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Warum langfristige Ziele sinnvoller sind: Zwischen hoffnungsvoller Ausdauer, persönlichem Habitus und tragfähigen Netzwerken

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Selbst wenn wir Silvester nicht mögen, ist der Jahreswechsel gleichzeitig eine Zäsur des aktuellen persönlichen Status quo und ein Neuanfang:

  • Was habe ich in den letzten Jahren erreicht und bin ich damit zufrieden?
  • Was nehme ich mir für das kommende Jahr vor?
  • Vor dem Hintergrund der Multikrisen der letzten Jahre aber auch: Was trägt mich? Auf wen kann ich mich verlassen?
  • Welche Beziehungen tun mir nicht gut (bspw. gesellschaftliche Dauerkritiker*innen)?
  • Welche Beziehungen will ich vertiefen oder neu aufleben lassen?

Während kurzfristige Vorsätze oft an der Realität scheitern – auch wenn sie smart formuliert werden – sind langfristige Ziele wesentlich kraftvoller, wenn sie in einem realistischen Verständnis der eigenen Ausdauer, der Grenzen des persönlichen Habitus und der Bedeutung des sozialen Umfelds verankert sind.

Hoffnung als ruhige, ausdauernde Kraft

Während für kurzfristige Ziele mit hoher Erfolgswahrscheinlichkeit Optimismus sinnvoll ist, ist für langfristige, insbesondere schwierige Ziele Hoffnung besser geeignet. Hier geht es nicht darum, Ziele schnell zu erreichen, sondern darum, dran zu bleiben, wenn es schwierig wird und Energie aus kleinen Erfolgen zu schöpfen. Es geht sozusagen nicht darum, 10 kg abzunehmen, sondern darum, es überhaupt zu versuchen, aus jedem ½ Kilogramm die Motivation zum weitermachen zu ziehen und sich nicht entmutigen zu lassen, wenn in einer Woche ein Kilogramm in die falsche Richtung wandert. Hoffnungsvoll ausdauernd zu sein bedeutet, Rückschläge nicht als persönliches Scheitern zu interpretieren, sondern als Teil eines längeren Weges zu verstehen, was beinhaltet, aus diesem Scheitern etwas über den eigenen Umgang mit Widerständen zu lernen.

Langfristige Ziele entstehen nicht aus euphorischen Hauruck-Momenten, sondern aus der reifen Entscheidung, dem eigenen Vorhaben Zeit zu geben. Wer Ausdauer kultiviert, akzeptiert Phasen der Stagnation und erkennt, dass Entwicklung selten linear verläuft. Gerade im neuen Jahr hilft uns diese Perspektive, Ziele – vom Fitnessstudio bis zur Karriereplanung – nicht an eine kurzfristige Motivation zu knüpfen, die nach ein paar Monaten in Frustration endet, wenn schnelle Erfolge ausbleiben. Stattdessen sind eine sich-selbst-liebende Haltung in Kombination mit nachhaltigen Routinen gefragt.

Die Grenzen des eigenen Habitus erkennen

Der eigene Habitus – geprägt durch Herkunft, Bildung, Erfahrungen und Gewohnheiten – beeinflusst, welche Ziele wir uns überhaupt zutrauen. Er ist kein Gefängnis, aber ein Rahmen. Eine langfristige Zielsetzung wird realistischer und wirksamer, wenn wir diese Grenzen nicht ignorieren, sondern als Teil unseres Ichs akzeptieren. Meine Eltern haben mich bei allem, was ich tun wollte, unterstützt. Sie haben mir jedoch weder vorgelebt, noch beigebracht, dass ich alles werden kann. Mir selbst fehlt der Habitus, den Kinder aus Ärzte- oder Anwalts-Familien in die Wiege gelegt bekommen. Ein solcher Habitus spiegelt sich oft alleine schon an der Sprache und Körpersprache wieder.

Statt sich radikal neu erfinden zu wollen, ist es deshalb produktiver, an den Rändern des eigenen Habitus zu arbeiten:

  • Sich neue Denkweisen anzueignen und behutsam zu integrieren.
  • Vertraute Muster zu hinterfragen, ohne die eigene Identität zu verleugnen.

Ziele, die an vorhandene Kompetenzen und Werte anschließen, haben nicht nur eine deutlich höhere Chance, von Dauer zu sein, sondern machen langfristig auch zufriedener.

