Die Eskalationsstufen nach Friedrich Glasl kennen viele. Hier geht es u.a. um Meinungsverschiedenheiten, sich stetig wiederholende unnachgiebige Debatten, Gruppenbildungen, kleine und große Tätlichkeiten (von Informationen zurückhalten bis zum Anschwärzen vor Kund*innen) und schließlich einem erbitterten Kampf, der nicht selten vor Gericht landet. Doch ab wann können wir überhaupt von einem Konflikt sprechen? Womit sich auch die Frage beantworten lässt, ab wann eine Situation geklärt werden und gegebenenfalls eine Führungskraft oder die Personalabteilung intervenieren sollte.
Die folgende Liste gibt Aufschluss darüber:
Mindestens eine Person schläft aufgrund der aktuellen Situation nachts schlechter.
Mindestens eine Person geht einer anderen aus dem Weg.
Eine bestimmte Person wird regelmäßig in Diskussionen übergangen.
Es finden Gespräche hinter dem Rücken von jemandem statt.
Bestimmte Themen werden nicht angesprochen, um Eskalationen zu vermeiden.
Mindestens eine Person ist öfter irritiert von einer anderen und weiß nicht, wie sie reagieren soll.
Mindestens eine Person fühlt sich durch jemand anderen gekränkt.
Mindestens eine Person fühlt sich unwohl, wenn eine bestimmte Person den Raum betritt.
Die Gespräche verstummen, wenn eine bestimmte Person den Raum betritt.
Es fallen in die Richtung einer bestimmten Person häufig zynische Kommentare.
Beim Umgang mit einer hohen Fluktuation und Personalmangel hilft kein Jammern und kein „Schwarze-Peter“-Spiel. Letztlich muss es darum gehen, sich an die eigene Nase zu fassen. Dabei helfen leider auch keine kurzfristigen Rezepte, sondern v.a. Kultur- und Struktur-Veränderungen sowohl im Umgang mit Kündigungen als auch im Umgang mit neuen Kolleg*innen:
Umgang mit Kündigungen:
Mentalität verändern: Bitte den Spruch „Reisende soll man nicht aufhalten“ einmotten.
Silo-Denkenabbauen: Unzufriedene sind vielleicht nur in einer Abteilung unzufrieden, ließen sich jedoch innerhalb des Unternehmens weitervermitteln.
Ehrliche Aufarbeitung nach Kündigungen: Kündigungen können persönliche, strukturelle oder soziale Gründe haben. Wer alle paar Jahre etwas Neues machen will, wäre ohnehin gegangen. An strukturellen oder sozialen Gründen wie einer mangelnden Einarbeitung, unklaren Stellenbeschreibungen oder einer besseren Teamatmosphäre ließe sich jedoch für die Zukunft etwas ändern.
Umgang mit neuen Kolleg*innen:
Willkommenskultur einführen: Fühlen sich Mitarbeiter*innen von Tag 1 oder sogar davor willkommen? Wenn nein: Ändern! Ich hatte neulich einen Seminarteilnehmer in einem Führungstraining, der erst in ein paar Monaten in dem Unternehmen zu arbeiten beginnt. Geht auch.
Saubere Einarbeitung: Wer bereits nach wenigen Jahren wieder kündigt, kam vermutlich nie im Unternehmen an. Oft liegt es an einer mangelhaften, unprofessionellen Einarbeitung.
Strukturen professionalisieren: Neue Mitarbeiter*innen tun sich oft schwer, wenn sie auf gewachsene Strukturen stoßen, die weitgehend auf guten Beziehungen und Vertrauen basieren.
Stellen Sie sich ein kleines, mittelständisches Unternehmen in ländlicher Gegend vor. In den letzten 20 Jahren gab es nur wenig Fluktuation. Die etwa 30 Mitarbeiter*innen kannten und vertrauten sich. Nun kommt ein junger, dynamischer Mitarbeiter in einer verantwortungsvollen Position hinzu. Der neue Kollege studierte an einer Universität und besuchte zudem diverse Seminare über Rechtssicherheit. Er sieht die „Zustände“ in dem kleinen Unternehmen und schlägt die Hände über dem Kopf zusammen:
Wie kann man nur wichtige Unterlagen bei Kundenverkehr so offen herumliegen lassen?
Übergaben müssen protokolliert und Listen geführt werden.
Und der Schlüssel für den Tresor darf ebenso nicht in die falschen Hände fallen.
