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Faule Gen Z versus verantwortungslose Boomer

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Ich wurde dieses Jahr schon locker 3 mal gefragt, ob ich „Irgendwas zum Thema Generation Z“ mache. Warum ticken die so? Warum sind die so unmotiviert? Wollen die überhaupt noch arbeiten?

Ich kann die Führungskräfte ja verstehen. Auf der einen Seite der Personalmangel und auf der anderen Seite Bewerber*innen, die schon zum Vorstellungsgespräch in zerrissenen Pullovern auftauchen. Auch wenn meine jüngere Tochter meint, das wäre keine Respektlosigkeit, sondern Style, ist es wohl schwierig das Verhalten junger Menschen zu deuten, wenn man aus einer anderen Ära kommt.

Dennoch lehne ich jedesmal dankend ab. Weil ich weiß, wie das abläuft. Die Erwartungshaltungen sind in etwa so hoch wie die Bereitschaft das eigene Verhalten und die eigenen Strukturen kritisch zu hinterfragen. Weil die Generationenfrage oft noch mehr Öl ins Feuer gießt. Weil die Signalwirkung seltsam ist: „Wir sprechen in einem Seminar über eine ganze Geneneration“. Was wäre, wenn es auch ein Seminar für junge Mitarbeiter*innen gäbe mit dem Titel „Zum Umgang mit Boomer-Führungsräften“?

Zudem waren Generationen immer schon unterschiedlich. Hätten Führungskräfte früher einen Menschen mit kaputtem Pullover vor sich gehabt, wäre das Bewerbungsgespräch in den meisten Fällen sehr kurz ausgefallen. Heute jedoch haben wir Personalmangel. Früher gab es jedoch kein Tiktok. Ich bin mir sicher, dass es zu jeder Zeit Menschen gab, die beim Gedanken an einen Vollzeitjob mental kurz vor einem Burn-out standen. Die machten jedoch kein Video darüber.

Natürlich sieht die junge Generation die Welt anders als ältere Generationen. Sie wurde schließlich anders geprägt. Wäre es nicht seltsam, wenn all die Umweltkatastrophen, die Unbezahlbarkeit eines Hausbaus, Carsharing, Corona, usw. junge Menschen nicht prägen würde? Von der Digitalisierung ganz zu schweigen. Prägungen gab es jedoch schon immer. Daraus ein eigenes Seminar zu machen, halte ich für übertrieben. Wie wäre es stattdessen mit einer offenen Dialog-Runde? Miteinander statt übereinander reden.

Oder aber Unternehmen und Führungskräfte reflektieren über eine gute Führung, Mitsprachemöglichkeiten und flachere Strukturen. Denn das ist letztlich genau das, was junge Menschen wollen: Gefragt und ernst genommen werden. Aber auch das war schon immer so. Nur dass junge Menschen im Unterschied zu früher weniger laut waren.

Improvisieren als Zukunftskompetenz, Teil 2

Das eigene Ego zähmen

Ich gebe es zu. Ich hatte es leicht. Mit einem Abitur von 3,2 fiel es mir leicht, mich nicht auf meinen Lorbeeren auszuruhen. Es blieb mir nichts anderes übrig, als meine Kompetenzen durch das Ausprobieren neuer Wege und Ideen (Stichwort Kochkünste) stetig zu erweitern. Das ging nicht von heute auf morgen, sondern dauert immer noch an. Wenn ich zu einem Zwei-Tages-Seminar fahre, bereite ich die ersten beiden Stunden zu 100% vor, den Rest des ersten Tages zu 80% und am Abend wird das Grundgerüst des zweiten Tags verfeinert. Hier nicht zu improvisieren und das Programm an die Bedürfnisse meiner Teilnehmer*innen anzupassen wäre respektlos.

Machen wir es in Gesprächen nicht genau so? Oder schreiben Sie sich einen Ablaufplan auf einen Zettel und beharren darauf, alles genau so zur Sprache zu bringen, wie Sie es sich vorgestellt haben, auch wenn das Gespräch eine andere Wendung nimmt? Eben.

Planen beinhaltet den Wunsch, zu agieren ohne gestört zu werden. Improvisieren jedoch bedeutet mit der Welt zu interagieren.

