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Kündigungen zuvorkommen in Zeiten hoher Fluktuation

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In Zeiten hoher Fluktuation sind Unternehmen gefordert, ihre Mitarbeiter/innen langfristig zu halten. Doch leider erlebe ich als Mediator folgendes Drama in vier Akten regelmäßig hautnah:

  1. Jetzt aber schnell: Bei mir direkt oder bei einem meiner Bildungsanbieter geht ein Anruf ein: „Hilfe, wir haben einen Konflikt!“ Bis zur Kostenbewilligung dauert es meist etwa eine Woche. Parallel werden bereits Termine vereinbart, weil es schließlich schnell gehen muss.
  2. Nur Gulasch sollte lange köcheln: Beim Erstgespräch stellt sich dann meistens heraus, dass der Konflikt nicht erst gestern entstand, sondern mindestens seit einem Jahr vor sich hin köchelt. In einem meiner letzten Fälle waren es 3(!) Jahre. Das heißt nicht, dass nichts unternommen wurde. Nur meistens erwiesen sich die Handlungen (Personalgespräche, getrennte Büros, etc.) als nicht wirklich nachhaltig und beschränkten sich auf Lippenbekenntnisse. Dahinter steckt in der Regel keine böse Absicht, sondern vielmehr die Unkenntnis darüber, worum es überhaupt geht und was entsprechend zu tun wäre.
  3. Das Gesicht wahren: Wer jedoch seit einem Jahr erleben musste, das sich im Grunde nichts veränderte, hat bereits innerlich gekündigt. Die Mediation kommt entsprechend zu spät. Dennoch lassen sich alle Beteiligten darauf ein, während der/die kündigungswillige/r Mitarbeiter/in sich parallel nach einem neuen Job umsieht.
  4. Der Absprung: In der derzeitigen arbeitnehmerfreundlichen Arbeitsmarktsituation dauert es meist nicht lange, bis der/die wechselfreudige Mitarbeiter/in etwas Neues bekommt, oft bereits nach einer Bewerbung und einem Vorstellungsgespräch. Die Mediation wird frühzeitig abgebrochen. Geld wurde sinnlos verbrannt und alle anderen Beteiligten sind frustriert.

Maßnahmen zur Verhinderung von Kündigungen

Natürlich gibt es eine Vielzahl an Möglichkeiten, die Unternehmen ohnehin machen (könnten), um Mitarbeiter*innen zu halten:

  • Eine Wertschätzungs- und Feedbackkultur pflegen: Typisch sind natürlich ein regelmäßiges Feedback, Belohnungen für erreichte Meilensteine und ein Danke für tägliche Leistungen, das den Mitarbeiter/innen das Gefühl gibt, gesehen zu werden.
  • Karrieremöglichkeiten und Weiterbildung ermöglichen: Gerade in Konflikten zeigt sich, dass Mitarbeiter/innen sich mehr von ihrem Unternehmen erhofft haben. Vielleicht haben sie sich irgendwann einmal auf eine Stelle beworben, wurden nicht genommen und bekamen stattdessen einen neuen Chef, die Situation wurde jedoch nie aufgearbeitet.
  • Die Work-Life-Balance der Mitarbeiter/innen ernst nehmen: Das Thema wird mittlerweile mancherorts ein wenig belächelt, wenn es heisst: Den jungen Leuten ist ihre Work Life Balance wichtiger als Leistung zu zeigen. Dabei geht es hier nicht nur um Life, sondern eben auch um Work. Und nur, wer sich erholt, kann auch wieder volle Leistung zeigen. Den Rest regeln Arbeitsschutzgesetze.
  • Ein positives Arbeitsumfeld kreieren: Dazu gehören zum einen Teamentwicklungen, zum anderen positive Arbeitsbedingungen, die wir aus New Work-Kontexten kennen. Aus meiner Erfahrung erwarten Mitarbeiter/innen gar nicht viel: Einmal im Jahr einen Team-Tag. Eine ansprechende Teeküche. Und ansonsten einen Arbeitsplatz, zu dem man sich nicht jeden Morgen hinquälen muss.
  • Flexibilität bei der Arbeitsgestaltung ermöglichen: Die Möglichkeit, Arbeitszeiten und -orte flexibel zu gestalten, wird zunehmend wichtiger. Mit einer cleveren Balance zwischen Homeoffice und Präsenzzeiten werden auch Mitarbeiter/innen glücklich, die sich weniger wohl unter Menschen fühlen oder für ihre Arbeit absolute Ruhe brauchen, um produktiv voran zu kommen.
  • Betriebliche Gesundheitsförderung anbieten: Sportangebote einerseits und Entspannungsprogramme andererseits sprechen sowohl ältere als auch jüngere Mitarbeiter/innen an. Natürlich kann das nicht der Hauptgrund sein, warum Mitarbeiter/innen bleiben. Dennoch ermöglichen solche Programme eine Win-Win-Win-Situation: Das Unternehmen zeigt Wertschätzung und Dankbarkeit, die Mitarbeiter/innen halten sich fit, regenerieren sich und vernetzen sich zudem in solchen Kursen untereinander, was wiederum die innerbetriebliche Bindung agteilungsübergreifend fördert.