Gleichzeitig gehört zur Reife der Zielsetzung die Erkenntnis, dass nicht alles allein erreichbar ist. Die Anerkennung eigener Begrenzungen ist kein Zeichen von Schwäche, sondern eine Voraussetzung für eine kluge, persönliche Entwicklung.

Mein Vater hatte Willy Brandt als Vorbild. Er bewunderte große Redner, weil er sich das selbst nicht zutraute. Meine Mutter wiederum wollte am liebsten nicht auffallen, um ja niemandem auf die Füße zu treten. Diese Habitus-Mischung wurde mir als Kind unbewusst vermittelt. Mein jüngeres Ich würde mich auslachen, würde ich ihm davon erzählen, was ich heute mache. Dass ich Keynotes vor Großgruppen halte, ohne mir ins Hemd zu machen, war jedoch keinem Ein-Jahres-Plan geschuldet, sondern einer stetigen Weiterentwicklung.

Umfeld und Netzwerke als Ermöglichungsräume

Kein langfristiges Ziel existiert im luftleeren Raum. Familie, Kolleg*innen, Freundeskreise und professionelle Netzwerke wirken sich oft stärker auf unsere Zielerreichung aus, als wir denken. Sie können bremsen oder uns motivieren. Wer weniger Alkohol trinken will, sollte sich entsprechende Freunde suchen oder sich in digitalen Netzwerken tummeln, in denen sich Anti-Alkoholiker*innen austauschen. Ein solches Umfeld bietet nicht nur Ermutigung, sondern auch Korrektur. Netzwerke eröffnen Perspektiven, die außerhalb des eigenen Erfahrungshorizonts liegen, und machen Ressourcen zugänglich, die individuell nicht verfügbar wären. Langfristige Ziele profitieren deshalb davon, bewusst in Beziehungen eingebettet zu sein: durch Austausch, Kooperation, Unterstützung und kollektive Kreativität. Das neue Jahr ist der perfekte Anlass, diese Netzwerke zu ordnen, zu pflegen und neu zu gestalten.1

Langfristigkeit als Balanceakt

Langfristige Ziele für das neue Jahr entstehen im Spannungsfeld von Hoffnung und Realität. Sie brauchen ausdauernde Zuversicht, ein ehrliches Verständnis des eigenen Habitus und ein Umfeld, das Entwicklung mitträgt. Wer diese drei Ebenen zusammen denkt, ersetzt flüchtige Vorsätze durch tragfähige Orientierungen.

So wird das neue Jahr nicht zum Prüfstein einer vermeintlich perfekten Selbstoptimierung mit hohem Frustrationsrisiko, sondern zu einem weiteren Abschnitt eines bewusst gestalteten, langfristigen Lebenswegs.

1Mehr über die tragende Kraft von Netzwerken gerade in Krisenzeiten in meinem neuen Buch „Hoffnung!“ (externer Link)

Hoffnung schlägt Krise – Führen statt Durchhalten

Unterbesetzte Teams, bürokratische Hürden, eine hohe Fluktuation und ein gerade in Deutschland hoher Krankenstand zwingen Führungskräfte dazu, immer wieder am Limit zu arbeiten. Was jedoch machen Teams anders, die dennoch durchhalten? Eine Analyse der Spiele der Deutschen Basketballer zeigt: Sie spielen beharrlich weiter, warten auf ihre Chance und geben die Hoffnung auf den Sieg niemals auf, auch wenn es aktuell nicht danach aussieht. Ähnliches gilt für alle Teams an der Belastungsgrenze. Neben einem realistischen Optimismus, der zeigt, was machbar ist, braucht es insbesondere in Krisen zusätzlich die Hoffnung auf eine bessere Zukunft, weil Aufgeben keine Option ist.

Dieser Espresso-Vortrag liefert Ihnen einen Einblick in mein Buch „Hoffnung! Eine unterschätzte Führungsstärke in turbulenten Zeiten„:

  • Warum ein optimistisches „Wir schaffen das!“ in Veränderungsprozessen an Grenzen stößt und welchen Unterschied es für Ihre Führung macht, Hoffnung gezielt einzusetzen.
  • Welche praktische Wirkung Hoffnung als Balance aus Zuversicht und kritischer Realität für den Umgang mit Widerständen entfaltet.
  • Wie Sie als Führungskraft durch eine glaubwürdige Haltung der Hoffnung Orientierung geben und Energie für die nächsten Schritte mobilisieren.

