Im Zuge agilen, emotional kompetenten oder positiven Führens gerät das klassische flexible Führen beinahe in Vergessenheit. Da ich ab und an Grundlagen zum Thema Führung trainiere, nahm ich mir vor kurzem wieder einmal die gute, alte Führungsmatrix des flexiblen Führens vor. Dabei setzte ich die klassische Matrix in Bezug zur Zunahme von sozialem Stress sowie Druck und Krisen und erweiterte die Matrix um den Führungsstil des Systemischen Führens.
Grundsätzlich sollte ich als Führungskraft versuchen auf Augenhöhe mit meinen Mitarbeiter*innen so kooperativ wie möglich zu führen.
Sind sowohl der psycho-soziale Stress als auch der Arbeitsdruck gering, kann ich es als Führungskraft auch mal laufen lassen.
Steigen die psycho-sozialen Probleme an, kommt es bspw. zu Konflikten, muss ich mich entsprechend dem TZI-Satz „Störungen haben Vorrang“ erst einmal darum kümmern.
Geht es meinen Leuten gut, steigen jedoch der äußere Druck und die Krisenstimmung, braucht es eine klare Linie in der Führung.
Sind sowohl der äußere Druck als auch der psycho-soziale Stress dauerhaft, gilt es an systemischen Veränderungen zu arbeiten.
Was das konkret bedeutet, sehen wir in der Tools-Matrix:
Die klassischen Führungsstile sind bekannt. Spannend wird es beim Systemischen Führen, das letztlich alles beinhaltet, was nicht direkt das eigene Team oder einzelne Mitarbeiter*innen betrifft, sondern das System um das Team herum. Teilweise geht es darum, überkommene Werte und Regeln gerade in Dauerbelastungen zu überdenken, beispielsweise den eigenen Perfektionismus infrage zu stellen, als Führungskraft Mitarbeiter*innen am Limit für einen Tag nach Hause zu schicken oder agile Strukturen einzuführen, um zielgerichteter auf Kundenwünsche zu reagieren. Teilweise besteht ein Systemisches Führen auch darin, Probleme nach oben zu eskalieren, bspw. eine kollektive Überlastungsanzeige zu schalten. Solche Aktionen sind nicht unbedingt von einem tatsächlichen Erfolg gekrönt. Systeme sind schließlich schwer und nur langsam veränderbar. Sie zeigen jedoch, wie wichtig einer Führungskraft ihr Team ist. Bereits das kann einen Unterschied machen, der einen Unterschied macht.
Werfen wir zum Schluss noch einen Blick auf die Rollen, die Führungskräfte mit den verschiedenen Stilen einnehmen:
Wie der Biologe Frans de Waal in seinem Buch „Der Mensch, der Bonobo und die 10 Gebote“ darstellt, gibt es zwei widerstreitende Maximen zum Thema Helfen: Die „Altruismus-muss-weh-tun“- und die „Altruismus-fühlt-sich-gut-an“-Hypothese.
Kostet anderen zu helfen einen Preis?
Dass anderen zu helfen mit Schmerzen verbunden sein muss, war lange Zeit die Haupterklärung für Altruismus. Wer anderen hilft, ist naiv. Und wenn schon geholfen wird, ist das zumindest erklärungsbedürftig. Die Grundannahme dahinter lautet: Wir leiden jetzt, indem wir uns für andere aufopfern, um später einen Vorteil daraus zu ziehen. Wir ziehen unsere Kinder auf, damit wir im Alter nicht alleine sind. Wir helfen Freunden beim Umzug, damit wir bei Bedarf ebenso Hilfe bekommen. Oder wir unterstützen Kolleg*innen, damit wir uns, wenn wir einmal ganz oben in der beruflichen Nahrungskette stehen, auf eine breite Unterstützungsbasis verlassen können.