Eine Kultur der Offenheit verhindert Kündigungen

Der wichtigste Punkt ist allerdings Führungskräfte als Vertrauenspersonen aufzubauen, weil direkte Vorgesetzte oft die Hauptrolle beim Verbleib der Mitarbeiter/innen spielen. Führungskräfte sollten entsprechend nicht nur als Chef/innen wahrgenommen werden, sondern auch als Mentor/innen, indem sie zuhören und auf individuelle Wünsche und Sorgen reagieren. Dazu ist auch ein Seminar für Führungskräfte in Richtung „Missstimmungen im Team erkennen und darauf frühzeitig reagieren“ sinnvoll. Dies sollte jedoch übergreifend wahrgenommen werden, insbesondere wenn ein Konflikt, wie so häufig, zwischen einem Mitarbeiter und einer Führungskraft besteht. In solchen Fällen ist es wichtig, dass Führungskräfte nicht alleine gelassen werden, sondern sich bei ihren Vorgesetzten oder anderen Führungskräften Hilfe holen können, im Sinne einer Proto-Mediation.

Die gleiche Haltung sollte selbstredend für das gesamte Unternehmen gelten, indem über Mitarbeiterumfragen auf Unstimmigkeiten frühzeitig und ernsthaft reagiert werden kann, zur Not auch mit einem externen Coach oder Teamentwickler, lange bevor es zu einer Kündigung kommt.

Die Mitarbeiter-Bindungs-Checkliste

All das lässt sich auch bequem in eine Checkliste packen:

Maßnahmen zur Verhinderung von KündigungenJa / Nein
Bei uns herrscht eine Kultur der Wertschätzung und des konstruktiven Feedbacks vor.
Das bedeutet konkret:
Wir ermöglichen Weiterbildung und persönlichen Aufstieg und arbeiten Unstimmigkeiten bezüglich einer verhinderten Karriere auf.
Das bedeutet konkret:
Wir nehmen die Work-Life-Balance der Mitarbeiter/innen ernst.
Das bedeutet konkret:
Wir bieten ein positives Arbeitsumfeld.
Das bedeutet konkret:
Wir ermöglichen Flexibilität bei der Arbeitsgestaltung.
Das bedeutet konkret:
Wir bieten Programme zur betriebliche Gesundheitsförderung an.
Das bedeutet konkret:
Wir bauen Führungskräfte als Mentoren und Vertrauenspersonen auf.
Das bedeutet konkret:
Führungskräfte haben bei Konflikten neutrale Ansprechpartner/innen.
Das bedeutet konkret:
Das Unternehmen fragt regelmäßig Stimmungsbilder aus der Belegschaft ab und nimmt Unstimmigkeiten ernst.
Das bedeutet konkret:

Organische Solidarität als Basis einer gelungenen Teambindung

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Teufelskreis Fluktuation

Viele Firmen haben derzeit einerseits mit einer hohen Fluktuation und andererseits mit einer Zusammenarbeit auf Distanz zu kämpfen. Beide Faktoren machen den Aufbau tiefer Beziehungen schwierig. Dabei wären Bindung und gegenseitiges Vertrauen so wichtig, um gut mit Stress und Krisen umzugehen. Damit befinden sich viele Teams in einem Teufelskreis:

  • Die hohe Fluktuation verhindert langfristige Bindungen.
  • Das Homeoffice kann gerade bei jungen Teams auch zu emotionalen Distanzen führen.
  • Damit wird jede*r mit Stress in Krisenzeiten alleine gelassen.
  • Dies wiederum erhöht die Wahrscheinlichkeit eines frühzeitigen Wechsels.

