Höflichkeit und soziale Eleganz zur Vermeidung von Konflikten

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Während Höflichkeit allgemein dazu dient, eine Brücke zwischen Menschen zu bauen, die entweder in einer asymmetrischen Beziehung zueinander stehen oder sich noch nicht allzu gut kennen, erscheint Höflichkeit als Kulturtechnik der respektvollen Distanz in Diskussionen und Konfliktgesprächen noch wichtiger, um sozial elegant miteinander umzugehen, analog zu einer Menschen in der Rushhour, die geschickt aneinander vorbei gleiten, ohne sich zu behelligen oder zu berühren. Dem entgegen stehen zum einen die Sehnsucht nach Nähe durch Authentizität, verbunden mit dem Verdacht Höflichkeit könne unehrlich sein und zum anderen das Elitäre an Höflichkeitsritualen, oft verbunden mit asymmetrischen Beziehungen.

Authentizität bringt jedoch gleichzeitig eine Direktheit und Verletzlichkeit mit sich, was in seiner Mischung Konflikte eskalieren lässt. Wer offen und ehrlich seine Meinung sagt, wirft seine gesamte Persönlichkeit in die Waagschale. Damit teilt er oder sie sowohl stärker aus, fühlt sich aber auch schneller angegriffen. Dahingegen kann sich die Orientierung an Distanz schaffenden Ritualen deeskalierend auswirken. Wer sich bei einer Kritik für die Offenheit des Gegenübers bedankt, schafft jenen kommunikativ-eleganten Puffer, ohne sofort auf Gegenwehr zu schalten, und kann danach dennoch seine Gegenkritik anbringen.

Unecht ist Höflichkeit dann, wenn sie übertrieben präsentiert wird, was meist mit einer geheimen Agenda verbunden ist. Daher ist es wichtig, angemessen höflich zu sein, was auch den räumlich-zeitlichen Rahmen betrifft. Wenn eine Chefin ihren Angestellten fragt, ob er etwas für sie kopieren kann, ist dies angemessen höflich. Sollte sie ihn fragen, ob er aktuell die Güte haben und auch die Zeit aufbringen könnte, ihr ein paar Seiten – es sind nicht zu viele – zu kopieren, schießt dies weit über das Ziel hinaus. Während jedoch in asymmetrischen Beziehungen Höflichkeitsrituale meist klar geregelt sind, müssen diese in symmetrischen Beziehungen immer wieder neu verhandelt werden. Hier ist die Bandbreite des Verhaltens wesentlich breiter. So ist eine übertriebene Höflichkeit unter Freunden – beispielsweise ein unterwürfiges Verbeugen – eher seltsam, außer es ist ironisch gemeint, während eine angemessene Höflichkeit auch unter Freunden für einen großen Gefallen durchaus angebracht ist.

Da Höflichkeit als Kulturtechnik eingeübt werden muss, ist der elitäre Aspekt nicht von der Hand zu weisen. Dies gilt jedoch für andere kommunikative Kulturtechniken der Rhetorik oder Verhandlungskunst ebenso. Interessanterweise kann gerade eine höfliche Eleganz auch heute noch ein Eingangstor für höhere Gesellschaftsschichten sein, wie es bereits im 17. Jahrhundert der Fall war, als das französische Bürgertum begann, sich von den engen Ketten der eigenen Biographie zu befreien, indem es u.a. die Eleganz der Aristokratie kopierte.