Alle Beiträge von Michael Hübler

Was Führungskräfte von Muhammed Ali lernen können

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Kurz zu den Fakten: Am 30.10.1974 forderte Muhammad Ali (34) George Foreman (25) um die Krone im Schwergewicht heraus. Ali war nicht nur beinahe 10 Jahre älter, sondern hatte zudem seine letzten Kämpfe verloren. Er hatte zwar nach wie einen klangvollen Namen mit einer großen Fangemeinde. Foreman war jedoch als Verteidiger der haushohe Favorit. In seinen letzten Kämpfen kam keiner seiner Gegner über die 5. Runde hinaus. Was konnte Ali dem entgegen setzen?

Bringen wir es gleich auf den Punkt:

  1. Eine Taktik, mit der niemand rechnete.
  2. Ausdauer, die selbst den stärksten Gegner zermürbt.
  3. Provokationen, um sein Gegenüber aus der Reserve zu locken.

Taktik

Ali ließ sich von Beginn an von Foreman nicht nur in die Seile treiben. Er ließ sich sogar darin fallen. Damit das gelang, wies er seinen Trainer an, die Seile weicher zu spannen als normal. Ob das heute noch erlaubt ist, weiß ich nicht. Dadurch konnte er sich jedenfalls so stark zurücklehnen, dass Foreman nicht an seinen Kopf kam und von Runde zu Runde ungeduldiger wurde. Er selbst unternahm kaum Anstrengungen für eigene Angriffe. Stattdessen setzte er zu 100% auf Verteidigung.

Ausdauer

Durch seine Seil-Taktik sparte er extrem viel Energie. Während sich Foreman aufarbeitete, einige Luftschläge landete und einmal sogar durch den eigenen Schwung beinahe aus dem Ring fiel, teilte sich Ali seine Kräfte ein und konnte auch in späteren Runden noch durch den Ring tänzeln. Während Foreman auf Schnelligkeit und Stärke setzte, setzte Ali auf Ausdauer.

Provokationen

Während sich Foreman bemühte, Ali zu treffen – was ihm jedoch selten gelang – rief ihm dieser immer wieder zu, dass er sich doch endlich mal anstrengen solle. Man könnte das unfair nennen oder einfach clever. Es lohnt sich definitiv, sich die lange Version des Kampfes auf Youtube anzusehen, um zu beobachten, wie Foreman Minute für Minute zuerst frustrierter und später müder und unkontrollierter wird, bis Ali kurz vor dem Ende der 8. Runde aus seiner Deckung heraus mit einigen gezielten Treffern Foreman zu Boden bringt und dieser nicht mehr früh genug wieder aufsteht.

Was lässt sich daraus lernen?

  1. Ausdauer statt Kraft und Schnelligkeit: Manche Situationen lassen sich schnell lösen. Andere erfordern Geduld, Beharrlichkeit und Ausdauer. Krisen, Unterbesetzung, Konflikte oder der Umgang mit einem schwierigen Mitarbeiter erfordern keine Sprints, sondern einen Langstreckenlauf. Wenn sich Probleme nicht schnell lösen lassen, gilt es eben dran zu bleiben.
  2. Ungewöhnliche Problemlösungen: Einstein sagte einmal: Probleme lassen sich nicht mit derselben Denkweise lösen, durch die sie entstanden sind. Entsprechend sollten wir uns in neuen Situationen neue Taktiken ausdenken, die vielleicht unorthodox sind, aber dennoch – oder gerade deshalb – zum Erfolg führen.
  3. Humor: Gerade in Krisen oder unter Dauerbelastungen sollten wir unseren Humor nicht verlieren.

