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Kündigungen zuvorkommen in Zeiten hoher Fluktuation

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In Zeiten hoher Fluktuation sind Unternehmen gefordert, ihre Mitarbeiter/innen langfristig zu halten. Doch leider erlebe ich als Mediator folgendes Drama in vier Akten regelmäßig hautnah:

  1. Jetzt aber schnell: Bei mir direkt oder bei einem meiner Bildungsanbieter geht ein Anruf ein: „Hilfe, wir haben einen Konflikt!“ Bis zur Kostenbewilligung dauert es meist etwa eine Woche. Parallel werden bereits Termine vereinbart, weil es schließlich schnell gehen muss.
  2. Nur Gulasch sollte lange köcheln: Beim Erstgespräch stellt sich dann meistens heraus, dass der Konflikt nicht erst gestern entstand, sondern mindestens seit einem Jahr vor sich hin köchelt. In einem meiner letzten Fälle waren es 3(!) Jahre. Das heißt nicht, dass nichts unternommen wurde. Nur meistens erwiesen sich die Handlungen (Personalgespräche, getrennte Büros, etc.) als nicht wirklich nachhaltig und beschränkten sich auf Lippenbekenntnisse. Dahinter steckt in der Regel keine böse Absicht, sondern vielmehr die Unkenntnis darüber, worum es überhaupt geht und was entsprechend zu tun wäre.
  3. Das Gesicht wahren: Wer jedoch seit einem Jahr erleben musste, das sich im Grunde nichts veränderte, hat bereits innerlich gekündigt. Die Mediation kommt entsprechend zu spät. Dennoch lassen sich alle Beteiligten darauf ein, während der/die kündigungswillige/r Mitarbeiter/in sich parallel nach einem neuen Job umsieht.
  4. Der Absprung: In der derzeitigen arbeitnehmerfreundlichen Arbeitsmarktsituation dauert es meist nicht lange, bis der/die wechselfreudige Mitarbeiter/in etwas Neues bekommt, oft bereits nach einer Bewerbung und einem Vorstellungsgespräch. Die Mediation wird frühzeitig abgebrochen. Geld wurde sinnlos verbrannt und alle anderen Beteiligten sind frustriert.

Maßnahmen zur Verhinderung von Kündigungen

Natürlich gibt es eine Vielzahl an Möglichkeiten, die Unternehmen ohnehin machen (könnten), um Mitarbeiter*innen zu halten:

  • Eine Wertschätzungs- und Feedbackkultur pflegen: Typisch sind natürlich ein regelmäßiges Feedback, Belohnungen für erreichte Meilensteine und ein Danke für tägliche Leistungen, das den Mitarbeiter/innen das Gefühl gibt, gesehen zu werden.
  • Karrieremöglichkeiten und Weiterbildung ermöglichen: Gerade in Konflikten zeigt sich, dass Mitarbeiter/innen sich mehr von ihrem Unternehmen erhofft haben. Vielleicht haben sie sich irgendwann einmal auf eine Stelle beworben, wurden nicht genommen und bekamen stattdessen einen neuen Chef, die Situation wurde jedoch nie aufgearbeitet.
  • Die Work-Life-Balance der Mitarbeiter/innen ernst nehmen: Das Thema wird mittlerweile mancherorts ein wenig belächelt, wenn es heisst: Den jungen Leuten ist ihre Work Life Balance wichtiger als Leistung zu zeigen. Dabei geht es hier nicht nur um Life, sondern eben auch um Work. Und nur, wer sich erholt, kann auch wieder volle Leistung zeigen. Den Rest regeln Arbeitsschutzgesetze.
  • Ein positives Arbeitsumfeld kreieren: Dazu gehören zum einen Teamentwicklungen, zum anderen positive Arbeitsbedingungen, die wir aus New Work-Kontexten kennen. Aus meiner Erfahrung erwarten Mitarbeiter/innen gar nicht viel: Einmal im Jahr einen Team-Tag. Eine ansprechende Teeküche. Und ansonsten einen Arbeitsplatz, zu dem man sich nicht jeden Morgen hinquälen muss.
  • Flexibilität bei der Arbeitsgestaltung ermöglichen: Die Möglichkeit, Arbeitszeiten und -orte flexibel zu gestalten, wird zunehmend wichtiger. Mit einer cleveren Balance zwischen Homeoffice und Präsenzzeiten werden auch Mitarbeiter/innen glücklich, die sich weniger wohl unter Menschen fühlen oder für ihre Arbeit absolute Ruhe brauchen, um produktiv voran zu kommen.
  • Betriebliche Gesundheitsförderung anbieten: Sportangebote einerseits und Entspannungsprogramme andererseits sprechen sowohl ältere als auch jüngere Mitarbeiter/innen an. Natürlich kann das nicht der Hauptgrund sein, warum Mitarbeiter/innen bleiben. Dennoch ermöglichen solche Programme eine Win-Win-Win-Situation: Das Unternehmen zeigt Wertschätzung und Dankbarkeit, die Mitarbeiter/innen halten sich fit, regenerieren sich und vernetzen sich zudem in solchen Kursen untereinander, was wiederum die innerbetriebliche Bindung agteilungsübergreifend fördert.

