Wie wir von einem statischen und trennenden zu einem dynamischen und verbindenden Mindset kommen

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Spätestens in der Schule beginnt der Einstieg in ein statisches und trennendes Denken:

  • Was kann ich, was andere nicht können?
  • Worin bin ich besser?
  • Womit kann ich mich von anderen abgrenzen?
  • Wofür bekomme ich von den Lehrer*innen Lob und Anerkennung?
  • Was darf ich auf keinen Fall tun?

Dabei hat dieses Denken durchaus nachvollziehbare Hintergründe. In kleinen Gruppen wie Familien oder Freundeskreisen werden Menschen stärker als Individuen wahrgenommen. Je größer die Gruppe ist, desto wichtiger werden Abgrenzungen durch Geschlecht, Eigenschaften, Fähigkeiten oder Meinungen. Schließlich muss ich mich im Kampf um Aufmerksamkeit bzw. um Kontakte, Beziehungen oder sogar Aufträge sichtbar machen und positionieren, um nicht unterzugehen.

Damit einher gehen jedoch zwei Effekte, die ein Miteinander erschweren:

  1. Sofort ins Auge fällt die Abgrenzung von anderen.
  2. Genauso dramatisch ist jedoch eine statische Denkweise des Könnens anstatt einer dynamischen Sichtweise des Entwickelns. Unsere persönliche Entwicklung wiederum ist sehr stark von anderen abhängig, mit denen wir zusammen arbeiten, die unsere Kompetenzen ergänzen und von denen wir etwas lernen können.

Die Psychologin Carol Dweck prägte zur Unterscheidung dieser beiden Mindsets die Begriffe Wachstums- versus Leistungs-Mindset. Beide Denkweisen haben Vor- und Nachteile:

  • Das Leistungsmindset vermittelt uns Sicherheit, indem wir uns darauf berufen, was wir können oder nicht können. Es hindert uns jedoch daran, Neues zu wagen, bei dem wir uns unserer Kompetenzen noch nicht sicher sein können.
  • Das Wachstumsmindset hiflt uns dabei, uns weiter zu entwickeln im Sinne eines lebenslangen Lernens. Es kann jedoch zu einer Rastlosigkeit bis zum Burnout führen.

Diese Erkenntnisse sind bereits relativ alt. Die Forschungen von Dweck gehen bis in die 70er Jahre zurück und finden sich in einer komplexeren Form in der Psychologie als Attribuierungstheorie wieder. Dabei wird jedoch die Komponente der Bindung weitgehend ausgespart. Denn Bindung bedeutet letztlich sich aufeinander zu beziehen und voneinander zu lernen. Damit hängt Bindung direkt mit persönlichem Wachstum zusammen. Selbst wenn ich „nur“ ein Buch lese oder mir ein Info-Video auf Youtube ansehe, gehe ich damit eine lose Verbindung mit anderen Menschen, Autor*innen oder Hersteller*innen des Videos ein. In Seminaren wird es noch deutlicher: Baue ich als Trainer zu Beginn eine gute Bindung zu meinen Seminarteilnehmer*innen auf und fördere insbesondere die Beziehungen untereinander, fördert das nicht nur den Austausch, sondern macht ein gemeinsames Lernen insgesamt möglich.

Ich bin nach all den Jahren jedesmal aufs Neue erstaunt, wie schnell und einfach es im Grunde geht, eine Gruppe von Menschen (meistens etwa 12 Personen) innerhalb kürzester Zeit zusammenzubringen. Spätestens nach dem ersten gemeinsamen Mittagessen ergeben sich Netzwerke, auf deren Basis sich beinahe jede*r auch mit seinen Schwächen zeigen kann. In externen freilich mehr als in Inhouse-Seminaren. Doch auch hier ergibt sich oft in meinen Seminaren eine Offenheit, die ein Wachstums-Mindset und damit ein Voneinander-Lernen erst ermöglicht.

Dieser Aufbau einer psychologischen Sicherheit auf der Beziehungsebene kann über ganz unterschiedliche Ansätze stattfinden:

  • Erwartungen austauschen und sich später auf die Erwartungen der Teilnehmer*innen beziehen,
  • die Teilnehmer*innen beim Namen nennen,
  • Smalltalk in der Pause,
  • der Einsatz von Humor und Selbstironie,
  • den Austausch in Kleingruppen fördern,
  • mehr Fragen stellen als einheitliche Lösungen bieten,
  • zum öffentlichen, gemeinsamen Nachdenken anregen,
  • gemeinsam etwas unternehmen (Mittagessen, Abendspaziergang),
  • niemanden mit seinen Ansichten separieren oder bloß stellen, usw.

Die Gemeinsamkeit all dieser Ansätze ist das Augenmerk auf das Verbindende. Es geht eben nicht darum, was ich weiß oder jemand anderes kann, sondern was dieses Wissen oder Können für andere bedeutet. Es geht auch nicht darum über etwas zu lachen, sondern gemeinsam über etwas zu lachen und sich gemeinsam über anderes zu ärgern. Insofern gibt es keine NoGos, wie die Neurowissenschaften manchmal nahe legen, wenn es bspw. um den Begriff des Problems geht, der bitteschön durch Herausforderung oder Chance ersetzt werden sollte. Auch wenn der Begriff der Herausforderung positivere Assoziationen in uns weckt, kann der Problem-Begriff ebenso verbindend wirken und gleichzeitig wertschätzend signalisieren, wie schwer eine Situation für Mitarbeiter*innen aktuell aussieht.

In diesem Sinne beginnt die Förderung von Verbindungen in Gruppen mit unserer Sprache:

  • Was können wir gemeinsam erreichen?
  • Was können wir voneinander lernen?
  • Was kann jede*r zum Gelingen eines Erfolgs beitragen?
  • Was haben wir bereits zusammen erreicht?
  • Wie können wir uns in unseren Kompetenzen ergänzen?
  • Wie können wir uns gegenseitig unterstützen?
  • Welche Erfahrungen verbinden uns?

Es geht hier nicht darum, dass immer alles harmonisch ablaufen sollte. Auch um den richtigen Weg streiten verbindet, sofern es ein gemeinsames Ziel gibt, das unterschiedliche Menschen mit unterschiedlichen Erfahrungen und unterschiedlichen Sichtweisen auf unterschiedliche Art und Weisen erreichen wollen. Dennoch bleibt das verbindende Ziel, das dabei hilft, die unterschiedlichen Sichtweisen und Kompetenzen als Ergänzung und nicht als Trennung wahrzunehmen.