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Der Zusammenhang von Hoffnung und Handeln am Beispiel des Klima-Aktivismus

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Wirkt Hoffnung vertröstend?

Während Hoffnung als zu passiv oder vertröstend empfunden werden kann, gilt ein zupackender Aktivismus gerade in Krisenzeiten als Methode der Wahl.

So sagte Greta Thunberg in ihrer berühmten Rede vor der UN 2019 („How dare you?“) sinngemäß: „Ich will nicht, dass ihr Hoffnung habt. Ich will, dass ihr in Panik geratet. Ich will, dass ihr handelt.“

Wer Hoffnung hat, so die Denkweise, handelt nicht. Je dringlicher jedoch eine Krise ist, desto aktiver sollten wir werden.

Auch in anderen aktivistischen Kontexten gilt diese Sichtweise, wenn Hoffnung als „Opium der Privilegierten“ kritisiert wird:

  • Wer wenig zu verlieren hat, kann sich Hoffnung leisten.
  • Marginalisierte Gruppen hingegen erleben, dass Hoffnung ohne Aktion leer bleibt.

→ Hoffnung gilt hier als Ersatzhandlung, um Ungerechtigkeit langfristig auszusitzen.

Ein Gegenbeispiel war der erste Wahlkampf von Barack Obama, der vielen Menschen als Hoffnungsträger galt („Yes, we can!“). Dies funktioniert allerdings langfristig nur, wenn es auch echte Veränderungen gibt. Andernfalls wird Hoffnung individualisiert.

Tatsächlich geht laut dem Hoffnungsbarometer von Dr. Andreas M. Krafft die kollektive Hoffnung seit Jahren zurück, während die individuelle Hoffnung diesen Verlust gemeinschaftlicher positiver Zukunftsbilder kompensiert: „Die Welt geht den Bach runter, aber mich wird das nicht betreffen.“ (https://www.unisg.ch/de/newsdetail/news/hoffnungsbarometer-2025-was-gibt-menschen-in-der-schweiz-zuversicht)

Hoffnung als Motivationsfaktor

Hoffnung ist jedoch so viel mehr als lediglich Veränderungen auszusitzen und Krisen auszuhalten. Hoffnung hat auch eine gestaltende Kraft. Laut Ernst Bloch (Das Prinzip Hoffnung) ist Hoffnung revolutionär, wenn sie Wege aufzeigt, wie eine bessere Zukunft aussehen kann. (https://www.youtube.com/watch?v=ls8AksUXSYI)

Entsprechend lässt sich festhalten:

  • Hoffnung ohne Handlung wird zur Illusion.
  • Handlung ohne Hoffnung ist zielloser Aktivismus, um des Aktivismus Willen.

Denn wofür sollte sich jemand einsetzen, wenn ohnehin alles verloren ist, es also keine Hoffnung mehr gibt?

Als reifere Version von Greta Thunberg lässt sich Luisa Neubauer anführen. Luisa Neubauer als Mitorganisatorin von Fridays for Future in Deutschland tritt weniger
apokalyptisch und stärker vermittelnd auf und ist damit politisch anschlussfähiger. Für Neubauer ist Hoffnung zentral, um handlungsfähig zu bleiben. Sie entsteht, wenn Menschen handeln, um gemeinsam etwas zu erreichen. Hier wird Hoffnung nicht gegen Aktivismus ausgespielt, sondern durch Aktivismus durch Hoffnung und Hoffnung durch Aktivismus erzeugt. Gleichzeitig warnt sie vor einer verlogenen Hoffnung, die von politischen Eliten oder Medien verbreitet wird: „Wir können uns nicht mit Hoffnung zudecken, wenn wir keine Politik machen, die Hoffnung verdient.“

Hoffnung sollte stattdessen zu einem kollektiven Prozess werden. Neubauer spricht oft von „Hoffnung als Arbeit“ oder „Hoffnung als kollektiver Praxis“. Hoffnung ist kein Gefühl, sondern ein Ergebnis von Solidarität, Engagement und Wandel, die entsteht, wenn gemeinsam Strukturen verändert werden.