Nun hatten einige da draußen weniger Glück als ich und wurden mit einem großen Talent geboren, weshalb sie es zu Beginn nicht nötig hatten, zu improvisieren und damit Neues dazu zu lernen. Dies kann lange gut funktionieren. Meist ist jedoch spätestens zum Ende der Schulzeit Schluss damit. Doch dann – in der Universität oder der Schule des Lebens – sind andere Dinge gefragt. Unser geschultes (!) Ego sagt jedoch:

  • Schaff’ es alleine: Wer sich gut vorbereitet, muss niemanden um Rat fragen. Fragen ist peinlich. → Schade Ego: Lernchance verpasst, zumal ein improvisiertes Lernen in der Gruppe einen großen Spaß machen kann.
  • Sei perfekt: Nur die Perfekten werden geliebt. Vermeide Fehler. Plane rechtzeitig und zu 100 %. Erst dann läuft ein Projekt reibungsfrei ab. → Schade Ego: Wer immer versucht perfekt zu sein, macht nur das, was er oder sie schon kennt und lernt nichts dazu.
  • Tritt niemandem auf die Füße: Es gibt dort draußen ohnehin schon so viele unverschämte Menschen. Da halte ich lieber meinen Mund, um die Harmonie in der Gruppe aufrecht zu erhalten. → Schade Ego: Wer niemandem auf die Füße treten will, hat Angst vor spontanen Ideen, die zu schnell kommen, um noch auf soziale Verträglichkeit geprüft zu werden. Und vielleicht sind manche ausgesprochenen Gedanken weniger schlimm als wir glauben.
  • Hab alles im Griff: Sei souverän. Zeig keine Schwächen. Zu improvisieren kann mächtig daneben gehen. Dann lieber abwarten und noch mehr Informationen einholen. → Schade Ego: Wer souverän bleiben will, scheut sich vor wackeligen Improvisationen. Das potentielle Scheitern bringt zu viel Spannung mit.
  • Sei zuverlässig: Improvisieren ist etwas für Leute, die sich nicht gut vorbereitet haben. Will ich wirklich, dass mein Umfeld mich für unzuverlässig hält? → Schade Ego: Wer immer zuverlässig sein will, orientiert sich nur noch an den Bedürfnissen anderer und verliert den Blick für die eigenen Bedürfnisse.

Wie also kann es gehen vom eigenen Ego beziehungsweise dessen antizipierter Wirkung auf andere zum Improvisationskünstler zu werden?

Üben, üben, üben

Sich sein Ego bewusst zu machen ist ein erster wichtiger Schritt. Es geht aber auch vollkommen unpsychologisch über Handlungen:

  • Laden Sie Leute ein und bereiten nichts vor.
  • Laden Sie Leute ein, von denen Sie denken, sie würden nicht harmonieren oder von denen Sie wissen, dass sie einen Streit miteinander hatten.
  • Fahren Sie ohne Navigationsgerät mit dem Auto durch die Gegend.
  • Weg mit Google-Maps. Lassen Sie sich durch eine fremde Stadt treiben und von den Läden inspirieren.
  • Buchen Sie ein Flugticket auf eine Insel und lassen Sie sich dort überraschen.
  • Bereiten Sie für die nächste Präsentation nur die allerwichtigsten Charts vor und füllen den Rest der geplanten Zeit mit Diskussionsfragen, deren Ergebnisse Sie elegant moderieren.
  • Bestellen Sie ein Gericht, das Sie noch nie gegessen haben.
  • Machen Sie im Urlaub das Gegenteil von dem, was alle machen. Alle gehen an den Strand oder besichtigen einen berühmten Dom. Sie machen eine Flusswanderung oder setzen sich in ein Cafe und beobachten das wilde Treiben vor dem Domplatz.
  • Kaufen Sie ein 2-für-1-Essensgutscheinbuch, bei dem das zweite Gericht umsonst ist und probieren neue Restaurants aus.

Dieser Artikel wurde in leicht veränderter Form aus dem eBook „Wie kompetent muss ich sein?“ (externer Link) entnommen.

Über Geheimnisse

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Geheim bedeutete für Martin Luther „zu unserem Heim gehörend“. Das Private sollte heimlich sein, während das Öffentliche den Menschen früher oft unheimlich vorkam.