Ihr Nutzen:
Wenn Sie bereits vieles versucht haben, um mit Krisen und Dauerbelastungen umzugehen, lernen Sie mit der Hoffnung ein beinahe vergessenes „Instrument“ (wieder) kennen, um der Frustration und Resignation in Ihren Teams etwas entgegen zu setzen.

Für wen ist der Vortrag geeignet?
Der Vortrag richtet sich an Führungskräfte, Personalleitungen und alle, die sich mit dem Thema Krisen, Veränderungen, Projekt- oder Stressmanagement beschäftigen.

Datum: 14. Januar 2026
Zeit: 10.00 – 11.30 Uhr

Kostenfrei, Anmeldelink auf Anfrage unter info@m-huebler.de, Stichwort: Hoffnung

Warum wir die Bindung jüngerer Generationen an Unternehmen komplett neu denken sollten

Zusammenfassung: Wer jüngere Generationen verstehen will, um entsprechende Schlüsse für Bindungsangebote in Unternehmen zu ziehen, kommt an zwei Erkenntnissen nicht vorbei:

  1. Außenwirkung: Die Identität junger Menschen ist so stark wie noch nie von einer digitalen Außenwirkung geprägt.
  2. Fomo: Gleichzeitig haben sie aufgrund des Überangebots an Möglichkeiten das steitge Gefühl, etwas zu verpassen (fomo = fear of missing out), sobald sie etwas als sinnlos erleben oder sich festlegen sollten.

Bringen wir diese beiden Erkenntnissen zusammen, sind junge Menschen einerseits durch ihre Außenorientierung auf der Suche nach Vernetzung, Solidarität oder Bindung, haben andererseits jedoch Angst davor.

Aus diesem Grund schrecken klassische Unternehmensangebote von Karriereleitern bis hin zu Grillabenden viele junge Menschen eher ab. Bindungsangebote von Unternehmen sollten daher komplett neu gedacht werden.

A. Selbstfindung vs. Außenorientierung

Die Generation X (geboren ca. 1965–1980) wuchs in einer Phase der Individualisierung und Selbstverwirklichung auf. Spätestens in den 90ern wurden Ideen aus der Psychotherapie, Selbsthilfe, Identitätsarbeit und „Innere Kind“-Diskurse massenwirksam. Gleichzeitig fand die Maxime des Neoliberalismus, etwas aus sich zu machen, breiten Anklang, nicht zuletzt in Ich-AGs.

Die Generationen Y, Z und Alpha wuchsen in einer Welt auf, in der die eigene soziale Identität orientiert an TikTok-Trends in Chats, Communities oder Online-Freundeskreisen im stetigen Austausch entsteht. Der Raum zur Selbsterkundung ist wesentlich geringer als noch in den 90ern. Identität wird weniger intern erarbeitet, sondern stetig synchronisiert mit relevanten Bezugsgruppen.

Was oft als schamlos wahrgenommen wird, z.B. eine sehr direkte Selbstdarstellung auf Social Media Kanälen, ist letztlich ein Mittel, Anschluss zu finden oder gesehen zu werden, immer auf Suche nach der eigenen Identität.

Gleichzeitig nimmt die gefühlte Einsamkeit junger Menschen zu. Dieser scheinbare Widerspruch löst sich auf, wenn drei Punkte betrachtet werden:

  1. Digitale Nähe ist nicht automatisch emotionale Nähe: Junge Menschen sind ständig mit anderen Menschen in Austausch. Dennoch fühlen sich viele unsicher gebunden. Sie pflegen viele Kontakte, haben aber nur wenige wirklich vertraute Beziehungen. Sie sind immer erreichbar, aber selten tief im Kontakt mit anderen.
  2. Höhere Erwartungen: In einer Kultur der ständigen Selbstoptimierung und des Nach-oben-Vergleichens (Wer ist besser? Wer hat mehr? Wem geht es besser?) kommt schnell das Gefühl auf, nicht gut (fleißig, hübsch, …) genug zu sein.
  3. Der Verlust stabiler sozialer Milieus: Früher war die Familie vor Ort. Es gab einen Sportverein. Man ging in die Kirche, kannte seine Nachbarn und hatte feste Arbeitswelten. Heute bestimmt für viele städtisch und v.a. akademisch geprägte junge Menschen Mobilität das Leben. Die Berufs- und Lebenswege sind flexibler. Jobs sind prekärer. Das Homeoffice macht es schwerer, Kolleg*innen kennen zu lernen.