Diese Denkweise hat auch heute noch in vielen Bereichen Gültigkeit, wenn es heißt, man solle sich nicht über den Tisch ziehen lassen und jede*r soll sich in unserer neoliberalen Welt am besten um sich selbst kümmert, um nicht auf der Strecke zu bleiben. Und ganz falsch ist das nicht. Es ist ja tatsächlich so, dass wir uns durch ein altruistisches Verhalten Freunde machen, die uns bei Bedarf später mit einer höheren Wahrscheinlichkeit unterstützen werden.
Gleichzeitig klingt dieser Ansatz doch sehr strategisch, als würden wir genau deshalb helfen, um später Hilfe zu bekommen. Dass diese Herangehensweise nicht funktioniert, zeigt Adam Grant in seinem Buch „Geben und Nehmen“. Grant stellt dar, dass wir am meisten Hilfe zurückbekommen, wenn wir selbst keine Hintergedanken haben. Die strategische Version ist zu manipulativ.
Was wir alles denken, um anderen nicht helfen zu müssen
Die Altruismus-mit-Schmerzen-Hypothese kam jedoch in den letzten Jahren v.a. durch bildgebende Verfahren unter Druck. U.a. wurde von einem Team um James Rilling von der Emory University festgestellt, dass wir in sozialen Situationen zuerst den Impuls haben, anderen zu helfen und dann erst darüber nachdenken, ob diese Hilfe gut oder schlecht ist (de Waal, 2015, S. 72).
Kognitive Begründungen für eine Nichthilfe können entsprechend der „Altruismus-tut-weh“-Hypothese vielfältig sein:
Du machst dich hier zum Affen.
Ist das nicht übergriffig?
Bloß nicht einmischen.
Am Ende fühlt sie sich von dir angemacht.
Wer zu viel hilft, macht andere abhängig.
Und bei gehandicapten Menschen: Wie helfe ich hier am besten? Vielleicht will der das gar nicht.
Kurzum: Als erstes taucht der Impuls zu helfen auf. Dann jedoch finden wir eine Menge Gründe, warum es unpassend ist.
Öfter mal zum Affen machen
Wie de Waal zeigt, ist dieser Impuls ein Erbe unserer tierischen Vorfahren. Sowohl Schimpansen als auch Bonobos lösen eine Menge Konflikte, indem sie beispielsweise Kontrahenten nach einem Streit zur Versöhnung sanft aufeinander zu schieben oder anderen die Tür zu einem Futterraum öffnen, obwohl sie selbst dadurch weniger Futter bekommen.
Aber gehen insbesondere Schimpansen nicht oftmals aggressiv miteinander um? Dies liegt meist an der Enge und fehlenden Fluchtmöglichkeiten in einer unnatürlichen Umgebung. Zum Vergleich: In einen einstöckigen Nahverkehrs-Reisezugwagen passen inklusive stehenden Personen etwa 150 Menschen. Stellen wir uns vor, der Zug strandet bei Vollbesetzung zwischen zwei Haltestellen im Nirgendwo. Bei einer sommerlichen Hitze von 30 Grad. Die Klimaanlage fällt aus. Zudem ist unklar, wie lange der Aufenthalt dauert. Wie lange dauert es wohl, bis die ersten Menschen darin ungehalten reagieren? Nebenbei: Gibt es schon eine Serie über Geschichten, die Menschen erleben, wenn die Bahn Verspätung hat? Wenn nein, warum nicht? Netflix, Amazon oder Disney, wie wär’s?
Unsere weniger sozialisierten Vorfahren denken vermutlich weniger als wir über Gründe nach, warum sich gegenseitig zu helfen falsch ist. Vielleicht sollten wir uns viel öfter „zum Affen machen“. Aber vielleicht steckt dahinter auch eine große Kränkung. Wie Sigmund Freud bereits anmerkte: Wir sind nicht Herr im eigenen Haus. Und Frau wohl auch nicht. Freud meinte damit, dass unser Es, d.h. unsere unbewussten Impulse, uns oftmals mehr leiten, als uns lieb ist.