(Luisa Neubauer und Alexander Repenning: Vom Ende der Klimakrise, 2019)

Zentrale Einsichten aus dem Aktivismus-Diskurs für Unternehmen

I) Hoffnung ohne Handlung führt zu Resignation.

Hoffnung, die nicht mit konkretem Handeln verbunden ist, wird als vertröstend empfunden. Predigen In Organisationen Führungskräfte Optimismus, ohne dass sich strukturell etwas verändert, sind die Folgen davon Zynismus oder passiver Widerstand.

In diesem Sinne sollten Hoffnungen einen gemeinsamen Prozess anstoßen: „Wir wissen, dass es schwierig wird, aber wir haben drei Initiativen gestartet, die zeigen, dass wir auf dem richtigen Weg sind.“

II) Hoffnung entsteht durch kollektives Handeln

Hoffnung entsteht durch ein gemeinsames erfolgreiches Tun. Wer erlebt, dass Veränderungen möglich sind, selbst wenn es nur kleine Schritte sind, glaubt (wieder) an sich selbst und eine bessere Zukunft.

III) Hoffnung braucht Ehrlichkeit

Hoffnungsvolle Utopien dürfen die Realität nicht beschönigen. Nur wenn der Ernst der Lage klar benannt wird, wirkt Hoffnung glaubwürdig: „Ja, es gibt Unsicherheiten – aber wir gehen sie gemeinsam an.“

Literatur:

https://www.walhalla.de/wirtschaft-management/management-und-fuehrung/5115/hoffnung?srsltid=AfmBOopXQWHM4hooqm2vgq56f2aGe08sgGDqF7vBtMhLSrKhYgsDg5QP

Die Führungskraft als Kinobetreiber

Gestern waren meine Frau und ich seit langer Zeit wieder einmal im Kino: „In die Sonne schauen“. Ein großartiger Film. Zweieinhalb Stunden bedrohliche Stimmung mit wenig Handlung. Zuhause auf einem kleinen Bildschirm hätte ich diesen Film vermutlich keine halbe Stunde durchgehalten. Die Bilder erzielen nur auf einer großen Leinwand eine solche Wucht. Und ohne durchgehende Handlung liegt die Versuchung nahe, sich von anderen Dingen ablenken zu lassen.

In solchen Momenten ist das Kino Sinnbild unseres Lebens: Manchmal müssen wir gezwungen sein, nicht aufzustehen und nichts parallel machen zu können – außer Lebkuchen im Kino zu essen und Grüntee zu trinken – um uns einer Sache vollkommen zu widmen.

Führung durch Struktur

Das gleiche gilt in der Arbeit. Als Führungskraft ist es ebenso wichtig, Strukturen herzustellen, die Mitarbeiter*innen dazu bringen, den Fokus zu halten, um Großes zu leisten:

  • Feste individuelle Zeiten einrichten, in denen keine Ablenkungen stattfinden, um ein vertieftes Arbeiten zu ermöglichen.
  • Schutzräume für konzentriertes Arbeiten sichtbar im Kalender verankern.
  • Meetingfreie Tage einrichten.
  • Gemeinsame „Kino-Momente“ schaffen mit Meetings ohne Handys.
  • Ähnlich wie in agilen Settings ritualisierte Arbeitsphasen schaffen, um die Arbeitszeit besser einzuteilen.
  • Regelmäßige Retrospektiven zu Kommunikation und Fokus im Team durchführen.
  • Diese Fokus- und Schutzräume vom Team selbst stetig weiterentwickeln lassen, um das Bewusstsein für die Wirkung an einem vertieften Arbeiten zu erhöhen. Dazu lässt sich als Guide folgende Business Model Canvas einsetzen:

Mehr Resonanz statt Sinn

Dadurch zeigt sich auch, dass Aufmerksamkeit entweder durch Sinnhaftigkeit (Handlung –> Ziel) oder Resonanz (Stimmung –> Spannung) erzeugt wird.

