Alle Beiträge von Michael Hübler

Selbstgestaltung und Lernen

Selbstgestaltung ist für das Lernen ein wichtiger Motor. Wenn Menschen etwas (mit-) gestalten können, hat dies eine große Auswirkung auf ihr Leben. In einer Studie von Ellen Langer (1976) in einem Altenheim wurden einer Gruppe B der Bewohner/innen alle täglichen Aufgaben abgenommen, während die Gruppe A ihre Blumen selber gießen sollten, das Fernsehprogramm selbst auswählen sollte, usw. Der Effekt: Nach 18 Monaten gab es signifikante Unterschiede in puncto sozialer Aktivität, Wachheit und Gesundheit. Und: Die Gruppe A lebte im Durchschnitt 50% länger.

In anderen Studien wurde der sogenannte IKEA-Effekt getestet. Dan Ariely und Daniel Mochon beispielsweise ließen Versuchspersonen einen Kranich falten. Anschließend sollten sie eine Wertung für ihr gebasteltes Objekt bestimmen. Dieser wurde mit dem Wert verglichen, den andere dem nicht-selbstgebastelten Objekt beimaßen. Das Ergebnis dieser und einer Menge anderer Studien: Der Wert eines selbstgestalteten Objekts liegt im Durchschnitt 5 mal höher.

Erfahrungen führen zu neuen Netzen im Präfrontalen Cortex. Diese Netze machen stressresistenter, moralischer (sozialisierter) und kreativer. Zudem fällt es Menschen mit mehr Erfahrungen leichter Prioritäten zu setzen. Allerdings zeigt eine Studie von Fred Gage (2004), dass nur freiwillige Erfahrungen zu einem Ausbau der Netze im PFC führen. Er untersuchte Mäuse, deren Netze im PFC durch Laufräder enorm wuchs. Wurden die Mäuse allerdings daran gehindert, aus dem Laufrad auszusteigen, gab es keine positiven Veränderungen im PFC. Im Gegenteil: Dann schrumpft sogar der Hippocampus.

In einer weiteren Studie von Ariely wurden Studierende in drei Gruppen unterteilt. Gruppe A bekam klare Vorgaben, wann sie ihre Arbeiten abzugeben hatten. Gruppe B durfte ihre Arbeiten abgeben, wann sie wollten. Gruppe C sollte feste Abgabetermine angeben, wann sie ihre Arbeiten abgeben wollen. Das Ergebnis:

  • Gruppe A erzielte die besten Noten.
  • Gruppe B die schlechtesten. Mit Gestaltungsfreiheit umzugehen scheint nicht jedermanns Sache zu sein.
  • Gruppe C befand sich im Mittelfeld.
  • Doch als Gruppe C genauer betrachtet wurde, stellte sich heraus, dass die Mehrzahl der Teilnehmer aus Gruppe C genau so gut war wir Gruppe A. Es gab allerdings ein paar, die den Schnitt stark hinunter zogen, da sie Termine zu nah aufeinander legte.

Offenbar ist Selbstüberschätzung v.a. ein männliches Problem, das mit 8 Jahren beginnt. Ab dieser Zeit erweitert sich der Aktionsradius von Jungs um das Doppelte im Vergleich zu Mädchen. Damit einher geht die Vergrößerung des Hippocampus und damit eine leichtere Einordnung der Welt in Landkarten. Männer fragen deshalb seltener nach dem Weg als Frauen: Sie haben weniger Angst, sich in unbekannten Gebieten zurecht zu finden, überschätzen sich allerdings auch häufiger. In einer uralten Studie aus den 80er Jahren gaben Männer zu 71% an, einen guten Orientierungssinn zu haben, Frauen nur zu 47%. Dies könnte auch bei Prüfungsvorbereitungen passieren.

Literatur:

Sebastian Purps-Pardigol: Führen mit Hirn

Rüdiger Reinhardt: Neuroleadership

Bindung und Lernen

In einer Studie von Roy Baumeister mussten drei Test-Gruppen einen Persönlichkeitstest absolvieren. Anschließend wurde Gruppe A gesagt, Sie würden in Zukunft stabile Beziehungen haben. Gruppe B wurden Krankheiten prognostiziert. Gruppe C wurden viele Trennungen prophezeit. In einem anschließenden Intelligenztest schnitten A und B gleich ab. C jedoch schnitt mit einer im Durchschnitt um 27% geringeren Intelligenz ab.