Wobei der Geschlechterunterschied, wenn wir schon dabei sind, ein gutes Stichwort ist: Nach de Waal reagieren bereits neugeborene Mädchen stärker auf Gesichter, während das männliche Geschlecht stärker auf mechanisches Spielzeug reagiert. Später sind Mädchen prosozialer als Jungs, achten mehr auf Stimmen, können emotionale Ausdrücke besser deuten, sind empathischer und haben mehr Gewissensbisse, wenn sie andere verletzen (de Waal, S. 75).
Geht es also gar nicht darum Chef*in im eigenen Haus zu sein, sondern besser auf die eigenen inneren Impulse zu horchen, ohne sie mit logischen Argumenten beiseite zu schieben?
Helfen macht Spaß
Schauen wir uns genauer an, welche Tätigkeiten bei uns Menschen mit Lust verbunden sind, wird deutlich, dass biologisch alles, was uns im ersten Moment keinen Vorteil bringt, jedoch wichtig für unser Überleben als Mensch oder Menschheit ist, mit positiven Emotionen vernetzt ist:
Das Stillen unseres Hungers gibt uns ein befriedigendes Gefühl. Der Geschmack von Salz, Zucker, Pfeffer, Knoblauch, usw. ist dabei auch nicht zu vernachlässigen.
Wie Sex funktioniert brauche ich wohl nicht zu erläutern.
Und die Königsdisziplin des Helfens – die Brutpflege – funktioniert ebenso nur durch positive Emotionen.
Einfach formuliert werden beim Helfen – und zwar nicht nur den eigenen Nachkommen, sondern auch der alten Dame am Ticketautomaten – Bindungshormone (Oxytocin) ausgeschüttet, die uns über unsere Spiegelneuronen beinahe das Gefühl geben, uns selbst zu helfen. Schaffen wir es, die unterstützte Person zu ihrem Ziel zu führen, haben wir damit auch das Gefühl, selbst ein Ziel erreicht zu haben. Dadurch werden Glücks- und Belohnungsgefühle im Nucleus accumbens ausgelöst, wodurch wir uns gemeinsam über diesen Erfolg freuen können.
Und damit sind wir bei der „Altruismus-fühlt-sich-gut-an“-Maxime angekommen. Der Grundgedanke dahinter lautet also: Wenn wir schon weniger an uns selbst denken, sollte es sich gut anfühlen, anderen zu helfen, damit wir es auch tun.
Um andere zu unterstützen brauchen wir also nicht einmal Mut, sondern lediglich das Im-Zaun-halten der inneren Stimmen, die uns suggerieren, wie naiv und unpassend es doch ist, anderen zu helfen.
Vor ein paar Tagen besuchte ich meine Eltern. Beide sind jetzt über 80 und mein Vater leidet seit einigen Monaten an einer rapide fortschreitenden Demenz. Als ich mit meinem Vater zusammen eine Pumpe zum Bewässern des Gartens zusammen baute, wurde mir eines klar: Ich kann ihm widersprechen, wenn ich sehe, dass er die Pumpe falsch zusammenbaut, weil er vergessen hat, wie es richtig geht. Damit befinde ich mich jedoch in Sekundenschnelle in einem Streitgespräch. Oder ich lasse ihn nach seiner Vorstellung walten – Gefahrensituationen ausgeschlossen – bis er merkt, dass es nicht funktioniert und schlage ihm dann erst vor, es anders auszuprobieren.
Ich entschied mich nach 2-3 Situationen auf der Kippe für die zweite Version. Ich muss zugeben, dass es mir nicht leicht fiel. Mein Ego stand mir dabei breitschultrig im Weg. Hitzige Diskussionen helfen jedoch nicht weiter. Er selbst vergisst ohnehin schnell, was er vor ein paar Minuten sagte. Und ihm zu zeigen, wie es funktioniert, damit er es sich merkt ist ohnehin zum Scheitern verurteilt.
Am ehesten hilft meines Erachtens die radikale Akzeptanz dieses unveränderbaren Status Quo, so anstrengend es auch sein mag. Radikale Akzeptanz ist daher auch eine Abkehr vom Wollen. Ich will ihn nicht verändern, sondern lediglich eine gute Zeit mit ihm verbringen, ohne Stress und ohne Streit.