Eine Kultur der Offenheit verhindert Kündigungen

Der wichtigste Punkt ist allerdings Führungskräfte als Vertrauenspersonen aufzubauen, weil direkte Vorgesetzte oft die Hauptrolle beim Verbleib der Mitarbeiter/innen spielen. Führungskräfte sollten entsprechend nicht nur als Chef/innen wahrgenommen werden, sondern auch als Mentor/innen, indem sie zuhören und auf individuelle Wünsche und Sorgen reagieren. Dazu ist auch ein Seminar für Führungskräfte in Richtung „Missstimmungen im Team erkennen und darauf frühzeitig reagieren“ sinnvoll. Dies sollte jedoch übergreifend wahrgenommen werden, insbesondere wenn ein Konflikt, wie so häufig, zwischen einem Mitarbeiter und einer Führungskraft besteht. In solchen Fällen ist es wichtig, dass Führungskräfte nicht alleine gelassen werden, sondern sich bei ihren Vorgesetzten oder anderen Führungskräften Hilfe holen können, im Sinne einer Proto-Mediation.

Die gleiche Haltung sollte selbstredend für das gesamte Unternehmen gelten, indem über Mitarbeiterumfragen auf Unstimmigkeiten frühzeitig und ernsthaft reagiert werden kann, zur Not auch mit einem externen Coach oder Teamentwickler, lange bevor es zu einer Kündigung kommt.

Die Mitarbeiter-Bindungs-Checkliste

All das lässt sich auch bequem in eine Checkliste packen:

Maßnahmen zur Verhinderung von KündigungenJa / Nein
Bei uns herrscht eine Kultur der Wertschätzung und des konstruktiven Feedbacks vor.
Das bedeutet konkret:
Wir ermöglichen Weiterbildung und persönlichen Aufstieg und arbeiten Unstimmigkeiten bezüglich einer verhinderten Karriere auf.
Das bedeutet konkret:
Wir nehmen die Work-Life-Balance der Mitarbeiter/innen ernst.
Das bedeutet konkret:
Wir bieten ein positives Arbeitsumfeld.
Das bedeutet konkret:
Wir ermöglichen Flexibilität bei der Arbeitsgestaltung.
Das bedeutet konkret:
Wir bieten Programme zur betriebliche Gesundheitsförderung an.
Das bedeutet konkret:
Wir bauen Führungskräfte als Mentoren und Vertrauenspersonen auf.
Das bedeutet konkret:
Führungskräfte haben bei Konflikten neutrale Ansprechpartner/innen.
Das bedeutet konkret:
Das Unternehmen fragt regelmäßig Stimmungsbilder aus der Belegschaft ab und nimmt Unstimmigkeiten ernst.
Das bedeutet konkret:

Zum Umgang mit Fluktuation und Personalmangel

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Beim Umgang mit einer hohen Fluktuation und Personalmangel hilft kein Jammern und kein „Schwarze-Peter“-Spiel. Letztlich muss es darum gehen, sich an die eigene Nase zu fassen. Dabei helfen leider auch keine kurzfristigen Rezepte, sondern v.a. Kultur- und Struktur-Veränderungen sowohl im Umgang mit Kündigungen als auch im Umgang mit neuen Kolleg*innen:

Umgang mit Kündigungen:

  • Mentalität verändern: Bitte den Spruch „Reisende soll man nicht aufhalten“ einmotten.
  • Silo-Denkenabbauen: Unzufriedene sind vielleicht nur in einer Abteilung unzufrieden, ließen sich jedoch innerhalb des Unternehmens weitervermitteln.
  • Ehrliche Aufarbeitung nach Kündigungen: Kündigungen können persönliche, strukturelle oder soziale Gründe haben. Wer alle paar Jahre etwas Neues machen will, wäre ohnehin gegangen. An strukturellen oder sozialen Gründen wie einer mangelnden Einarbeitung, unklaren Stellenbeschreibungen oder einer besseren Teamatmosphäre ließe sich jedoch für die Zukunft etwas ändern.