In einer anderen Studie von Carr & Walton (2012) wurde der Einfluss von Bindung auf Aufmerksamkeit, Merkleistung, Motivation und Ausdauer getestet. Zwei Test-Gruppen sollten jeweils die gleichen Aufgaben lösen (ein unlösbares Puzzle). Gruppe A bekam die Anweisung: Lösen Sie dieses Puzzle gemeinsam. Bei der Gruppe B fehlte lediglich das Wort ‚gemeinsam‘. Nach einigen Minuten bekamen die Teilnehmer einen Hinweiszettel vom Versuchsleiter. Der Hinweiszettel für die Gruppe A war im Stil eines Teilnehmers verfasst, der Zettel für Gruppe B im Stil des Versuchsleiters. Anschließend fanden Befragungen und ein Stroop-Test statt. Bei einem Stroop-Test erscheinen auf einem Bildschirm nacheinander vier verschiedene Farb-Worte in verschiedenen Farben, d.h. Blau in blau oder in grün, usw. Die Teilnehmer müssen jedesmal, wenn ein Wort auftaucht, auf den Knopf der Schriftfarbe drücken, d.h. bei „Blau“ muss der Knopf Rot gedrückt werden.

In einem weiteren Versuch gaben Carr und Walton zwei Gruppen die Aufgabe, sich aus einem komplexen Bild in 8 Minuten 18 Objekte zu merken. Auch hier wurde wieder mit Hinweisen in sachlicher oder gemeinschaftlicher Stimmung gearbeitet.

Die Erkenntnisse:

  • Gruppe B befasste sich durchschnittlich 11,5 Minuten mit dem Puzzle, bis sie die Lust verlor, Gruppe A 17 Minuten.
  • Gruppe A empfand die Aufgabe interessanter.
  • Gruppe A hatte im Stroop-Test eine um 38% schnellere Reaktionszeit.
  • Gruppe A hatte in dem Erinnerungstest eine um 12% höhere Trefferquote.

Das Fazit: Bindung fördert die Ausdauer, Merkleistung, Schnelligkeit und temporäre Intelligenz.

Serotonin im Kontext von Lernen

Serotonin im Kontext von Lernen und Kreativität

Schokolade essen, Sport treiben sowie allgemein ein Zustand der Freude, z.B. durch persönliche Erfolge steigern unsere Serotoninproduktion im Gehirn. Serotonin ist als Botenstoff für die Übertragung von Signalen zwischen Neuronen zuständig. Und wenn unsere Neuronenketten sich erweitern, bekommen wir Glücksgefühle, vice versa. Lernen und Kompetenzerweiterung ist folglich eng mit einem Glücksempfinden verbunden! Oder anders formuliert: Lernen macht glücklich. Das weiß jeder, der dieses Klicken im Kopf, diesen AHA-Effekt während einer Erkenntnis kennt. Und Glück und Freude fördern das Lernvermögen.

Serotonin im Essen

Serotonin wird nicht nur vom menschlichen Körper produziert, sondern kommt auch in Lebensmitteln wie Kiwis, Bananen, Ananas, Tomaten, Rohkost, Walnüssen oder Kakao vor. Viel Fleisch und sonstige Eiweiss-Produkte sind eher hinderlich für die Aufnahme von Serotonin. Dabei sollte die Nahrung ausgiebig gekaut werden, um die Aminosäure Tryptophan freizusetzen.

Schokolade soll ja bekanntlich glücklich machen – zumindest die erste Hälfte der Tafel. Dieses Glücksempfinden ist bestimmt noch mit Fairtrade-Schokis steigerbar, indem unser gutes Gewissen im Gehirn angetriggert wird. Das wäre auch mal eine Studie wert. Vielleicht würden Neurowissenschaftler dabei eine Art Weltenretter-Neuron entdecken. Wer weiß?

Das Glückmachende in der Schokolade ist jedoch weniger auf das enthaltene Serotonin (im Kakao) als auf den hohen Kohlenhydratgehalt zurückzuführen. Serotonin kann die Blut-Hirn-Schranke nämlich nicht überwinden – da wäre Crystal Meth zu bevorzugen 😉. Kohlenhydratreiche Nahrung stimuliert jedoch die Serotoninbildung im Gehirn.

Serotoninbildung durch Sport

Eine kalorienärmere Methode zur Hebung des Serotoninspiegels stellt sportliches Ausdauertraining dar, d.h. richtig mit Schwitzen und so. Denn durch körperliche Betätigung wird die Verfügbarkeit des bereits erwähnten Tryptophans im Gehirn erhöht, woraus der Körper wiederum Serotonin gewinnt. Regelmäßiger Ausdauersport erhöht somit dauerhaft den Serotoninspiegel. So trägt Serotonin indirekt nicht nur zu körperlicher, sondern auch zu psychischer Gesundheit bei.

