Vorurteile gegenüber Hoffnung

Seitdem ich mit dem Thema „Hoffnung für Führungskräfte“ unterwegs bin, stoße ich immer wieder auf Vorurteile, warum Hoffnung anscheinend nicht zu Führungskräften passt:

  • Hoffnung ist doch passiv!
  • Hoffnung ist illusorisch!
  • Hoffnung zeigt Schwäche!
  • Hoffnung ist mir zu vage!
  • Hoffnung ist gefährlich!

Schauen wir uns diese fünf Vorurteile im Einzelnen an:

Hoffnung ist zu passiv. Mit 17 Jahren erkrankte Milton Erickson, der spätere Entwickler der ressourcenorientierten Hypnotherapie, an einer Ganzkörper-Kinderlähmung. Eines Tages hörte er einen Arzt zu seinen Eltern sagen, dass er wohl nicht mehr lange zu leben hat. Das mobilisierte ihn so sehr, dass er daran arbeitete, einzelne Körperteile, beginnend mit einem Finger zu bewegen. Zuerst stellte er sich die Bewegung geistig vor. Nach und nach ließen sich seine Körperteile tatsächlich steuern. Zuerst minimal, dann immer mehr. Er beobachtete auch seine kleine Schwester, die gerade dabei war, laufen zu lernen und spielte gedanklich nach, was es dazu brauchte und welche Muskeln im Körper aktiviert werden mussten. Schließlich dehnte er seine Bewegungen auf den ganzen Körper aus. Nach einem Jahr konnte er an Krücken gehen, zwei Jahre später bereits ohne Krücken.

Hoffnung ist illusorisch. Stellen wir uns folgende Situation vor: Ein Fußballclub aus der 2. oder 3. Liga spielt im Pokal gegen den FC Bayern. In den letzten 10 Jahren haben solche Außenseiter 2 mal gegen die Bayern gewonnen – für die Aficionados: Saarbrücken und Kiel. Verdammt selten, aber möglich. Die Fans welcher Mannschaft werden wohl frenetischer ihren Club anfeuern? Die Optimisten, die wissen, dass ein Sieg ohnehin gewiss ist? Oder die Hoffenden, die zumindest eine klitzkleine Chance sehen? Wenn, ja, wenn sie laut genug sind.

Hoffnung zeigt Schwäche. Achilles war nur verwundbar, weil seine Mutter ihn beim Tauchen in den Unterweltfluss Styx, der ihn unverwundbar machen sollte, an seiner Ferse festhielt. Erst durch die Aufrechterhaltung der Bindung blieb er verletzlich. Hätte sie ihn losgelassen, wäre er vermutlich ertrunken. Unsere Verwundbarkeit verhindert damit, dass wir sowohl uns selbst, als auch den Zugang zu anderen verlieren.

Hoffnung ist zu vage. Hoffnung ist eine Mischung aus Zuversicht und Zweifel. Klar ist das vage. Aber das ganze Leben ist vage. Hoffnung geht ins Offene. Hoffnung bildet das komplette Leben ab und nicht nur eine Wunschversion. Interessant dabei ist auch, dass wir optimistisch oder pessimistisch sind, uns aber Hoffnungen machen können. Wir können sogar skeptisch sein und gleichzeitig Hoffnung haben. Deshalb ist der Gegenspieler der Hoffnung nicht die Angst. Unsere Angst ist ein treues Helferlein, weil sie zur Hoffnung dazu gehört. Sich zu fürchten, erdet uns. Die Angst hält uns auf dem Boden der Tatsachen. Sie verhindert falsche Hoffnungen. Die Hoffnung wiederum lässt uns empor steigen. Ein Teil Engel, ein Teil Mensch.

Hoffnung ist gefährlich. Und das ist gut so. Klar kann ich scheitern. Aber am Ende verändern Hoffnungen die Welt. Gott bewahre! Optimismus heisst: Die Dinge gut machen. Sie optimieren. Das Optimum heraus holen. Kein Wunder, dass in Unternehmen Optimismus angesagter ist als Hoffnungen. Zuversicht heisst: Durchhalten. Hoffnung heisst: Die Dinge anders machen. Oder auch: Andere Dinge machen.

Wer progressiv unterwegs ist, wird oft der Schwarzmalerei bezichtigt, während Konservative die Hoffnung haben, dass das alles schon nicht so schlimm wird. Dabei lässt sich die Welt auch mit einem Lächeln im Gesicht verändern, wenn der Fokus auf bereits erreichte Erfolge gerichtet wird.

Michael Hübler – Hoffnung! Eine unterschätzte Führungsstärke für turbulente Zeiten (2025)