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Auf dem Weg zu einer humanen Digitalisierung

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In vielen Unternehmen ist die Digitalisierung weit vorangeschritten, in anderen wird immer noch gefremdelt. Dies liegt insbesondere an branchenspezifischen Einstellungen der Menschen. Eine Studie von Sebastian Wörwag gibt Aufschluss darüber, was unterschiedliche Branchen erwarten und befürchten.

Stimmungs-Status-Quo in verschiedenen Branchen

Grob zusammengefasst erwartet die IT-Branche mehrheitlich Positives von der Digitalisierung:

  • weniger Routineaufgaben
  • mehr (kreative) Freiräume, erst recht durch KI
  • und damit auch die Zunahme spannender Arbeit

In der Finanzbranche sieht es schon anders aus. Hier wird erwartet, dass …

  • zwar einerseits Routineaufgaben abgenommen werden, bspw. durch Chatbots,
  • andererseits jedoch Standardisierungen zunehmen und damit auch persönliche Entscheidungsfreiräume wegfallen.

Die Sozialen und Gesundheits-Berufe stehen der Digitalisierung besonders skeptisch gegenüber. Hier wird erwartet, dass digitalisierte Prozesse in diesen Berufen wenig bis gar nichts bringen. Ehrlicherweise muss man auch festhalten, dass eine Tätigkeit wie die Pflege an sich kaum digitalisiert werden kann. In ferner Zukunft könnten evtl. Pflegeroboter zum Einsatz kommen. Bis dahin bezieht sich die Digitalisierung von Prozessen v.a. auf Verwaltungstätigkeiten im Hintergrund.

Die Bildungsbranche wiederum erwartet v.a. mehr Freiräume für die Lehre und Forschung durch die standardisierte Digitalisierung von Prozessen, bspw. bei Laboruntersuchungen, die 1000 mal durchgeführt werden müssen.

Und in der Öffentlichen Verwaltung schließlich scheint eine Art Gleichmut vorzuherrschen: Während auf der einen Seite mehr Routineaufgaben erwartet werden, werden auf der anderen Seite digitale Hintergrund-Prozesse eingeführt, um die eigene Arbeit zu erleichtern. Damit halten sich Befürchtungen und Begeisterung die Waage.

Kreativität versus Digitalisierung

Ein Schlüssel zur Akzeptanz digitaler Prozesse ist definitiv die Einschätzung der Notwendigkeit von Kreativität in der eigenen Arbeit. Hier ergab die Untersuchung von Wörwag Erstaunliches:

  • Während die Notwendigkeit von Kreativität im Sozialen Bereich (18%) und Gesundheitsbereich (27%) am höchsten von allen untersuchten Branchen eingeschätzt wird (Durchschnitt aller Branchen 14%),
  • liegt sie im Bereich Bildung und Forschung bei überraschenden 10%. Um es noch einmal klar zu verdeutlichen: Die befragten Angestellten gaben lediglich zu 10% an, dass Kreativität in Lehre und Forschung wichtig ist.
  • Selbst die Öffentliche Verwaltung (15%) und das Finanzwesen (13%) liegen hier höher.
  • Noch extremer ist es in der IT. Hier gaben 0% an, dass Kreativität in ihrer Arbeit erforderlich ist. Daraus lässt sich auch erklären, warum KI in der IT so wichtig erscheint, was mich als Nicht-IT-ler erstaunt: Es scheint oftmals weniger um neue Ideen zu gehen, sondern mehr um die Umsetzung von Routine-Programmierungen oder die Wartung vorhandener Systeme.

Da jedoch digitale Prozesse, insbesondere KI und die Arbeit mit Algorithmen, bereits vorhandene Daten nutzen oder analoge Prozesse digital standardisieren, werden sie nicht damit verbunden, etwas Neues in die Welt zu bringen. Es geht also nicht darum, mit einer neuen Situation kreativ umzugehen.

Je wichtiger folglich für ein/e Mitarbeiter*in – unabhängig von der Branche – Kreativität ist, desto mehr wird er oder sie die Digitalisierung ablehnen, weil mit der Digitalisierung eher eine Standardisierung verbunden ist, in der Freiräume mehr beschnitten als gefördert werden.