In einer Welt, die viele Menschen als absurd und sinnlos empfinden (Kriege, Bürokratie, zunehmende Armut durch Inflation, etc.) scheint mir eine Führung über Stimmung und Resonanz immer wichtiger zu werden. Im Sinne von: Wir wissen zwar nicht, ob das, was wir tun, einen Sinn ergibt. Aber wenigstens arbeiten wir gerne zusammen.

Die Wirkung von Hoffnung auf Erfolge, individuell und kollektiv

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Hoffnung wird insbesondere im Arbeitskontext häufig als spirituell oder vage belächelt: Wir hoffen auf eine höhere Macht oder das Schicksal, das eigene Handeln bleibt jedoch passiv. Freilich gibt es eine solche, teils illusorische, teils fatalistische Hoffnung. Es gibt jedoch auch einen hoffnungsvollen Glauben, der mehr oder weniger große Berge versetzen kann. Und das nicht nur beim FC St. Pauli.

Hoffnung, eine Definition

Die Definitionen von Hoffnung gehen in der Literatur weit auseinander. Während sich Optimismus und Zuversicht als Stärken definieren lassen, um mit schwierigen Situationen gut umzugehen, ist die Hoffnung vage, weil sich darin auch Zweifel wieder finden. Die Kraft der Hoffnung wird damit jedoch umso stärker, weil es hier um besonders schwierige, lange anhaltende Belastungen geht, bei denen dennoch nicht aufgegeben wird.

Gleichzeitig arbeitet die Hoffnung mit dem Unbekannten: Wir wissen nicht, ob wir wieder gesund werden. Wir wissen nicht, ob ein Projekt Erfolg haben wird. Wir wissen nicht, was nach einer Scheidung, Kündigung, einem Arbeitsplatzwechsel oder einem Umzug kommt. Trotzdem machen wir weiter. Und wir treffen dennoch die Entscheidung, das Beste aus einem neuen Abschnitt unseres Lebens zu machen, den wir noch nicht kennen.

Die Hoffnung definiert damit eine Haltung, tief verbunden mit dem Glauben oder Vertrauen, dass am Ende alles irgendwie gut wird, selbst wenn wir unsere ursprünglichen Ziele nicht erreichen.

Hoffnung auf individueller Ebene am Beispiel „Umgang mit Krankheiten“

Es gibt zahlreiche Anekdoten und Fallberichte, in denen Angehörige oder Gemeinden das Erwachen eines Komapatienten dem gemeinsamen Beten zurechnen. Wissenschaftliche Belege für die Wirkung der Hoffnung auf Genesungen gibt es nicht. Die Wirkung ist wohl eher indirekt zu sehen: Wer an die Heilung eines geliebten Menschen glaubt, auch wenn beinahe alles dagegen spricht, aktiviert zusätzlich andere Ressourcen. Er oder sie wird Tag und Nacht bei dem Partner oder Partnerin sitzen, ansprechbar für Ärzt*innen sein und auch sonst alle Hebel zur Gesundung in Bewegung setzen.

Für die psychologische Forschung, insbesondere nach C. R. Snyders Hope Theory, besteht Hoffnung aus zwei Komponenten:

  • Motivation: Weitermachen, auch wenn’s schlecht aussieht. Aufgeben ist keine Option.
  • Wegplanung: Zusätzlich braucht es realistische Möglichkeiten und Ressourcen zum Weitermachen.

Nach diversen Meta-Analysen und Übersichtsarbeiten, die aktuell noch mehrheitlich aus den USA kommen, korreliert Hoffnung mit einer besseren Lebensqualität, weniger Depressionen und Ängsten und einem besseren Umgang mit chronischen Krankheiten (vgl. Optimism and Hope in Chronic Disease: A Systematic Review)

Hoffnung reduziert Stress und Reaktanz durch eine geringere Belastung durch Kortisolausschüttungen. Vereinfacht formuliert werden dadurch innere Widerstände verringert und die Motivation zu Handlungen erhöht, wodurch Probleme konstruktiver angegangen werden. Dies hat ebenso zur Folge, dass bei Krankheiten die Akzeptanz von Therapien steigt, was wiederum die Genesung unterstützt.