Wie lässt sich dieser Teufelskreis durchbrechen?

Mechanische versus organische Solidarität

Der Soziologe Emile Durckheim unterschied zwischen einer mechanischen und einer organischen Solidarität. Die mechanische beruht auf einer Solidarität unter Gleichen, über die nicht nachgedacht werden muss, was in Familien der Fall ist. Oder aber die mechanische Solidarität wird künstlich hergestellt, wie wir das von Sekten, der Mafia oder aus dem Kommunismus kennen, indem die Gleichheit überbetont wird und persönliche Unterschiede unterdrückt werden.

Die organische Solidarität wiederum beruht auf Ergänzung durch Unterschiede. Während Kollege A kreativer ist, hat Kollegin B ein besseres Zeitmanagement. Eine organische Solidarität beruht daher nicht auf engen Gruppenzugehörigkeiten und damit engen meist persönlichen Bindungen, sondern auf der wechselseitigen Angewiesenheit aufeinander. Wie in einem Körper die verschiedenen Organe aufeinander angewiesen sind, kann in einer modernen arbeitsteiligen Gesellschaft das eine soziale Segment nicht ohne das andere bestehen. Die organische Solidarität beruht also nicht auf Ähnlichkeit, sondern auf einer gesellschaftlichen Notwendigkeit der Zusammenarbeit.

Die Stärke von Schwächen

Die organische Solidarität lässt sich gut mit einem Körper vergleichen. Ein Körper besteht aus verschiedenen Körperteilen mit unterschiedlichen Funktionen. Die Hände greifen, die Beine bringen uns voran, der Kopf denkt, der Magen verdaut, usw. Um geistig zusammengehalten zu werden, braucht unser Körper einen Sinn. Dieser kann im Selbsterhaltungstrieb, einer Vision von Glück und Zufriedenheit, der Abwesenheit von Schmerzen und Krankheit oder schlicht einem Gefühl von Lebendigkeit zu finden sein. Worin jedoch besteht die Idee des Zusammenhalts in einer organischen Solidargemeinschaft, beispielsweise einem Arbeitsteam?

Am wichtigsten sind sicherlich auch hier gemeinsame Ziele, eng verbunden mit dem Sinn der Team-Existenz: Wofür und für wen machen wir das alles? Wollen wir vielleicht sogar die Welt ein klein wenig besser machen?

Desweiteren gilt es aber auch, sich des Miteinanders stärker bewusst zu werden:

  • Wie wollen wir miteinander umgehen? Wie wollen wir uns loben und kritisieren? Wie mit Fehlern umgehen? Wie humorvoll darf es sein? Wie offen und ehrlich? Wofür gibt es Anerkennung? Was ist tabu?
  • Welche Stärken und Schwächen haben wir und wie können wir uns gegenseitig ergänzen?

Der zweite Punkt verdeutlicht, dass der alleinige positive Fokus auf Stärken für eine gegenseitige Bindung nicht ausreicht. Es braucht auch das Bewusstsein der eigenen Schwächen und damit verbunden die Demut, die Kolleg*innen zu brauchen.

Mechanische versus organische Teams

Viele Teams, die ich in den letzten Jahren begleitete, hatten einen familiären Charakter. Sie sahen sich als Teams, die nicht nur funktional zusammen arbeiten, sondern auch in der Teeküche gerne private Themen austauschten. Die Zusammenarbeit auf Distanz brachte hier eine drastische Zäsur. Plötzlich gab es viel weniger Möglichkeiten, sich spontan in der Pause über Privates auszutauschen. Damit wurde solchen Teams jedoch eine starke Quelle zur Bindung und zum gegenseitigen Vertrauen geraubt, im Sinne von: Wenn ich von A’s Kindern weiß, kann ich A auch von meinem Problemen erzählen. Solche Teams funktionierten folglich (zumindest zum Teil) als eine Gemeinschaft unter Gleichen nach dem Prinzip der mechanischen Solidarität.