Umgang mit neuen Kolleg*innen:

  • Willkommenskultur einführen: Fühlen sich Mitarbeiter*innen von Tag 1 oder sogar davor willkommen? Wenn nein: Ändern! Ich hatte neulich einen Seminarteilnehmer in einem Führungstraining, der erst in ein paar Monaten in dem Unternehmen zu arbeiten beginnt. Geht auch.
  • Saubere Einarbeitung: Wer bereits nach wenigen Jahren wieder kündigt, kam vermutlich nie im Unternehmen an. Oft liegt es an einer mangelhaften, unprofessionellen Einarbeitung.
  • Strukturen professionalisieren: Neue Mitarbeiter*innen tun sich oft schwer, wenn sie auf gewachsene Strukturen stoßen, die weitgehend auf guten Beziehungen und Vertrauen basieren.

Kündigung aufgrund einer fehlenden Impfung

Zur aktuellen Situation in der Corona-Krise

Letztes Jahr verfasste ich ein Audiobook zum Thema „Kündigen in Krisenzeiten“: https://bookboon.com/de/expert-talk-kndigen-in-krisenzeiten-ebook

Da war noch nicht abzusehen, was aktuell auf den Gesundheitsbereich, aber auch auf andere Bereiche zukommt, sofern die Impfpflicht greift.

Es ist also an der Zeit, das Thema noch einmal aufzuarbeiten, zumal Kündigungen am Rande mit einem meiner Hauptthemen, Konflikten, zu tun haben.

Die Haltung ist wichtig

Egal wie lange Sie bereits Führungskraft sind: Eine Kündigung auszusprechen, ist wohl für niemanden leicht. Helfen können dabei stabile innere Haltungen. Es gibt viele Haltungen, die in Mitarbeitergesprächen wichtig sein können. In Konfliktgesprächen sind es Ruhe und Neugier auf fremde Meinungen bei einer gleichzeitigen inneren Klarheit zu den eigenen Standpunkten. Das fällt, je nachdem wie sie selbst zu Impfungen stehen, vielen Führungskräften schwer. Doch selbst, wenn Sie keinerlei Verständnis für Ihr Gegenüber haben, sollten Sie zumindest akzeptieren, dass Ihr/e Mitarbeiter*in für seine oder ihre Meinung genauso konsequent einsteht wie Sie selbst. Diese Person hat sich offensichtlich dafür entschieden, den schwierigen Weg zu gehen, mit allen Konsequenzen.

Gleichzeitig befinden Sie sich gesetzlich auf einem heiklen Gebiet. Letztlich muss das Gesundheitsamt entscheiden, ob eine Person nicht mehr beschäftigt werden kann. Sie tun also gut daran, sich darüber genau zu erkundigen, um selbst klar auftreten zu können. Zumal Ihr Gegenüber sich mit Sicherheit sehr gut informiert hat.

Nichtsdestotrotz sollten Sie gerade bei guten langjährigen Mitarbeiter*innen nicht vergessen, dass es auch andere Zeiten gab. Diese vergangenen Leistungen sollten nicht komplett vergessen werden, um einen guten Abschluss zu finden.

Ein Blick in die Zukunft

Wir leben derzeit in einer Paradoxie. Auf der einen Seite scheinen Regelungen wie eine Impfpflicht, insbesondere im Gesundheitsbereich, für alle Zeiten zu gelten. Auf der anderen Seite vergeht kein Tag, an dem es keine Neuigkeiten zu Omikron gibt. Wenn Karl Lauterbach sagt: „Wir brauchen eine allgemeine Impfpflicht, um uns auf eine Zukunft vorzubereiten, in der eine neue, tödlichere Variante auftauchen könnte“, heisst das auch: Wir wissen es nicht. Woher auch? Es könnte durchaus sein, dass eine allgemeine Impfpflicht auf ein Jahr begrenzt wird oder sogar die Impfpflicht im Gesundheitsbereich wieder ausgesetzt wird. Gleichzeitig werden neue Impfstoffe zugelassen, die für Impfskeptiker attraktiver als mRNA-Impfstoffe sind. Es gibt also mehr Ungewissheiten als Klarheiten. Gleichzeitig scheinen mir viele Diskussionen mit der heißen Nadel gestrickt zu sein.

Das Paradoxe daran ist: Unternehmen müssen jetzt handeln, ohne zu wissen, was in 3-4 Monaten sein wird. Sie sollten daher zweigleisig denken und sich eine Tür offen halten. Vielleicht ist es sinnvoll, eine/n Mitarbeiter*in für ein halbes Jahr unbezahlt freizustellen, mit der Chance, danach wieder einzusteigen. Dafür ist es jedoch wichtig, sich temporär im Guten zu trennen.