Wobei es für die Wirksamkeit von Hoffnung wichtig ist, mehr in Szenarien als in konkreten Zielen zu denken. Mit aller Macht gesund werden zu wollen kann eine illusorische Hoffnung sein, die auf eine Enttäuschung geradezu wartet. Sinnvoller ist es daher, mehrere Pläne im Köcher zu haben: Gesund werden oder mit einer Krankheit dennoch ein gutes oder sogar bewussteres Leben führen.

Kurzum: Die individuelle Wirkung von Hoffnung geht von einer Veränderung des Stressempfindens bis hin zu Verhaltensänderungen durch eine Erhöhung der Motivation.

Kollektive Hoffnungen in Teams

Hoffnung ist in der Forschung noch ein relativ junges Thema. Dennoch gibt es eine wachsende Anzahl an Untersuchungen zur Wirkung kollektiver Hoffnungen. Analog zu den Studien an einzelnen Personen zeigt sich auch hier, dass Teams und Organisationen mit einer gemeinsamen, auf positive Zukunftsszenarien gerichteten Hoffnung geringere Burnout-Raten, mehr Ausdauer, eine höhere Motivation, Leistungsbereitschaft und Mitarbeiterzufriedenheit zeigen. (vgl. Developing People and Building a Culture of Hope and Well-being)

Psychologisch ist die Wirkung leicht nachzuvollziehen:

  1. Wenn ein Team gemeinsame, sinnerfüllte, lohnende Ziele verfolgt und
  2. gleichzeitig über Wege einer Zielannäherung verfügt, ergibt sich daraus
  3. die Motivation, auch längere Durststrecken zu überstehen, wodurch
  4. die Wahrscheinlichkeit steigt, dass es auch unter Druck kreative Lösungen sucht und durchhält.

Kurzum: Für Teams und Führungskräfte gibt es solide empirische Gründe, mit Hoffnung insbesondere in schwierigen Situationen zu arbeiten.

Praxisnahe Empfehlungen für Führungskräfte und Teams

  1. Stärkung der Motivation: Eine klare Rollenverteilung und Verantwortungsklärung erhöht die individuelle Motivation, dass es auf jede*n Einzelne*n ankommt. Dies erfordert Entscheidungsspielräume, Anerkennung von Initiative und die Übernahme von Verantwortung. (vgl. Building a Hope Centered Organization: A Blueprint for HOPE)
  2. Mehrere Wege planen / Denken in Szenarien: Brainstormings für Alternativszenarien und -routen anstatt an einer besten Lösung festzuhalten und stoisch weiterzukämpfen, machen ein Scheitern beinahe unmöglich.
  3. Klarheit über erreichbare Zwischenziele. Kleine, erreichbare Meilensteine schaffen fühlbare Fortschritte.
  4. Kleine Siege feiern: Regelmäßige Zwischenreflexionen, um den Fortschritt sichtbar zu machen, ermöglichen – ähnlich wie im agilen Projektmanagement – schnelle Anpassungen und motivationale Zwischenschübe. Hier lässt sich einiges aus der Sozialarbeit lernen, indem bereits kleine Fortschritte erkannt und gefeiert werden.
  5. Führung als Hoffnungsträger: Führungskräfte, die realistisch optimistisch, zuversichtlich und hoffnungsvoll kommunizieren, erhöhen nachhaltige Hoffnung statt bloßer Beruhigung (vgl. Hope in Health Care: A Synthesis of Review Studies).

Warum ein falsch verstandenes New Work zu mehr Konflikten führt

In Krisen braucht es Visionen

In Krisenzeiten gibt es die Sehnsucht nach etwas Vereinendem, wie einen rettenden Anker. Die Menschen brauchen etwas, das sie verbindet. Dazu gibt es grob formuliert zwei Möglichkeiten. Man könnte sich zur Vereinigung einen Feind suchen, bspw. auf der politischen Bühne gegen Nazis oder Russland zu sein. Die eigentlichen Probleme (Wohnungsnotstand, Gesundheitskosten, etc.) löst das nicht, aber es verbindet. Unternehmen versuchen ähnliches, wenn Sie sich gegen Ausgrenzung von Minderheiten positionieren.

