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Unternehmen als Träger kultureller Kontinuität: Hoffnung über das eigene Wirken hinaus

In einer Zeit, in der neoliberale Ideale wie Konkurrenzdenken, Selbstoptimierung und kurzfristige Gewinnmaximierung ins Zentrum rückten, reduzierte sich auch die menschliche Existenz zunehmend auf das Individuum, während das Gemeinschaftliche nach und nach verkümmerte. Dieses Phänomen gilt auch in der Arbeitswelt. Früher erfüllten Unternehmen nicht nur die Funktion einer Bühne für persönliche Interessen, sondern boten auch Räume kollektiver Identität, in denen Mitarbeiter*innen Teil einer Geschichte wurden, die Generationen überdauerte.

In Zeiten des Postoptimismus westlicher Gesellschaften (Stichwort: Nullwachstum) scheint der Traum des persönlichen Aufstiegs mehr und mehr ausgeträumt. Damit einher verbindet sich die Chance, das Individuum wieder für gemeinschaftliche Ideen zu gewinnen. Wenn schon ein persönlicher Aufstieg immer weniger realistisch erscheint, wäre es fahrlässig, diese Krise nicht gleichzeitig als Chance zu sehen, darüber nachzudenken wie ein gutes (Arbeits-) Leben im Kollektiv aussehen könnte.

Da die Arbeitswelt einen zentralen Raum im Leben von Menschen einnimmt, bietet es sich an, dass Unternehmen – ähnlich wie und gleichzeitig anders als früher – (wieder) als identitätsstifte Organisationen auftreten, um die Möglichkeit eines solchen kollektiv-besseren Lebens anzubieten.

1. Historische Funktion von Tradition in Unternehmen

Früher verstanden sich viele Betriebe – von Handwerksfamilien bis zu Industriekonzernen – als Glieder einer längeren historischen Kette. Mitarbeiter*innen traten nicht nur in ein Unternehmen ein, sondern in ein Projekt, das vor ihnen begonnen hatte und nach ihnen weiterging.

Diese historische Tiefe erzeugte ein Gefühl von Sinn und Stolz, das weit über das individuelle Arbeitsleben hinausreichte. Friedrich Hegel nannte das den „objektiven Geist“: Die Arbeit des Einzelnen wurde eingebettet in ein größeres kulturelles Ganzes, das Identität stiftete und eine Hoffnung auf Fortsetzung vermittelte.

2. Der Bruch im neoliberalen Zeitalter

Wer sich wie ich intensiv mit dem Thema Hoffnung auseinander setzt, stößt zwangsläufig auch auf die Hoffnung auf ein Leben nach dem Tod. Die zentrale Aussage dieses Phänomens lautet: Auch wenn mein Leben aktuell nicht großartig ist, ich die Belastungen jedoch annehme und ein gutes Leben führe, werde ich dafür im Jenseits belohnt. Selbst die protestantische Idee der innerweltlichen Askese, die aus einem gottesfürchtigen ein fleißiges Leben machte, blieb der Belohnung im Jenseits treu.

Mit der neoliberalen Wende der letzten Jahrzehnte wurde diese Verbindung zwischen Diesseits und Jenseits durch eine Veränderung der Zeitstruktur in der Wirtschaft nach und nach unterbrochen.

Eine Zeitlang galt noch das Mantra, wir würden dafür arbeiten, dass es unsere Kinder eines Tages besser haben würden. Die historische Dimension hatte sich bereits hier vom Jenseits auf das Diesseits verlagert.

Mittlerweile gilt auch diese Verbindung nicht mehr. Nun geht es für viele Mitarbeiter*innen nur noch darum, für sich selbst zu arbeiten, nicht mehr für die eigenen Kinder und nicht mehr für die langfristige Entwicklung eines Unternehmens.

Die Unternehmen selbst sind an dieser Entwicklung freilich nicht unschuldig, können sich also nur bedingt über eine mangelnde Bindung an ihr Unternehmen beklagen, da langfristige Perspektiven durch Projekt- und Quartalslogiken ersetzt wurden. Unternehmen verloren ihre Selbstdefinition als kulturelle Institutionen und wurden zu temporären Aggregaten von Kapital und Effizienz. Nun ging es nicht mehr um eine gemeinsame kulturelle Identität, in der zusammen Ideen umgesetzt wurden, worauf die Mitarbeiter*innen stolz waren, sondern um das Erreichen von Projekt- und Jahreszielen. Smarte Ziele ersetzten Werte. Leistung wurde wichtiger als Zugehörigkeit.