Mit einer radikalen Akzeptanz neue Perspektiven gewinnen
Radikale Akzeptanz wird am häufigsten in Situationen angewandt, in denen wir nicht in der Lage sind, das Geschehene zu ändern, oder wenn sich etwas ungerecht anfühlt wie der Verlust eines geliebten Menschen, der Verlust des Arbeitsplatzes oder die Diagnose eine unheilbaren Krankheit – bei sich selbst oder jemand anderem. Diesen Zustand radikal zu akzeptieren bedeutet jedoch nicht, dass mir alles egal ist. Eine solche Haltung hilft jedoch dabei, sich einen neutralen Blick zu erkämpfen. Denn in der Regel ist es nicht nur der Zustand an sich – eine Krankheit oder Kündigung – der uns schmerzt, sondern v.a. der Umgang damit: Wir finden es unfair, dass ausgerechnet wir so etwas erleben müssen. Wir fragen uns, was wir falsch gemacht haben. Wir fragen uns, was wir anders im Leben hätten machen können.
Damit potenzieren wir unser Leiden nur noch. Könnten wir es als einen unveränderbaren Zustand akzeptieren, hätten wir die Chance einen neuen Umgang damit zu finden. Wir könnten dann – anstatt uns dagegen aufzulehnen – lernen damit umzugehen. Wir würden dann vermutlich auch positive Seiten daran entdecken. Eine Krankheit zeigt uns Grenzen auf, mit denen wir uns arrangieren müssen. Und vielleicht ist ein langsameres Leben, weil es nicht mehr schneller geht, manchmal nicht das Schlechteste. Und vielleicht bietet eine Kündigung die Chance auf einen Neuanfang.
Damit soll beileibe nicht alles Negative rosarot angesprüht werden. Wenn Veränderungen möglich sind, ist es auch für unsere Psyche wichtig, alles Menschenmögliche zu unternehmen, etwas zum Positiven zu wenden. Wenn jedoch keine Veränderungen möglich erscheinen – der Krankheitsverlauf ist eindeutig und die Kündigung ist final – gilt es, dies als gegeben zu akzeptieren und das Beste daraus zu machen. Alles andere wäre ein Energieverlust.
Ich kann dennoch trauern oder enttäuscht sein. Es ist sogar wichtig, Trauerphasen durchzumachen. Trauerphasen sollten jedoch nicht ewig dauern, weil wir ansonsten nur noch auf den Schmerz und das Leiden fokussiert sind.
Krankheit oder Kündigung sind extreme Situationen. Es gibt allerdings eine Menge Alltagssituationen, in denen wir ebenso die Haltung einer radikalen Akzeptanz üben können, beispielsweise, wenn einem der ICE vor der Nase weg fährt und ich eine Stunde auf den nächsten Zug warten muss. Wer kennt sie nicht, die Menschen, die bereits bei 5 Minuten Verspätung Schnappatmung bekommen? Würde der kleine empörte Wutausbruch über die Unzuverlässigkeit der Bahn etwas bringen, wäre ich sofort dabei. Es bringt aber nichts. Also kann ich mich genauso gut in ein Buch vertiefen.
Der Dalai Lama meinte dazu einmal sinngemäß: „Schmerz zu empfinden ist unvermeidlich – zu leiden ist eine Entscheidung“. Wer sich leidvoll an Situationen klammert, verhindert seine persönliche Weiterentwicklung, die notwendig wäre, um auch in Zukunft mit schwierigen Situationen umzugehen.
Typische Situationen, in denen eine radikale Akzeptanz sinnvoll ist
Verlustsituationen: Wenn Sie mit einem Verlust konfrontiert sind, einem Todesfall, dem Verlust des Arbeitsplatzes oder einer Beziehung.
Traumata: Wenn Sie an eine schwierige Zeit in Ihrer Vergangenheit denken, möglicherweise an ein Trauma. Den Vorfall können Sie nicht mehr ändern, nur noch den Umgang damit in der Jetzt-Zeit.