Serotonin und Lernen

Und da wir wissen, dass Serotonin bei der Bildung von Neuronenketten notwendig ist, wirken sich eine gesunde Ernährung und Sport folglich auch auf das Lernvermögen und die Kreativität aus.

Ein Argument mehr für gute Ernährung und einen Fitnessraum im Keller in Unternehmen.

Da Freude, Stolz und Glück allerdings auch durch Erfolge bzw. die Rückmeldungen auf Erfolge entstehen, kann auch ein passendes Feedback den Serotoninspiegel stimulieren. Letztendlich ist eine gemeinsam gepflegte humorvolle Atmosphäre  sicherlich auch nicht schädlich.

Bausteine unseres Gehirns

Ich beschäftige mich schon seit etwa 10 Jahren mit Neurowissenschaften. Ein spannendes Thema. ‚Spannend‘ ist allerdings auch die Aufmachung der meisten neurowissenschaftlichen Bücher. Wenig Grafiken, Null Humor. Wenn da was im Gehirn hängen bleiben soll, bleibt i.d.R. nur der Weg über den Fleiß. Eigentlich Schade. Dabei bietet das Thema einiges an Potential. Wie wäre es zum Beispiel mit einer etwas anderen Präsentation der Bausteine unseres Gehirns:

In meinen Trainings verteile ich dazu Kärtchen mit Namen. Stellen Sie sich vor, Sie wollen ein Problem lösen. Dazu findet sich ein unschlagbares Team zusammen:

  • PFC denkt über das Ziel nach und stellt einen Plan auf.
  • Amy gibt ihre Bedenken kund.
  • Hippo behält den Überlick.
  • Hypo sorgt für emotionale Balance.
  • Der Balken (so langsam habe ich das Gefühl, eine Gang aus einem Tarantino-Film würde einen Coup aushecken) vermittelt zwischen den emotionalen und sachlichen Fronten.
  • Nucki (Erdbeer oder Nuß?) sucht den Dopamin-Kick.
  • Thali(a) setzt Prioritäten und untersucht Wahrgenommenes genauer.
  • Und Gyros (mit ohne) würde am liebsten gleich loslegen, sofern er eine Erhöhung seines Status‘ riecht.

Wo sitzt sie nun, unsere Seele?

Wir denken, hören, riechen, schmecken, fühlen und bewegen uns. Das scheint alles gut zu funktionieren. Zumindest solange unser Körper das mitmacht. Solange er keine Rückenschmerzen hat. Solange das Herz regelmäßig unregelmäßig schlägt. Besser regelmäßig unregelmäßig als unregelmäßig regelmäßig. Solange unsere Nerven mit unserer vorgegebenen Taktung mitgehen -oder der unseres Chefs, unserer Kinder, unserer Partner/innen?Solange unsere Sinne imstande sind, die Welt um uns herum adäquat wiederzuspiegeln. Solange unser Gehirn das tut, wozu es da ist, die Welt zu interpretieren.

Kurzum: Unser Körper und unser Geist – bereits diese Trennung ist streng genommen weder möglich, noch sinnvoll, vielleicht sollte ich sagen unser Körper-Geist-Konstrukt – vollrichtet seine Aufgaben. Doch wer treibt uns an? Wo ist der Sitz unserer Motivation? Was bewegt uns? Und woher kommt dieser Antrieb? Was ist das, was vielleicht unsere Seele ausmacht, wenn wir sagen, „Jemand ist eine gute Seele“. Der Kümmel in der „Schwäbischen Seele“ kann es wohl kaum sein.

Einige alte Philosophen unterteilten den Menschen in Körper, Geist und Seele. Wenn nun der Körper sich in den Armen und Beinen wiederfindet, immerhin bewegt uns unser Körper von A nach B, und unser Geist der Einfachheit halber in unserem Kopf sitzt, dann müsste unsere Seele irgendwo dazwischen sitzen. Was sich hier am schreiendsten anbietet ist unser Herz.

Wie gesagt, dies ist eine Hilfskonstruktion. In Wirklichkeit wissen wir aus den neurobiologischen Forschungen bspw. eines Antonio Damasios (u.a. Descartes‘ Irrtum), dass in uns alles mit allem vernetzt ist. In unserem Gehirn gibt es eine kleine Insel (Insula), die in Resonanz geht, wenn irgendwo in unserem Restkörper etwas passiert. Diese Resonanz wird im Gehirn verarbeitet. Es werden die entsprechenden Schlüsse gezogen. Diese Schlüsse sind uns manchmal bewusst. In den meisten Fällen jedoch unbewusst, um schneller zu reagieren. In zweiteren Fällen sprechen wir von Intuition (Damasio: Somatische Marker). Würde uns alles bewusst sein, wären wir hoffnungslos überfordert, bis hin zu epileptischen Anfällen vor lauter Nervenüberreizungen.