In mechanischen Solidargemeinschaften ist Harmonie wichtig. Daher ist es schwierig, Probleme anzusprechen. Gleichzeitig glauben sie daran, wenig regeln zu müssen, wie miteinander umzugehen ist, wie gelobt und kritisiert werden sollte, wie mit Fehlern umgegangen wird, wofür es Anerkennung gibt und was tabu ist. In einer Gemeinschaft unter Gleichen braucht es dies auch nicht. Man kennt sich schließlich und trifft lieber spontane Vereinbarungen.

Im Vergleich zu einer Familie wird also deutlich: Je weniger gut sich Menschen kennen und je geringer daher die (natürliche) Bindung ist, desto wichtiger ist eine organische Solidarität. In dem Moment, wo sich mechanische Gemeinschaften auflösen, braucht es wieder mehr Regeln, Rituale und Rollen, aus denen die jeweiligen Stärken der Beteiligten deutlich hervorgehen.

Eine Bindung im Team ist also durchaus auch bei einer hohen Fluktuation möglich, wenn die Erwartungen aneinander und der Umgang miteinander von Beginn an offen und ehrlich geklärt werden. Damit dies gelingt, braucht es eine moderierende, emotional kompetente und positive Führungskultur.

Literatur (externe Links)

Michael Hübler – Die Führungskraft als Mediator

Michael Hübler – Mit positiver Führung die Mitarbeiterbindung fördern

Michael Hübler – Wir sollten reden!

Warum Ziele keine Zuversicht und Motivation mehr vermitteln und was wir in Krisen stattdessen brauchen

Ziele als Hoffnungsspender und Motivator

In der Vergangenheit wurden Ziele eingesetzt, um einen Wunschzustand anzustreben bzw. die Lücke zwischen einem Wunschzustand und dem Ist-Zustand zu überbrücken. Ziele hatten damit zwei Funktionen:

  1. In schwierigen Zeiten wirkten sie als Hoffnungsspender: „Momentan durchleben wir eine Krise. Es wird aber auch wieder besser und wir können gemeinsam etwas dafür tun.“
  2. In normalen Zeiten versprachen sie Wachstum und Fortschritt und wirkten damit motivierend. U.a. aus diesem Grund ist Projektarbeit meist spannender als eine Akte nach der anderen abzuarbeiten: Es gibt ein Ziel und Meilensteine als kleine Ziele auf dem Weg dorthin.

Beide Funktionen wirken verbindend: Wir arbeiten gemeinsam an einer besseren Zukunft.

Aktuell erscheint es in vielen Bereichen schwierig, mit Zielen zu operieren. Das Wachstum-Versprechen ist meist verbunden mit noch mehr Ressourcenverbrauch und damit einer weiteren Ausbeutung der Umwelt. Wir könnten also mit einer Zielerreichung den Kampf gewinnen und gleichzeitig den Krieg verlieren. Außer man versucht, die Umweltthematik mit einzubauen. Und das Hoffnungsversprechen erscheint nach Jahren der Krise(n) immer unglaubwürdiger. Kaum eine Führungskraft kann sich noch hinstellen und behaupten, wenn wir noch ein paar Monate Gas geben wird es schon wieder werden.

Unterschiedliche Möglichkeiten Verbindungen in Unternehmen herzustellen

Die folgende Matrix verdeutlicht anhand der drei Zeiten unterschiedliche Möglichkeiten Verbindungen in Unternehmen herzustellen:

VerbindungenGemeinsame ErfahrungenAchtsamkeit Austausch über Erkenntnisse und ErfahrungenGemeinsame Ziele mit positiven Auswirkungen für alle

VergangenheitGegenwartZukunft
AbstoßungenHadern mit der Vergangenheit Verurteilung der VergangenheitEgoistische Selbst-optimierung Präsentismus, Hektik und Impulsivität Konkurrenz-denkenFehlende Ziele Ambivalente Zielerreichungen Egoistische Ziele

