Seit Corona gibt es Fakten-Checks. Und seitdem wissen wir auch, dass Fakten-Checks nicht zur Aufklärung dienen, weil es in Konflikten weniger um Fakten als um gute Geschichten geht. Gute Geschichten wiederum sind spannend erzählt und affizieren, nehmen also ihre Zuhörer*innen emotional mit. Fakten-Checks regen dahingegen eher zum Gähnen an. Es mag wichtig sein, Fakten klar zu stellen. Die Musik spielt jedoch woanders, zumal die Klarstellungen diejenigen, die sie erreichen sollen, nicht erreichen, weil diese etwas ganz anderes interessiert.
Aus diesem Grund brauchen wir Geschichten- statt Fakten-Checks:
„Gute“ Geschichten basieren auf vier Prinzipien:
- Sie aktivieren die Zuhörer*innen emotional, indem sie bspw. Empörung, Wut oder Angst auslösen.
- Sie bauen auf vorhandenen Vorstellungen oder Vorurteilen auf.
- Sie zielen auf eine bestimmte Zielgruppe ab.
- Sie bedienen uralte Mythen.
Ein gesellschaftspolitisches Beispiel
Wer den Betrug beim Bürgergeld als eines unserer Hauptprobleme darstellt, bedient genau dieses Schema:
- Die Erzählung schürt sowohl die Angst davor, ausgenutzt zu werden als auch die Wut auf diejenigen, die das zulassen.
- Die Erzählung bedient Vorurteile über die Faulheit der Betrüger*innen.
- Die Zielgruppe sind nicht diejenigen, die sich rational mit dem Thema auseinander setzen und wissen, dass es zwar Betrug gibt, dieser jedoch eher selten ist. Stattdessen zielt die Erzählung auf diejenigen ab, die selbst Angst vor einem Abstieg haben, sich gerne empören und für rationale Argumente eher nicht zugänglich sind.
- In diesem Fall greift die Sündenbock-Logik, die immer dann gut funktioniert, wenn echte Lösungen sowohl komplex als auch langfristig sind und es stattdessen anscheinend eine schnelle Triebabfuhr braucht.
Ein unternehmenspolitisches Beispiel
Dieses Schema lässt sich auch leicht auf Unternehmen übertragen, die sich in einer schwierigen Lage befinden oder bei denen große Veränderungen anstehen. Auch in solchen Fällen kursieren bei den Mitarbeiter*innen Geschichten, die oftmals immun sind gegen Fakten:
- Dabei spielt die Angst vor Kündigungen ebenso eine Rolle wie die Wut auf eine vermeintlich inkompetente Unternehmensführung, die die Mitarbeiter*innen bewusst im Dunkeln lässt.
- Auch die Vorurteile, dass die Belegschaft gegeneinander ausgespielt werden soll oder „man ja ohnehin erst etwas erfährt, wenn es bereits zu spät ist“ sind hier zu finden.
- Zielgruppe einer solchen Erzählung besonders kritischer Stimmen sind nicht die Besonnenen, sondern diejenigen, die solchen Geschichten gerne glauben schenken, weil sie anfällig für Verschwörungsgeschichten sind, die komplexe Situationen unterkomplex erklären.
- Der Mythos dahinter lautet in diesem Fall David gegen Goliath. Die große, böse Geschäftsleitung namens Goliath ist zwar mächtiger, kann aber durch viele kleine Nadelstiche von der Belegschaft namens David zu Fall gebracht werden. Ein Mythos, den auch Donald Trump häufig bedient.
Umgang mit zerstörerischen Geschichten im Unternehmen
Wie also reagieren, wenn Aufklärung gegen zerstörerische Erzählungen immun ist?
Wenn Fakten-Checks nicht funktionieren, hilft eine Aufklärung über die Wirkungsweise affizierender Geschichten und die dahinter stehenden Vorurteile und Mythen. Das ist logischerweise nur dann möglich, wenn die Vorurteile auch tatsächlich falsch sind. Und dazu wiederum braucht es eine gute Portion Transparenz im Unternehmen.