Führung in und nach der Krise

Gerade in schwierigen Situationen erscheinen Standhaftigkeit und eine klare Vision über die Zukunft verbunden mit einer guten Portion Autorität wichtiger denn je. Während wir in Vor-Corona-Zeiten vom Land der glückseligen Mitbestimmung träumten, beraubte uns die Pandemie unserer schönsten Utopien. Schwarmintelligenz war gestern. In der Krise riefen die Menschen nach einer starken Hand. Die Umfragewerte der Politiker zeigen: Je strenger oder vorsichtiger, desto zufriedener sind die Bürger. Abwägende Denk- und Vorgehensweisen haben es schwer, wenn ein Virus um sich greift, das die Menschen ängstigt. Zumindest gilt das für durchschnittlich 70% der Menschen. Vermutlich spiegelt dies das klassische Verhältnis wieder, auf das wir auch in Firmen treffen: 70% wünschen sich einen klar vorgegeben Kurs. 30% würden gerne mitbestimmen oder sich zumindest einen Rest an Autonomie vorbehalten. “Wer Krise kann, kann auch Kanzler” heißt es grammatikalisch holprig. Gilt das auch für Führungskräfte?

Dabei haben wir es hier mit einem Missverständnis zu tun. Die Mitbestimmung des Volkes stand am Höhepunkt der Pandemie ebenso wenig zur Debatte wie die Mitbestimmung der Mitarbeiter, wenn ein Unternehmen in eine Schieflage gerät. In einer Krise müssen Systeme agieren wie Hochrisiko-Organisationen. Wenn es brennt, beginnt die Feuerwehrmannschaft nicht mit Hilfe eines Redestabs zu diskutieren. Und wenn der Mann auf dem OP-Tisch am verbluten ist, braucht es keinen Diskurs über das letzte Seminar zur optimalen Desinfektion des chirurgischen Bestecks. Krisen sind Zeiten des Handelns. Zeiten für Helden und Heldinnen, wobei sich regelmäßig zeigt, dass die Domäne des Heldentums nur allzu gerne eine Männerdomäne bleibt. Liegt es Frauen nicht, sich derzeit in den Vordergrund zu drängen? Oder werden sie verdrängt von dominanten Alphamännchen?

Ob Mitbestimmung und Schwarmintelligenz in Krisenzeiten angezeigt sind, ist daher die falsche Frage. Essentieller ist die Frage: Wann ist die Krise vorbei? Morgen? Übermorgen? Oder gestern? Und woran erkennen wir, dass eine Krise überwunden wurde? An erreichten oder glücklicherweise nicht erreichten Kennzahlen? An der Stimmung der Menschen? Leben wir noch in einer Krisenstimmung? Oder fühlen die meisten von uns bereits das, was sich irgendwie als alt-neue Normalität entpuppt?

Wer sich einmal als mythischer Held beinahe altertümlichen Ausmaßes fühlen durfte, mag seinen Heldenstatus kaum freiwillig wieder abtreten. Ein Unternehmen, das aktuell nicht mehr am Rande des Untergangs steht, tut jedoch gut daran, sich auf die Intelligenz seiner vielen Mitarbeiter zu besinnen. Denn in Nicht-Krisen-Zeiten wissen viele Köpfe, die nun nicht mehr ganz so heiß laufen wie noch vor kurzem, i.d.R. mehr als ein einziger. Zudem sind Menschen, die nicht künstlich mit an Bord geholt werden müssen motivierter, wenn sie selbst mitbestimmen dürfen, wohin es lang geht.