Gleichzeitig verdeutlicht die Matrix Abstoßungsphänomene, die Bindungen untereinander erschweren (Vgl. https://taz.de/Hartmut-Rosa-im-Gespraech/!5902948):

  1. Der Konsens über die Richtigkeit vergangener Handlungen und Vorgehensweisen ist oft nicht mehr gegeben.
  2. Es geht mehr um das eigene Vorwärtskommen und die eigene Selbstoptimierung als um die Optimierung eines Gruppengefüges. Bei gleichzeitiger Verkleinerung des Kuchens macht sich Konkurrenzdenken breit.
  3. Wie bereits dargestellt fehlt es an plausiblen und erreichbaren Zielen.

Es geht nun nicht darum keine Ziele mehr zu verfolgen. Wir sollten jedoch davon wegkommen, dass bereits gemeinsame Ziele eine verbindende Wirkung in Unternehmen haben.

Paradigmenwechsel zum Aufbau von Bindungen in Unternehmen

Wenn nun Ziele nicht mehr so viel Motivation und Zuversicht vermitteln wie bislang, erscheint es sinnvoll, den Fokus auf die beiden anderen Zeiten zu erweitern, die Vergangenheit und die Gegenwart.

Auch die gemeinsame Vergangenheit hat es schwer, wenn der unausgesprochene Subtext von „Ich hätte das anders gemacht!“ lautet: „Das war schon damals falsch!“. Oftmals fehlt also der historische Blick auf den Kontext einer Situation, vor dem bspw. Dieselautos gebaut wurden, die heute nicht mehr erwünscht sind. Vieles, was heutzutage seltsam anmutet, war zur damaligen Entstehungszeit Mainstream und lässt sich daher ohne den geschichtlichen Kontext nicht verstehen. Ungünstigerweise findet jedoch immer weniger Austausch zwischen Generationen und Menschen unterschiedlicher Ansichten und Meinungen statt. Während früher in Familien noch gemeinsam Fernsehen geschaut wurde, haben Kinder heute ihren eigenen Netflix, Disney+, etc. -Zugang. Auch Musik wird nicht mehr gemeinsam konsumiert. Damit fehlt jedoch eine gemeinsame Basis des Austauschs. Auf gesellschaftlicher Ebene leben wir ebenso in unseren eigenen Filterblasen, die sich lediglich begegnen, um darin bestätigt zu werden, wie seltsam die anderen Blasen sind, um sich anschließend wieder auf sich selbst zu konzentrieren. Und während im Flur und in Kantinen früher der Klatsch und Tratsch der Woche ausgetauscht wurde, sitzt nun jede*r alleine im Homeoffice.

Umso wichtiger ist es gerade für Unternehmen, den gemeinsamen Austausch der Bindung wegen zu fördern und anzuregen, beispielsweise über ein Biographisches Interview.

Ich werde in Führungstrainings häufig gefragt, ob das nun bedeutet, als Führungskraft zwangsläufig mehr Teambildung machen zu müssen. Das muss es jedoch nicht. Wenn Mitarbeiter*innen kaum zusammenarbeiten, braucht es auch keine Teambildung. Es kann zwar bei Mitarbeiter*innen das Bedürfnis vorhanden sein, sich mehr miteinander auszutauschen. Wenn dies jedoch für die Arbeit nicht notwendig ist, kann ein solcher Austausch auch privat stattfinden, wenn es das Bedürfnis dafür gibt.

Neugier als Kernstrategie gegenseitiger Verbindungen

Für einen arbeitsbedingten Austausch ist wiederum in der Gegenwart eine Haltung wichtig, die weniger auf Leistung – inklusive Selbstoptimierung und Konkurrenz – aufbaut, sondern auf Neugier basiert. Neugier führt zur gegenseitigen Ergänzung und damit Verbindung und Unterstützung, was insbesondere in Krisenzeiten ein enorm wichtiges psychisches Kapital ausmacht.

