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Warum es in Konflikten weniger um persönliche Veränderungen geht, sondern um den intersubjektiven Austausch

In Mediationen hat häufig mindestens eine Partei die Angst, sich verändern zu müssen und damit verbunden oft eine vehemente Abwehr-Haltung:

„Ich bin eben so, wie ich bin. Und wenn Du damit nicht klar kommst, ist das doch nicht mein Problem!“

Blöderweise sagt das Gegenüber genau dasselbe, weshalb eine Annäherung unmöglich erscheint. Aus diesem Grund ist es hilfreich, den Mediand*innen zu verdeutlichen, dass sie sich (beinahe) gar nicht persönlich ändern müssen. Sie können ihren Charakter und ihre Eigenarten gerne behalten. Mediationen sind schließlich keine Therapiestunde oder Coachings (vgl. Konfliktcoaching). Für ein besseres Miteinander geht es lediglich darum, dieses Miteinander, d.h. die gemeinsame Kommunikation und das gemeinsame Handeln zu verbessern.

Aus diesem Gedanken heraus entwickelte ich die KoHa-Matrix:

Die Matrix als Prozess betrachtet bietet Kolleg*innen, die regelmäßig aneinander geraten (oder einem gesamten Team) einen 4-stufigen Ablauf:

  1. Schweigen: Was wird zu selten angesprochen, weil es jede/r mit sich selbst ausmacht?
  2. Reden: Wie wollen wir miteinander kommunizieren?
  3. Arbeiten: Wie definiert jede/r „einen guten Job erledigen“?
  4. Zusammenarbeiten: Wie können wir unsere Zusammenarbeit verbessern?

Noch deutlicher werden sowohl der Aushandlungsprozess als auch die Autonomie jedes/r Einzelnen, wenn wir das Modell als Wechselspiel zwischen Ich bzw. Du und Wir betrachten:

Für eine gute Zusammenarbeit muss sich charakterlich niemand verändern. Es ist sogar hilfreich, dass jede/r seine Eigenheiten behält, weil es ansonsten keine Synergieeffekte gäbe. Es braucht lediglich tragfähige Vereinbarungen für ein besseres Miteinander im intersubjektiven Austausch.

Wenn Konflikte nicht lösbar erscheinen …

Es gibt so Fälle (leider viele davon): Person A kann mit Person B einfach nicht mehr reden. Die beiden versuchen es ein Jahr lang. Es eskaliert immer wieder an Kleinigkeiten. Und schließlich wird es der Führungskraft zu bunt und sie schlägt eine Mediation vor.

Ein Jahr ist eine lange Zeit, in der viel Porzellan zerschlagen werden kann:

  • „In der Wirtschaft würdest du keinen Monat überleben!“
  • „Ich denke, du brauchst mal eine Therapie.“
  • „Und du brauchst ein Konfliktmanagement-Training.“

In einer Mediation sollte es zuerst einmal darum gehen, die Vergangenheit aufzuarbeiten, im Sinne des dritten Newtonschen Gesetzes: Wer einen Schub nach vorne will, muss etwas loslassen.

Manchmal passiert es jedoch, dass sich das Porzellan selbst mit dem trickreichsten Kintsugi nicht wieder zusammen flicken lässt. In diesem Fall ist es hilfreich, zwischen Beziehungskonflikten und Sachproblemen zu unterscheiden und gezielt an praktikablen Sachlösungen zu arbeiten:

Beispiel 1: Zwei Abteilungsleitungen können nicht miteinander. Sie könnten jedoch Ihre Stellvertreter*innen sozusagen als Mini-Shuttle-Mediator*innen nutzen, um dennoch über Bande zusammenzuarbeiten.

Beispiel 2: Eine neu hinzugekommene Führungskraft geht davon aus, dass sie dann einen guten Job macht, wenn alles perfekt erledigt wird, was sie auch von ihren Kolleg*innen erwartet. Die Stellvertreterin der Führungskraft, die schon länger in dem Unternehmen arbeitet, geht davon aus, dass alles auf der Welt eine Verhandlungssache ist. Mit der Zeit werden aus den verschiedenen Arbeitsansichten Vorwürfe. Die Führungskraft möchte deshalb mittelfristig kündigen. Da die beiden immer wieder aneinander geraten, sollte die Zeit bis dahin überbrückt werden, bspw. durch getrennte Räume oder Gesprächsrituale.