Deep Canvassing in der Führung – Verständnis, Nahbarkeit und Perspektivenoffenheit

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Canvassing kommt vom Englischen „canvas“, bedeutet so viel wie „auf eine Leinwand werfen“ und wird für die Kunden- oder Wählergewinnung an der Haustür genutzt. Ein Deep Canvassing als Gesprächstechnik – wie es die Linken im vergangenen Bundestagswahlkampf nutzten – zielt darauf ab, tief verwurzelte Meinungen und Vorurteile durch empathische, persönliche Gespräche zu verändern. Anders als klassische Wahlkampagnen, bei denen kurz und knapp für eine Partei geworben wird, geht es beim Deep Canvassing darum, Menschen wirklich zuzuhören, ihre Erfahrungen zu verstehen und in einer respektvollen Diskussion Brücken zu bauen. Dabei werden oft Fragen gestellt wie: „Welche Erfahrungen prägten Ihre Sicht auf dieses Thema nachhaltig?“, „Wie geht es Ihnen, wenn Sie darüber nachdenken?“ oder „Was ärgert Sie am meisten?“. Es geht also nicht darum, die Menschen von der eigenen Meinung zu überzeugen, sondern darum, dass sie gesehen und gehört werden. Das Deep Canvassing gleicht damit dem mediativen Ansatz, die Sichtweisen, Emotionen und Bedürfnisse einer Person unvoreingenommen verstehen zu wollen, ohne ein konkretes Ziel zu verfolgen. Erst dadurch wird es möglich, dass das Gegenüber über die eigene Einstellung zu einem bestimmten Thema nachdenkt, ohne in einen Verteidigungsmodus zu kommen und neue Perspektiven zuzulassen.

Die Gesprächstechnik wurde erstmals in den 2010er Jahren von LGBTQ+-Aktivist*innen eingesetzt, um Vorurteile gegenüber gleichgeschlechtlichen Ehen abzubauen. Eine Studie von 2016 zeigte, dass tief verwurzelte Vorurteile abgebaut werden, indem sie emotionale und kognitive Prozesse anregen und dadurch Meinungsänderungen nicht nur möglich sind, sondern auch langfristig anhalten. Wenn es oftmals heißt, dass man mit Menschen mit derart fixen Meinungen nicht mehr reden kann, zeigt sich, dass Deep Canvassing eine Möglichkeit darstellt, eine mediative Brücke herzustellen und den Dialog zwischen unterschiedlichen Lagern trotz aller Vorbehalte dennoch wieder herzustellen.

Im Kern basiert Deep Canvassing auf drei Schlüsselprinzipien:

  1. Empathie: Statt Menschen zu belehren oder zu kritisieren, liegt der Fokus darauf, sie zu verstehen. Canvasser*innen stellen offene Fragen, die dazu ermutigen, eigene Erfahrungen zu teilen, mit dem Ziel, eine persönliche Verbindung herzustellen und Vertrauen aufzubauen.
  2. Eigene Erzählungen: Canvasser*innen erzählen oft eigene Geschichten, die nahbar und menschlich machen. Wer eigene, manchmal auch schwierige Erfahrungen mit anderen teilt, zeigt, dass die Welt nicht nur schwarz oder weiß ist, sondern es dort draußen eine Menge Grautöne gibt. Er zeigt sich zudem als Mensch mit eigenen Schwächen und fördert dadurch die Entstehung eines gegenseitigen Vertrauens.
  3. Reflexionsanregung: Die Gespräche regen dazu an, eigene Ansichten zu hinterfragen und eine neue Perspektive hinzuzugewinnen. Es geht dabei nicht darum, die Perspektive auszutauschen, sondern eine weitere Sichtweise als Möglichkeit zuzulassen. Es wird also niemand zu einer Meinungsänderung gedrängt. Stattdessen entsteht Raum für ein breiteres Denken, das Aufweichung vermeintlich alternativloser Meinungen und damit langfristig für eine Entwicklung.

