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Kontraintuitive Fragetechniken

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Unsere Intuition liefert uns Handlungsanweisungen in unklaren Momenten und zeigt uns auf, mit welchen Strategien wir am besten zu einem wünschenswerten Ziel kommen. Während also unsere Intuition in neuen Situationen ein guter und vor allem schneller Ratgeber sein kann, sind es leider genau solche Situationen, in denen ein Versagen möglich ist, da nicht jede Erfahrung auf einen neuen Kontext übertragbar ist. Denn unsere Intuition besitzt zwei blinde Flecken, die eine 1 zu 1-Übertragung schwierig macht:

  • Zum einen die Besonderheit ihrer Prägung. Kein Mensch macht die gleichen Erfahrungen wie ein anderer.
  • Zum anderen ihr Prägungsumfeld, das immer auch von bestimmten Zielen beeinflusst wird, die mit mehr oder weniger Macht durchgesetzt werden wollen. Sowohl die eigenen Eltern als auch Kindergärten, Schulen, die Medien, die wir konsumieren oder auch unser gesellschaftspolitisches Umfeld versuchen unsere Intuition machtvoll zu prägen.

Aus diesem Grund ist es sinnvoll, die eigene Intuition immer wieder zu hinterfragen, indem ihr durch kontraintuitive Fragen neue Perspektiven hinzugefügt werden: Was wäre, wenn es ganz anders wäre?

Unsere Intuition zeigt uns also, wie wir unter Unsicherheit ein bestimmtes Ziel dennoch mit einer bestimmten Strategie erreichen oder ein unerwünschtes Ereignis vermeiden. Am aktuellen Beispiel des russischen Angriffs auf die Ukraine:

  • Um den Krieg in der Ukraine zu beenden, sollten wir Friedensverhandlungen führen. Was wäre jedoch, wenn ein Frieden kontraintuitiv schneller durch Waffenlieferungen erreicht wird?
  • Oder was wäre, wenn andererseits eine offizielle Kapitulation der Ukraine kein Aufgeben bedeutet, sondern einen inoffiziellen inneren Widerstand gegen die Besatzer erst ermöglicht?

Solche kontraintuitive Fragen sind auch im Alltag gerade dann sinnvoll, wenn wir uns zu sehr in vermeintlicher Sicherheit wiegen oder wenn wir zu sehr in unseren (intuitiven) Mustern gefangen sind, im Sinne eines „Ich muss so handeln, um …“: Während wir meist davon ausgehen, dass harmonische Beziehungen am besten über Freundlichkeit aufgebaut werden, könnten Beziehungen auch über eine unverblümte Direktheit gefördert werden. Und während manche Führungskräfte davon ausgehen, dass Kontrolle zu schnellen Ergebnissen führt, kann auch das Gegenteil des Vertrauens äußerst produktiv sein.

Wir sollten uns daher gerade in neuen, aber vermeintlich klaren Situationen selbstkritisch hinterfragen, um unserer Sicht auf uns und auf die Welt eine neue Perspektive hinzuzufügen. Diese neue Perspektive kann zu drei Erkenntnissen führen:

  1. In diesem Fall gibt es keine andere Sichtweise und ich kann meiner Intuition absolut vertrauen.
  2. Dieser Fall könnte tatsächlich die große Ausnahme von meinen bisherigen Erfahrungen sein.
  3. Dieser Fall ist komplex. Ich sollte meiner Intuition trauen und gleichzeitig in Betracht ziehen, dass es Ausnahmen gibt. Ich sollte daher meine Intuition regelmäßig überprüfen, um zu erkennen, ob meine gelernten Strategien tatsächlich zu einem erwünschten Ziel führen.