Schuldgefühle: Ähnliches gilt für das eigene Verschulden, bspw. eines Unfalls.
Gedankenkarussell: Wenn Gedanken und Gefühle Sie daran hindern eine Situation abzuhaken und einen Schritt weiterzukommen.
Dauerhafte Trauerphase: Wenn Sie nach einem Verlust in der Trauerphase stecken geblieben sind.
Unveränderbare Umstände: Wenn Sie sich an einem Problem die Zähne ausbeißen und dennoch nicht weiter kommen.
Akzeptanz der eigenen Kompetenzen: Wenn Sie trotz großer Anstrengungen ein selbst gestecktes Ziel nicht erreichen, evtl. weil andere besser sind als Sie.
Impulsivität: Wenn Sie dazu neigen, in Hauruckverfahren Dinge (und Menschen) verändern zu wollen.
Zeichen für eine mangelnde emotionale Distanz
Hier sind einige typische Gedanken oder Sprüche, die uns durch den Kopf gehen, wenn es uns schwer fällt, unveränderbare Situationen zu akzeptieren:
Das ist unfair.
Warum ich?
Ich verstehe nicht, wie es soweit kommen konnte.
Warum passiert das jetzt?
Habe ich nicht schon genug gelitten?
Womit habe ich das verdient?
Die Welt hat sich gegen mich verschworen.
Das ist typisch für mich.
Niemand sonst muss mit so einer Situation klar kommen.
Ich werde mich damit niemals abfinden.
Wenn ich könnte, würde ich das alles ganz anders angehen.
In 7 Schritten zu einer radikalen Akzeptanz
Decken Sie Ihre Illusionen auf: Womit beschwichtigen Sie sich in der aktuellen Situation? In einer zubrüche gegangenen Beziehung könnten Sie sich sagen: „Er kommt bestimmt zurück.“ Wurde jemand anders befördert könnten Sie zu sich sagen: „Die bereuen sicher bald, dass sie nicht mich genommen haben.“ Und: „Der macht bestimmt einen schlimmen Fehler.“ Für solche Hoffnungen oder auch Rachegedanken gibt es meist wenig Anhaltspunkte. Sinnvoller ist es, zu sich zu sagen: „Prima, wenn es passiert (bis auf den Rachegedanken), aber darauf werde ich mich nicht verlassen.“ Wissen Sie zu wenig, verschaffen Sie sich die nötigen Informationen. Sie könnten beispielsweise recherchieren, die Expertise eines zweiten Arztes einholen oder einen Kollegen nach seiner Meinung befragen.
Entdecken Sie, was Ihnen wirklich wichtig ist: Finden Sie heraus, was wirklich hinter Ihrem Schmerz über die Situation steckt. Oftmals kratzen wir mit unseren Aktionen nur an der Oberfläche. Wenn Sie gekündigt werden, kann Ihr Selbstwertgefühl angeknackst sein. Oder aber Sie brauchen eine Arbeit aus Sicherheitsgründen, um die Miete zu bezahlen. Je nachdem, was Ihnen wirklich wichtig ist, gibt es andere Strategien zu Bewältigung des Schmerzes. Ist Ihnen Selbstwert wichtig, können Sie sich auf die Suche nach anderen Quellen für Ihren Selbstwert machen, bspw. ein Ehrenamt. Ist Ihnen Sicherheit wichtig, könnte ein anderer Job dieses Bedürfnis stillen.
Aktivieren Sie bewährte Strategien: Auf welche Strategien zur Bewältigung schwieriger Situationen griffen Sie in der Vergangenheit zurück? Tauschten Sie sich mit Freunden aus oder nahmen sich eine Auszeit? Was davon könnten Sie auch jetzt wieder anwenden?
