Bild von storyset auf Freepik
Diffuse Ängste versus konkrete Furcht
Gerade unter Dauerbelastung sind Ängste oft diffus:
- Wird es jemals besser werden?
- Vermutlich sind wir noch lange unterbesetzt.
- Werde ich durchhalten?
- Wenn ich nicht durchhalte, was werden meine Kolleg*innen sagen?
- Bestimmt bin ich die Person, die sich am meisten überlastet fühlt.
- Wenn ich ausfalle, werden meine Kolleg*innen meine Arbeit mitmachen müssen und bestimmt sauer auf mich sein.
Solche diffusen Ängste aktiveren uns zwar meist nur leicht, jedoch dauerhaft. Wir sind sozusagen ständig in Hab-Acht-Stellung und können uns nicht erholen. Stattdessen ist es sinnvoller, diffuse Ängste in eine konkrete Furcht zu übersetzen. In diesem Fall wird unser Körper einmalig stark aktiviert und weiß dann woran er ist.
Wovor könnten wir uns also konkret fürchten:
- Ja, vermutlich sind wir auch noch in einem halben Jahr unterbesetzt.
- Ja, vermutlich müssen wir alle in nächster Zeit mehr arbeiten.
- Ja, vermutlich wird der ein oder andere im Team ab und an eine Auszeit brauchen, um keinen Burn-out zu bekommen.
- Ebenfalls ja, vermutlich werden wir klare Prioritäten setzen müssen, um einigermaßen mit der Arbeit hinterher zu kommen und vermutlich werden wir manche Qualitätsstandards nicht zu 100% halten können oder manche Aufträge langsamer als sonst erledigen.
- Und ja, vermutlich werden manche Kund*innen verärgert sein, aber gute langjährige Kunden werden wahrscheinlich Verständnis für die aktuelle Situation haben.
Na und? Wie heißt es so schön: Hängen Menschenleben dran? In Kliniken ja, an vielen anderen Orten nicht. Und schließlich sind auch Mitarbeiter*innen Menschen, die nichts dauerhaft Unmenschliches leisten können.
Manche Ängste werden so zu einer Furcht, auf die wir reagieren können:
- Kund*innen können informiert werden.
- Ob eine Abkehr von einem hohen Perfektionismus wirklich negative Folgen hat, muss sich erst zeigen.
- Und Auszeiten zur Erholung können eingeplant werden.
Andere Ängste müssen nicht einmal in Furcht umgewandelt werden, sondern lösen sich durch einen Austausch im Nichts auf:
- Vermutlich bin ich nicht die einzige Person, die sich Sorgen macht.
- Vermutlich haben meine Kolleg*innen mehr Verständnis als ich zuvor dachte und sind daher gar nicht sauer auf mich, wenn ich bspw. aus lauter Stress einen Fehler mache. Überhaupt erhöht die Angst vor Fehlern und deren Konsequenzen die Wahrscheinlichkeit, tatsächlich einen Fehler zu machen enorm.
Dinge beim Namen zu nennen fördert die Handlungskompetenz
Tatsächlich vermeiden wir häufig die Konfrontation mit einer konkreten Furcht und bleiben lieber in der diffusen Angst, gerade weil die Furcht uns stärker aktiviert als die Angst. Es ist vermeintlich angenehmer, sich über diffuse Zustände zu ärgern – das System, der Staat, mein Unternehmen, der Personalmangel, usw. – als konkret zu klären, welche Konsequenzen uns wirklich drohen und damit die eigene Handlungskompetenz zu erhöhen. Umso wichtiger ist es, die Dinge beim Namen zu nennen und das richtige Fürchten vor etwas Konkretem wieder zu lernen.