Auf der anderen Seite könnte man auch sagen, wir versammeln uns unter einer positiven Vision, einer Hoffnung, etwas, das besser sein könnte in der Zukunft. Und da gab es auf der unternehmerischen Ebene schon ein paar Versuche in den letzten Jahrzehnten.

  • Agilität ist mit der Hoffnung und dem Wunsch jederzeit zufriedener Kunden verbunden. Das befriedet zwar die Mitarbeiter*innen nicht, motiviert sie jedoch – wenn es funktioniert – zu Höchstleistungen.
  • Danach kam logischerweise New Work als Idee des zufriedenen Mitarbeiters, der selbst hoch intrinsisch motiviert ist. Was jedoch leider auch nur bedingt funktionierte. Die Idee war gut, doch die Umsetzung nicht immer konsequent genug. New Work in der Theorie versus New Work in der Praxis ist ein wenig so wie Sozialismus versus real existierender Sozialismus. Die Idee von einer Welt, in der alle Menschen die gleichen Rechte haben und ein sorgloses Leben führen ist ja nicht unattraktiv. Aber das, was daraus gemacht wurde, pervertierte diese Idee in ihr komplettes Gegenteil. Dann doch lieber das, was der Philosoph Markus Gabriel einen ethischen Kapitalismus nennt.
  • Obendrauf kam der Gedanke der Diversität als Vision einer Welt, in der alle Menschen gleichberechtigt sind. Doch auch hier zeigte sich, dass Diversität vielleicht eher als Feindgedanke funktioniert (Wir wollen keine Ausgrenzung mehr), für das Gros der Belegschaft jedoch nicht als verbindend wahrgenommen wird.

New Work mit angezogener Handbremse

Die Vision von einer Arbeitswelt, in der echte Bedürfnisse der Mitarbeiter*innen wichtiger sind als schicke Büroräume mit Charts und vielen bunten Post-its ist ja nicht falsch. Nur macht ein Feelgoodmanager noch kein wirkliches New Work aus. Und wenn Unternehmen nicht an einen menschlichen und konstruktiven Umgang mit Fehlern heran wollen, bringt auch der gesunde Obstkorb in der Teeküche nichts (siehe: https://www.m-huebler.de/ein-new-work-manifest-auf-der-basis-einer-positiven-fuehrung).

Kosmetik reicht eben nicht aus, weil es oberflächlich ist. Mehr noch: Der Schuss kann sogar nach hinten losgehen, wenn New Work mit Wohlfühlen verwechselt wird. Ich plädiere in meinem Buch „Mit positiver Führung die Mitarbeiterbindung fördern“ dafür, dass auf der Basis einer guten Teamatmosphäre auch auf eine gute Art gestritten wird. Eine konstruktive Streitkultur steht jedoch in den wenigsten Unternehmen auf der Agenda. Stattdessen machten sich harmonieduselige Nichtangriffspakte breit, in denen Führungskräfte sich nicht mehr trauen, Mitarbeiter*innen ein klares Feedback zu geben und Mitarbeiter*innen bei Unstimmigkeiten schneller mit Kündigung drohen als irgendjemand Blaubeerkuchen sagen kann.

Konflikte müssen geklärt werden – so oder so

Unter dem Deckmantel einer falsch verstandenen New Work-Harmonie bei gleichzeitiger Unzufriedenheit der Mitarbeiter*innen werden Konflikte jedoch nach unten durchgereicht. Auch wenn die Maxime gilt, dass es im Grunde allen super geht (gehen muss!), werden Konflikte zwar vermieden, sind jedoch immer noch vorhanden. Denn nach wie vor ist der eine Mitarbeiter ein wenig fleißiger, ein anderer möchte mehr Work Life Balance und wieder eine andere ist perfektionistisch.

Unstimmigkeiten müssen jedoch geklärt werden, entweder durch Machtwort, Regeln oder Verhandlungen:

Werden Konflikte – im Sinne von New Work – weniger per Machtbeschluss oder Regeln geklärt, sollte folglich mehr verhandelt werden. Gibt es jedoch gleichzeitig die Maxime, dass bei uns alle zufrieden sind, befinden sich Mitarbeiter*innen in einer Zwickmühle: Mache ich mich für meine Bedürfnisse nach Anerkennung stark, bin ich undankbar. Sage ich nichts, bleibe ich auf meinem Ärger hocken. Mögliche Auswege aus diesem Dilemma lauten Kündigung, Krankheit oder Sarkasmus.