Üben Sie sich in Akzeptanz: Akzeptanz lässt sich üben. Üben Sie in Alltagssituationen, wenn Ihnen der Zug vor der Nase weg fährt oder Sie bei ebay in letzter Sekunde überboten werden. Sie können auch am Abend den Tag Revue passieren lassen und die Situationen durchgehen, an denen Sie nichts ändern konnten und sich Ihre Einstellungen dazu reflektieren. Auch Tagebuch zu führen kann helfen.
Lernen Sie aus Ihren Erfahrungen: Richten Sie den Blick in die Zukunft. Wir ärgern uns häufig über uns selbst. Meist wissen wir ja, dass wir anders hätten handeln können und vielleicht zu impulsiv waren. Anstatt sich über sich selbst zu ärgern ist es jedoch sinnvoller, sich zu fragen, was ich das nächste Mal anders machen könnte.
Der retrospektive Blick: Stellen Sie sich vor, wie Sie fünf Jahre später auf das zurückblicken, was aktuell passiert. War es das wirklich wert, sich so zu ärgern? War es vielleicht sogar gut, dass mir das passierte? Was konnte ich daraus lernen?
Entdecken Sie Ihren eigenen Wesenskern:Insbesondere wenn wir anderen Menschen begegnen, bspw. einem kranken, zu pflegenden Menschen, ist es essentiell, seinen eigenen Wesenskern als Mensch zu kennen. Anstatt mein Gegenüber verändern zu wollen, ist es sinnvoller, die eigene Neugier, Präsenz, Achtsamkeit, Hoffnung, Aufmerksamkeit, Güte, Sanftheit und Geduld zu aktivieren, um eine gute Begegnung zu ermöglichen.
Turbulente Zeiten verlangen Führungskräften und Mitarbeiter*innen eine Menge ab. In diesem Kontext wird häufig von Fähigkeiten und Kompetenzen gesprochen, die Mitarbeiter*innen mitbringen sollten, sogenannte Future-Skills, oft auch von einem digitalen Mindset.
Worüber seltener gesprochen wird, sind Tugenden, vielleicht weil der Begriff altmodisch anmutet. Oder auch, weil Tugenden schlechter zu greifen und messen sind als Kompetenzen. Dabei sind alte Konzepte nicht per se falsch, sondern sollten eher an moderne Zeiten angepasst werden. Die Führungskraft als Vorbild und Autorität beispielsweise ist nicht das gleiche Vorbild und die gleiche Autorität wie vor 50 Jahren. Dennoch gibt es gerade in Krisenzeiten eine Renaissance des Vorbilds und der Stärke auf der Führungsebene. Die neue Autorität ist jedoch nicht mehr unverrückbar, sondern darf und soll diskutiert werden. Und dennoch ist es wichtig, dass da ein Mensch ist, der für etwas steht.
Dem gleichen Prinzip folgen Tugenden, die in großen Teilen auf die griechischen Stoiker zurückgehen. Im Vergleich zu Fähigkeiten und Kompetenzen wie Selbstmanagement, Ergebnisorientierung, Veränderungsbereitschaft oder Empathie sind Tugenden eher eine Voraussetzung für ein gutes Miteinander und eine gute Zusammenarbeit. Während beispielsweise Empathie Mitarbeiter*innen hilft, sich auch auf Distanz in ihre Kolleg*innen gedanklich hinein zu versetzen, braucht es die Tugenden Weitsicht, um zu wissen, wie meine Handlungen bei anderen ankommen, Besonnenheit, um zuerst einmal zur Ruhe zu kommen und damit der Empathie den Boden zu bereiten und ein Gespür für Gerechtigkeit, um abzuschätzen, ob jemand etwas als unfair empfinden könnte.
Die wichtigsten Tugenden lauten:
Neugier, um über den Tellerrand zu blicken und Bekanntes zu überwinden,
Mut, um das Richtige zu tun, dabei über eigene Bedenken hinwegzusehen und eventuell auftretende eigene Nachteile in Kauf zu nehmen,
Selbstbeherrschung, Besonnenheit,Bescheidenheit, Demut und Nachsicht, um in schwierigen Situationen angemessen zu reagieren.