Eine solche Herangehensweise lässt sich auch auf den Umgang mit schwierigen Mitarbeiter*innen übertragen:

  1. Empathie: „Wie bist du zu deiner Einstellung gekommen, dass dieses Projekt Mist ist? Was glaubst du, könnte alles schief laufen?“
  2. Eigene Erzählungen: „Wir kennen das wohl alle. Denken wir nur mal an das letzte Projekt. Da wäre es vielleicht klüger gewesen, wenn wir uns besser vorbereitet hätten, anstatt allzu optimistisch zu sein. Ich kann mich noch gut erinnern, wie ich letztes Jahr zu meinem Chef rennen und beichten musste, was alles nicht funktionierte. Nicht schön.“
  3. Reflexionsanregung: „Wenn wir möglichst viele Perspektiven einnehmen: Was ist alles denkbar? Lasst uns versuchen, all diese Möglichkeiten als real zu betrachten. Was sollten wir deiner und eurer aller Meinung nach tun, damit es nicht zum Schlimmsten kommt?“

Ein solcher Ablauf gleicht freilich beinahe einem erfolgreichen Changemanagement-Prozess. Die Nahbarkeit durch eigene Erzählungen könnte jedoch für das ein oder andere Team etwas Neues sein, das es Wert ist, ausprobiert zu werden. Gleichzeitig erhöht das parallele Mitdenken alternativer Perspektiven die Ambiguitätstoleranz aller Teammitglieder.

Quellen:

https://www.science.org/doi/10.1126/science.aad9713

https://www.freitag.de/autoren/nina-scholz/haustuerwahlkampf-wie-die-linke-erfolgreich-organizing-methoden-anwendet

Seminar: Führung am Limit – Weil Aufgeben keine Option ist

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Unterbesetzte Teams, bürokratische Hürden, eine hohe Fluktuation und ein gerade in Deutschland hoher Krankenstand zwingen Führungskräfte dazu, immer wieder am Limit zu arbeiten. In einer solchen Krisenstimmung ist es wenig hilfreich auf Durchhalteparolen zu setzen, die kaum noch ernst genommen werden. Wie also sollten Sie als Führungskraft mit diesen Dauerbelastungen umgehen, um trotzdem zu führen? Neben einem realistischen Optimismus braucht es ebenso die Hoffnung auf eine bessere Zukunft. Die Hoffnung greift dann, wenn Sie Ihren Optimismus verlieren, weil die Datenlage zu unklar ist oder die Einflüsse von außen zu groß. Hoffnung beginnt dann, wenn Sie der negativen Realität ins Auge blicken und das Beste daraus machen. Sie wissen als Teamleitung zwar nicht, ob Sie bald wieder ein voll besetztes Team haben werden. Aber Sie können zumindest die Hoffnung nicht aufgeben und damit gerade in schwierigen Zeiten der Demotivation und Apathie entgegen wirken. Hoffnung alleine reicht jedoch nicht aus, um im Alltag stabil zu führen. Ergänzend braucht es resiliente Teams, um Belastungen auszuhalten und einen agilen Pragmatismus an den Tag zu legen, um in einer sich stetige verändernden Welt handlungsfähig zu bleiben. Das alles funktioniert am nachhaltigsten im moderierten Austausch, um die Verbundenheit des Teams auch in mobilen Zeiten zu fördern.

Seminarinhalte:

Optimismus und Hoffnung als zentrale Führungshaltungen in schwierigen Zeiten
  • Wann Sie am besten Optimismus und wann Hoffnung einsetzen.
  • Wie sich eine positive Sicht auf die Zukunft auf die Motivation und Kreativität auswirkt.
  • Wie Sie mit Zukunfts-Skepsis in Ihren Teams umgehen.
  • Warum wir Utopien brauchen, um Belastungen durchzustehen.
Trotzdem handeln: Improvisation und Pragmatismus
  • Warum wir in Krisenzeiten eine gute Mischung aus Idealismus und agilem Pragmatismus brauchen.
  • Wie Sie zu einem Improvisations-Profi werden.
  • Wie Sie den Zufall geschickt herausfordern und für sich nutzen.
Gemeinsam handeln: Verbundenheit und Resilienz im Team fördern
  • Warum erst eine radikale Akzeptanz unveränderlicher Situationen handlungsfähig macht.
  • Wie Sie die Wir-Resilienz Ihres Teams stärken.
  • Was sich aus der Quantenphysik zum Thema Verbundenheit lernen lässt.
  • Wie Sie das gemeinsame Wachstum der Teammitglieder fördern, um für kommende Krisen gewappnet zu sein.
  • Wie Sie die gegenseitige Solidarität und Unterstützung im Team fördern.