Doch zurück zu unserer Hilfskonstruktion, die Gehirnforschung muss sich ja nicht um alles kümmern. Und unsere Seele lässt sich vermutlich auch nicht messen. Das Herz also. Unsere Pumpe. Unser Antrieb. Ich hätte zwei Vorschläge, sich dem Phänomen „Seele“ anzunähern:

Erster Ansatz: Was uns antreibt …

Wir könnten uns ansehen, welche Motive uns antreiben. Ein Thema, mit dem ich mich schon seit 10 Jahren beschäftige. Der Einfachheit halber könnten wir uns fragen, was unseren persönlichen Antrieb so einzigartig macht? Friedrich Schiller meinte einmal sinngemäß: Der Mensch ist nur im Spiel ganz Mensch und ganz bei sich. Daher möchte ich an dieser Stelle die vier Antreiber aus der Gamification-Forschung bemühen:

  1. Bei Killern steht der Wettbewerb und das Siegen im Mittelpunkt. Hinzu kommt die Lust an der Gestaltung. Denn wer vorne weg geht, gibt den Ton an.

  2. Erfolgsmenschen sammeln Punkte und Auszeichnungen. Auch hier gehört abhängigerweise das Siegen im Wettbewerb dazu. Denn wir alle vergleichen uns miteinander. Genau dieser Vergleich macht Erfolgsmenschen abhängiger von anderen als die „Killer“.

  3. Soziale genießen den Austausch mit anderen und die Anerkennung in der Gemeinschaft, der typische Teamplayer.

  4. Entdecker lieben das Erkunden einer unbekannten Welt und Sammeln neuer Erfahrungen. Der typische Kreative also.

Wofür also tun wir etwas? Wofür engagieren wir uns in einem Ehrenamt? Was an einer Beziehung ist uns wichtig? Wofür gehen manche Menschen auf die Bühne und andere nicht? Wofür engagieren wir uns politisch?

  • Wollen Sie etwas gestalten? Um jeden Preis wie Che Guevara oder Lenin? Sind Sie ein/e „Gestalt-Killer/in(immer noch besser als Killer-Gestalt)? Und ist Ihnen dabei der Applaus nicht so wichtig?

  • Oder gestalten Sie lieber mit Bedacht? Sind Sie ein/e „Sanfter Gestalt-Killer/in“ wie Rosa Luxemburg oder Ghandi?

  • Vielleicht sind Sie ein Erfolgsmensch, der sich Gedanken um seinen Applaus macht? Dazu gibt es in der Weltgeschichte wenig Vorbilder. Die meisten waren auf ihre Weise kompromisslos, zu anderen oder zu sich selbst, oder beides.

  • Oder fühlen Sie sich wie ein/e Entdecker/in? Wie Columbus, Marco Polo oder Steve Jobs. Auch hier ist der Applaus nebenrangig. Hier geht um Neuland und Kreativität, auch wenn am Ende des Abends die Kasse stimmen muss. Das ist jedoch sekundär.

  • Oder aber Sie treibt das Soziale an, die Liebe zu den Menschen wie Mutter Teresa oder Jesus?

Am wahrscheinlichsten jedoch bestehen Sie aus einer Mischung aus zwei oder drei dieser Gamification-Typen.

Spielertypen

Zweiter Ansatz: Geben und Begrenzen

Wir alle geben pausenlos ohne uns dessen bewusst zu sein. Denn Geben bedeutet nicht nur, etwas Gegenständliches zu geben, sondern ebenso „Substanzlose Güter“:

  • Visionen, Ideen

  • Hoffnung, Unterstützung, Mut

  • Präsenz und Zuhören

  • Ruhe und Beruhigung

  • Orientierung, Klarheit und Anleitungen

  • aber auch: „Wachstumsreibung“, gerade im Kontext von Eltern-Kind oder Meister-Azubi-Beziehungen

Üblicherweise steht Geben der Gegensatzpol Nehmen gegenüber. Da das Nehmen jedoch schon wieder mit anderen Menschen zu tun hat, schlage ich vor, Geben den Gegensatzpol Begrenzen gegenüberzustellen: Aus der Gegenüberstellung dieser beiden Pole könnte sich etwas Neues ergeben:

Kernselbst

Vielleicht kommen wir mit dieser Vorgehensweise, der Frage nach unserer Seele, der Frage nach unserer Einzigartigkeit einen kleinen Schritt näher.