Aktuell besteht in Unternehmen, die mit New Work liebäugelten die Gefahr, zu konstatieren, dass das alles nichts gebracht hat, die Mitarbeiter*innen unzufrieden sind und – ähnlich wie in der Politik – zu alten Rezepten zurückzukommen, anstatt sich als Unternehmen weiter zu entwickeln: „Die sind aber auch undankbar! Jetzt haben wir doch alles für sie gemacht und was ist der Dank? Sie zanken sich und sind immer noch nicht zufrieden!“

Hier drängt sich ein weiterer Vergleich auf: Ein oberflächliches Vrständnis von New Work gleicht einem Konsum, der niemals satt macht, weil er die echten Bedürfnisse der Menschen nicht befriedigt. Anstatt wieder mehr auf Hierarchie und Regeln zu setzen, braucht es daher ein richtiges New Work, hier aus der Konfliktmanagement-Brille betrachtet:

  • Gezielte Machtausübung von Führungskräften: Wenn Mitarbeiter*innen mehr aushandeln (müssen) als früher, braucht es dafür Grenzen. Diese Grenzen müssen klar und transparent sein. Deshalb braucht es in einer New Work-Welt Führungskräfte, die ihre Machtposition zwar sparsam, aber dennoch bewusst einsetzen, auch als Moderator*innen in Konflikten.
  • Gemeinsam entwickelte Strukturen: Gleichzeitig braucht es Regeln, klare Strukturen und Aufteilungen, die nicht von oben auferlegt werden, sondern gemeinsam entstehen, gerade auch, weil es eine hohe Fluktuation gibt. Je höher die Fluktuation, umso schneller muss die Einarbeitung funktionieren, umso mehr Diskussionen gibt es und umso mehr braucht es klare Regelungen, bspw. wer die Neuen einarbeitet. Würden wir Unstimmigkeiten als Motor einer konstruktiven Veränderung verstehen, ließen sich solche Regeln aus Einzel- oder Gruppenkonflikten heraus entwickeln. Andernfalls wären Mitarbeiter*innen stetig mit Verhandlungen beschäftigt und kämen kaum noch zum arbeiten.
  • Mehr Konfliktkompetenz für alle: Die Mitarbeiter*innen brauchen insgesamt mehr Konfliktkompetenz. Wenn New Work gerettet werden soll, müssen Mitarbeiter*innen verhandeln lernen. Dies gilt logischerweise auch für die Führungskräfte, die sich ihrer regulierenden Rolle in einer New Work-Welt mit Hilfe von Konflikt-Trainings- und Coachings bewusst sein sollten.

Literaturtipp: Wilfried Kerntke – Mediation als Organisationsentwicklung

Das Leben als Tragödie oder Komödie – eine Frage des Mindsets

Wer eine allzu idealistische Sichtweise im Leben verfolgt, ist oft nahe dran an einer Tragödie: „Alles könnte wunderbar sein, wenn es nur nicht so schlimm wäre. Ich könnte eine perfekte Arbeit leisten, wenn mein Team vollständig wäre. Ich könnte besser führen, wenn meine Mitarbeiter*innen motivierter wären. Ich würde mit dem Projekt rechtzeitig fertig werden, wenn ich genügend Ressourcen hätte.“

Einem Ideal zu folgen ist ehrenhaft und löblich, doch leider oft wahnsinnig frustrierend, weil es in der Wirklichkeit immer anders läuft als in der Theorie. Sich an Idealen zu orientieren ist sinnvoll, um die Welt zu verändern. Daran festzuhalten endet jedoch häufig tragisch. Es macht die Menschen uneinsichtig, wütend und bisweilen sogar handlungsunfähig: „Wenn ich meine Ideale nicht erreiche, mache ich lieber gar nichts. Dann kann mir wenigstens niemand vorwerfen, ich hätte mich verkauft.“ Wenn das keine Tragödie ist?