Weisheit und innere Reife, um Entscheidungen in Ruhe zu treffen,
Weitsicht, um die Folgen des eigenen Handelns vorweg zu nehmen.
Gespür für Gerechtigkeit, um mit anderen gut umzugehen, ihre Bedürfnisse wahrzunehmen und sie anständig zu behandeln,
Güte, Großmut und Hilfsbereitschaft, um insbesondere unter Belastungen die Solidarität untereinander zu fördern.
Sanftheit und Geduld, um auch ohne den Einsatz von Macht Ziele zu erreichen.
Das Wissen um solche Tugenden kann Führungskräften und Teamleitungen dabei helfen, ihre Wahrnehmung dafür zu schärfen, was ihre Teams und Abteilungen benötigen und was eventuell fehlt, insbesondere im Umgang miteinander unter Stress und Zeitdruck.
Führungskräfte kennen das Dilemma in Veränderungen. Manche Informationen sollen aus diplomatischen Gründen zurückgehalten werden. Gleichzeitig sind Teams und Abteilungen frustriert, wenn sie nicht wissen, was auf sie zukommt. Wie also sollten Teams in Veränderungen am besten begleitet werden?
Der Psychologe Shlomo Bresnitz führte dazu eine erhellende Studie durch. Er unterteilte eine Kompanie von Soldaten in vier Gruppen. Alle vier Gruppen sollten unter den gleichen Bedingungen einen Fußmarsch von 40 km absolvieren:
Die 1. Gruppe wusste von den 40 km und bekam regelmäßig die Rückmeldung ihres aktuellen Stands.
Die 2. Gruppe absolvierte den Gewaltmarsch ohne jegliche Informationen, auch nicht über die 40-km-Distanz.
Der 3. Gruppe wurde erzählt, sie hätten 30 km zu absolvieren. Kurz vor Ende kam dann die Hiobsbotschaft der restlichen 10 km.
Und der 4. Gruppe wurde erzählt, sie hätten 60 km abzuleisten.
Am Ende wurde der Cortisol- und Prolaktin-Spiegel der Soldaten gemessen, zwei Hormonen als Hinweis auf empfundenen Stress.
Welche Gruppe verzeichnete wohl den niedrigsten bzw. größten Stresspegel?
Spontan könnte man denken, Gruppe 4 müsste eigentlich gut dran sein. Sie hatten sich viel vorgenommen und es dann früher als geplant geschafft.
Spontan könnte man auch glauben, dass Gruppe 3 besonders schlecht dran war, weil es frustrierend ist, nach erreichtem Ziel weitere 10 km herunter zu reißen.
Fakt ist jedoch:
Gruppe 1 hatte den niedrigsten Stresslevel. Sie wussten immer woran sie waren.
Gruppe 2 erging es am schlechtesten. Sie hingen die ganze Zeit in der Luft und wussten nie, wie sie ihre Kräfte einteilen sollten.
Gruppe 3 war zwar sauer auf die weiteren 10 km, absolvierten diese jedoch ohne große Schwierigkeiten.
Gruppe 4 hingegen erging es fast noch schlechter als Gruppe 2. Die Aussicht auf 60 km war für viele aus der Gruppe so entmutigend, dass bereits nach 10 km die ersten Soldaten aufgaben. Diejenigen, die es bis zum Ende schafften, waren körperlich so am Ende, dass sie sich kaum über das vorzeitige Ende freuen konnten.
Was lässt sich daraus für Veränderungen lernen?
Mitarbeiter*innen sollten in Veränderungen so früh und so gut wie möglich informiert werden.
Den Teufel an die Wand zu malen in der Hoffnung, dass Mitarbeiter*innen sich freuen, dass es doch nicht so schlimm kommt, kann sich rächen.
Stattdessen ist es sinnvoller, kleine Meilensteine anzupeilen, wohlwissend, dass vermutlich noch mehr – noch nicht Spruchreifes – nachkommen wird.
Hoffnung statt Krise – Führen statt Aushalten
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