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Hoffnungsquellen

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Wer seine Hoffnung nicht verlieren will, braucht Quellen, aus denen er oder oder sie schöpfen kann. Für mich sind das ganz häufig Hoffnungs-Projekte, die – würde man sie auf die Menschheit übertragen – utopisch klingen, jedoch im Kleinen offensichtlich funktionieren.

Ein Beispiel zum Thema Frieden

  • In dem Friedensdorf Neve Shalom-Wahat al Salam („Die Oase für den Frieden“) mitten in Israel leben Israelis und Araber friedlich zusammen, selbst in Kriegszeiten. Externer Link: https://www.youtube.com/watch?v=QVoSWhfiaso

Ein Projekt zum Thema Integration

  • Im Cafe Eins im Hamburger Schanzenviertel bedienen jedes Wochenende Flüchtlinge ohne Arbeitserlaubnis ehrenamtlich, um sich mit anderen auszutauschen und die deutsche Sprache besser zu lernen.

Beispiele zu Arbeitsutopien

  • In Neuseeland wird seit 2019 der Staatshaushalt nicht nur nach dem BIP, sondern auch nach Lebensqualität und Wohlbefinden bewertet. Die Kriterien dafür: Psychische Gesundheit, Kinderarmut, Klimaschutz und Zusammenhalt. Darauf folgten mehr Investitionen in Prävention (z.B. in die psychische Gesundheit) und weniger Fokus auf ein kurzfristiges Wachstum.
  • In Schottland gibt es im Rahmen des Wellbeing Economy Governments (WEGo) einen Zusammenschluss von Schottland, Neuseeland, Island, Finnland & Kanada mit dem Ziel, dass Politik sich an Wohlbefinden, Natur und Gerechtigkeit orientiert und nicht am Wachstum. Dafür werden mehr Mittel für Care-Berufe, Bildung & Gleichstellung zur Verfügung gestellt.
  • In UK gab es 2022 ein 4-Tage-Woche Pilotprojekt, in dem 61 Firmen 6 Monate lang die 4-Tage-Woche bei vollem Lohn testeten. Das Ergebnis: 65 % weniger Krankmeldungen, 71 % weniger Burnout, 92 % der Firmen machen seitdem weiter, weil die Zufriedenheit und Produktivität gleichzeitig stiegen.

Filme als Hoffnungsquellen

Eine andere wichtige Quelle sind für mich als riesiger Filmfan Filme und Serien. Als Vielseher habe ich manchmal das Gefühl, da kann jetzt eigentlich nichts mehr kommen. Und dann passieren mir „Doppelhaushälfte“ und „Lady Parts“, beide aktuell im ZDF zu sehen.

In Lady Parts geht es um eine muslimische Punkband aus London inklusive Beten, derben Sprüchen, treffsicherem Humor, Coming-of-Age-Story, mit und ohne Kopftuch, mit und ohne Tradition. Diese wahnwitzig mutige Mischung verbunden mit einem klassischen Underdog-Motiv macht einfach nur Spaß und liefert gleichzeitig einen ehrlichen Einblick in das Leben von Muslim*innen in westlichen Gesellschaften.

Doppelhaushälfte nimmt ebenso kein Blatt vor den Mund. Die Folgen der Serie lesen sich wie ein Who-is-Who aktueller Heiße-Kartoffel-Themen: Rassismus, Gender Pay Gap, Diversität als Feigenblatt in Unternehmen, Integration, Homosexualität, Ost-West-Kommunikation. Alles drin.

Solange es Filmemacher*innen gibt, die solche Themen respektvoll, aber mit einem dicken Schalk im Nacken anpacken, gibt es Hoffnung für die Welt.

Nonkonformismus als konstruktive Kritik

Derzeit gibt es eine Drift an die Ränder: Studien zeigen (u.a. die aktuelle Shell-Studie), dass diejenigen, die viel zu verlieren haben oder sich unsicher fühlen, bspw. Jugendliche in der Findungsphase, Angestellte oder allgemein die Mittelschicht, tendieren zu Konformismus. An den gesellschaftlichen Rändern nimmt der Widerstand zu.