Die emotionale Bindung zwischen Mensch und Organisation zerfiel aufgrund der Austauschbarkeit: Der Stolz auf eine gemeinsame Tradition verschwand. Die Hoffnung auf eine langfristige Kontinuität, in der einzelne Mitarbeiter*innen lediglich Teilziele im großen Ganzen als Vorarbeit für ihre Nachfolger*innen erfüllen müssen, um zufrieden zu sein, wurde durch kurzfristige Ziele ersetzt.

3. Wege zu einer neuen kulturellen Identität

In die alte Welt zurück zu kehren ist freilich weder möglich noch sinnvoll. Die Welt lässt sich schließlich nicht zurück drehen. Immerhin erhöht die kulturelle Herauslösung des Individuums aus kollektiven Kontexten die Flexibilität sowohl von Unternehmen als auch von Mitarbeiter*innen, um auf einem globalen Markt einzustellen und aufzutreten. Gleichzeitig lässt sich auch auf Distanz Bindung durch eine kollektive Identität herstellen, die über das eigene Ego hinaus geht. Damit wiederum wird nicht nur eine historisch-kollektive Identität aufgebaut, sondern auch der Druck von einzelnen Personen genommen: „Du musst die Welt nicht alleine retten. Es reicht, wenn du ein Teil unseres Welt-Verbesserungs-Projekts bist.“

a) Erzählung statt Image

Unternehmen brauchen (wieder) eine narrative Identität, die nicht nur Produkte oder Marken bewirbt, sondern Bedeutung stiftet. Geschichten über Werte, Handwerk, Verantwortung und Gemeinschaft eröffnen eine symbolische Dimension, die über die bloße Gegenwart hinausweist.

Ein Beispiel:Das Unternehmen Faber-Castell betont seine über 250-jährige Tradition und die Verbindung von Handwerk, Kreativität und Nachhaltigkeit. Mitarbeiter*innen sehen sich als Teil einer langjährigen Geschichte, die weit über ihre eigene Karriere und damit den eigenen „beruflichen Tod“ hinausgeht.

b) Zukunft als Fortsetzung der Tradition

Dabei geht es nicht darum eine museale Tradition zu verfolgen, weil früher (anscheinend) alles besser war. Vielmehr lassen sich in der eigenen Tradition die Wurzeln für zukünftige Innovationen finden. Die eigene Geschichte bietet nicht nur eine kulturelle Identität, aus ihr lässt sich auch für die Zukunft lernen.

Ein Beispiel: BMW verbindet die eigene 100-jährige Unternehmensgeschichte mit innovativer Mobilität. Design, Handwerk und Technologie werden nicht nur für den Markt entwickelt, sondern als Teil eines kulturellen Erbes verstanden. Daher gibt es eine Wertschätzung sowohl für alte fossile BMWs als Liebhaberstücke, als auch für neue Entwicklungen auf dem E-Auto-Markt. Das Alte muss daher weder verteufelt, noch glorifiziert werden, um in die Zukunft zu blicken.

c) Langfristige Verantwortung

Die Verantwortung eines Unternehmens sollte wieder verstärkt über kurzfristige Kennzahlen hinaus gedacht werden. Wer ökologische, soziale oder kulturelle Konsequenzen seines Handelns einbezieht, etabliert eine Kontinuität, die Generationen überdauert.

Ein Beispiel:Das Outdoor-Bekleidungs-Unternehmen Patagonia setzt konsequent auf ökologische Nachhaltigkeit. Die Mitarbeiter*innen wissen, dass ihr Handeln langfristige Auswirkungen auf Umwelt, Gesellschaft und kommende Generationen hat. Diese Denkweise ist das klare Signal einer Hoffnung, dass das persönliche Wirken über das eigene Leben hinaus geht.

d) Gemeinschaft statt Marktlogik

Hoffnung entsteht dort, wo Menschen sich als Teil eines größeren Wir erleben. Unternehmen können dies fördern, indem sie Zusammenarbeit, Solidarität und kollektive Aufgabenstrukturen bewusst gestalten.

