
Nicht nur in Veränderungen, sondern unserer Welt allgemein werden introvertierte, stille, zurückhaltende, langsame Menschen oft übergangen. Dabei könnten sie gerade in Veränderungsprozessen die Kompetenzen von Extravertierten ideal ergänzen.
Die Stärken Introvertierter:
- Reflexion & Analyse: Introvertierte denken über Ansatzpunkte und Konsequenzen von Veränderungen gerne gründlich nach und wägen Risiken und Chancen sorgfältig ab, bevor sie handeln.
- Empathisches Zuhören: Sie geben anderen Raum, ihre Sorgen zu äußern und entschärfen dadurch Spannungen.
- Stabilität & Kontinuität: In unsicheren Zeiten strahlen sie Ruhe aus, da sie weniger von äußerer Dynamik abhängig sind.
- Fokus auf Qualität: Sie treiben nachhaltige Veränderungen voran, weil sie lieber in die Tiefe gehen, als oberflächlich nach schnellen Lösungen zu suchen.
Die Gefahr dabei: Unreife Introvertierte reflektieren zu lange und kommen dadurch vom Hundertsten ins Tausendste. In manchen Situationen muss jedoch schnell gehandelt werden.
Die Stärken Extravertierter:
- Kommunikation & Motivation: Extravertierte sind mitreißender als Introvertierte und begeistern damit andere für Veränderungen mit klaren Ansagen. Gerade wenn Risiken und Konsequenzen noch unklar sind, ist es wichtig, dennoch ins Handeln zu kommen.
- Schnelle Umsetzung: Sie sind entscheidungsstark, probieren gern Neues aus und forcieren dadurch die Dynamik und Geschwindigkeit in Veränderungen. So schaffen sie Fakten, mit denen im Anschluss weitergearbeitet werden muss, was insbesondere in Krisen oftmals besser ist als nichts zu tun.
- Netzwerken: Sie bauen Brücken zwischen Teams, holen Stakeholder ins Boot und schaffen Akzeptanz über das eigene Team hinaus oder bei Kunden.
- Energie & Sichtbarkeit: Ihre Präsenz und Agilität bietet anderen Orientierung und macht bereits kleine Veränderungen sichtbar, was wiederum die Motivation zum Weitermachen erhöht.
- Flexibilität: Sie passen sich schnell an neue Gegebenheiten an und gehen leichter mit Unsicherheiten um.
Die Gefahr dabei: Unreife Extravertierte laufen Gefahr, ohne Rücksicht auf andere und / oder Risiken vorschnell Fakten zu schaffen, die sich nicht mehr rückgängig machen lassen.
Deshalb ist es wichtig, gerade in Veränderungen die Stärken beider zu berücksichtigen:
- Introvertierte sind wertvoll für Substanz, Reflexion und Stabilität.
- Extravertierte sind wertvoll für Dynamik, Kommunikation und Anschlussfähigkeit.
Da in vielen Organisationen extravertierte Verhaltensweisen wie laut, schnell, sichtbar oder durchsetzungsstark als kompetent gelten und Introvertierte dadurch nicht nur untergehen, sondern oft auch als verschroben oder in Veränderungsprozessen als Bremser*innen und Blockierer*innen gelten, sollten v.a. in langfristigen Veränderungen, für die Nachhaltigkeit wichtig ist, Introvertierte mehr Raum bekommen:
1. Strukturelle Ansätze
Meeting-Abläufe anpassen
- Sofern nicht ohnehin Standard, Informationen vorab verschicken, damit Introvertierte sich vorbereiten können.
- Stumme Brainstormings bzw. Entscheidungstools nutzen, bspw. Ideen zuerst schriftlich sammeln, bevor die Diskussion startet.
- Reduzierung von Großgruppendiskussionen, bspw. indem vor der Sammlung von Ideen für Entscheidungen in Kleingruppen diskutiert wird.
- Redezeiten bewusst verteilen, beispielsweise durch eine stringente Moderation oder klare Redeanteile.
- Diskussionsrunden als Prozess aufbauen:
- Leises Brainstorming (jede*r für sich)
- Austausch in der großen Runde
- Schnell umsetzbare Ideen zur Lösung eines Problems aufschreiben.
- Entschleunigte Reflexionsrunde, was langfristig umgesetzt werden soll.
Digitale Tools nutzen
- Chats, anonyme Feedback-Tools oder Whiteboards ermöglichen Introvertierten ihre Gedanken auch ohne lautes Auftreten einzubringen.
Rollenvielfalt sichtbar machen
- Nicht nur extravertierte Veränderungsmutige als Promotoren in Changeprozessen einsetzen, sondern auch introvertierte Analysten, die mit Tiefe und Expertise Einfluss nehmen können.
2 Führung & Kultur
Wertschätzung für ruhige Stärken
- Führungskräfte sollten aktiv nach den Gedanken der Leiseren und Langsameren fragen und deren Beiträge genauso hervorheben wie die der Lauten und Schnellen.
- Anteil introvertierter Mitarbeiter*innen an Erfolgen sichtbar machen.
Psychologische Sicherheit fördern
- Räume schaffen, in denen man auch in kleiner Runde oder schriftlich Input geben kann.
- Fehlerfreundlichkeit betonen, damit nicht nur die Lauten Risiken eingehen.
Feedback- und Entscheidungsprozesse anpassen
- Entscheidungsprozesse wo es möglich und sinnvoll ist entschleunigen, da Introvertierte von Bedenkzeit ohne Zeitdruck profitieren.
3 Individuelle Entwicklung
Stärken Introvertierter bewusst nutzen
- Aufgaben an Introvertierte verteilen, die eine vertiefte Analyse, strategisches Denken, empathisches Zuhören und qualitatives Feedback erfordern.
Kommunikationstraining für beide
- Introvertierte ermutigen, ihre Gedanken klar und prägnant zu formulieren, ohne extravertiert liefern zu müssen.
- Extravertierten beibringen, sich auch mal zurück zu nehmen, indem Verständnis für die Langsamen und Leisen vermittelt wird.
Dadurch werden aus unreifen Introvertierten und Extravertierten reife Persönlichkeiten, die sowohl ihre Schwächen als auch ihre Stärken kennen.