Zudem wird Alleinsein heute negativer bewertet. Früher gehörte es zum Alltag vieler Menschen dazu. Heute wird Alleinsein im Kontrast zu einer ständigen digitalen Präsenz als viel störender wahrgenommen: Wer permanent sieht, wie gut es anderen geht, bewertet sein eigenes Alleinsein als negativer als früher. Dabei wird ausgeblendet, dass auch andere, die sich offensiv online präsentieren, nicht unbedingt glücklicher sind.

B. Moderne Generationen haben nicht weniger Bindungsbedürfnis, sondern mehr Bindungsangst

In den Generationen Y, Z & Alpha finden wir zwei parallele Bewegungen:

  1. Hohe Sehnsucht nach Verbindung: Die Sensibilität für emotionale Nähe ist hoch. Der Wunsch nach gemeinschaftlichen Werten ist ebenso groß wie das Interesse an Nähe und Intimität. Privates wird stärker geäußert als früher.
  2. Gleichzeitig gibt es eine große Angst vor Abhängigkeit oder Festlegung: Jüngere Generationen sind geprägt durch hohe Scheidungsraten in der Elterngeneration, Patchwork-Familien und damit frühen Erfahrungen mit unklaren bis instabilen Strukturen. Die ökonomische und ökologische Situation (Mieten, Arbeitsmarkt, prekäre Jobs, Klimawandel, Kriege) führen zu einer grundsätzlichen Verunsicherung. Dadurch entsteht eine große Angst, falsche Lebensweg-Entscheidungen zu treffen, sowohl in der Arbeit als auch privat.

Im Grunde hat sich der Mensch als soziales Tier nicht verändert. Er sucht nach wie vor nach Nähe und Bindung. Verändert hat sich jedoch das soziale Umfeld. Im Angesicht eines offen zur Schau getragenen Überangebots fühlen sich Entscheidungen riskanter als früher an. Dadurch entsteht das bekannte Fomo (fear of missing out)-Gefühl: Sobald ich mich für etwas entscheide, habe ich Angst, etwas anderes zu verpassen:

  • Es gibt sicherlich noch andere tolle Beziehungen.
  • Sich sexuell auszuprobieren gehört im Grunde zur Selbstfindung dazu.
  • Es gibt so viele Orte auf der Welt zu entdecken.
  • Warum länger in einem Job beiben, wenn ich was anderes ausprobieren kann?

Flexibilität wird zum Wert an sich, nicht weil man sich nicht binden will, sondern weil man sich nicht festlegen kann, ohne das Gefühl zu riskieren, etwas zu verpassen oder sich falsch zu entscheiden. Dadurch wird vieles oberflächlich angerissen, aber nur selten etwas zu Ende gebracht. Insofern wirkt ein gutes Gefühl in einer Beziehung oder einem Job schon beinahe bedrohlich, weil es einen Wechsel verhindern könnte.

Für Unternehmen bedeutet das: Häufige Berufswechsel sind keine mangelnde Loyalität, sondern die Angst davor, zu loyal zu sein und am Ende enttäuscht zu werden. Gleichzeitig ist dieses Wechselverhalten ein Versuch, in einer instabilen Umwelt ein Stück Kontrolle zurückzugewinnen. Wem es an innerer Stabilität fehlt, sucht im Außen nach einer Bestätigung seiner Selbst. Die Formel dazu lautet:

Hohes Bedürfnis nach Verbundenheit + geringes Selbstvertrauen = brüchige Bindungsfähigkeit

C. Die Konsequenzen für Unternehmen

1. Herstellung psychologischer Sicherheit

Da viele Mitarbeitende bindungsunsicher oder übervergleichend sozialisiert sind, gilt es ein Umfeld zu schaffen, das Sicherheit vermittelt, ohne Abhängigkeit zu erzeugen. Dieser Unterschied ist essentiell. Viele Unternehmen machen immer noch Angebote mit der Absicht, Mitarbeiter*innen zu binden. Das jedoch wird als unlauter und einengend wahrgenommen und entsprechend rigoros abgelehnt. Würden die Angebote darauf abzielen, dass jüngere Menschen gut in ein Team integriert werden und ihren Job selbstsicher erledigen können, ohne abhängig machende Hintergedanken, steht der aktuelle Moment im Fokus. So paradox es klingt, aber Bindung funktioniert heutzutage leichter, wenn sie nicht im Mittelpunkt steht.