Eine Faustformel zur Digitalisierung von Prozessen

Der Vergleich der Branchen zeigt deutlich, dass jede Branche anders bei der Digitalisierung tickt. Umso wichtiger ist es, nicht in einen Machbarkeitswahn zu verfallen, sondern sich genau zu überlegen, wann die Digitalisierung von Prozessen sinnvoll ist.

Im Sinne einer humanen Arbeit kann eine Faustformel (mit fünf Fingern) dazu lauten:

  1. Sinnvoller Zweck und Nutzen: Worin besteht der Nutzen des digitalisierten Prozesses? Soll er die Menschen entlasten? Schneller, agiler oder kundenfreundlicher („Ihre Nachricht kam an und wir kümmern uns darum …“) machen?
  2. Weiterentwicklung statt Entfremdung: Werden Prozesse digitalisiert, die den Menschen bislang Spaß machten? Werden sie also von ihrer Arbeit entfremdet? Verstehen die Mitarbeiter*innen noch, was bei digitalen Prozessen im Hintergrund passiert, auch um es Kund*innen verständlich zu machen? Oder nimmt die Digitalisierung dem Menschen ungeliebte Tätigkeiten ab und hilft ihm sich weiterzuentwickeln?
  3. Freiräume für persönliche Entwicklungen: Schaffen digitale Prozesse Freiräume zur Entwicklung der Mitarbeiter*innen an einer anderen Stelle? Oder gilt es nur noch, im Hintergrund digitale Prozesse zu beobachten und bei Fehlern einzugreifen? Kurzum: Macht die Digitalisierung die Arbeit spannender oder langweiliger?
  4. Bindung: Fördert die Digitalisierung die Bindung zueinander, bspw. weil digitalisierte Routineaufgaben Freiräume schaffen, die für kreative Prozesse im Team genutzt werden? Oder schafft die Digitalisierung (Stichwort: Onlinemeetings) mehr Distanz zwischen den Mitarbeiter*innen? Es ist erstaunlich, wie viele Teams sich online verabreden, nur weil es einfacher ist, obwohl alle am gleichen Ort sind.
  5. Teilhabe, Integration und Inklusion: Fördert die Digitalisierung die Teilhabe möglichst vieler Mitarbeiter*innen an der Arbeit oder auch Diskussionen und Abstimmungen? Schaffen bspw. Onlinemeetings bessere Zugänge für Gehandicapte? Denken wir dabei auch an Apps für Sehbehinderte, die ihnen helfen, Einkaufswaren zu scannen oder die Möglichkeit von Übersetzungsprogrammen im interkulturellen Austausch. Und auch zur Partizipation möglichst vieler Mitarbeiter*innen an Unternehmensprozessen lassen sich digitale Hilfsmittel (Onlinemeetings, Abstimmungsplattformen) gut einsetzen. Die Frage ist nur: Ist das auch gewünscht?

Zusammenfassen lassen sich diese 5 Aspekte auch in die 3 Bereiche des Organisatorischen, Persönlichen und Sozialen:

Literatur

Sebastian Wörwag, Andrea Cloots (Hrsg.) – Human Digital Work – Eine Utopie? Springer—Gabler, 2020, S. 127ff

Warum über Generationen zu sprechen heikel ist

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Das Bedürfnis, über Generationen zu sprechen erscheint größer denn je. Während nicht nur in meinen Seminaren regelmäßig auf die Generation Z geschimpft wird, weil diese (anscheinend) nicht mehr so viel arbeiten will wie ihre Vorgänger-Generationen und damit den Industriestandort Deutschland zu gefährden scheint, wird auf der anderen Seite den „Boomern“ vorgeworfen, die Umwelt zerstört zu haben. Immerhin hat dann jede Seite ein klares Ziel für den eigenen Frust. Ist es nicht super, wenn ich weiß, dass jemand schuld ist – wahlweise an der Unterbesetzung in meinem Team oder an der Umweltverschmutzung?