Aus diesem Grund reflektiere ich in meinen Seminaren regelmäßig die Belohnungskultur der Unternehmen meiner Führungskräfte:

  • Wofür bekommen eure Mitarbeiter*innen Lob und Anerkennung? Wenn sie sich abgrenzen und nur für sich arbeiten? Wenn sie bringen? Oder wenn sie eigene Aufgaben hinten anstellen und andere unterstützen?
  • Wann hat jemand einen hohen Status und wird von anderen bewundert? Wenn jemand sich um seine eigene Karriere kümmert oder sich für andere einsetzt?

Ein Beispiel: Die dänische Firma Novo Nordisk pflegt ein starkes internes Gemeinschaftsgefühl, das über reine Profitziele hinausgeht. Initiativen wie gemeinsame Gesundheitsprojekte oder gesellschaftliches Engagement vermitteln den Mitarbeiter*innen einen Sinn jenseits individueller Karriereziele.

4. Unternehmen als Sinn ermöglichende Mit-Welt

Philosophisch betrachtet ist das Unternehmen nicht nur eine Produktionsgemeinschaft, sondern auch und vor allem als Mit-Welt ein Raum, in dem Menschen Sinn, Wirkung und Verantwortung erfahren:

  • Ich mache etwas, das anderen Menschen das Leben verbessert oder erleichtert.
  • Würde ich dies nicht tun, wäre die Welt ärmer.
  • Gleichzeitig ist mein Schaffen lediglich ein Teil von etwas Größerem.
  • Mein Unternehmen bietet mir einen Rahmen, in dem dieses Größere zusammen mit anderen ermöglicht wird.
  • Dadurch dass mein Unternehmen langfristig agiert, wird es auch nach meinem beruflichen Ausscheiden noch da sein und weiterhin Großes leisten. Ich selbst kann meinen Beitrag dazu leisten.
  • Wenn ich eines Tages dieses Unternehmen verlasse, reiche ich den Staffelstab weiter, damit mein Wirken weiter geht.

Der Philosophin Hannah Arendt zufolge bedeutet Handeln, einen Anfang zu machen, dessen Folgen unabsehbar sind. Unternehmen, die dies ernst nehmen, erlauben Mitarbeiter*innen, ihren Beitrag zu einer Zukunft zu leisten, der größer ist als sie selbst. So wird Arbeit zur Praxis des jenseitigen Hoffens, nicht in einem metaphysischen Jenseits, sondern in einem sozialen, kulturellen und ökologischen Kontinuum.

Fazit und Ausblick

Die Wiedergewinnung kultureller Identität in Unternehmen ist nicht nostalgisch, sondern erscheint in einer Zeit hoher Fluktuation und schwindender Bindungen existenziell notwendig. Sie eröffnet Räume für eine gestalterische Hoffnung, die nicht im Ego endet, sondern über Generationen hinaus wirkt. Die Wiederentdeckung einer kulturellen Identität schafft damit zweierlei:

  1. Sie gibt Menschen das Gefühl, Teil von etwas Größerem zu sein, wodurch sie die Motivation in Zeiten abnehmenden Engagements in Unternehmen wieder erhöht.
  2. Sie befreit den Menschen aus der Denkweise, nur für sich selbst verantwortlich und damit auch Schuld an Problemen zu sein.

Die konkreten Beispiele zeigen, dass Tradition, Verantwortung, Gemeinschaft und Innovation keine Gegensätze sein müssen, sondern Hand in Hand gehen, wenn Unternehmen (wieder) zu Orten werden, an denen Menschen erkennen, dass ihr Tun Bedeutung in der Welt hat. In einer Welt, die neoliberale Effizienz oft über alles stellt, liegt darin die größte Form menschlicher Hoffnung: Die Hoffnung über das eigene Leben hinaus eine positive Wirkung zu haben.

Der Zusammenhang von Hoffnung und Handeln am Beispiel des Klima-Aktivismus

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Wirkt Hoffnung vertröstend?

Während Hoffnung als zu passiv oder vertröstend empfunden werden kann, gilt ein zupackender Aktivismus gerade in Krisenzeiten als Methode der Wahl.