Das bedeutet konkret:

  • Vergleichbarkeit in sichere Bahnen lenken: Klare Erwartungen an die Arbeit, klare Prioritäten, realistische Arbeitslast, Kriterien einer guten Arbeit bieten Orientierung in der Vergleichbarkeit mit anderen.
  • Unsicherheit reduzieren: Mentoring-Programme, regelmäßige Feedback-Gespräche, konsistente Regeln, mentale Gesundheitsprogramme und ein fairer Umgang mit Fehlern bieten Sicherheit.
  • An richtigen Ort sein und nichts verpassen: Gelebte Werte und sinnvolle Tätigkeiten, aber auch stringent geplante Meetings fördern das Gefühl, am richtigen Ort zu sein und verhindern das Fomo-Gefühl, etwas zu verpassen.
  • Soziale Stabilität: Integrative, dauerhaft stabile Teams, berechenbare Prozesse, echte Gemeinschaft ohne Fassade und partizipative Entscheidungsprozesse fördern die soziale Sicherheit.

Für jüngere Menschen gilt mehr denn je: Auch wenn oft finanzielle Gründe angeführt werden, wird entweder wegen unempathischen Chefs, einem schlechten Teamsetting oder Unsicherheit in der Arbeit gekündigt.

2. Strukturierte Flexibilität

Jüngere Generationen fordern Remote-Arbeit, flexible Arbeitszeitmodelle, projektorientiertes Arbeiten und einen flexible berufliche Entwicklung anstatt starrer Karriereleitern. Diese Hyperflexibilität bringt jedoch gleichzeitig durch die Tendenz zu Unsicherheit und sozialen Vergleichen ein hohes Maß an Distress mit.

Aus diesem Grund braucht es:

  • flexible, aber klare Regeln
  • transparente Workflows
  • definierte und begrenzte Kommunikationszeiten, insbesondere freie Wochenenden
  • abgestimmte Erreichbarkeiten
  • Fokuszeiten ohne Meetings
  • Pausen- und Ruheinseln

Der Trend bei jüngeren Menschen geht ohnehin wieder mehr in Richtung Work Life Balance statt Work Life Blending. Aktuell scheint noch ein Corona-Jahre-Nachhol-Effekt hinzuzukommen: „Arbeiten ist OK, aber ich will auch feiern gehen. Deshalb gehören Feier(!)abend und Wochenende mir.“

3. Investition in die psychologische Kompetenz der Führungskräfte

Moderne Organisationen brauchen Führungskräfte mit psychologischem Grundverständnis, Konfliktkompetenz, Wissen über Bindungs- und Teamentwicklungsdynamiken, Mentoring- und Coaching-Kompetenzen.

Menschen mit unsicheren Bindungsmustern reagieren empfindlicher auf:

  • unerwartete Kritik
  • unklare Rollen
  • chaotische Projektverläufe
  • abwesende oder emotional distanzierte Führung
  • Konkurrenzdruck
  • Überforderung

4. Das Bedürfnis nach sinnvoller Gemeinschaft bedienen

Junge Menschen wollen (meist) keine Grillpartys mehr mit ihrem Chef, wenn sie stattdessen mit ihren richtigen Freunden abhängen könnten (Fomo!). Sinnvoller ist es, Workshops zur gemeinsamen Reflexion und Verbesserung der Arbeit und Zusammenarbeit durchzuführen, bspw, im Rahmen bezahlter Teamtage. Zudem erzeugen klassische Teamevents sozialen Druck. After-Work-Partys oder Bowlingabende werden oft nicht nur als unauthentisch, verpflichtend und übergriffig in die private Zeit erlebt, sondern auch als sozial riskant: „Über was soll ich mich mit meiner Chefin unterhalten?“ Das wird v.a. von unsicher gebundenen, introvertierten und stark außenorientierten jungen Menschen als enorm stressreich erlebt. In solchen Momenten vermischen sich die Erwartungen an die arbeitende und private Person: „Was, wenn ich unsympathisch wirke? Hat das Auswirkungen auf meine Arbeitsverhältnis oder sogar auf Zeugnisse?“ Die daraus folgende emotionale Überforderung führt nicht selten zu einem Rückzug als Schutzmechanismus, der von Chefs oft als mangelndes Interesse gedeutet wird.