Führungskräfte und Teamleitungen sollten daher die Neugier ihrer Teams gezielt anregen. Neugierig kann ich beispielsweise auf Erfahrungen, Sichtweisen, Herangehensweisen, Fähigkeiten im Umgang mit Stress, usw. sein.

Praxistipp: Strukturaufstellungen Eine gute Möglichkeit, die Neugier in Teams zu wecken sind systemische Strukturaufstellungen. Vor einigen Jahren bekam ich den Auftrag einen Konflikt in einem Verein zu schlichten. Zur Verdeutlichung, worauf der Konflikt fußte, überlegte ich mir Fragen wie: Wer hat Kinder? Wer keine? Für wen ist sein Ehrenamt sehr wichtig? Für wen weniger wichtig (bspw. als seine Familie)? Wer hat viel Zeit? Wer weniger? Wer ist von Beginn an dabei? Wer sieht sich eher als Frischling? Usw. Je nach Frage kann es also zwei eindeutige Pole geben oder auch eine durchgehende Linie, auf der sie sich positionieren können. Die Teilnehmer*innen stellten sich entsprechend gegenüber im Raum auf. Sie konnten sich jedoch auch in die Mitte der beiden Pole stellen, bspw. wenn jemand erwachsene Kinder hatte oder seit 2-3 Jahren dabei war. Nachdem klar war, wer eher auf der einen oder anderen Seite steht, durften die Teilnehmer*innen eigene (neugierige) Fragen an die jeweils andere Gruppe stellen.

Literatur (externe Links):

Michael Hübler – Du bist nicht schuld! (Möglichkeiten des Austausches in Teams zum Umgang mit Dauerstress)

Michael Hübler – Wir sollten Reden! (Eine Anleitung zum Umgang miteinander bei Meinungsverschiedenheiten)

Michael Hübler – Die Bienenstrategie (Übertragung der Zusammenarbeit von Tieren auf Teams inklusive einer Vielzahl an Teamtools, bspw. Systemische Strukturaufstellungen)

Michael Hübler – Mit positiver Führung die Mitarbeiterbindung fördern (Der Titel sagt schon alles)

Zugehörigkeit und Bindung am Arbeitsplatz

Zugehörigkeit und Bindung am Arbeitsplatz haben sich verschoben

Die Zugehörigkeit zu einem Arbeitsplatz wird in meinen Führungsseminaren häufig beklagt. Das beginnt bereits beim Vorstellungsgespräch: „Die wissen oft gar nicht, wo sie sich bewerben und was wir hier eigentlich machen“, so ein O-Ton aus meinen Seminaren.

Die Prioritäten haben sich hier in den letzten Jahren deutlich verschoben. Früher wollten Mitarbeiter*innen wohin, „weil die einen guten Ruf hatten, man dort Karriere machen konnte und die gut bezahlten“. Heute wollen junge Leute wohin, „weil es Teilzeitangebote gibt, ich viel vom Homeoffice aus erledigen kann … und klar: die Bezahlung sollte angemessen sein“.

Karriere machen? Eher nicht mehr so wichtig. „Family first, Arbeit second“, könnte der geheime Leitspruch vieler junger Menschen lauten. Und damit werden auch Führungspositionen auf lange Sicht schwieriger zu besetzen sein. Nur: Brauchen wir in einer zunehmend enthierarchisierten und auf Distanz zusammenarbeitenden Welt noch Führungskräfte?

Ich vermute schon, weil wir niemals in einer zu 100% enthierarchisierten Welt leben werden. Es wird immer Momente geben, in denen am Ende des Tages irgend jemand eine Entscheidung treffen muss, die anderen im Team nicht zu 100% gefallen wird. Und da werden uns vermutlich auch keine cleveren Algorithmen raus helfen.

Zugehörigkeit ist nach wie vor wichtig

Die Zugehörigkeit findet heutzutage also nicht mehr automatisch über eine klare Struktur und einen potenziellen Aufstieg am Arbeitsplatz statt. Die Mitarbeiter*innen orientieren sich also immer weniger an einer Führungskraft, von der sie sagen: „Da will ich auch hin“, so wie einst Gerhard Schröder mit langen Haaren am Zaun des Kanzleramts rüttelte.