So sagte Greta Thunberg in ihrer berühmten Rede vor der UN 2019 („How dare you?“) sinngemäß: „Ich will nicht, dass ihr Hoffnung habt. Ich will, dass ihr in Panik geratet. Ich will, dass ihr handelt.“

Wer Hoffnung hat, so die Denkweise, handelt nicht. Je dringlicher jedoch eine Krise ist, desto aktiver sollten wir werden.

Auch in anderen aktivistischen Kontexten gilt diese Sichtweise, wenn Hoffnung als „Opium der Privilegierten“ kritisiert wird:

  • Wer wenig zu verlieren hat, kann sich Hoffnung leisten.
  • Marginalisierte Gruppen hingegen erleben, dass Hoffnung ohne Aktion leer bleibt.

→ Hoffnung gilt hier als Ersatzhandlung, um Ungerechtigkeit langfristig auszusitzen.

Ein Gegenbeispiel war der erste Wahlkampf von Barack Obama, der vielen Menschen als Hoffnungsträger galt („Yes, we can!“). Dies funktioniert allerdings langfristig nur, wenn es auch echte Veränderungen gibt. Andernfalls wird Hoffnung individualisiert.

Tatsächlich geht laut dem Hoffnungsbarometer von Dr. Andreas M. Krafft die kollektive Hoffnung seit Jahren zurück, während die individuelle Hoffnung diesen Verlust gemeinschaftlicher positiver Zukunftsbilder kompensiert: „Die Welt geht den Bach runter, aber mich wird das nicht betreffen.“ (https://www.unisg.ch/de/newsdetail/news/hoffnungsbarometer-2025-was-gibt-menschen-in-der-schweiz-zuversicht)

Hoffnung als Motivationsfaktor

Hoffnung ist jedoch so viel mehr als lediglich Veränderungen auszusitzen und Krisen auszuhalten. Hoffnung hat auch eine gestaltende Kraft. Laut Ernst Bloch (Das Prinzip Hoffnung) ist Hoffnung revolutionär, wenn sie Wege aufzeigt, wie eine bessere Zukunft aussehen kann. (https://www.youtube.com/watch?v=ls8AksUXSYI)

Entsprechend lässt sich festhalten:

  • Hoffnung ohne Handlung wird zur Illusion.
  • Handlung ohne Hoffnung ist zielloser Aktivismus, um des Aktivismus Willen.

Denn wofür sollte sich jemand einsetzen, wenn ohnehin alles verloren ist, es also keine Hoffnung mehr gibt?

Als reifere Version von Greta Thunberg lässt sich Luisa Neubauer anführen. Luisa Neubauer als Mitorganisatorin von Fridays for Future in Deutschland tritt weniger
apokalyptisch und stärker vermittelnd auf und ist damit politisch anschlussfähiger. Für Neubauer ist Hoffnung zentral, um handlungsfähig zu bleiben. Sie entsteht, wenn Menschen handeln, um gemeinsam etwas zu erreichen. Hier wird Hoffnung nicht gegen Aktivismus ausgespielt, sondern durch Aktivismus durch Hoffnung und Hoffnung durch Aktivismus erzeugt. Gleichzeitig warnt sie vor einer verlogenen Hoffnung, die von politischen Eliten oder Medien verbreitet wird: „Wir können uns nicht mit Hoffnung zudecken, wenn wir keine Politik machen, die Hoffnung verdient.“

Hoffnung sollte stattdessen zu einem kollektiven Prozess werden. Neubauer spricht oft von „Hoffnung als Arbeit“ oder „Hoffnung als kollektiver Praxis“. Hoffnung ist kein Gefühl, sondern ein Ergebnis von Solidarität, Engagement und Wandel, die entsteht, wenn gemeinsam Strukturen verändert werden.

(Luisa Neubauer und Alexander Repenning: Vom Ende der Klimakrise, 2019)

Zentrale Einsichten aus dem Aktivismus-Diskurs für Unternehmen

I) Hoffnung ohne Handlung führt zu Resignation.

Hoffnung, die nicht mit konkretem Handeln verbunden ist, wird als vertröstend empfunden. Predigen In Organisationen Führungskräfte Optimismus, ohne dass sich strukturell etwas verändert, sind die Folgen davon Zynismus oder passiver Widerstand.