Dennoch erfordert die Außenorientierung junger Menschen soziale Resonanzräume. Sinnvoller als After-Work-Veranstaltungen, bei denen Privates und Berufliches vermischt werden sind „Veranstaltungen“, bei denen es um die Sache geht und nicht um die Person:

  • integrative Onboarding-Prozesse
  • gemeinsame als sinnvoll empfundene Rituale
  • Kultur der gegenseitigen Unterstützung
  • regelmäßige Teamtreffen (v.a. in Präsenz)
  • soziale Aktivitäten als Angebot, nicht als Zwang
  • gemeinsames Lösen komplexer Aufgaben
  • Arbeiten im Tandem
  • selbstorganisierte Workshops
  • Aufteilung großer Meetings in Kleingruppen

Konstruktives vs. destruktives Misstrauen

In unserer Gesellschaft herrscht spätestens seit Corona ein großes Misstrauen vor. Misstrauen gegenüber dem Staat, der Justiz oder der Polizei. Dieses Misstrauen schwappt auch in Unternehmen, wenn es heißt: „Die da oben …“ Dabei ist Misstrauen an sich wichtig, um Prozesse zu verbessern. Wird es jedoch das gesamte System – Staat oder Unternehmen – angezweifelt, wird es destruktiv. Dann geht es nur noch darum, Fehler aufzudecken und nicht mehr darum Abläufe zu verbessern. Deshalb ist es enorm wichtig, zwischen einem konstruktiven und destruktiven Misstrauen zu unterscheiden.

Konstruktives Misstrauen

  1. Vertrauen gegenüber Personen oder Systemen bleibt erhalten, weil der Fokus auf der Sachebene liegt. Es geht nicht gegen eine grundsätzliche Absicht vermeintlich betrügerischer Personen oder eines „bösen“ Systems.
  2. Verbesserung als Ziel: Ein konstruktives Misstrauen richtet sich auf eine bestimmte Sache, einen Prozess oder eine Tätigkeit, die verbessert werden soll.
  3. Situativ begründet: Ein konstruktives Misstrauen basiert auf konkreten Hinweisen, Erfahrungen oder Daten, die jedoch nicht auf eigenen Faust veröffentlicht werden, um andere an den Pranger zu stellen, sondern als Möglichkeit gesehen werden, Fehler aufzuarbeiten. Eine Aktivierung findet nur situativ statt, wenn sie erforderlich ist. Es geht nicht darum, dauerhaft nach einem Haar in der Suppe zu suchen.

→ Ziele: Qualität sichern, Risiken erkennen, Handlungssicherheit schaffen

Typische Aussagen

  • „Ich möchte verstehen, wie es zu diesen Ergebnissen / Entscheidungen / … kam.“
  • „Sofern ich die Kompetenz mitbringe, würde ich mir gerne ein eigenes Bild machen.“
  • „Es ist mir wichtig, Prozesse zu verbessern.“
  • „Es geht mir um die Sache, nicht um eine Vorverurteilung.“

Wirkungen

  • Erhöht Qualität und Robustheit von Entscheidungen.
  • Fördert Feedback, Dialog und wechselseitige Verlässlichkeit.
  • Reduziert Risiken ohne Angstkultur.

Destruktives Misstrauen

  1. Personalisierend bzw. gegen das gesamte System gerichtet: Ein destruktives Misstrauen richtet sich gegen Motive oder Integrität. Anderen Menschen oder dem gesamten System wird unterstellt, dass es grundsätzlich Böses im Sinn hat, heimlich Pläne ausheckt und nur am eigenen Wohl interessiert sind.
  2. Zerstörerisch: Es geht nicht darum, Prozesse oder Systeme zu verbessern, sondern darum, das System an sich infrage zu stellen und es letztlich zu zerstören. Deshalb werden Verbesserungen auf Kritik lediglich als Eingeständnis gewertet, entdeckt worden zu sein, was allerdings an der Gesamteinstellung nichts verändert.
  3. Dauerhaft: Ein grundsätzliches Misstrauen wird zur Grundhaltung. Destruktiv misstrauische Menschen sind stetig auf der Suche nach Fehlern. Deshalb braucht es auch keinen konkreten Anlass für das Misstrauen.