Und dennoch bleibt Zugehörigkeit und Bindung ein zentraler Aspekt, gerade in Zeiten der Distanz bzw. im Rahmen einer hybriden Zusammenarbeit.

Das Achievers Workforce Institute brachte 2021 den „Culture Report on Belonging at Work“ (externer Link) heraus. Darin zeigt sich, dass Beschäftigte mit einem starken Zugehörigkeitsgefühl motivierter, produktiver, engagierter und widerstandsfähiger sind. Dies wird erreicht, wenn Mitarbeiter*innen sich

  1. willkommen,
  2. bekannt,
  3. einbezogen,
  4. unterstützt und
  5. verbunden fühlen.

Strategischer Aufbau einer Kultur der Zugehörigkeit und Bindung

Wie in jedem (strategischen) Verbesserungs-Prozess sollte zuerst eine Analyse der aktuellen Probleme stattfinden, anschließend eine Festlegung der Ziele, dann eine Analyse der vorhandenen Instrumente und schließlich – nach der Durchführung einer Testphase – die Evaluation der Erkenntnisse und Ergebnisse:

  1. Problem-Analyse: In welcher Situation sind wir? Was hat sich verändert (von Präsenz zu hybrid, von traditionell zu modern)? Welche Probleme tauchen dadurch auf (geringere Kreativität, mehr Missverständnisse, Unruhe und Unzufriedenheit)? Was erwarten oder wünschen sich die Mitarbeiter*innen? Brauchen wir dazu eine Mitarbeiterbefragung? Oder können wir andere Instrumente der Messung nutzen, beispielsweise Kundenunzufriedenheit, Krankheitsdaten oder Konflikte? An dieser Stelle sind die fünf Kategorien aus der genannten Studie hilfreich, um zu erkennen, woran es v.a. hapert:
  • Willkommenskultur: Gibt es ein Willkommensritual für neue Mitarbeiter*innen? Finden sie alles auf ihrem Schreibtisch (sofern es diesen noch gibt), was sie zur Arbeit brauchen? Wie sauber läuft der Onboarding-Prozess ab? Kennen die Vorgesetzten die Namen der Neuen? Wie schnell kommen die neuen Mitarbeiter*innen in Kontakt mit anderen Kolleg*innen im Team als auch mit Mitarbeiter*innen im gesamten Unternehmen?
  • Bekanntheit im Unternehmen: Gibt es Events im Unternehmen, um nicht nur die Fachkraft kennenzulernen, sondern auch den Menschen dahinter? Gibt es Ort des Kennenlernens für einen unverbindlichen Austausch, beispielsweise eine (virtuelle) Teeküche oder Chatrooms, in denen Kochrezepte oder Filmtipps ausgetauscht werden?
  • Einbezogen werden: Inwiefern werden Ideen der Mitarbeiter*innen in Projekten oder Verbesserungsprozessen berücksichtigt? Inwiefern werden Bedürfnisse nach einer gelingenden Work-Life-Balance berücksichtigt? Gibt es eine Toleranz für abweichende Meinungen? Gibt es Gruppen zum Austausch über bestimmte Themen, zum Beispiel über Gesundheit am Arbeitsplatz?
  • Unterstützt werden: Wie wird gewährleistet, dass Mitarbeiter*innen ein konstruktives Feedback und die Möglichkeit zur beruflichen und persönlichen Weiterentwicklung bekommen? Gibt es beispielsweise regelmäßige kollegiale Beratungsgruppen, insbesondere für Führungskräfte, oder ein institutionalisiertes 360-Grad-Feedback?
  • Verbunden sein: Welche Möglichkeiten können Mitarbeiter*innen selbst nutzen, um ihr Netzwerk im Unternehmen aufzubauen und miteinander in Kontakt zu treten? Gibt es auch einen hierarchie- und abteilungsübergreifenden Austausch? Wird dieser gefordert und gefördert oder eher ungern gesehen?
  1. Ziel-Definition: Wo wollen wir bezüglich des Themas ‚Zugehörigkeit‘ hin? Was wollen wir erreichen? Was ist uns wichtig? Warum und wofür ist uns das wichtig?
  2. Instrumenten-Analyse: Welche Instrumente haben wir bereits (beispielsweise aus dem Bereich des Onboarding)? Welche hatten wir früher? Welche ließen sich reaktivieren (beispielsweise Stammtisch, Sportgruppen, Chor, Ausflüge)? Welche lassen sich nur in Präsenz durchführen? Welche funktionieren auch online? Aufbauend auf der Problemanalyse lassen sich auch hier wieder die fünf Kategorien aus der genannten Studie heranziehen: Welche Instrumente haben wir in den fünf Bereichen und wie lassen sich diese anwenden, erweitern oder verbessern?
  3. Testphase und Evaluation: Was davon hat gut funktioniert? Was davon soll weitergehen? Wovon sollten wir uns verabschieden?