In diesem Sinne sollten Hoffnungen einen gemeinsamen Prozess anstoßen: „Wir wissen, dass es schwierig wird, aber wir haben drei Initiativen gestartet, die zeigen, dass wir auf dem richtigen Weg sind.“

II) Hoffnung entsteht durch kollektives Handeln

Hoffnung entsteht durch ein gemeinsames erfolgreiches Tun. Wer erlebt, dass Veränderungen möglich sind, selbst wenn es nur kleine Schritte sind, glaubt (wieder) an sich selbst und eine bessere Zukunft.

III) Hoffnung braucht Ehrlichkeit

Hoffnungsvolle Utopien dürfen die Realität nicht beschönigen. Nur wenn der Ernst der Lage klar benannt wird, wirkt Hoffnung glaubwürdig: „Ja, es gibt Unsicherheiten – aber wir gehen sie gemeinsam an.“

Literatur:

https://www.walhalla.de/wirtschaft-management/management-und-fuehrung/5115/hoffnung?srsltid=AfmBOopXQWHM4hooqm2vgq56f2aGe08sgGDqF7vBtMhLSrKhYgsDg5QP

Strategien zur Etablierung hoffnungsvoll-utopischer Ideen

Wer hoffnungsvolle Utopien in Unternehmen einbringt, um damit Veränderungen anzustoßen, stößt selten auf Gegenliebe. Denn meistens gilt die Maxime, etwas gut oder noch besser zu machen (Optimieren!) anstatt etwas neu und anders zu machen. Bereits in der Schule waren die Kinder bei den Lehrer*innen am beliebtesten, die ihre Sachen gut machten, ohne allzu viele Fragen zu stellen.

Ein genauerer Blick offenbart allerdings einige Unterschiede in Unternehmen im Umgang mit Nonkonformismus:

  • Im Top-Management: Wer als Geschäftsführer*in oder Bereichsleitung eines Unternehmens ganz oben steht, kann sich Abweichungen von der Norm nicht nur erlauben, sein Status nimmt damit noch zu: „Der oder die kann sich das leisten.“
  • Im Mittelbau: Wer Führungsverantwortung als Abteilungsleitung inne hat, kann einerseits noch Karriere machen und andererseits seine Leitungsfunktion wieder verlieren, wenn er unangenehm auffällt. Die Maxime, Aufgaben gut zu machen und nicht anders gilt hier besonders stark.
  • Ganz unten: Wer keine Karriere machen will und auch nicht weiter absteigen kann, hat nichts zu verlieren und kann daher je nach Typ unbekümmert anecken und Ideen einbringen. Damit verändert sich meistens nicht viel, außer eine verrückte Idee stößt tatsächlich auf Gegenliebe, die jedoch eher aus dem oberen, mutigen Top-Management als aus dem meist zögerlichen Mittelbau kommt.

In meinen Seminaren habe ich viel Teamleitungen zu tun, die sich sehr wohl fühlen in ihrer Nische, sofern sie nicht weiter aufsteigen wollen. Ihnen spielt in die Hände, dass sie einerseits wenig Macht haben und daher wenig „Gefahr“ von ihnen ausgeht und andererseits der Mittelbau froh ist, wenn überhaupt jemand die Teamleitung übernimmt. Sie sind daher zwar nicht ganz unten, aber auch nicht besonders weit oben.

Der Mittelbau wiederum hätte mehr Macht, Verbesserungen in Unternehmen anzubahnen, braucht dazu jedoch gute Strategien:

Phase 1: Langfristige Vorbereitung

  • Sich Respekt & Vertrauen erarbeiten: Wer Veränderungsvorschläge in Unternehmen einbringen will, muss sich erst einmal Respekt durch Leistung und Auftreten verschaffen, um ein Vertrauen und Zutrauen in sich zu fördern. Wer die Macht hat, auch unangenehme Veränderungen durchzusetzen, wird vermutlich nicht geliebt. Dennoch gibt es eher weniger Widerstand, um die eigene Karriere nicht zu gefährden. Wer diese Macht nicht hat, benötigt wenigstens das Ansehen im Unternehmen als verlässlich und zuverlässig zu gelten.