Das wiederum ist in dem kleinen Unternehmen in vielen Fällen logistisch schlichtweg nicht möglich. Wenn Kollege A in Urlaub geht, ist Kollegin B – der ein Schlüssel direkt und ohne „Zwischenhändler“ übergeben werden sollte – nicht da, weil sie nur Teilzeit arbeitet. In anderen Fällen ist eine rechtssichere Vorgehensweise zumindest mit einem enormen Mehraufwand verbunden. Der neue Kollege rennt entsprechend gegen Wände. Er möchte es richtig(!) machen und das umsetzen, was er gelernt hat. Alle anderen jedoch sind genervt von dem Mehraufwand, der auf sie zukommt und versuchen den Kollegen entsprechend zu meiden. Er wiederum versteht nicht, wie wichtig „Small-Talk“ in kleinen Systemen ist, um etwas zu erreichen und findet daher keinen Draht zu der „alten“ Belegschaft. Wir haben es hier folglich nicht nur mit einem Konflikt zwischen ‚Vertrauen versus Recht‘ zu tun, sondern auch zwischen ‚Erfahrung versus Ausbildung‘ und ‚Soziales versus Fakten‘. Es kommt wie es kommen muss. Der Kollege beißt sich drei Jahre lang die Zähne aus und kündigt schließlich frustiert.
Wie wäre das zu verhindern gewesen?
Klare Strukturen: Gewachsene Strukturen basieren in kleinen Unternehmen häufig auf vertrauensvollen Absprachen. Damit ist in Zeiten hoher Fluktuation jedoch kein Staat zu machen, weil das Vertrauen neuer Kolleg*innen in die Funktionalität des Systems noch nicht gegeben ist. Dieses Problem gab es schon immer, wurde jedoch durch die Zunahme rechtlicher und bürokratischer Regeln noch potenziert. Strukturen wie klare Stellen- und Aufgabenbeschreibungen, Verantwortlichkeiten, Prozesse und Abläufe verdeutlichen zumindest, dass nicht alles im System nach Gutdünken abläuft und verhandelt wird.
Einarbeitung: Damit einher geht eine saubere Einarbeitungsphase, in der sowohl die Erfahrungen vermittelt, als auch Erwartungen ausgetauscht werden. Damit entsteht ein Raum, um ‚Erfahrungen versus Ausbildung‘, ‚Soziales versus Fakten‘ und ‚Vertrauen versus Recht‘ zu klären und Kompromisse anzubahnen. Bereits die Bewusstheit der Dilemmata hilft, um spätere Frustrationen zu vermeiden, weil neue Kolleg*innen dadurch genau wissen, was auf sie zukommt und sich entsprechend wappnen können.
Richtlinienkompetenz: Im Falle von Unsicherheiten und Meinungsverschiedenheiten bis hin zu Konflikten braucht es klare Entscheidungen von oben, um die Mitarbeiter*innen nicht mit Ihrer Verantwortung alleine zu lassen. Ein Mitarbeiter, der alles richtig machen will, damit jedoch häufig aneckt, braucht entweder die Rückendeckung von seiner Führungskraft (bis hin zur Geschäftsleitung), dass die Umsetzung rechtlicher Vorgaben im Sinne des Unternehmens ist oder die klare Ansage, sich in das vorhandene System einzufügen, um die Sicherheit zu haben, bei einem Vorfall, der durch die Nicht-Umsetzung rechtlicher Vorgaben entstand, nicht selbst schuld zu sein.
Online, in Präsenz, klassisch oder als Shuttle-Version?
Vor der Digitalisierung gab es nur eine Möglichkeit: Eine Mediation findet klassisch, d.h. meist 3-5 mal 1,5 Stunden gemeinsam in einem Raum statt. Die Hemmschwelle war entsprechend hoch, weshalb viele meiner Anfragen früher im Sande verliefen.
Heute jedoch bietet sich die Möglichkeit, mittels einer Online-Mediation diese Hemmschwelle zu reduzieren. Gerade in einem heißen Konflikt fällt es wesentlich leichter, auf Distanz miteinander zu sprechen, anstatt in einem Raum auf Tuchfühlung zu gehen.