Dass das Heimliche unheimlich werden sollte, haben wir der Aufklärung zu verdanken. Denn wenn etwas nicht mehr heimlich passiert, kann es auch nicht mehr verheimlicht werden (Vergewaltigungen in der Ehe bspw.).

Dass jedoch heutzutage alles ent-heimlicht wird, ist andererseits auch wieder unheimlich. Denn Geheimnisse miteinander zu teilen fördert im ursprünglichen Sinn das exklusive Vertrauen zwischen zwei Menschen, sofern es auf Gleichheit beruht. Vielleicht sind Trennung auch deshalb so schmerzhaft, weil die beiden Partner*innen viel exklusives Wissen voneinander haben. Sie haben sozusagen – im besten Fall – tief in die Seele der anderen Person geschaut.

Wird jedoch in digitalen Netzwerken allzu Privates geteilt, könnte dies zu falschen Erwartungen führen, wenn das gleiche Modell als Blaupause hergenommen wird: „Ich teile etwas von mir und erwarte das gleiche von dir“. Was „im Heim“ funktioniert, funktioniert jedoch nicht in der Öffentlichkeit. Zum einen fehlt die Gleichheit. Zum anderen fehlt die Resonanz und damit das gegenseitige Vertrauen. Kein Wunder, dass unsere Diskussionskultur immer vulnerabler wird.

Wollen wir uns aufregen oder etwas verändern?

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Persönlichkeitstypologien als Selbstvergewisserung

Persönlichkeitstypologien sind immer noch schwer in Mode. Sie scheinen gerade bei Führungskräften das Bedürfnis nach Klarheit zu befriedigen. Eine Person ist dann eben so wie sie ist. Man denkt zwar ein wenig darüber nach, wie am besten mit Nörgler*innen, Querulant*innen, Jammer*innen, Blender*innen, Manipulator*innen, Besserwisser*innen, Choleriker*innen oder Moralist*innen umzugehen ist. Aber letztlich dominiert die Nachricht im Subtext, dass ein Typus nicht verändert werden kann. Und damit haben auch Führungskräfte weder etwas falsch gemacht, noch müssen sie etwas an sich selbst ändern.

Als Trainer habe ich dieses Spiel selbst jahrelang mitgespielt. Vermutlich auch, weil die Arbeit mit „schwierigen Teamtypen“ immer ein Heimspiel ist. Zum einen war mir der Applaus grundsätzlich sicher. Zum anderen wirken Typologien wie Balsam für die geplagte Führungsseele: Endlich nach Herzenslust ablästern über die schlimmen Mitarbeiter*innen. Dennoch hatte ich immer ein wenig Bauchgrimmen.

Schattenanteile

Jetzt lässt sich zwar klar benennen, welche Typen für Führungskräfte am nervigsten sind. Bereits das ist durchaus ein Mehrgewinn, da ich wenigstens darüber nachdenken kann, warum mich gerade dieser Typus am meisten triggert und was das mit mir zu tun hat. C. G. Jung prägte dafür den Begriff der Schattenanteile: Versage ich mir selbst, ab und an eine Pause zu machen oder meinen Ärger zu zeigen, nerven mich andere Menschen besonders, die genau das tun: Träge oder nörgelige Gestalten. Dennoch kann ich nur an mir selbst arbeiten und nicht an meinem Gegenüber.

Positive Typologien

Um sich nicht zu sehr in negatives Denken zu verfangen, kann ich zumindest mit positiven Team-Typologien arbeiten. Das Process Communication Modell bspw. beschäftigt sich damit, wie bestimmte Teamtypen denken und was ihnen besonders wichtig ist:

Das Problem, dass wir auch damit Personen mehr oder weniger ein für alle mal festlegen, bleibt jedoch bestehen. Ich selbst kenne, brauche und nutze all diese Rollen je nach Situation, auch wenn mir manche Rollen weniger liegen als andere.