In manchen Fällen ergibt sich über die Zeit und durch das Ruhen des Konflikts doch noch eine Möglichkeit, zu einem späteren Zeitpunkt auch an dem Beziehungskonflikt zu arbeiten. Und wenn nicht, wird der Streit zumindest – ähnlich einem Waffenstillstand – solange befriedet, bis sich eine andere Lösung (Rente, Versetzung, Kündigung, Beförderung) ergibt.

Warum kompliziert, wenn es auch einfach geht: Die Praxis verschiedener Konfliktstile

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Die Konfliktstile nach Kilmann und Thomas

Wer nach unterschiedlichen Konfliktstilen sucht, trifft unweigerlich auf die Konfliktstile nach Ralph Kilmann und Kenneth Thomas:

  • Durchsetzen
  • Vermeiden
  • Nachgeben
  • Gemeinsam nach Lösungen suchen
  • Unvereinbares aushalten und nach Kompromissen suchen

Dabei stellt sich mir in der Praxis eine zentrale Frage: Welche Führungskraft gibt freiwillig zu, dass sie sich lediglich durchsetzen will oder zu nachgiebig ist? Die meisten gehen davon aus, dass sie im Grunde einen Kompromiss anstreben und dass es entweder wichtig ist, andere auf dem Weg dahin mitzunehmen oder seine eigene Position zu verdeutlichen.

Empathisch versus zielorientiert

Damit reduzieren sich die Konfliktstile im Grunde auf ein Gegensatzpaar. Entweder eine Person ist eher empathisch und beziehungsorientiert oder ziel- und durchsetzungsorientiert:

Entweder einer Person ist eher die Beziehung oder die Sache wichtig. Mir ist klar, dass es im Rahmen der Zielorientierung auch Egoisten gibt, gegen die mit härteren Bandagen gekämpft werden muss, um nicht unterzugehen. Es bringt für eine Mediation jedoch wenig, mit solchen Zuschreibungen zu arbeiten. Wesentlich sinnvoller ist stattdessen die Zuschreibung als Idealist*innen, die ein klares Ziel vor Augen haben.

Mit Empathie und Zielorientierung zu tragfähigen Kompromissen

In der Praxis meiner Trainings, Mediationen und Coachings erlebe ich im Wesentlichen diese zwei Gruppen:

  1. Entweder eine Führungskraft ist zu empathisch und damit gleichzeitig harmonieorientiert, zurückhaltend, zögerlich und nachgiebig.
  2. Oder sie kommuniziert direkt und zielorientiert auf das Wesentliche bezogen, oftmals ohne soziale Kollateralschäden zu bemerken. Viele sind stattdessen überrascht davon, wie dünnwändig manche Kolleg*innen sind.

Driften die beiden Stile ab, werden sie entweder streitlustig oder konfliktscheu:

Auf der Basis dieser einfachen (charakterlichen) Unterscheidung erscheinen die positiven Konfliktstile von Kilmann und Thomas nicht wirklich als Stil, sondern als Ziel, das sich erst in der Zusammenarbeit ergibt, um gemeinsam nach Lösungen zu suchen und Kompromisse auszuhandeln. Schließlich brauchen wir für ein gutes Miteinander sowohl eine klare Zielorientierung als auch empathische Beziehungspflege. Das Ziel beschreibt eine Zukunft, die wir ohne gute Beziehungen nicht erreichen würden. Genau darin findet sich auch das Prinzip aus dem Harvard-Konzept wieder:

Hart in der Sache, aber weich zu den Menschen.

Um von der Streitlust wegzukommen, ist es jedoch wenig hilfreich, seine Ziele aufzugeben. Dies wäre zu schmerzhaft für Idealist*innen. Stattdessen besteht der persönliche Entwicklungsweg darin, empathischer zu werden:

  • Wie ist es möglich, an den Zielen festzuhalten und gleichzeitig die Interessen des Gegenübers zu berücksichtigen, damit zur Zielerreichung alle an einem Strang ziehen und Zielerreichungen zudem nachhaltig bleiben?