Anfragen bei Interesse (in Präsenz oder online, als Vortrag oder Seminar) unter info@huebler.de.

… zwischenzeitlich in einem Parallel-Universum an einem Ort, der dem Berliner Parlament zum Verwechseln ähnlich sieht

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Olaf Scholz: „Ich möchte mich bei meinen Ampelpartnern entschuldigen. Ich hätte als größter Partner in der Koalition mehr Führung übernehmen sollen. Ich hätte die Konflikte, die wir hatten, mehr moderieren sollen. Vielleicht wäre es dann gar nicht zu diesem Bruch gekommen. Und bei den Bürgerinnen und Bürgern möchte ich mich ebenso – ich denke im Namen aller – entschuldigen. Es tut mir leid, dass diese Fortschrittskoalition, die – ihr erinnert euch – so motiviert gestartet ist, so schnell abstürzte. Im Rückblick weiß ich selbst nicht, wie das passieren konnte. Dass wir den Bürgerinnen und Bürgern dieses Landes in diesen turbulenten Zeiten keine sichere Regierung bieten konnten tut mir persönlich sehr leid. Ich muss leider demütig gestehen, dass dieses Land eine bessere Regierung verdient.“

Robert Habeck: „Auch mir tut es leid. Wir als Grüne hatten so viel vor. Vielleicht hatten wir sogar – in den Zeiten des Klimawandels und der damit verbundenen Energieversorgung – die größten Ziele. Und vielleicht sind wir deshalb – zumindest in den Augen vieler – am meisten gescheitert. Wir hatten noch so viel vor. Und wir dachten, wir könnten einiges davon gemeinsam mit der SPD und den Liberalen umsetzen. Denken wir nur für einen kurzen Moment zurück an das Selfie, das wir zu Beginn der Koalition mit Volker, Annalena und Christian machten. Wir hatten doch alle das Gefühl, das wir hier eine große Chance für Deutschland in den Händen halten. Und nun sind wir wie Ikarus nach nur 3 Jahren abgestürzt. Wollten wir alle zu viel und haben uns deshalb zu sehr in unseren Diskussionen verbissen? Ich weiß es nicht. Ich weiß nur, dass ich am heutigen Tag auch persönlich traurig bin und hoffe, dass – wenn sich eine solche Chance wieder einmal ergibt – wir alle das irgendwie besser machen.“

Christian Lindner: „Was soll ich da noch sagen? Meine Vorredner sprechen mir aus der Seele. Ich gelte normalerweise als rhetorisch starker Redner. Doch lassen wir die Rhetorik einfach mal beiseite. Auch ich bin enttäuscht. Enttäuscht auch von der eigenen Partei. Selbst wenn ich nichts von den D-Day-Plänen wusste, ärgere ich mich maßlos darüber. So etwas darf nicht passieren und es tut mir leid. Von der SPD gab es mal die Losung: Erst das Land, dann die Partei. Diese Maxime sollte gerade in Krisenzeiten gelten. Warum es so weit kam? Auch ich weiß es nicht. Vielleicht bekamen wir Panik vor der 5%-Hürde und wollten einen klaren Schnitt. Aber selbst wenn, ist das nur eine Erklärung und keine Entschuldigung. Deshalb will auch ich meinen Teil der Schuld am Scheitern der Koalition eingestehen und kann ebenfalls wie Robert nur hoffen, es in Zukunft besser zu machen, nicht für uns, sondern für unser Land.“

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Neulich in einem Seminar der obersten Führungsriege einer Organisation meinte eine Führungskraft: „Die Entscheidungsträger, das sind doch wir. Wer wenn nicht wir könnte etwas verändern?“

#Vorbilder #Hoffnungsträger #Streitkultur #Verantwortung

Wenn Optimismus nicht mehr ausreicht, braucht es Utopien, um mit Belastungen umzugehen

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Während sich der Optimismus auf Zahlen und Fakten beruft und gut gelaunt in die Zukunft blickt, indem er sich anschaut, welchen Einfluss er geltend machen kann, bleibt die Hoffnung oft vage, vorsichtig, kann sogar sorgenvoll sein, weil ihr die Referenzwerte fehlen und sie meist vom Schicksal oder Zufall abhängt.