Tatsächlich ist es nichts neues, dass jüngere Generationen Dinge anders sehen und machen. Das galt bereits bei den alten Griechen. Neu ist der Austausch über die digitalen Medien, auf denen sich Ältere und Jüngere treffen. Hinzu kommt nach einer langen Phase der Sorglosigkeit eine krisengebeutelte Zeit. Der Druck im Kessel ist hoch und gleichzeitig wird lautstark über die jeweilige Gegenseite lamentiert.

Nur: Bringt uns das weiter? Und: Stimmt die Generationenfrage überhaupt?

Strömungen statt Generationen

Streng genommen müssten wir nicht von Generationen sprechen, sondern von einflussreichen Strömungen innerhalb einer Generation. Ja, junge Generationen sehen vieles anders. Das gilt jedoch nur für einen kleinen Teil einer Generation. Meine Eltern waren keine Hippies, obwohl es zeitlich gepasst hätte. Sie hörten nicht Jimi Hendrix, sondern tanzten auf James Last. Und meine eigenen Kinder waren auf keiner einzigen Fridays-for-Future-Demo. Wir leben hier zwar seit Jahr und Tag ökologisch verträglich, fliegen nicht, waren noch nie auf einem Kreuzfahrtschiff, sind passionierte Camper, Papa fährt am liebsten mit der Bahn, wir ernähren uns flexi-bio und trennen unseren Müll nach bestem Wissen und Gewissen. Wir sind jedoch keine Öko-Aktivisten. Und: Meine Kinder gingen auf eine Realschule. Fridays-for-Future ist Thema für Gymnasiast*innen.

Und haben die Vorgängergenerationen tatsächlich den Klimawandel befeuert? Die Industrie mit Sicherheit. Aber was war mit den Umwelt-Bewegungen seit den 70-er Jahren, aus denen die Grünen hervor gingen?

Ähnlich wie in jedem Konflikt, überschätzen sich die Parteien auch in diesem hochstilisierten Generationen-Konflikt: „Ich gut – Du schlecht“ lautet die Devise. Auf Generationen übertragen heißt das:

  • Wir halten den Laden am Laufen und ihr seid faul.
  • Oder: Wir retten die Welt, die ihr zerstört habt.

Dabei wird leider der eigene positive Anteil überschätzt und der eigene negative Anteil unterschätzt:

  • Teile älterer Generationen gingen oft zu sorglos mit sich und der Umwelt um. Manche beuteten sich über Jahrzehnte hinweg in der Arbeit selbst aus, um sich und der Familie ein Eigenheim zu leisten. Hier machen viele jüngere Menschen nicht mehr mit. Warum auch, wenn sie in Großstädten leben, es Carsharing gibt und sie sich ein Haus ohnehin nicht mehr leisten können oder wollen.
  • Gleichzeitig nutzen jüngere Generationen digitale Möglichkeiten sorgloser als Generationen zuvor. Wer sich jedoch den Strom- und Wasserverbrauch bspw. von ChatGPT ansieht, könnte sein anti-grünes Wunder erleben. Und sind Klimaaktivist*innen wirklich so radikal wie sie dargestellt werden? Nur ein Beispiel: Erinnert sich noch jemand an die Republik Freies Wendland als Protest gegen die Tiefenbohrung zur Erstellung eines Atommüll-Endlagers in Gorleben? Mit eigenem Piratensender und solidarischen Botschaften u.a. in Hamburg, Hildesheim und Krefeld. Die Politik sprach von Hochverrat. Es gab sogar einen Pass, in dem stand: „Dieser Pass ist gültig, solange der Inhaber noch lachen kann“. Mir scheint, der Protest war damals radikaler als heutzutage, weil sowohl Gesellschaft als auch Medien und Politik heute insgesamt wohlwollender auf solche Protestaktionen reagieren. Damals war das absolutes Neuland. Laut Berichten wurden die Besetzer*innen mit zum Teil brutaler Härte von der Polizei davon geschleppt, geschleift und gestoßen, während Klimaaktivist*innen heute beinahe schon sanft von der Straße entfernt werden. Wenn nicht ist der Aufschrei in den digitalen Medien gegen Polizeigewalt groß.