Verhalten statt Typologien

Dieses Problem lässt sich erst lösen, wenn wir nicht mehr in Typologien, sondern in Verhaltensweisen denken. Ein Verhalten haben wir gelernt, weshalb es sich auch wieder ablegen lässt:

Der Weg dahin ist denkbar leicht. Ein paar Umformulierungen reichen bereits aus. So wird aus einem Nörgler ein Mensch, der regelmäßig warnt und ja, auch nörgelt. Dieser Mensch besitzt jedoch ebenso eine Menge anderer Eigenschaften. Denn in den meisten Fällen ist er kein Dauernörgler. Sein schwieriges Verhalten kommt erst dann zum Tragen, wenn etwas passiert, mit dem er nicht einverstanden ist.

Spannend wird es, wenn wir dieses Verhalten sowohl negativ als auch positiv zu deuten lernen. Andere zu warnen kann ebenso den Aspekt einer konstruktiven Kritik beinhalten. Genauso macht es einen jammernden Menschen sympathischer, wenn wir seine (berechtigten) inneren Zweifel sehen. Oder wenn wir erkennen, dass ein Moralisieren auf der Angst vor einer umgreifenden Anarchie basiert. All das ist zumindest nachvollziehbar.

Mit einem solchen (zweiten) positiven Blick auf unser Umfeld erscheint ein vermeintlich negatives Verhalten in einem neuen Licht. Begegnungen werden respektvoller. Und damit lässt sich vielleicht sogar das Verhalten unseres Gegenübers verändern.

Fragetechniken und die Haltung echten Zuhörens

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Im Kontext einer Positiven Führung geht es in meinen Seminaren regelmäßig um den Aspekt der Wertschätzung für Mitarbeiter*innen. Eine der besten Möglichkeiten, einer Person Wertschätzung zu zeigen ist das Signal, sie ernst zu nehmen, indem ich mir deren Probleme und Bedürfnisse anhöre. Doch wie geht das eigentlich, gutes, echtes Zuhören?

Zum einen gehört dazu ein dickes Paket clever eingesetzter Fragetechniken:

Der Einsatz von Fragetechniken kann jedoch schnell inquisitorisch werden, wenn daraus Verhörtechniken werden. Deshalb sollte zum Einsatz von Fragen eine positive Zuhör-Haltung gehören. Die folgende Checkliste hilft dabei, sich seine eigene Haltung beim Zuhören bewusst zu machen:

Die Pro-Seite:

  • Sie haben ein echtes Interesse an der Person und Ihren Äußerungen.
  • Sie lassen die Person ausreden.
  • Sie versuchen, zu verstehen, worum es wirklich geht.
  • Sie achten auf Signale in der Körpersprache.
  • Sie fragen nach, um das Geäußerte besser zu verstehen.
  • Sie nehmen sich die Zeit, die es braucht.
  • Sie fragen nach, bis Sie das Gehörte richtig verstanden haben.
  • Sie halten Kritik aus, ohne postwendend etwas zu entgegnen oder sich zu rechtfertigen.
  • Sie laden Ihr Gegenüber dazu ein, über Gefühle zu sprechen.
  • Sie respektieren Ihr Gegenüber ohne Bewertung.

Die Kontra-Seite:

  • Sie denken bereits während dem Zuhören über eine Antwort nach.
  • Sie geben Ratschläge aufgrund Ihrer Expertise, um Ihrem Gegenüber zu helfen.
  • Sie stellen Vergleiche an, um Ihrem Gegenüber zu zeigen, dass er oder sie nicht alleine mit seinem Problem ist.
  • Sie wissen oft schon was kommt. Deshalb lassen sich viele Gespräche abkürzen.
  • Sie bieten Standardlösungen für ein Problem an.
  • Manche Probleme sind leider hausgemacht.
  • Bei manchen Gesprächen lassen sich parallel andere Dinge erledigen, um Zeit zu sparen oder weil es langweilig ist.
  • Manchmal reicht es aus, so zu tun als würde man zuhören.
  • Es gibt Zeitgenoss*innen, die immer wieder mit den gleichen Beschwerden kommen. Denen lässt sich im Grunde nicht helfen.
  • Wenn jemand sehr aufgebracht ist und aus seiner negativen Trance nicht herauskommt, kann es helfen, ihn mit einem anderen Thema abzulenken.
  • Sie halten mit eigenen Emotionen hinter’m Berg.

Siehe auch: https://www.m-huebler.de/jetzt-hoer-mir-doch-mal-zu