Sage ich bspw. am Roulette-Tisch „Ich bin optimistisch, dass ich dieses mal gewinne“, ziehe ich diesen Optimismus daraus, dass ich heute meine Glückshosen anhabe oder bereits den ganzen Tag über Glück hatte. Sage ich jedoch „Ich hoffe, dass ich heute gewinne“, schwingt die Angst mit, auf eine dramatische Art zu verlieren, weil es das Schicksal nicht gut mit mir meint. Vielleicht kann meine Miete bald nicht mehr zahlen oder habe mir sogar Geld von der Mafia geliehen.

Unser Optimismus bezieht sich in der Regel auf positive Erfahrungen, die unserer Hoffnung fehlen: „Ich hoffe, dass wir bald wieder jemand Neuen im Team haben, weiß es jedoch nicht. Ich weiß allerdings aus Erfahrung, dass wir als Team immer dann Durststrecken meisterten, wenn wir gut zusammen arbeiteten.“

Diese Unsicherheit macht den Umgang mit Hoffnung grundsätzlich schwieriger als mit Optimismus. Deshalb bezieht sich die Hoffnung oft auf ein Leben nach dem Tod oder vermeintlich mächtige Menschen als sogenannte Hoffnungsträger. Sowohl auf Kamala Harris als auch Donald Trump ruhen derzeit die Hoffnungen vieler Menschen in den USA nach einem besseren Leben. Dabei wird die Macht einzelner meist überschätzt und die Macht der Systeme (Netzwerke, internationale Verträge, Banken, Lobbyismus, usw.) unterschätzt. Damit zeigt sich jedoch, wie sehr Menschen Hoffnung brauchen, wenn sie sich in einer Situation befinden, die sie nicht einschätzen können. Krieg, ein Grubenunglück, eine schwere Krankheit, wirtschaftliche Krisen oder auch der aktuelle Zustand der Unterbesetzung und damit Dauerbelastung in vielen Teams sind solche Situationen. Werden wir mit einer unerwarteten und unberechenbaren Situation konfrontiert, greift unser wohlgepflegter Optimismus nicht mehr. Der Roulette-Spieler kann seine Chancen auf einen Gewinn errechnen, was seinem Optimismus Futter gibt. Dies war bei unterbesetzten Teams früher auch der Fall. Ist der Arbeitsmarkt jedoch leer gefegt, bleibt nur noch die Hoffnung auf eine positive Wendung in der nahen Zukunft. Hierauf haben wir zwar wenig Einfluss, können aber dennoch etwas dafür tun, indem wir als Team gut zusammenarbeiten und damit das Erreichen der Hoffnung wahrscheinlicher machen. Dennoch bleibt die Ambivalenz zwischen einer positiven Aussicht in der Zukunft und der Befürchtung, dass sich der Traum davon nicht erfüllen wird.