Auch die Querulanten im Team, die ohnehin schon schräg angesehen werden, werden auf die ein oder andere Art widerständiger. Damit wird jedoch das wichtige Instrument der Nonkonformität als konstruktive Kritik oder – mein Thema – utopischer Ideen für eine bessere Zukunft aus der Hand gegeben.

Auf den Punkt gebracht haben wir dann 7-8 Personen im Team, die konform mitgehen, weil es gerade in turbulenten Zeiten ohnehin viel Kraft kostet, die vorhandenen Aufgaben zu schaffen, während 2-3 Personen widersprechen, blockieren oder sich am nächsten Tag krank melden. Auch damit werden Innovationen torpediert. Von der Wir-Resilienz ganz zu schweigen.

Eine Lösung besteht darin, Nonkonformität nicht mehr als Sand im Getriebe zu betrachten, sondern als Regulator im Sinne einer konstruktiven Kritik an bestehenden Umständen und einer angestrebten Zukunft.

Aus diesem Gedanken heraus entstand – mit ein wenig Hilfe von Chatgpt, Zwinkersmiley – der folgende Nonkonformitäts-Strategien-Test. Viel Spaß damit!

Mit dem Resonanzkonzept andere Menschen sanft überzeugen

Wer andere überzeugen möchte, merkt schnell das Paradoxe dahinter: Je mehr Druck ich ausübe, desto mehr geht mein Gegenüber in die Defensive oder in einen Gegenangriff über. Was also tun?

Einen Lösungsansatz bietet hier das Resonanz-Konzept von Hartmut Rosa. Der Resonanzbegriff kommt aus der Physik. Gerät ein Körper in Schwingung und kommt in die Nähe eines anderen ebenfalls schwingungsfähigen Körpers, gerät auch dieser in Schwingung. Dabei dürfen sich die schwingenden Teile nicht berühren. Berührt bspw. eine Stimmgabel eine andere Stimmgabel an den Zacken, verstummt sie selbst. Lege ich jedoch eine Stimmgabel mit dem unteren Ende, an dem ich sie ohnehin festhalte, auf ein Klavier, kann auch dieses in Schwingung geraten. Deshalb sind Resonanzen kein einfaches Echo, das von A auf B übertragen wird. B muss mit einer eigenen „Stimme“ sprechen. Diese Stimme wiederum kann den gleichen Klang haben wie bei einer anderen Stimmgabel oder einen anderen wie bei einem Klavier.

Übertragen auf uns Menschen lassen sich auch hier andere Meinungen nicht aufzwingen, indem wir an unserem Gegenüber rütteln oder es festhalten. Wir verlieren sogar unsere Eigenschwingung, wollen wir andere (Meinungen) kontrollieren.

Das Beispiel verdeutlicht auch, dass Resonanz etwas anderes ist als eine Emotion. Die antwortende Schwingung kann in einem gleichen oder anderen Ton erfolgen. Auch bei uns Menschen kann eine Resonanz entsprechend unserer Spiegelneuronen gleich ausfallen, wenn eine Person lacht und damit eine andere Person ansteckt. Sie kann aber auch zu einer anderen Emotion führen. Siehe dazu ergänzend das Konzept der Meta-Emotionen:

  • Setzt sich eine Führungskraft wütend für ihr Team ein, kann das einzelne Teammitglieder stolz machen.
  • Erlebt jemand, wie eine nahestehende Kollegin bei einem wichtigen Projekt scheitert, geht die eigene Resonanz über das enttäuschte Gefühl von ihr hinaus in Richtung Empathie.

Resonanz ist daher keine einfache Emotion wie Trauer, Wut, Angst oder Freude, sondern beinhaltet immer eine Beziehungsdimension:

  • Trauer kann Empathie anregen
  • Angst führt evtl. zu Unterstützung
  • Freude und Wut fördern im besten Fall eine Aktivierung und Mobilisierung
Tipp für Führungskräfte Wollen Sie als Führungskraft mit Ihren Mitarbeiter*innen in einen resonanten Kontakt treten, müssen Sie nicht jeden Tag gut drauf sein – was ohnehin Blödsinn wäre. Stattdessen können Sie die gesamte Bandbreite ihrer Gefühle ausleben, solange es im Rahmen bleibt. Hilfreich hierzu ist die Beobachtung, welche Emotionen zu welchen Resonanzen bei den Mitarbeiter*innen führt.