→ Ziele: Das System oder einzelne Personen grundsätzlich in Frage stellen, Kontrolle sichern, Macht ausüben

Typische Aussagen

  • „Man darf hier ja eh nichts mehr sagen.“
  • „Ich würde würde ja eigentlich ganz anders vorgehen.“
  • „Es ändert sich ja doch nichts.“

Wirkungen

  • Erzeugt Angst, Passivität und Vermeidungsverhalten.
  • Spaltet die Belegschaft in Optimisten und Pessimisten.

Umgang mit destruktiv misstrauischen Mitarbeiter*innen

Als erstes ist es grundsätzlich wichtig, die misstrauische Kritik eines Mitarbeiters positiv wertzuschätzen im Sinne von: „Danke für die Kritik. Lass uns das genauer ansehen.“

Im Weiteren ist es hilfreich, dieses genauere Hinsehen mit Fragen zu vertiefen, nicht inquisitorisch, sondern immer mit einer offenen, neugierigen Haltung, damit Gegenfragen das Misstrauen nicht noch weiter verschärfen:

  • „Was genau ärgert dich gerade?“
  • „Was ist dir besonders wichtig?“
  • „Wenn wir alles Drumherum wegnehmen: Worum geht es dir wirklich?“
  • „Welche Befürchtung steckt hinter deiner Aussage?“
  • „Was hast du konkret beobachtet?“
  • „Welche Fakten oder Situationen führen dich zu dieser Einschätzung?“
  • „Was wäre eine alternative Erklärung für das, was du wahrnimmst?“
  • „Was denkst Du, welchen Einfluss wir als Team und ich als Führungskraft auf die aktuelle Lage haben?“
  • „Was wäre ein konstruktiver nächster Schritt aus deiner Sicht?“
  • „Was bräuchtest du, um gut mitzugehen?“
  • „Was kannst Du selbst machen, damit es besser läuft?“
  • „Wie würde die Situation aussehen, wenn sie gut genug wäre?“
  • „Was ist uns aus Deiner Sicht beiden wichtig, trotz unterschiedlicher Sichtweisen?“
  • „Woran würdest Du erkennen, dass sich die Situation verbessert hat?“
  • „Was ist die kleinste sinnvolle Veränderung, die realistisch ist?“
  • „Wie können wir sicherstellen, dass wir aus der Sache etwas lernen?“
  • „Wie wollen wir beide Kritik so äußern, dass sie uns weiterbringt?“
  • „Welche Form der Zusammenarbeit möchtest du selbst nicht erleben – und wie tragen wir beide dazu bei?“
  • „Willst Du, dass sich etwas verändert und Abläufe verbessert werden? Oder willst du grundsätzlich Kritik üben?“

Quelle:

Hotel Matze: Vertrauensverlust in Deutschland, Populismus, Migration – Soziologe Aladin El-Mafaalani

Workshop: Mit Trickster-Strategien Veränderungen voran bringen

In Zeiten postmoderner Multikrisen – geprägt von Gleichzeitigkeit, Widersprüchen und der Abwesenheit eindeutig richtiger Lösungen – brauchen Organisationen ein Denken in Übergängen. In der Mythologie ist dafür die Figur des Tricksters zuständig. Deren Strategien zur Infragestellung alter Ordnungen und Regeln und Etablierung neuer Vorgehensweisen und Innovationen sind gerade in Krisenzeiten aktuell wie nie.

Dieser Workshop zeigt Ihnen, wie Sie als Führungskraft mithilfe der vier Archetypen Athene, Hermes, Prometheus und Loki Reformstaus auflösen, Silos überwinden und einen Wandel in Ihrem Unternehmen sinnstiftend, strategisch, verbindend und bei Bedarf auch disruptiv voranbringen.

Die Inhalte im Einzelnen:

  • Warum Trickster perfekt in die heutige Zeit passen.
  • Ein Reformstau-Diagnose-Tool aus Trickster-Sicht.
  • Klassische und moderne Trickster-Geschichten als Lernmaterial.
  • Trickster-Strategien als Transfer zur direkten Umsetzung.

Ort: Online. Die Adresse wird nach Überweisung mitgeteilt.

Zeit: 15.01.2026, 9.00 – 12.00 Uhr

Kosten: 100 €, zzgl. UsSt.

Anmeldung: info@m-huebler.de

Zum warm werden mit den Trickstern: Trickster-Strategien für Veränderungen im Selbst-Check