Phase 2: Widerstände ausloten und gedankliche Offenheit herstellen

  • Gute Gelegenheiten erkennen: Nonkonformistische Ideen verfangen besonders, wenn gerade Unzufriedenheit mit dem Status quo besteht. Eine Idee im falschen Moment, beispielsweise wenn Stabilität gebraucht wird, erzeugt Ablehnung, dieselbe Idee in einer Krise erzeugt Offenheit.
  • Entscheidungsträger frühzeitig ins Boot holen: Vor einer offenen Konfrontation gezielt informelle Gespräche mit Schlüsselpersonen führen, damit sich diese nicht vor den Kopf gestoßen fühlen und vor versammelter Runde nicht anders können als dagegen zu sein, um ihren Status zu wahren. Zudem lassen sich damit mögliche Widerstände vorbesprechen.
  • Beharrlichkeit: Steter Tropfen höhlt den Stein. Wer will, dass seine Idee nicht sofort abgelehnt wird, sollte sie immer wieder in kleinen Häppchen anbringen, ohne zu Beginn zu viel Druck auszuüben.

Phase 3: Präsentation der Idee

  • Fragen statt Thesen: Provokative Ideen lassen sich in Form vorsichtiger oder provokanter Fragen einbringen: Was würde passieren, wenn wir X ausprobieren? Was kann passieren, wenn es so weiter geht wie bisher? Wäre es nicht an der Zeit, etwas anders zu machen? So wirkt die Idee nicht wie ein persönlicher Angriff, sondern fördert das gemeinsame Nachdenken.
  • Das Publikum abholen: Wollen wir andere von einer Idee überzeugen, müssen wir uns klar machen, dass wir gedanklich bereits einen riesigen Vorsprung haben. Unser Publikum muss sich jedoch erst mit der Idee auseinander setzen.
  • Ideen in den Kontext der Unternehmensziele einbetten: Nicht gegen die bestehenden Vorgehensweisen argumentieren, sondern die Idee so vermitteln, dass sie einen Beitrag zu vorhandenen Zielen leistet. Eines der Prinzipien von Hoffnungsträger*innen ist auch hier besonders wichtig: Die eigenen Anliegen zurückzustecken oder sogar zu riskieren, weil der Einsatz für die Sache zu wichtig ist.
  • Mit offenen Karten spielen: Er sollte nicht nur die Vorteile einer Idee vermitteln, sondern auch mögliche Risiken und Nachteile. Wer über die Nachteile der eigenen Idee spricht, wirkt klüger, zeigt, dass er sich wirklich Gedanken macht, nimmt seinem Gegenüber das Suchen nach Schwachstellen ab und zeigt, dass die Idee großartig sein muss, wenn jemand trotz der Probleme daran festhält.
  • Best Practices nutzen: Menschen reagieren weniger ablehnend, wenn Ideen nicht komplett neu sind, sondern bereits anderswo erprobt wurden.

Phase 4: Umsetzung

  • Pilotprojekte statt Großkonzepte: Nonkonformistische Ideen werden eher akzeptiert, wenn sie als begrenztes Experiment starten. Ein Pilot senkt das Risiko, signalisiert Pragmatismus und erzeugt im Erfolgsfall Daten statt bloße Behauptungen.

Der Rest ist bestenfalls ein Selbstläufer.

Zukunftsverantwortung

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Der Begriff Verantwortung bezieht sich auf etwas Gegenseitiges, indem Person A Person B antwortet. Man könnte auch sagen: „Wie du mir, so ich dir“ auf eine gute Weise. „Wenn du mich achtest, achte ich auch dich.“ Oder: „Wenn ich dich achte, hoffe ich, dass du auch mir wohlgesonnen bist.“

Was jedoch, wenn die Antwort weit in der Zukunft liegt und es noch dazu keine Person ist, die uns antworten wird? Wer dabei an Klimaschutz denkt, liegt natürlich richtig. Aber grundsätzlich gilt dieses Prinzip für alle Entscheidungen, die wir jetzt treffen, um irgendwann einmal in der Zukunft eine Antwort darauf zu bekommen – auch betriebliche.

Verantwortungsvoll zu handeln bedeutet daher, jetzt etwas zu tun, von dem wir hoffen, darauf in der Zukunft eine positive Antwort zu bekommen – von anderen Menschen, der Natur oder einem System.

