Gibt es eine Resilienz-Formel?

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Warum überstehen manche Menschen, bspw. Soldaten nach einem Einsatz, scheinbar unbeschadet große Belastungen und andere nicht? Woran liegt das?

Eine glasklare Resilienz-Formel gibt es nicht und wird es vermutlich auch niemals geben. Dazu ist die Frage zum Umgang mit großen Belastungen zu komplex. Dennoch lassen sich aus der Forschung einige Aspekte zu einer Art Formel zusammenfassen.

Die zentrale und vermutlich wichtigste Erkenntnis lautet: Resilienz ist keine statische Fähigkeit und kein Talent. Resilienz ist dynamisch. Wir können sie wie einen Muskel trainieren und uns damit auf kommende Belastungen vorbereiten. Tatsächlich lassen sich Menschen, die kaum Stress empfinden nicht automatisch als resilient bezeichnen, da uns erst die Konfrontation mit negativem Stress zeigt, ob ein Mensch resilient ist oder nicht. Dabei gilt der Grundsatz: Leichte, bewältigbare Belastungen fördern unsere Resilienz. An großen Belastungen können wir zerbrechen. Der Satz von Nietzsche „Was uns nicht umbringt, macht uns stärker“ stimmt zwar, ist jedoch – wie so oft bei knalligen Sprüchen – in der Realität etwas komplizierter.

Was also sollte in eine Art Resilienz-Formel mit hinein:

  1. Wahrscheinlichkeit und Einschätzung der Bedrohung: Resiliente Menschen schätzen das Auftreten einer Bedrohung optimistisch-realistisch ein. Sie gehen zwar im Zweifel davon aus, dass eine Bedrohung wirklich stattfindet, dass sie uns jedoch nicht überrollt. Dabei reflektieren sie auch, inwiefern eine äußere Bedrohung wirklich zu einer inneren Bedrohung wird. Nehmen wir als Beispiel die Attacke einer cholerischen Chefin. Eine Demütigung vor der gesamten Belegschaft wird erst zu einer inneren Bedrohung, wenn Sie sich selbst auch tatsächlich als inkompetent einschätzen und / oder sich in Ihrer Ehre gekränkt fühlen. Empfinden Sie den Angriff als ungerecht und haben zudem die (wenn auch nur heimliche) Unterstützung Ihrer Kolleg*innen, sind Sie zwar vermutlich dennoch wütend. Dennoch lässt es sich leichter mit einer solchen Attacke umgehen.
  2. Austausch: Zudem ist es bei Bewertungen von Bedrohungen hilfreich, sich mit anderen Menschen auszutauschen, um einen objektiven Blick auf die Situation zu gewinnen oder sich sogar Vorbilder für die Bewältigung der Bedrohung zu holen.
  3. Selbstwirksamkeitserwartung: Nach der Bewertung der Belastungssituation stellt sich die Frage der Einflussmöglichkeiten. Resiliente Menschen gehen nicht unbedingt davon, dass alles gut wird. Sie gehen jedoch davon aus, dass sie etwas tun können, um die Situation zumindest zu erleichtern, dass es also einen Unterschied macht, ob sie handeln oder nicht. Gleichzeitig akzeptieren sie, dass ihr Einfluss in einer komplexen Situation begrenzt ist. Diese Vorgehensweise folgt der Devise „Handeln statt Hadern“: Wer handelt, weiß im Nachhinein, ob er Erfolg damit hatte oder ob er aus seinem Misserfolg etwas lernt. Wer nicht handelt, macht sich mit einer größeren Wahrscheinlichkeit im Anschluss Vorwürfe.
  4. Persönliche Chance: Bei allem Stress sind mit Belastungen auch immer Chancen verbunden. Resiliente Menschen betrachten Belastungen entsprechend nicht nur als Bedrohung, sondern auch als Chance sich zu beweisen, an der Herausforderung zu wachsen und/oder anderen zu helfen.
  5. Netzwerk: Sollte die Situation belastender sein als gedacht, greifen resiliente Menschen auf ein Netzwerk aus nahen und fernen Unterstützer*innen zurück.
  6. Entspannen, wenn der Stress nachlässt: Resiliente Menschen bleiben gegenüber Bedrohungen nicht cool. Sie werden i.d.R. genauso aktiviert wie nicht-resiliente Menschen. Sie haben jedoch die Fähigkeit, sich wieder schneller zu beruhigen, beispielsweise mit Achtsamkeitstrainings.
  7. Extinktion: Resiliente Menschen verlieren sich nach einer belastenden Situation nicht in Ängsten vor möglichen neuen Bedrohungen, sondern konfrontieren sich frühzeitig mit ähnlichen Situationen. Getreu dem Motto: Wenn du vom Pferd fällst, steig gleich wieder auf.

Zusammengefasst lassen sich diese 7 Aspekte einer resilienten Persönlichkeit im Angesicht einer Bedrohung in 7 Fragen fassen:

  1. Was an der Situation empfinde ich als persönlich bedrohlich?
  2. Wie sehen es andere?
  3. Was kann ich konkret tun, um einen Unterschied zu machen?
  4. Was kann ich daraus lernen?
  5. Auf wen kann ich mich verlassen, wenn ich nicht weiter weiß?
  6. Wie kann ich mich wieder beruhigen, um ein und dieselbe Situation nicht immer wieder im Geiste durchzuspielen?
  7. Was kann ich tun, um langfristig besser mit solchen oder ähnlichen Herausforderungen umzugehen?

Literatur:

Raffael Kalisch – Der resiliente Mensch. Wie wir Krisen erleben und bewältigen. Neueste Erkenntnisse aus Hirnforschung und Psychologie. 2017. berlin-Verlag