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Hoffnungen fördern eine emotionale Motivation

Hoffnungen sollten nicht illusorisch sein. Dennoch sind sie meist utopisch im Sinne einer schwer zu erreichenden, weit in der Zukunft liegenden Erfüllung. Utopien wiederum würden wir, gerade weil sie schwer zu erreichen sind, niemals anstreben, wenn sie uns nicht wirklich wichtig wären, egal ob es sich dabei um eine gerechte Bezahlung handelt, Gesundheit am Arbeitsplatz oder mehr Mitarbeiterbeteiligung. Von daher sind viel mehr unserer Bestrebungen im Grunde utopisch: Wir werden es vermutlich niemals erreichen, dass es vollkommen gerecht zugeht, streben dieses Zukunftsszenario aber dennoch an.

Im Gegensatz zu Projekt- oder Unternehmenszielen sind diese Szenarien allerdings mit mehr Sinn aufgeladen und lassen sich daher auch stärker als Motivationsfaktor in Unternehmen einsetzen. Es ist ganz simpel: Ob ein Unternehmen Marktführer in einem bestimmten Segment wird, hat für Mitarbeiter*innen die praktische Konsequenz, dass damit ihr Arbeitsplatz vermutlich gesichert ist. Ein gesundes und faires Unternehmen, das auf Nachhaltigkeit setzt und seine Mitarbeiter*innen in Entscheidungsprozessen beteiligt ist eine Utopie, die weniger auf die Sicherheit der Mitarbeiter*innen abzielt, sondern auf ein emotionales Zusammengehörigkeitsgefühl. Die Hoffnung auf eine bessere Zukunft wirkt auf eine emotionale Weise verbindend und damit auch bindend.

Die Tatsache, dass eine Utopie niemals in Gänze erreicht wird, spielt zusätzlich der menschlichen Psyche in die Hände. Nach dem Erreichen eines Ziels fallen Menschen oft in ein kleines oder größeres Loch. Utopien bieten die Möglichkeit, die Energie aufrecht zu erhalten und trotz Widerständen und Rückschlägen weiter zu machen.

Zur Aufrechterhaltung der Motivation, insbesondere in turbulenten Zeiten sind daher sowohl optimistische Ziele als auch hoffnungsvolle Utopien wichtig:

Hoffnungsquellen

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Wer seine Hoffnung nicht verlieren will, braucht Quellen, aus denen er oder oder sie schöpfen kann. Für mich sind das ganz häufig Hoffnungs-Projekte, die – würde man sie auf die Menschheit übertragen – utopisch klingen, jedoch im Kleinen offensichtlich funktionieren.

Ein Beispiel zum Thema Frieden

  • In dem Friedensdorf Neve Shalom-Wahat al Salam („Die Oase für den Frieden“) mitten in Israel leben Israelis und Araber friedlich zusammen, selbst in Kriegszeiten. Externer Link: https://www.youtube.com/watch?v=QVoSWhfiaso

Ein Projekt zum Thema Integration

  • Im Cafe Eins im Hamburger Schanzenviertel bedienen jedes Wochenende Flüchtlinge ohne Arbeitserlaubnis ehrenamtlich, um sich mit anderen auszutauschen und die deutsche Sprache besser zu lernen.

Beispiele zu Arbeitsutopien

  • In Neuseeland wird seit 2019 der Staatshaushalt nicht nur nach dem BIP, sondern auch nach Lebensqualität und Wohlbefinden bewertet. Die Kriterien dafür: Psychische Gesundheit, Kinderarmut, Klimaschutz und Zusammenhalt. Darauf folgten mehr Investitionen in Prävention (z.B. in die psychische Gesundheit) und weniger Fokus auf ein kurzfristiges Wachstum.
  • In Schottland gibt es im Rahmen des Wellbeing Economy Governments (WEGo) einen Zusammenschluss von Schottland, Neuseeland, Island, Finnland & Kanada mit dem Ziel, dass Politik sich an Wohlbefinden, Natur und Gerechtigkeit orientiert und nicht am Wachstum. Dafür werden mehr Mittel für Care-Berufe, Bildung & Gleichstellung zur Verfügung gestellt.
  • In UK gab es 2022 ein 4-Tage-Woche Pilotprojekt, in dem 61 Firmen 6 Monate lang die 4-Tage-Woche bei vollem Lohn testeten. Das Ergebnis: 65 % weniger Krankmeldungen, 71 % weniger Burnout, 92 % der Firmen machen seitdem weiter, weil die Zufriedenheit und Produktivität gleichzeitig stiegen.

Filme als Hoffnungsquellen

Eine andere wichtige Quelle sind für mich als riesiger Filmfan Filme und Serien. Als Vielseher habe ich manchmal das Gefühl, da kann jetzt eigentlich nichts mehr kommen. Und dann passieren mir „Doppelhaushälfte“ und „Lady Parts“, beide aktuell im ZDF zu sehen.

In Lady Parts geht es um eine muslimische Punkband aus London inklusive Beten, derben Sprüchen, treffsicherem Humor, Coming-of-Age-Story, mit und ohne Kopftuch, mit und ohne Tradition. Diese wahnwitzig mutige Mischung verbunden mit einem klassischen Underdog-Motiv macht einfach nur Spaß und liefert gleichzeitig einen ehrlichen Einblick in das Leben von Muslim*innen in westlichen Gesellschaften.

Doppelhaushälfte nimmt ebenso kein Blatt vor den Mund. Die Folgen der Serie lesen sich wie ein Who-is-Who aktueller Heiße-Kartoffel-Themen: Rassismus, Gender Pay Gap, Diversität als Feigenblatt in Unternehmen, Integration, Homosexualität, Ost-West-Kommunikation. Alles drin.

Solange es Filmemacher*innen gibt, die solche Themen respektvoll, aber mit einem dicken Schalk im Nacken anpacken, gibt es Hoffnung für die Welt.