Dabei sind Online-Mediationen nicht automatisch ein minderwertiger Ersatz für Treffen in Präsenz. Sie haben zwar den Nachteil, dass Mimik und Gestik des Gegenübers nicht sofort erkannt und erspürt werden, gleichzeitig kann dies jedoch ein Vorteil sein, um Konflikte überhaupt zu besprechen. Zudem lassen sich Online-Mediationen zeitlich und räumlich flexibler organisieren, was insbesondere für Konfliktparteien, die räumlich getrennt leben oder zusammen arbeiten von Vorteil ist. Hinzu kommt, dass Mediationen im beruflichen Bereich immer noch mit einem Makel verbunden sind, wodurch Online-Mediationen den Vorteil haben, Lösungen im Stillen zu suchen, ohne dass jemand im Unternehmen davon etwas mitbekommt.
Um die Nachteile einer Online-Mediation auszugleichen, biete ich sogenannte Shuttle-Mediationen in Kombination mit einer späteren Klassischen Mediation an, bei denen ich vor dem gemeinsamen Austausch Einzelgespräche führe, um die Wahrscheinlichkeit einer späteren Einigung zu erhöhen.
Shuttle-Mediationen eignen sich insbesondere für festgefahrene Fälle, in denen es undenkbar erscheint, dass die Mediand*innen sich überhaupt gemeinsam an einen Tisch setzen.
Unterschiedliche Mediationen aus Mediand*innen-Sicht
Betrachten wir den Startpunkt verschiedener Mediand*innen wird zudem deutlich, dass den einen eher eine klassische Mediation in Präsenz entgegen kommt und den anderen eher Einzeltreffen im Rahmen einer Shuttle-Mediation.
Dies lässt sich gut anhand der Big 5 der Persönlichkeit darstellen, ohne hier in die Tiefe zu gehen (Literaturtipp: Howard und Howard: Führen mit dem Big 5 Persönlichkeitsmodell):
D.h. stark verkürzt:
Introvertierte, sensible, gewissenhafte (im Sinne von perfektionistische), angepasste und bewahrende Menschen bietet eine Shuttle-Mediation die Möglichkeit, sich in Ruhe mit dem Konflikt, möglichen Konsequenzen und Lösungen auseinander zu setzen.
Extravertierten, emotional stabilen, flexiblen (im Sinne von agilen), rebellischen und veränderungsfreudigen Menschen fällt es leichter, sich im Rahmen einer klassischen Mediation in lebhafte Diskussionen zu werfen.
Shuttle-Mediationen bieten gerade unsicheren, schüchternen und zurückhaltenden Menschen – ähnlich wie in einem Konflikt-Coaching – die Möglichkeit, kommunikative Kompetenzen zu trainieren, um sich auf den späteren Austausch vorzubereiten.
Nichtsdestotrotz bieten Shuttle-Mediationen der konfliktstabileren Seite ebenso die Möglichkeit, an sich zu arbeiten, um empathischer und sensibler zu werden, mit dem Ziel, die Wahrscheinlichkeit einer späteren Einigung zu erhöhen.
Ablauf einer 5-Stufen-Mediation
Da ich in meinen Mediationen zudem regelmäßig das Gefühl habe, kleine Seminareinheiten würden dem Prozess gut tun, dies jedoch im Rahmen des Mediationsgesprächs eher deplatziert und lehrmeisterhaft wirkt, ergänze ich mein Konzept um eine kurze Seminareinheit zu typischen Konfliktdynamiken und möglichen Lösungen.
Inklusive Auftragsklärung und Abschlussgespräch ergeben sich damit 5 Stufen:
Auftragsklärung und Fallschilderung: IdR. nimmt in Unternehmen die Personalabteilung bzw. eine Führungskraft Kontakt zu mir auf, um zu klären, um was es in dem Konflikt geht. Ich muss zu diesem Zeitpunkt lediglich wissen, wer beteiligt ist, was auf dem Spiel steht und wie lange der Konflikt bereits andauert.
Mediationsvorbereitung: Zum Einstieg gebe ich einen 30-45-minütigen Überblick über den Ablauf der Online-Mediation, inklusive einem kurzen Einblick in typische Konfliktdynamiken und -eskalationen. An diesem Termin können zudem Fragen geklärt werden. Ich gehe jedoch inhaltlich noch nicht in die Tiefe. Aus meiner Erfahrung ist es sehr hilfreich, das Erfahrene in Ruhe auf sich wirken zu lassen, um sich Gedanken über die eigenen Ziele und Anliegen zu machen.