Während der Optimismus streng genommen lediglich einen positiven Blick auf die Zukunft wirft, indem er positive Fakten über- und negative unterbewertet, erfordert die Hoffnung einen utopischen Blick nach vorne. Was zuerst als Manko erscheint, könnte jedoch eine Chance sein, wenn die Unbestimmtheit der Zukunft als Freiheit verstanden wird, sich im Geiste eine bessere Welt frei von allen Erfahrungen vorzustellen. Dies wiederum scheinen wir verloren zu haben. Der Optimismus ist schnell bei der Hand, wenn es heißt: Immer positiv denken. Der Optimismus arbeitet jedoch mit dem Vorhandenen und kreiert nichts Neues. Erst die Hoffnung auf eine bessere Zukunft könnte wahrlich utopistisch etwas Neues erdenken, wenn wir uns davon frei machen, der Naivität bezichtigt zu werden. Denn das schwingt heutzutage meistens mit, wenn von Hoffnungen die Rede ist. „Spinn’ nicht herum“, heißt es bereits bei kleinen Kindern. Politiker*innen sollten Realpolitik machen. Und der Rest der Welt sollte sich an den vorhandenen Bedingungen orientieren und keine Luftschlösser bauen: „Es gibt nun mal keine Ressourcen! Woher nehmen, wenn nicht stehlen?“

Dabei wusste bereits Kant, dass wir in zwei Welten leben, einer realen und einer ideellen. Ernst Bloch meinte daher, dass Hoffnungen immer auch ein Stück Realitätsverweigerung sind, um eine noch nicht vorhandene Welt zu erschaffen. Utopien bestehen laut Bloch aus einem „In-Möglichkeit-Seienden“, was im Kern bereits angelegt ist. Es geht ergo nicht darum, sich vollkommen unrealistische Hoffnungen zu machen. Diese würden nur enttäuscht werden. Stattdessen sollten wir darauf achten, was wir bereits jetzt tun können, damit utopische Ideen Wirklichkeit werden können.

Um Hoffnung zu haben und schwierige Situationen durchzuhalten, braucht es u.a. folgende Tugenden:

  • Offenheit für ungewöhnliche Lösungen
  • Bereitschaft, sich mit anderen auszutauschen
  • Energie, Ausdauer und Beharrlichkeit
  • Die Demut und Bescheidenheit, mit kleinen Lösungen zufrieden zu sein
  • Achtsamkeit im Umgang mit sich selbst
  • Selbstbeherrschung und Geduld
  • Dankbarkeit trotz allem
  • Humor oder sogar Galgenhumor
  • Spiritualität, Religiösität

Andererseits führen zu konkrete Hoffnungen ebenfalls zu Enttäuschungen. Hoffen wir nach einer Krankheit auf eine schnelle Genesung oder darauf, wieder vollkommen hergestellt zu sein, wird dies vermutlich scheitern. Hoffen wir jedoch darauf, eines Tages wieder ein gutes Leben führen zu können – auch mit der Krankheit – bleibt dies vage genug, um nicht enttäuscht zu werden und ist dennoch motivierend genug, um die Verzweiflung hinter sich zu lassen.

Haben wir bspw. die Hoffnung einer autofreien Stadt in der Zukunft, könnte das eines Tages durch Postboten-Drohnen oder fliegende Autos durchaus Wirklichkeit werden. Dazu braucht es jedoch eine Menge Forschung und eine gute Zusammenarbeit zwischen verschiedenen Forschungsgebieten (Technik, IT, Jura, Sozialwissenschaften, etc.). Gleichzeitig bleibt unklar, wie genau die autofreie Stadt der Zukunft aussehen wird. Ähnlich ergeht es Teams in Unternehmen. Einem unterbesetzten Team wird es kaum ausreichen, die Hoffnung zu haben, dass es eines Tages wieder besser wird. Das Team braucht eine tragfähige und motivierende Vision, die neben einer guten, menschlichen Zusammenarbeit vermutlich die Dunkelverarbeitung durch K.I., eine andere Aufgabenunterteilung und weniger Bürokratie mit einschließt. Wie genau die Utopie in der Zukunft aussehen und wann genau sie kommen wird bleibt unklar. Sonst wäre es keine Utopie. Ohne Utopien sind Dauerbelastungen jedoch kaum auszuhalten. Stattdessen werden über kurz oder lang die Besten gehen, die Schwächsten krank werden und der Laden alsbald zusammen brechen.

Literatur: Kraft und Walker: Positive Psychologie der Hoffnung. Springer, 2018