur persönlichen Reflexion können Sie entweder einzelne Spalten oder die Zeilen dieser Heuristik durchgehen. Ein Springen zwischen Spalten und Zeilen führt aus meiner Erfahrung zu den erhellendsten Erkenntnissen.

Ausgehend von den vier impulsiven Reaktionsmöglichkeiten stellen sich im 1. Transformationsschritt des Abstands die Fragen, wogegen ich rebelliere, worauf ich mich bei mir selbst konzentrieren will und was das Ziel einer Auseinandersetzung mit mir selbst ist, auf wen oder was ich vertraue und mit welchen Themen ich mich kritisch weiter und tiefer auseinandersetzen möchte.

Im 2. Transformationsschritt geht es um die Neugier. Eine tiefere Auseinandersetzung mit meinem Gegen-Über könnte dazu führen, dass ich mir bewusst werde, was an meinem Ärger interessant ist, was ich selbst für ein Mensch bin und welche Rolle ich in meinem Umfeld spiele, woher mein Vertrauen kommt und um welche Themen es in der Veränderung zusätzlich oder wirklich geht. In der Corona-Krise geht es beispielsweise nicht nur um die Krankheit, sondern auch um Debatten zur Gleichbehandlung, Teilhabe, Diskussionskultur, Freiheit, Umweltproblematik, Überwachung, Rolle der Medien, zum Präventivstaat, Umgang mit dem Tod, usw. Demonstrationen gegen die Anti-Corona-Maßnahmen sind deshalb so schwer zu (be-)greifen, weil in ihnen all diese tiefer liegenden Themen durcheinander auftreten.

Im 3. Transformationsschritt schließlich geht es um die Handlungen. Wogegen will ich konkret aufbegehren? Was will ich an mir verändern? Wie kann ich wieder Vertrauen zu anderen fassen? Was sollte ich dafür tun? Und was kann ich tun, um die Welt so mit zu gestalten, wie ich es für wünschenswert erachte?