Shuttle- (Pendel-) Mediation: Da es online schwieriger ist, sich auszutauschen und in Resonanz zu gehen, ist es hilfreich, vor dem ersten Mediations-Treffen kurze Einzelgespräche von 30-45 Minuten zu führen. Darin wird geklärt, worin der Konflikt aus individueller Sicht besteht und welche Rolle jede*r in dem Konflikt spielt. Manche Mediand*innen erleben in diesen Gesprächen, dass Ihnen zum ersten mal jemand ernsthaft zuhört, um sie zu verstehen. Die Shuttle-Mediation findet idR. zwei mal pro Person statt, um die Sichtweisen der beiden Mediand*innen auf Distanz auszutauschen und so eine erste Annäherung zu gewährleisten.
Vermittlungsgespräch: Im Anschluss vereinbaren wir ein klassisches Mediationstreffen, online oder in Präsenz, um zu klären, inwiefern Sie sich das Leben oder die Zusammenarbeit in Zukunft erleichtern können. IdR. ist dazu ein Termin von 1,5 bis 2 Stunden sinnvoll.
Abschlussgespräch: Das Abschlussgespräch findet in der Regel etwa einen Monat nach der Mediation als eine Art Evaluation statt und dauert 30 Minuten.
Die Unterteilung in verschiedene Bausteine (Input über Konfliktdynamiken, Einzelgespräche, klassische Mediation) bietet Ihnen einen Mehrwert auf verschiedenen Ebenen, insbesondere wenn Sie zu Beginn das Gefühl haben, dass eine Mediation vielleicht sogar sinnlos erscheint, bietet Ihnen mein Konzept die Erfahrung einer stufenweisen Weiterentwicklung.
In Firmen-Mediationen ist es zudem oft essentiell, zusätzlich den äußeren Rahmen zu beleuchten und zu bearbeiten, bestehend aus:
Weitere Beteiligte: Vorgesetzte, Team, …
Strukturen: Verantwortlichkeiten, Prozesse, …
… um die Mediation möglichst nachhaltig zu gestalten.
Kosten: 150 € / h (inklusive Vorbereitung, Nachbereitung und sofern gewünscht Dokumentation, zzgl. UsSt.)
Meine Expertise:
seit 2006 tätig als Kommunikations- und Konfliktmanagementtrainer
Seit 2007 Focusing-Coach (DAF Würzburg)
Seit 2010 Systemischer Berater (WISH Würzburg)
seit 2010 tätig als Führungstrainer
seit 2015 tätig als Mediator (BAFM/BMWA) und Organisationsberater
Wer sich derzeit in der Welt umsieht, scheint beinahe nur noch mit Negativem konfrontiert zu sein. Europa bereitet sich auf einen Handelskrieg mit den USA vor und gleichzeitig auf die Gefahr, die seit den Hunnen aus dem Osten zu kommen scheint (Literaturempfehlung über Ur-Ängste und Konflikte: Ralf Langejürgen – Entfasziniert euch!). Die Belastung in deutschen Organisationen erreicht beinahe wöchentlich neue Hochstände. Aber lassen wir das. Sie kennen die Hiobsbotschaften.
Intuition als Überlebensfaktor
Unsere Wahrnehmung hat einen guten Draht zu unserem Bauchgefühl. Das wiederum sagt: Es ist schlimm und wird eher noch schlimmer. Und der Austausch mit anderen macht es meist noch schlimmer, weil unser Gehirn lieber nach Bestätigung sucht als nach Korrektur.
Aus Urzeiten wissen wir: Wer im Wald einem potentiell gefährlichen Tier begegnet, denkt nicht lange nach, um zu überleben. Mit weitreichenden Konsequenzen:
Wer regelmäßig wilde Tiere kontaktet, weiß (intuitiv) was zu tun ist.
Wer zum ersten Mal in seinem Leben eine solche Erfahrung macht, verfügt über keine adequate Lösung.
Ein Mensch ohne Erfahrung spielt folglich Roulette mit einer 1 zu 4-Chance (totstellen, wegrennen, angreifen oder ruhig auf den potentiellen Angreifer einreden). Als Mediator würde ich vermutlich intuitiv auf meine sanfte Mediatoren-Stimme umstellen und hoffen, dass die autditiv-hypnotischen Schwingungen auch bei Nicht-menschlichen Organismen funktionieren. Alles andere läge mir sowieso fern. Aber ob es funktioniert? Keine Ahnung.