Auf der anderen Seite ist es für Konfliktscheue wenig hilfreich, sich vorzunehmen, egoistischer zu werden. Stattdessen besteht hier der persönliche Entwicklungsweg darin, sich deutlicher mit mittel- und langfristigen Zielen auseinander zu setzen:

  • Wie sehen meine persönlichen sowie die gemeinsamen Ziele langfristig aus und inwiefern verhindert eine zu große Empathie manchmal die Zielerreichung, weil Bedürfnisse und Interessen nicht klar formuliert werden und mein Gegenüber deshalb nicht weiß, woran er oder sie ist?

Missverständnis oder schon ein Konflikt?

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Die Eskalationsstufen nach Friedrich Glasl kennen viele. Hier geht es u.a. um Meinungsverschiedenheiten, sich stetig wiederholende unnachgiebige Debatten, Gruppenbildungen, kleine und große Tätlichkeiten (von Informationen zurückhalten bis zum Anschwärzen vor Kund*innen) und schließlich einem erbitterten Kampf, der nicht selten vor Gericht landet. Doch ab wann können wir überhaupt von einem Konflikt sprechen? Womit sich auch die Frage beantworten lässt, ab wann eine Situation geklärt werden und gegebenenfalls eine Führungskraft oder die Personalabteilung intervenieren sollte.

Die folgende Liste gibt Aufschluss darüber:

  • Mindestens eine Person schläft aufgrund der aktuellen Situation nachts schlechter.
  • Mindestens eine Person geht einer anderen aus dem Weg.
  • Eine bestimmte Person wird regelmäßig in Diskussionen übergangen.
  • Es finden Gespräche hinter dem Rücken von jemandem statt.
  • Bestimmte Themen werden nicht angesprochen, um Eskalationen zu vermeiden.
  • Mindestens eine Person ist öfter irritiert von einer anderen und weiß nicht, wie sie reagieren soll.
  • Mindestens eine Person fühlt sich durch jemand anderen gekränkt.
  • Mindestens eine Person fühlt sich unwohl, wenn eine bestimmte Person den Raum betritt.
  • Die Gespräche verstummen, wenn eine bestimmte Person den Raum betritt.
  • Es fallen in die Richtung einer bestimmten Person häufig zynische Kommentare.

Zum Umgang mit Fluktuation und Personalmangel

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Beim Umgang mit einer hohen Fluktuation und Personalmangel hilft kein Jammern und kein „Schwarze-Peter“-Spiel. Letztlich muss es darum gehen, sich an die eigene Nase zu fassen. Dabei helfen leider auch keine kurzfristigen Rezepte, sondern v.a. Kultur- und Struktur-Veränderungen sowohl im Umgang mit Kündigungen als auch im Umgang mit neuen Kolleg*innen:

Umgang mit Kündigungen:

  • Mentalität verändern: Bitte den Spruch „Reisende soll man nicht aufhalten“ einmotten.
  • Silo-Denkenabbauen: Unzufriedene sind vielleicht nur in einer Abteilung unzufrieden, ließen sich jedoch innerhalb des Unternehmens weitervermitteln.
  • Ehrliche Aufarbeitung nach Kündigungen: Kündigungen können persönliche, strukturelle oder soziale Gründe haben. Wer alle paar Jahre etwas Neues machen will, wäre ohnehin gegangen. An strukturellen oder sozialen Gründen wie einer mangelnden Einarbeitung, unklaren Stellenbeschreibungen oder einer besseren Teamatmosphäre ließe sich jedoch für die Zukunft etwas ändern.

Umgang mit neuen Kolleg*innen:

  • Willkommenskultur einführen: Fühlen sich Mitarbeiter*innen von Tag 1 oder sogar davor willkommen? Wenn nein: Ändern! Ich hatte neulich einen Seminarteilnehmer in einem Führungstraining, der erst in ein paar Monaten in dem Unternehmen zu arbeiten beginnt. Geht auch.
  • Saubere Einarbeitung: Wer bereits nach wenigen Jahren wieder kündigt, kam vermutlich nie im Unternehmen an. Oft liegt es an einer mangelhaften, unprofessionellen Einarbeitung.
  • Strukturen professionalisieren: Neue Mitarbeiter*innen tun sich oft schwer, wenn sie auf gewachsene Strukturen stoßen, die weitgehend auf guten Beziehungen und Vertrauen basieren.