Jede Generation hat ihre Aktivist*innen und einflussreiche Strömungen. Diese sind heute vermutlich einflussreicher als früher, da gesellschaftliche Macht heutzutage nicht nur auf finanziellen Gütern oder einflussreiche Positionen beruht, sondern auch und insbesondere über digitale Medien. Wer also als junger Mensch auf Youtube, Twitter oder Instagram viele Follower*innen um sich schart, kann Macht ausüben, wenn er will und bspw. „die CDU zerstören“. Solche Einflusssphären wirken jedoch größer als sie sind, weil viele Vertreter*innen auch der jüngeren Generation gar nicht bei Twitter sind.

Ein Fazit zur Generationen-Versöhnung

  1. Entspannt euch. Das kann nie schaden.
  2. An besagte Strömungen aus der jüngeren Generation: Überschätzt euch nicht. Es gab bei den Boomern Strömungen, die radikaler waren als ihr es seid. Und wer weiß: Vielleicht war mein Chef in den 80ern selber eine rebellische Seele? Letztlich gilt der Wahlspruch „Wir stehen alle auf den Schultern von Giganten“. Und das gilt nicht nur für die Klimabewegung, sondern für jede gesellschaftspolitische Strömung. Die Ursprünge von New Work und einer Positiven Führung gehen (mindestens) bis in die 60er Jahre zurück. Holokratie wäre nichts ohne die Ursprünge der Soziokratie. Was heute Mainstream ist, war damals Avantgarde. Ein dicker Respekt für solche Pionierleistungen ist niemals falsch.
  3. An die noch mächtigen Teile älterer Generationen: Hört zu. Vieles, was sich Teile der jüngeren Generation wünschen, sind vermutlich geheime eigene Wünsche: Was ist so schlimm daran, weniger zu arbeiten und mehr Zeit mit Familie und Freunden zu verbringen? Was ist falsch daran, Spaß an und in der Arbeit zu haben? Was ist verwerflich daran, überkommene Prozesse auf deren Sinnhaftigkeit zu hinterfragen?

Ein nachhaltiger Wandel, sowohl gesellschaftlich als auch in Unternehmen, funktioniert nur gemeinsam.

Corona-Kränkungen als weiße Flecken

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War da was? Ich kann mich kaum noch erinnern.

Für die meisten von uns erscheint dieses Pandemie-Dingens wie aus einer vergangenen Zeit zu stammen. In den Medien lesen wir allenfalls noch Randnotizen über Long-Covid-Fälle oder Impfschäden. Ansonsten haben längst andere Themen das große C verdrängt, namentlich der Klimawandel und Russlandfeldzug. Dennoch ist Corona nicht verschwunden. Und damit meine ich nicht das Virus ansich, sondern die Erinnerung an den Umgang mit den knapp 25% Ungeimpften, die sich noch sehr gut daran erinnern, dass 2G nicht nur ein veralteter Mobilfunk-Standard war.

Neulich meinte eine Dame in einem Seminar: „Die wollten mich damals nicht in den Teamsitzungen haben. Jetzt will ich nicht mehr.“

Dabei stellt sich die Frage, wie solche Menschen am besten mit den vergangenen Kränkungen (siehe auch) – egal wie logisch oder unlogisch diese auch erschienen sind – umgehen können. Denn letztlich schaden sie sich durch ihren fortlaufenden eigenen Ausschluss aus Gruppenveranstaltungen v.a. selbst.

Die Logik hinter einem solchen Verhalten ist einfach: Sollte ich selbst wieder zur Normalität zurückkehren, wäre das ein Signal dafür, dass wieder alles in Ordnung ist. So empfinde ich jedoch nicht. Mein Leiden ist folglich ein Signal an mein Umfeld, dass es für mich noch nicht vorbei ist.

Wollen solche Menschen im Nachhinein recht bekommen?

Mit Sicherheit. Aber bitte nicht wieder die alten Diskussionen aufwärmen. Damit ist kein Blumenstrauß zu gewinnen, sondern würde nur wieder in die alten Grabenkämpfe führen.

Wünschen sich solche Menschen eine Entschuldigung?