Tatsächlich wirken Idealisten oft verbissen. Sich mit weniger als dem eigenen Ideal zufrieden zu geben, fällt manchen Menschen offensichtlich schwer. In meinen Führungstrainings kommen ab und an Fälle zur Sprache, in denen Mitarbeiter*innen entweder befördert werden oder – je nach Option – kündigen oder nur noch Dienst nach Vorschrift machen. Dass diese Menschen Idealisten sind, scheint auf den ersten Blick nicht offensichtlich. Das Unvermögen, sich mit Realitäten zu arrangieren ist jedoch klassisch für extreme Idealist*innen.

Komödiant*innen arbeiten mit Umständen, die so sind, wie sie sind: Wenn du auf einer Bananenschale ausrutscht, mach’ wenigstens eine gute Figur. Zum Lachen ist es so oder so. Siegen müssen wir wohl kaum lernen. Besser wäre es zu lernen, wie wir mit Humor und Würde wieder aufstehen. Wenn also ein Kollege kündigt, eine Kollegin schwanger wird, eine Krankheitswelle um sich greift oder ein Kunde abspringt, könnten wir dies als Tragödie betrachten oder als Komödie, indem wir unsere idealistischen Ziele über Bord werfen und auf Improvisation umschalten. Komödiant*innen lachen, wenn es bereits nichts mehr zu lachen gibt.

Tragödien werden durch die Hegelsche Maxime der Bestimmung des Seins durch das Bewusstsein bestimmt: Wenn Sie als Führungskraft nur intensiv genug daran arbeiten, ein System zu verändern, wird langfristig alles gut. Dass es jedoch in jedem System eine Menge Gegenspieler*innen gibt, die anderer Meinung sind, macht die Sache kompliziert.

Komödien werden durch die Marxsche Maxime der Bestimmung des Bewusstseins durch das Sein bestimmt: Systeme lassen sich nur mühsam verändern. Machen wir das Beste daraus. Das bedeutet nicht – Marx würde sich ansonsten im Grab umdrehen – nicht zu kämpfen. Auf der Basis der Realisierung eines Systems kann immer noch verhandelt werden. Allerdings Schritt für Schritt.

In der Realität brauchen Sie freilich ein wenig von beidem:

  • Idealistische Ziele helfen dabei, die Welt zu verbessern. Wir sollten es jedoch nicht übertreiben, weil ansonsten die Gefahr besteht, die Gegenseite zu einem trotzigen, noch opponenterem Verhalten zu animieren. Ideale sind Orientierungen, die in der Realität vermutlich niemals zu 100% umsetzbar sind. Wäre das der Fall, hieße das Ergebnis Diktatur.
  • Materialistische Vorgehensweisen helfen Ihnen dabei, das Beste aus einer schwer veränderbaren Welt zu machen, um nicht verrückt zu werden. Systemische Bedingungen, insbesondere andere Meinungen werden als gegeben akzeptiert, um gemeinsam iterativ in Verhandlungsprozesse zu gehen.

Verkürzt lässt sich also festhalten:

  • Idealist*innen nehmen sich selbst ernst. Tragische Idealisten nehmen sich zu ernst.
  • Materialist*innen nehmen die Welt ernst. Komödiantische Materialist*innen lassen sich dennoch ein Lachen darüber nicht nehmen.

Dabei könnte es durchaus passieren, dass Systeme tatsächlich verändert werden, wenn wir sie nicht allzu ernst nehmen. Kein Wunder, dass Diktatoren vor Humoristen am meisten Angst haben.

Wie also blicken Sie auf die Welt? Eher als Tragödie oder als Komödie? Wie ernst müssen Sie sein, um ernst genommen zu werden? Und wie viel Humor verträgt das System, in dem Sie arbeiten?

Siehe auch: Auswirkungen von Idealismus versus Materialismus auf Seminare

Quellen:

https://www.derstandard.at/story/2000010210241/lachen-ist-opposition (externer Link)

Robert Pfaller: Wofür es sich zu leben lohnt. Fischer Verlag