Derzeit geht die Angst um. Sie wird oftmals als sozial gedeutet. Wir tragen nun Gemeinschafts-Masken als Zeichen der Solidarität. Manche finden das gemein. Die selbstgenähten Masken bringen laut der WHO gar nichts, dienen jedoch der Verbrüderung und Verschwesterung der Menschen. Da ist es schon eine Unverschämtheit, dass gerade die alten Menschen dies oft nicht verstehen oder nicht wirklich wertschätzen.
Wie sozial ist die Angst jedoch in Wirklichkeit?
Angst ist zuerst einmal ein egoistisches Gefühl. Ein Gefühl, dass uns vor direkt erlebbaren Gefahren warnt. Ein Gefühl, das uns sagt: Bereite dich besser auf diese Prüfung vor, sprich noch mal mit deinen Eltern, bevor es zu spät ist oder fahr nicht zu schnell um die Kurve. Angst lässt sich mit der Befürchtung verbinden, etwas zu verlieren. Unser Bild in der Öffentlichkeit, unsere Eltern, unser Leben. Wenn wir uns freuen, bereiten wir uns auf etwas vor. Wenn wir trauern, ist der Fall abgeschlossen. Zwischendrin ist die Angst. Sie hofft noch, sie bangt, zittert und ist unsicher.
Was also könnten wir verlieren? Tatsächlich oder nur imaginiert. Die Gemeinschaft beispielsweise. Wir sind Herdentiere. Ist es nicht schön, zu wissen wo man und frau hingehört. Diese Sichtweise lässt sich drehen und wenden wie man oder frau will. Sie stimmt immer. Gehen wir ein wenig ins Detail, lassen sich auch hier wieder die üblichen Gruppenbildungen ausmachen: Dort sind die Impfgegner, dort die Kapitalisten, die Egoisten, die Solidarischen, die ewigen Nörgler, die Zündler, die Nazis, die Helden des Alltags, die Philanthropen, die Kriegsgewinnler, usw. Gerade in der Krise scheint es den tiefen menschlichen Impuls zu geben, zu wissen, dass man auf der richtigen Seite steht und vor allem nicht alleine ist. Damit tauchen zwangsläufig alte Gewissheiten auf, die meistens mit dem Satz beginnen: Das ist ja mal wieder typisch, …
Wir könnten auch Angst um die eigenen Freiheiten haben. Ich höre oder lese in letzter Zeit häufig den Satz:”Wenn wir das jetzt nicht machen, wird es noch viel schlimmer und dann sperren sie uns weg wie in Frankreich.” Oder:”Weil du dich so unsozial verhältst und auf eine Demo gehst, werden die Maßnahmen verlängert oder ausgeweitet.” Das ist interessant, zeigt es doch den egoistischen Ansatz der Angst als Verteidigungshaltung nach außen. Ich könnte meine Freiheit verlieren, wegen dir. Vielleicht empfindet jeder von diesen Menschen auch die soziale Angst, einen lieben Freund an das C zu verlieren. Es ist jedoch meist der Egoismus, der in Diskussionen in wütende Beschimpfungen umschlägt.
Ein Mensch, der gegen die Beschneidung des Rechtsstaats demonstriert, hat auch Angst. Er hat sicherlich auch eine egoistische Angst. Er will vielleicht nicht zwangsgeimpft werden oder kämpft für sein Recht auf Berufsausübung. Es gibt kaum ein Wort, das so brutal wiederspiegelt, wie wichtig oder unwichtig ein Mensch für die Gesellschaft ist wie der Begriff der Systemrelevanz. Während uns die Medizin am Leben hält, hält uns die Kunst bei Verstand. An einem Gedankenspiel verdeutlicht: Können wir uns ein Leben ohne Musik, Bücher oder Filme überhaupt vorstellen? Wieviel ist unser Leben noch wert, wenn wir zwar mit medizinischen Mitteln am Leben gehalten und zudem weggesperrt werden, jedoch keine kulturelle Freude mehr erleben dürfen?
Doch zurück zu den egoistischen Demonstranten. Wohnt dem Einstehen für unsere Grundrechte nicht etwas zutiefst Soziales inne? Einige gehen sicherlich aus Spaß am Krawall auf die Straße. Andere machen sich ernsthafte Sorgen darüber, in was für einem Land ihre Kinder und die Kinder aller anderen Menschen einmal leben werden.
Meist kommt dann der Einwand, dass kurze Beschneidungen des Alltags in Kauf genommen werden müssen, um Leben zu retten. Was ist jedoch bei der nächsten Pandemie oder der nächsten Grippewelle? Bei einer Grippe sterben jährlich bis zu 25.000 Menschen in Deutschland. Wäre es nicht sinnvoll, auch hier einen Ticker im Internet mitlaufen zu lassen, damit wir wissen, wo, wie und wann wir uns wahrscheinlich anstecken werden? Und was wir dagegen tun sollten. Klingt ein wenig nach: Und täglich grüßt das Murmeltier … Nur nicht so lustig.