Das halte ich für schwierig. Schließlich hatten alle in dieser Zeit Angst. Angst vor einer Ansteckung. Angst vor dem Tod. Angst vor der Spritze. Angst vor sozialem Ausschluss und Kündigung. Und aus der Angst heraus werden manchmal Dinge getan und gesagt, die wir in Ruhe nicht tun oder sagen würden. Wie also soll sich jemand für seine Angst entschuldigen?

In einem anderen Seminar saß ich neulich mit einigen Führungskräften beim Abendessen. Der gemeinsame Konsens lautete: „Da wurde viel Vertrauen zerstört.“ Und: „Da ist in der Kommunikation miteinander viel schief gelaufen.“

Vielleicht muss es nicht immer die große Entschuldigungsnummer sein. Oftmals reicht es aus, anzuerkennen, dass nicht alles perfekt abgelaufen ist, um einen gemeinsamen Neustart zu wagen und Vertrauen wieder aufzubauen.

Gesprächsangebote sollten auch angenommen werden

Bei solchen Angeboten ist es wichtig, diese anzunehmen, auch um sich nicht dauerhaft selbst zu schaden. Damit sollten Kränkungen nicht weggewischt, sondern wenigstens wahrgenommen werden, auch wenn die Meinungen über das Corona-Management vermutlich immer noch weit auseinander gehen.

Sechs Facetten der Rückmeldung in der Mitarbeiterführung

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Führungskräfte sollten mehr loben. Das ist letztlich eine Binse in der Mitarbeiterbindung. Doch wie genau sollten sie loben? Wie kann ein Feedback aussehen?

Hilfreich dazu ist ein breiteres Sprachrepertoire, um gezielter rückzumelden, was gut lief und was nicht:

  • Toleranz: Etwas zu tolerieren ist noch kein Lob, sondern bezeichnet das Mindestmaß an Zusammenarbeit im Sinne von: „Ich finde das nicht optimal, aber ich halte es aus, wenn du das so machst.“ Der Fall steht also unter Beobachtung.
  • Akzeptanz: Wenn ich etwas akzeptiere, finde ich es immer noch nicht perfekt, weiß jedoch dass sich daran so schnell nichts ändern lässt.
  • Anerkennung: Leistungen anzuerkennen zeigt, dass mir als Führungskraft bewusst ist, dass mein Gegenüber meine Leistung mit seiner Tätigkeit im Sinne einer organischen Solidarität ergänzt. Anerkennung ist wohl der Begriff, den wir am meisten mit einem Lob in Verbindung bringen.
  • Respekt: Noch einen Schritt weiter geht der Respekt für außergewöhnliche Leistungen. Hier hat sich jemand richtig Mühe gegeben und ist über sich hinaus gewachsen. Damit bezieht sich Respekt nicht nur auf Leistungen, sondern auch auf die Leistungserbringer*innen. Allerdings ist Respekt auch ein zwiespältiger Begriff. Einerseits nutzen Jugendliche den Begriff, um einander für wagemutige Taten zu loben. Andererseits gibt es den traditionellen Begriff des Respekts, der oft mit Hierarchien verbunden ist, wenn es heißt: Bürger*innen haben den Respekt vor dem Staat verloren. Da Respekt zu Mitarbeiter*innen auch die Komponente der Unsicherheit beinhalten kann, dass jemand etwas macht, das ich mich selbst nicht trauen würde, ist es wichtig, zusätzlich Vertrauen zu dieser Person insgesamt zu haben (siehe hier). Ich kann daher einem Querulanten im Team Respekt entgegen bringen, wenn ich gleichzeitig weiß, dass unsere Beziehung auf festen Füßen steht.
  • Demut: Der Begriff der Demut erscheint im ersten Moment an dieser Stelle fehlplatziert zu sein. Er wird wohl auch kaum ausgesprochen. Dennoch bezeichnet Demut die Steigerung der Anerkennung im Sinne eines „Das könnte ich nicht“. Wenn ich als Führungskraft keine Ahnung habe, was meine Mitarbeiter*innen tun, mich aber dennoch auf sie verlassen kann, lässt sich also durchaus von Demut sprechen, vermutlich jedoch – aufgrund des ungewohnten Begriffs – eher im Stile von: „Toll, dass ich mich auf euch verlassen kann mit Tätigkeiten, von denen ich keine Ahnung habe.“
  • Bewunderung: Im Gegensatz zum Respekt ist Bewunderung ausnahmslos positiv. Ich bewundere beispielsweise, dass mein Team trotz Dauerbelastung immer noch hohe Leistungen zeigt.