Literatur: Michael Hübler – Mit positiver Führung die Mitarbeiterbindung fördern, Springer-Gabler 2022

Seminar: Mit positiver Führung die Mitarbeiterbindung fördern

Dank der Digitalisierung können wir im Homeoffice von überall aus arbeiten. Dies schafft neue individuelle Freiräume, die sich für eine bessere Work Life Balance einsetzen lassen. Gleichzeitig nimmt die Teambindung ab, was nicht zuletzt zu einer hohe Fluktuation der Mitarbeiter führt. Damit stellt sich die Frage, was Unternehmen tun können, um die Bindung an das Unternehmen zu erhöhen, um ihre besten Mitarbeiter langfristig zu halten.

Hier setzt das Konzept der positiven Führung an. Im Einzelnen untersucht eine positive Führung wie eine optimistische Atmosphäre, das Engagement der Mitarbeiter und die Bindung im Unternehmen gefördert werden. Eine gute Atmosphäre bildet den Grundstein für eine gute Zusammenarbeit. Persönliche Spielräume der Mitarbeiter zu unterstützen erhöht die individuelle Zufriedenheit und schafft damit zumindest eine individuelle Bindung an das Unternehmen. Und schließlich gilt es, die Beziehungen der Mitarbeiter über einen positiven Umgang miteinander so zu fördern, dass Mitarbeiter gerne bei ihrem Unternehmen bleiben. Dies spart nicht nur Neurekrutierungskosten, sondern kommt zudem dem Zeitgeist einer jüngeren Generation entgegen, die nicht mehr so häufig wechseln will wie ihre Vorgänger.

Wie es Ihnen gelingt, eine Bindungskultur im Unternehmen zu etablieren – online und offline – zeigt Ihnen dieses Zwei-Tages-Seminar.

Seminar-Agenda

  1. Mitarbeiterbindung als Kernthema der Zukunft: Warum kündigen gute Mitarbeiter?
  2. Eine positive Atmosphäre als Grundlage einer modernen Bindungskultur
    • Wie entwickeln Führungskräfte emotionale Kompetenzen?
    • Wie wirkt sich Optimismus auf Mitarbeiter*innen aus?
    • Wann und wie wirkt sich der Einsatz von Humor am Arbeitsplatz positiv aus?
    • Wie sollte mit Irritationen in der Zusammenarbeit umgegangen werden?
  3. Mit persönlicher Gestaltung individuelle Bindungen fördern
    • Wie lassen sich Stärken, Talente und Tugenden fördern?
    • Wie können Sie mit einer neugierig-fragenden Haltung das Engagement Ihrer Mitarbeiter*innen fördern?
    • Wie sollte ein (virtuelles) Feedback gezielt eingesetzt werden?
  4. Etablierung einer nachhaltigen Bindungskultur
    • Was ist zu beachten im Umgang mit Wertschätzung, Respekt und Dankbarkeit?
    • Wie lässt sich Empathie auch auf Distanz zeigen?
    • Welche Rolle spielen Vertrauen und Glaubwürdigkeit bei der Mitarbeiterbindung?
    • Wie kann angemessen mit Fehlern umgegangen werden?
    • Wie lässt sich der Teamgeist wecken und erhalten – online und offline?

Sollten Ihnen zwei Tage zu lang sein, bietet sich ein Drei-Stunden- bis Ein-Tages-Power-Workshop zum Thema „Wertschätzendes Führen“ an.