Intuition als schnelles Analyse-Tool
Genauso geht es uns allen in Situationen, die wir nicht kennen. Wir sollten schnell handeln, wissen jedoch nicht wie. In solchen Situationen kann unsere Intuition als schnelles Analysetool hilfreich sein. Ein Garant für ein erfolgreiches Handeln ist sie jedoch nicht. Ein Beispiel: Sie sprechen mit einem Mitarbeiter, der Sie vermeintlich „angreift“. Ihre Inttuition flüstert Ihnen folgende Assoziationen ein:
eher ein Fuchs als ein Bär oder Wolf
er könnte mich hintergehen
bloß nicht den Rücken zukehren
nicht zu viele Freiräume lassen
usw.
Sie können solche intuitiven Übungen freilich mit verschiedenen Tieren durchspielen. In meinen Seminaren tauchen ab und an Aale (glitschig, gleitet einem durch die Hände), Elefanten (schwer zu etwas zu bewegen) oder Platzhirsche (der verteidigt vehement sein Revier) auf. Aber auch andere intuitive Metaphern wie „mein Kindergarten“ oder „Hühnerhaufen“ sind sehr beliebt. Vermutlich entstand aus einem solchen intuitiven Impuls die Idee von Eric Berne, kommunikative Dynamiken in der Transaktionsanalyse zwischen Eltern und Kindern zu untersuchen.
So wertvoll solche intuitiven Analysen sein können, bringen sie doch drei Probleme mit sich:
Mangelnde erfahrungsbasierte Intuition: Wir kennen uns häufig nicht mit solchen Ausnahmesituationen aus, da Führungskräfte eben nur einen Aal, einen Wolf und einen Elefanten im Team haben und kein Dutzend davon. Deshalb ist unsere erfahrungsbasierte Intuition in Ausnahmesituationen überfordert und greift v.a. auf einfache Strategien wie Angriff, Verteidigung oder Aussitzen zurück.
Tendenz zum Negativen: Sie betonen das Negative stärker als das Positive, weil der Mensch in Belastungs- und Bedrohungs-Situationen auf Überleben gepolt ist. Aus der möglicherweise bedrohlichen Ausgangssituation entsteht logischerweise nur eine negative Möglichkeit, damit umzugehen. So erfolgt aus der Analyse, einem Aal gegenüber zu stehen, logischerweise, diesen in einem kleinen Becken zu halten und irgendwie „dingfest“ zu machen. Produktiv sieht anders aus.
Wirklichkeitskonstruktion: Intuitive Analysen sind häufig nicht wertschätzend und daher nicht für einen Austausch mit der betreffenden Person geeignet. Wer mag schon von seiner Führungskraft als Kindergarten oder Wolf bezeichnet werden. Sollte Sie dennoch kommunikativ mit solchen schnellen Analyse arbeiten, können sogar Wirklichkeiten festgeschrieben werden, die zuvor noch gar nicht bestanden. Plötzlich verhält sich der Elefant tatsächlich wie ein Elefant.
Auf Milton Erickson geht der Satz „energie flows, where concentration goes“ zurück. So kann es sein, dass sogar ein Zu-spät-Kommen zu Teamsitzungen umso häufiger wird, je mehr Aufmerksamkeit Sie diesem Phänomen widmen.
Dieses Phänomen lässt sich auch gesamtgesellschaftlich beobachten:
Es kann sein, dass Russland Europa eines Tages angreift. Ob die beinahe schon obsessive Beschäftigung mit Krieg in den Medien dies verhindert, wage ich jedoch zu bezweifeln. Doch so wie der Konflikt- ist offensichtlich auch der Kriegs-Hund sehr hungrig und will gefüttert werden. Der Versöhnungs- und Friedens-Hund scheint dahingegen ein eher bescheidener Genosse zu sein.
Es kann sein, dass manche Vetreter*innen der jungen Generation nicht mehr so viel arbeiten wollen wie die Generationen zuvor. Es kann aber auch sein, dass sie noch auf der Suche nach einem guten, eigenen Weg durch den Dschungel sind zwischen einem erfüllenden Job und nach Corona endlich das Leben genießen.
Kurzum: Aufgeregt haben wir uns schnell, weil irgendeine Stimme uns ein schnelles Urteil einflüsterte. Aber ob diese Stimme recht hat?