Diese sechs Begriffe lassen sich nicht nur verbal in der Praxis einsetzen, sondern dienen auch der Reflexion von Fällen: Wen in Ihrem beruflichen Umfeld tolerieren oder akzeptieren Sie? Wessen Leistung erkennen Sie an? Vor wessen Leistungen neigen Sie demütig Ihr Haupt? Wen respektieren Sie und warum? Und wen bewundern Sie?

Was braucht es, um gut zusammen zu arbeiten?

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Neulich kam in einem meiner Seminare die Frage auf, wie man mit Mitarbeiter*innen umgeht, wenn sie so gar nichts von sich preis geben wollen. Sicherlich sollte es zuallererst um die Arbeitsleistung gehen und nicht um die Kenntnis voneinander. Dennoch bringt uns zweiteres einander näher und sorgt damit für Vertrauen. Andernfalls könnte eine Unkenntnis voneinander zu Misstrauen führen. Grund genug, sich dieses Thema genauer anzusehen.

Das System der 3 V: Verständnis, Verbindung, Vertrauen

Nach längerem Nachdenken – wie so oft im Rahmen einer ausgedehnten Wanderung – komme ich zu dem Schluss, dass für eine gute Zusammenarbeit mindestens eines der drei V wichtig ist:

  1. Verständnis: Entweder Sie verstehen einigermaßen, was Ihr Gegenüber macht und warum er oder sie so handelt.
  2. Verbindung: Oder Ihr Gegenüber erleichtert Ihnen mit seinem Tun Ihr Leben bzw. Ihre Arbeit. Verbindungen können folglich negative oder positive Auswirkungen haben.
  3. Vertrauen: Oder Sie haben ein tiefes Vertrauen in Ihr Gegenüber.

Lassen Sie mich das anhand von ein paar Beispielen verdeutlichen. Nehmen wir als erstes einen jungen IT-ler, der erst vor Kurzem zu Ihnen ins Team kam. Er sagt wenig, aber macht seinen Job. Sie verstehen nicht, warum er so zurückhaltend ist, aber man muss ja nicht alles verstehen. Sie vertrauen ihm auch (noch) nicht, weil sie aufgrund der Kürze der Zeit noch nicht einschätzen können, ob er seine Leistung halten wird, unter Stress zusammenbricht oder langfristig nicht ins Team passt. Aber Stand Jetzt erleichtert er Ihnen ihre Arbeit. Mit zunehmender Dauer könnte sich so etwas wie Vertrauen einpendeln, auch wenn Sie immer noch nicht verstehen, warum er so ist wie er ist.

Denken Sie in einem anderen Fall an einen Querulanten. Vielleicht verstehen Sie, warum er regelmäßig gegen feuert. Vielleicht auch nicht. Selbst wenn, macht das Ihr Leben vermutlich nicht gerade einfacher. In diesem Fall sollten Sie zumindest darauf vertrauen können, dass sich die Wogen nach und nach wieder glätten und dass vieles nicht so heiß gegessen wie gekocht wird, damit eine Zusammenarbeit möglich ist.

Damit gleicht dieser Fall paradoxerweise beinahe einer privaten Liebesbeziehung. Man versteht oft nicht, warum der Partner so handelt, das eigene Leben wird durch Liebe nicht immer einfacher, aber wenn genügend Vertrauen da ist, steht einem wunderbaren Zusammenleben eigentlich nichts im Weg ;-).

Denken wir für ein letztes Fallbeispiel noch an einen Azubi, der Ihnen mit häufigen Fehlern das Leben schwer macht und Sie daher auch kein Vertrauen in ihn bzw. seine Arbeit haben können. Hier sollten Sie zumindest verstehen, welche Gedanken er sich in der Arbeit macht. Ein paar persönliche Informationen können in diesem Fall ebenso hilfreich sein, um über die Durststrecke der Eingewöhnungsphase hinweg zu helfen.