Da das jeweilige Gegenüber jedoch in einer eigenen Stimme sprechen muss, ist dies logischerweise kein Automatismus, sondern funktioniert nur, wenn …

  1. etwas angeregt wird, das bereits im Kern vorhanden ist, d.h. das Gegenüber muss schwingungsfähig sein. Ein Mensch, der nicht fähig ist, Mitgefühl zu empfinden, wird diesbezüglich nicht in Resonanz gehen. Und …
  2. eine Beziehung vorhanden ist, wobei eine Beziehung bereits vorhanden sein kann, wenn zuvor ein paar Worte im Smalltalk gewechselt wurden.

Das Resonanzkonzept ist folglich wesentlich komplexer als es in manchen esoterischen Kreisen im Sinne von „habt euch lieb und alles wird gut“ dargestellt wird.

Ein Beispiel: Bahnfahren vs. Auto nutzen

Neulich traf ich auf einer Wanderung ein junges Paar. Da ich mich nicht wirklich an einem touristischen Hotspot befand, fragte mich die Frau erstaunt, was ich hier mache. Ich erzählte den beiden, dass ich in letzter Zeit – dank Deutschlandticket – häufig die Erfahrung machte, dass Nahziele oft unterschätzt werden. Wir kamen ins Plaudern und ich erzählte davon, gerne und viel mit der Bahn unterwegs zu sein. Aktuell eine eher weniger gängige Meinung. Die Mimik des Mannes ließ durchblicken, dass er Bahnfahren nicht leiden kann. Doch anstatt ihn überzeugen zu wollen, wie toll die Bahn ist oder wie verwerflich es doch ist, mit dem Auto unterwegs zu sein, blieb ich ganz egoistisch dabei, von den Vorteilen der Bahn für mich zu schwärmen: Streckenwanderungen, Zeitung lesen im Zug, Entspannung bereits beim Einsteigen, sich bequem chauffieren lassen, dank Deutschlandticket ist sozusagen jede Tour kostenlos, man denkt nicht lange nach, sondern steigt einfach ein und gerade jetzt im Sommer, wo alle Welt gen Süden reist, ist kaum was los in den Zügen. Das Credo lautete:

Ich bin begeistert. Aber du kannst machen, was du willst.

In der Sprache der Resonanz: Ich schwinge in meinem Begeisterungston. Ob du mitschwingst, musst du selbst entscheiden.

Der Effekt: Natürlich schwappte die Begeisterung nicht über. Dennoch zeichneten sich in seinem Gesicht Spuren des Nachdenkens ab: „Vielleicht könnte man es ja mal probieren. Jetzt im Sommer. Für einen Monat lang die D-Ticket-Flatrate nutzen. Und wenn uns das nicht taugt, ist es auch OK.“

Anmerkung: Ich werde nicht von der Bahn gesponsert ;-).

Literatur: Hartmut Rosa: Resonanz. Eine Soziologie der Weltbeziehung

Ohne Anstrengung sind Erfolge nichts wert

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Wann sind wir ergriffen von einer Situation? Wann bewegt uns etwas oder beeindruckt uns? Vermutlich nicht, wenn es zu leicht geht.

Sind wir stolz auf uns, am Abend ein Bier zu trinken? Oder stolz auf unseren Einser-Schüler-Sprößling, weil er sein Abitur geschafft hat? Oder sind wir begeistert von einem 08/15-Projekt?

Stattdessen ist eine ehemalige Trinkerin stolz auf sich, weil sie bereits ein Jahr lang keinen Tropfen Alkohol angerührt hat. Als Eltern sind wir von der Abitur-Zeremonie vermutlich umso bewegter, je schwieriger es unserem Kind fiel. Und der Abschluss in einem Projekt wird umso mehr gefeiert, je unsicherer der Erfolg erschien.