Da die Zukunft jedoch ungewiss ist, wir also nie wissen, ob unser Handeln tatsächlich zu einer positiven Antwort führen wird, brauchen wir unsere Intuition zur Erhöhung der inneren Entscheidungssicherheit.

Zur Erforschung der eigenen Intuition lassen sich klassische Kreativitätstechniken nutzen und erweitern, bspw. die PMI-Methode (Plus-Minus-Interessant):

  • Was spricht für Alternative A?
  • Was spricht für Alternative B?
  • Was ist interessant an der Fragestellung?

Nachdem die Antworten auf die Interessant-Frage entweder dem Lager A oder B zugeordnet wurden, ist es sinnvoll, die beiden Alternativen in Ruhe auf sich wirken zu lassen und dann eine intuitive Entscheidung zu treffen.

Dazu kann ein Bild, ein Gefühl, eine Idee oder eine innere Stimme hilfreich sein:

  • Zu welcher Alternative habe ich ein positiveres Bild?
  • Welche Alternative erleichtert oder begeistert mich oder gibt mir ein Gefühl der Vorfreude?
  • Zu welcher Alternative fallen mir spontan eine Menge Ideen ein?
  • Was sagt meine innere Stimme: Machen oder lassen?

Strategie statt Blame-Game im Changemanagement

In Veränderungsprozessen gilt es als gesetzt: Man muss seine Leute mitnehmen. Dennoch funktioniert es oft nicht:

  • Die einen wollen nicht (mehr), weil sie kurz vor der Rente stehen.
  • Die anderen können (noch) nicht, weil ihnen die Erfahrungen und/oder Kompetenzen fehlen.

Durch diesen Sand im Getriebe bleibt so manch engagiertes Projekt auf der Strecke. Schnell wird der Schwarze Peter herum gereicht:

  • Die Geschäftsleitung ist schuld, weil sie den Changeprozess unsauber aufgesetzt hat.
  • Nein! Die Führungskräfte sind schuld, weil sie nicht intensiv genug auf die Sorgen ihrer Mitarbeiter*innen eingegangen sind.
  • Nein! Die Mitarbeiter*innen sind schuld, weil es immer welche gibt, die alles madig machen.

Auf englisch gibt es dazu den „schönen“ Begriff des Blame-Game, das jedoch außer Unmut und Frust keinen wirklichen Erkenntnisgewinn bringt.

Aber was wäre, wenn Sie die komplett falsche Strategie verfolgen? Was wäre, wenn Sie Ihre Mitarbeiter*innen zwar mitnehmen sollten, wenn aber dieses Mitnehmen Grenzen hat, weil Ihre Leute Partizipation nur bedingt gewohnt sind?

Spannungsfelder in Veränderungen

Damit sind wir bei den Spannungsfeldern in Veränderungen angekommen:

Natürlich wäre es toll, eine Veränderung aus eigenem Antrieb, schnell, mit großen Zielen und für alle gleich durchzuziehen. Aber ist das wirklich sinnvoll? Und passt es zum Unternehmen?

Bei solchen Spannungsfeldern geht es nicht um ein Entweder-Oder, sondern darum, sich der eigenen Veränderungsstrategie fragend zu nähern:

  • Wann brauche ich schnelle Erfolge?
  • Was an der Veränderung ist selbstbestimmt und was nicht?
  • Wann brauchen wir eine einheitliche Vorgehensweise und wie setzen wir Speziallösungen um?
  • Wofür brauchen wir idealistische Ziele und wann reichen einfache, vorübergehende Lösungen?

Was für die Planungsphase gilt, gilt freilich auch für die Umsetzung und Begleitung:

  • Was muss hierarchisch vermittelt werden, um Sicherheit zu geben? Und wie viel Mitbestimmung ist sinnvoll?
  • Wann brauchen wir Spielraum im Plan?
  • Was würde die Mitarbeiter*innen verunsichern und muss deshalb noch zurückgehalten werden?
  • Ab wann gefährdet die Veränderung unsere alltägliche Stabilität, weshalb Widerstände aus der Belegschaft ein wertvoller Hinweis sein können?
  • Auf welche emotionale Äußerungen sollten wir eingehen?

Je mehr Fragen Sie sich stellen und klären, desto transparenter wird Ihre Strategie, damit keine falschen Erwartungen entstehen und das Blame-Game hoffentlich der Vergangenheit angehört.