Intuition als Möglichkeitssinn
Von Robert Musil (Der Mann ohne Eigenschaften) stammt der schöne Begriff des Möglichkeitssinns. Eines Sinns, der in die Zukunft weist, der fantasiert und hofft und damit positiver denkt als unsere Analyse-Intuition. Der Fokus einer solchen Möglichkeits-Intuition sollte jedoch von unserem Gegenüber weg- und zu uns selbst hingehen. Sie nehmen dann den Elefanten, Fuchs oder Kindergarten zwar wahr. Diesen können Sie jedoch ohnehin nicht verändern. Verändern können Sie nur sich selbst. Dazu brauchen Sie jedoch das Gegenstück Ihres Gegenübers. Wer also sind Sie, wenn Ihr Gegenüber ein Elefant, Fuchs oder Kleinkind ist? Ein*e Dompteur*in, Waldhüter*in oder Kindergärtner*in? Oder sehen Sie sich als etwas anderes? Vielleicht ja als Chef*in eines Rudels, als Gefährt*in oder als Anleiter*in für kleine Kindergarten-Wissenschaftler*innen? Und wie können Sie aus dieser intuitiven Figur heraus die Realität positiv beeinflussen?
Eine Anleitung zur intuitiven Veränderung der Wirklichkeit
Aufbauend auf diesen Gedanken lassen sich vier bzw. fünf Schritte zur Veränderung der Wirklichkeit festschreiben:
Intuitive Analyse Ihres Gegenübers: Beispiele: Mein Gegenüber ist wie ein lauernder Wolf, der mich bedroht. Oder: Mein Gegenüber ist wie ein Aal, der mir durch die Finger gleitet. Oder: Mein Gegenüber ist wie ein Maulwurf, der sich in Winderseile versteckt, wenn ich komme. Welches Bild fällt Ihnen von Ihrem Gegenüber spontan ein?
Intuitive Selbstreflexion IhrerErst-Reaktion: Ich passe schlimmstenfalls in sein Beuteschema. Angriff oder Verteidigung! Oder: Der Aal darf nicht zu viele Spielräume haben (kleines Becken), um ihm habhaft zu werden. Oder: Ich muss den Maulwurf los werden, bevor mein Garten ruiniert ist. Wie reagieren Sie intuitiv?
Entscheidung für eine wunsch-intuitive eigene Wirklichkeit: Ich weigere mich, Beuteschema zu sein oder Aalzüchter*in oder Gärtner*in und entscheide mich für einen anderen Gegenpart, bspw. als Gefährt*in, um dem Wolf respektvoll auf Augenhöhe zu begegnen und die jeweiligen Kompetenzen zu ergänzen, in diesem Fall Cleverness und Weitblick. Oder ich akzeptiere den Maulwurf als Eigenbrötler und versuche ihn ab und an (Nachts, wenn alle anderen weg sind?), aus seinem Bau zu locken. Oder ich vertraue darauf, dass der Aal einen eigenen Kompass hat. Wer könnten oder wollen Sie sein, um eine neue Wirklichkeit herzustellen?
Möglichkeitenin gewünschte Bahnen lenken: Ich übersetze meine Wunsch-Intuition in realistische Sprache und bahne damit eine neue Wirklichkeit: „Ich habe das Gefühl, wir könnten uns gut ergänzen. Du bist clever (wie ein Fuchs) und ich habe den Überblick über die kommenden Projekte. Bist du dabei?“ Oder: „Wann wäre eine gute Zeit, sich in Ruhe über Ergebnisse auszutauschen?“ Oder: „Mich würde interessieren, wie dein innerer Kompass aussieht“. Was könnten Sie Ihrem Gegenüber konkret sagen, um eine neue, kooperative Begegnung zu ermöglichen?
Intuitive Wunschvision des Gegenübers fördern: In Coachings oder intensiven, vertrauensvollen Mitarbeitergesprächen bietet es sich zudem an, die intuitive Wunschvision des Gegenübers bspw. mit inneren Bildern oder Bildkarten zu fördern. Dies sollte jedoch losgelöst vom eigenen Bild des Fuchses, Elefanten, etc. stattfinden, um neurobiologische Vorbahnungen zu verhindern. Das Züricher Ressourcenmodell (ZRM) greift dabei auf Bildkarten zu Bergbesteigungen (anstrengend, aber lohnend), Flugzeugen (hoch hinaus), Krieger (ungeahnte Kräfte), Löwen (Stärke), bemalte Gesichter (Vielfalt), helfende Hände (Unterstützung), Apfelbäume (Ernte) oder Jogger (Ausdauer) zurück, um unbewusste Ziele ans Licht zu bringen.
Mit diesem Schema kommen Sie von einer ersten intuitiv-negativen auf eine zweite, produktivere und mit Sicherheit realistischere Sicht auf die Welt oder Ihr Gegenüber.
Literatur: Bernd Schmid – Intuition und Professionalität
Positiv, Humorvoll, Wissenschaftlich fundiert
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