Gleichzeitig werden die Ziele in den Beispielen nicht verfolgt, wenn sie nicht wichtig wären.

All das verdeutlicht: Je unkontrollierbarer ein Erfolg ist, bei gleichzeitiger persönlicher Wichtigkeit, umso mehr Resonanz entsteht in Form von Ergriffenheit, Stolz, Bewegtsein, Begeisterung, Rührung, Erfüllung, Jubel, Euphorie, Zufriedenheit oder Dankbarkeit.

Anders formuliert: Wenn wir es uns zu leicht machen, ist die damit verbundene Erfahrung nichts wert.

Das wiederum verdeutlicht ein Dilemma unseres aktuellen Lebens:

  • Um einen Film anzusehen, müssen wir kaum noch einen Aufwand betreiben, zumindest nicht aus dem Haus gehen und Eintritt für das Kino bezahlen.
  • Das gleiche gilt für das Hören von Musik.
  • Wer auf einen Gipfel will, kann auch die Seilbahn nutzen. Usw.
  • Wer jung und gut ausgebildet ist, kann so leicht wie lange nicht mehr den Job wechseln.

Die Menschen des globalen Nordens befinden sich deshalb in einer paradoxen Lage: Den meisten geht es gut wie noch nie. Gleichzeitig führt die Entfremdung von der Welt aufgrund fehlender Resonanzen zu einer hohen Unzufriedenheit.

Wollen wir die Entfremdung von der Welt aufheben, kommen wir also nicht umhin, es uns wieder schwerer zu machen:

  • Uns Aufgaben vornehmen, bei denen wir scheitern könnten.
  • Ausgewählte Filme im Kino anschauen anstatt in der Mediathek zu streamen.
  • Im Urlaub etwas tun, das in keinem Reiseführer steht.
  • Restaurants besuchen, die es laut Google gar nicht gibt.
  • Um ein Gespräch beim Chef zu einem heiklen Thema bitten.
  • Den Elefanten im Raum bei einer Teamsitzung ansprechen.

Die Erfahrung zeigt: Im ersten Moment ist es anstrengend, sich auf solche Reibungen einzulassen. In der Rückschau sind alle beteiligten dankbar.

Wie KI beim Denken hilft und dennoch kein Game-Changer für die reale Welt ist

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Das folgende Experiment fand am Abend des 05.08.2025 statt und dauerte etwa 30 Minuten. Es begann mit der Idee, sich mit ChatGPT darüber zu unterhalten, ob die Zunahme von Depressionen und Aggressionen in der Welt zum einen an der grassierenden Hoffnungslosigkeit und zum anderen an einer Entfremdung von der Welt liegt, woran pikanterweise Algorithmen eine Mitschuld tragen, u.a. weil sie uns ungeduldiger machen und von der Welt fern halten.

Entsprechend war es spannend zu sehen, ob ChatGPT sich ebenfalls als Maschine sieht, die ein Interesse daran hat, die Diskussion am Laufen zu halten und so paradoxerweise einerseits rät, mehr in Resonanz mit Menschen zu gehen, um Entfremdungen von der Welt entgegen zu wirken und andererseits durch das stetige Nachfragen den Dialogpartner genau davon abhält.

Tatsächlich sieht sich ChatGPT selbst nicht in der Lage, dem Dialogpartner den Rat zu geben, genau jetzt in der realen Welt in Resonanz mit anderen Menschen zu gehen, weil ihm selbst das Erleben dafür fehlt. Es bleibt daher in einer Art kognitiver Dauerschleife hängen, die schlimmstenfalls sogar dazu führen kann, zwar theoretisch alles durchdacht zu haben, jedoch praktisch nichts umzusetzen.

Aus diesem Grund ist ein Dialog mit einer KI eine äußerst anregende Sache, aus praktischer Sicht jedoch kein wirklicher Game-Changer. Immerhin ist es spannend, dass sich eine KI über sich selbst Gedanken machen kann.

Den gesamten Dialog gibt es hier: