Archiv der Kategorie: Konfliktmanagement

Umgang mit Low-Performern

Die Frage, wie mit Low-Performern umgegangen werden soll, taucht in letzter Zeit in meinen Seminaren wieder häufiger auf. Sicherlich: Für Führungskräfte war es immer schon ärgerlich, dass manche Mitarbeiter*innen weniger leisteten als andere. Doch in Zeiten hoher Fluktuation, vermeintlich geringer Arbeitsmoral und damit einhergehend einer Dauerbelastung für alle anderen, spitzt sich das Thema weiter zu. Die Schere – so scheint es – geht immer weiter auseinander: Die einen ruhen sich aus. Die anderen arbeiten umso mehr. Der Ärger auf Minderleister ist dahingehend verständlich. Dennoch gilt es, die ersten Impulse des Ärgers beiseite zu schieben und einen kühlen Kopf zu bewahren.

Ursachen verstehen

Low Performer lassen sich grundsätzlich in zwei Kategorien einteilen:

  • Nicht Können: Wer nicht kann wurde evtl. schlecht eingearbeitet, ist falsch am Platz, ist schüchtern oder ihm/ihr fehlen Kompetenzen.
  • Nicht Wollen: Wer nicht will ist von Haus aus demotiviert, legt mehr Wert auf Freizeit oder wurde gekränkt. Er oder sie würde evtl. gerne etwas anderes tun, fühlt sich zu wenig gefo(e)rdert oder wurde bei einer Beförderung zurückgewiesen.

Low Performer frühzeitig erkennen

Nicht Können

Wer nicht mehr leisten kann zeigt meist ein fehlerhaftes Arbeiten mit ähnlichen Fehlern über einen längeren Zeitraum hinweg. Die Beschwerden von Kund*innen oder Kolleg*innen häufen sich. Mitarbeiter*innen, die unabsichtlich weniger leisten, sind meist unsicher.

Nicht Wollen

Wer nicht mehr leisten will zeigt meist überdurchschnittlich hohe Fehlzeiten über einen langen Zeitraum. Häufig zeigt sich auch ein starker, unerwarteter Leistungsabfall, was auf eine Kränkung hinweisen kann, etwa weil eine Beförderung zurückgewiesen wurde. Er oder sie zeigt ein unpassendes Verhalten oder Auftreten im Unternehmen, hält sich nicht an kommunikative Regeln oder Dresscodes, ist unkooperativ und hilft Kolleg*innen nicht oder nur ungern. Zudem verweigert er oder sie die Ausführung von Arbeitsaufträgen, wo es möglich ist.

Umgang mit Low Performern

  1. Ursachenforschung: Als erstes ist es wichtig, die Ursachen zu kennen. Nur dann kann adäquat reagiert werden. Dies funktioniert am besten im Rahmen eines Mitarbeitergesprächs, um als Führungskraft nicht aufgrund des Hören-Sagens zu urteilen. Kann oder will die Person nicht? Sind die Gründe privater oder beruflicher Natur? Liegt es an veränderbaren Kompetenzen? Handelt es sich um einen plötzlichen oder langfristigen Leistungsabfall?
  2. Lösungen finden: Erst wenn die Ursachen für die mangelnde Leistung geklärt sind, können passende Maßnahmen eingeleitet und/oder angeboten werden. So kann es durchaus sein, dass ein vermeintliches Nicht-Wollen weniger böswillig ist als zuerst gedacht. Was ist bspw. mit einer Mitarbeiterin, die ihre Kräfte schonen will, weil sie sich zuhause um einen depressiven Mann und zwei Kinder kümmern muss? Mitarbeiter*innen, die nicht können, lassen sich – sofern möglich und sinnvoll – eine Umbesetzung an einen passenderen Arbeitsplatz, ein Coaching, eine Weiterbildung, ein Mentoring oder der Austausch mit Kolleg*innen im Sinne einer Kollegialen Beratung anbieten. Bei Mitarbeiter*innen, die nicht wollen, lassen sich – sofern möglich und sinnvoll – Feedbackgespräche, Teambildungsmaßnahmen zur Erhöhung der Bindung im Team, eine Arbeitszeitreduzierung oder Maßnahmen zur Unterstützung der Work Life Balance-anbieten.
  3. Sanktionsmöglichkeiten: Sollte all das nicht funktionieren, ist es wichtig – insbesondere bei der Nicht-Wollen-Fraktion – sowohl die Vorkommnisse, als auch die Gespräche und Angebote sauber zu dokumentieren, falls es später – im Zuge von Abmahnungen oder einer Kündigung – zu einem Rechtsstreit kommt. Eine Alternative, die im Falle einer Unkündbarkeit am häufigsten gezogen wird, ist die interne Versetzung an eine Stelle, an der kein großer Schaden entstehen kann, bspw. ohne Kundenkontakt.

Wie erwähnt, steht und fällt der Umgang mit Low Performern jedoch mit einer sauberen Analyse im Rahmen eines offenen 4-Augen-Gesprächs mit der Führungskraft.

Nachhaltige Veränderungen brauchen Struktur und Haltung

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Was Agilität und Homeoffice mit Materialismus und Idealismus zu tun haben

Materialismus versus Idealismus

Wenn es um große Veränderungen in der Gesellschaft geht, gibt es zwei Strömungen. Die eine steht in der Tradition des marxistischen Materialismus und geht davon aus, dass Strukturen verändert werden müssen. Die andere beruft sich auf den Hegelschen Idealismus und geht davon aus, dass sich v.a. das Bewusstsein verändern sollte.

Wer materialistisch denkt ist beispielsweise für eine Frauenquote in Unternehmen. Wer hegelianisch denkt, versucht, Vorurteile gegenüber Frauen aufzudecken. Beide Vorgehensweisen haben Vor- und Nachteile: Wer lediglich eine Frauenquote für Führungspositionen einführt, sorgt zwar dafür, dass mehr Frauen in der Führung präsent sind. Bleibt die Veränderung jedoch auf der Strukturebene stehen, kann es sein, dass Frauen ihre Karriere geneidet wird und diese sich mehr anstrengen (müssen) als Männer, um gegen bewusste oder unbewusste Vorurteile anzukämpfen.

Die Wirkmächtigkeit solcher Vorurteile untersuchte insbesondere der französische Soziologe Pierre Bourdieu. Für nachhaltige Veränderungen reicht es also nicht aus, lediglich Strukturen zu verändern, wie im Falle der Frauenquote eine Regel einzuführen Als Ergänzung braucht es die Beschäftigung mit Bewertungen, Neigungen und typischen Verhaltensweisen, als Bündel bei Bourdieu Habitus genannt:

  • Was verbindest du eher mit Leistung und Zuverlässigkeit: Männer oder Frauen?
  • Was verbindest du eher mit Emotionalität: Männer oder Frauen?
  • Wer ist eher für eine Führungsposition geeignet: Männer oder Frauen?
  • Wen würdest du eher als Kolleg*in wählen: Einen Mann oder eine Frau? Usw.

Die Fragen erscheinen plump, insbesondere wenn wir der Meinung sind, gesellschaftlich weiter zu sein, was Egalität angeht. Zudem lassen sich sicherlich elegantere Fragen stellen. Doch auch wenn sich Strukturen in der Praxis bereits verändert haben, hängt unsere Geisteshaltung oft viele Jahre hinterher. Es kann also nicht schaden, zumindest darauf aufmerksam zu machen, dass wir häufig noch nicht so weit sind, wie wir uns das eigentlich wünschen oder es gesellschaftspolitisch erwartet wird.

Materialismus und Idealismus als Streitpunkt in Veränderungen

Die Unterscheidung zwischen Materialismus und Idealismus erscheint simpel, bildet jedoch die Grundlage vieler heftig geführter Debatten. Während die eine Seite am liebsten alle Reiterstandbilder aus kolonialistischen Vorzeiten abreißen, jedes N-Wort aus Büchern und Lesungen verbannen und bei Personenbezeichnungen einen Genderstern dazu basteln will, behauptet die andere Seite, dass damit noch lange nichts erreicht ist. Denn nur weil wir Ungerechtigkeiten mit Strukturveränderungen bekämpfen, sind sie nicht aus der Welt geschafft.

Auf den ersten Blick erscheinen die oben genannten Beispiele wie eine Strukturveränderung. In Wirklichkeit folgen sie jedoch dem (jugendlichen) Idealismus, mit Worten die Welt zu verändern. Tatsächlich verändert Sprache unser Denken und unseren Blick auf die Welt (Ideal = lateinisch „dem Urbild entsprechend“) und schafft damit eine zukünftige, andere Wirklichkeit. Bis dahin bleiben jedoch die aktuellen Strukturen unangetastet, bspw. Hungerlöhne und Kinderarbeit in der 3. Welt, auch wenn es seit einigen Jahren offiziell „Eine Welt“ heißt. Der strukturelle Rassismus geht also weiter, egal ob wir das N-Wort benutzen oder nicht.

Und was hat das alles mit Agilität zu tun?

Machen wir zum Ende dieses Artikels noch einen kurzen Schwenk zurück in die Arbeitswelt. Was hat nun Agilität mit der ganzen Diskussion um Materialismus und Idealismus zu tun?

Agile Führung setzt an zwei Fronten an:

  • Zum einen sollte sich das Mindset von Führungskräften verändern. Sie sollten insbesondere mehr mit Vertrauen führen und Prozesse wie auch sich selbst transparenter machen, um das Vertrauen ihrer Mitarbeiter*innen zu gewinnen. Dieser Ansatz ist zutiefst idealistisch. Oder wie En Vogue 1992 sangen „Free your mind and the rest will follow“. In der Ursprungsversion von Funkadelic 1970 hieß es übrigens noch „Free your mind and your ass will follow“. Auch schön.
  • Zum anderen gibt es mit Scrum, Objectives & Keyresults (OKR) oder Design Thinking Frameworks mit festen Strukturen aus Ritualen (Dailys, Weeklys, Reviews, Retrospektiven), Rollen (Scrum-Master, Product-Owner), Prinzipien und Regeln (Agiles Manifest, Design Thinking-Regeln). Dieser Ansatz ist zutiefst strukturell.

Dieses Zusammenspiel ist nicht nur in agilen Projekten und einer agilen Führung sinnvoll, sondern sollte in jeder Veränderung mitgedacht werden, um eine psychologisch-strukturelle Sicherheit zu bieten und Rückschläge zu vermeiden.

Mindset und Struktur im Homeoffice

Wer beispielsweise die Zusammenarbeit auf Distanz nachhaltig gestalten will, sollte neben dem Mindset des Vertrauens und der Transparenz folgende Strukturen klären bzw. vorgeben:

Richtlinien:

  • Chatten zur Bindung auf Distanz sollte erwünscht sein.
  • Erreichbarkeiten sollten transparent gemacht werden.
  • Bei den Einarbeitungszeiten muss geklärt werden, was im Homeoffice möglich ist und wofür es Präsenzzeiten braucht.

Regeln:

  • Verbindliche Kernzeiten und Erreichbarkeiten müssen klar sein.
  • Rückrufe sollten innerhalb … stattfinden.
  • Missverständnisse sollten frühzeitig und besser in Präsenz geklärt werden.
  • Wer krank ist, ist krank und arbeitet auch nicht im Homeoffice.
  • Nach … Uhr werden keine eMails mehr verschickt / beantwortet.

Rituale:

  • Regelmäßige Aktionstage dienen der Bindung im Team.
  • Fehler werden regelmäßig reflektiert und aufgearbeitet.

Literatur:

Jana Glaese – Was heißt hier Struktur? In: Philosophie Magazin 06/2023

Lebendige Achtsamkeit

Ist Ihnen schon einmal aufgefallen, wie achtsam Gerichtsmediziner*innen mit Toten umgehen? Achtsamer als wir Lebenden untereinander. Überhaupt pflegen wir ein ganz eigenes Verhältnis zu Toten. Über Tote soll man nicht schlecht reden, heisst es.

Daran, dass sich Tote verletzt fühlen könnten, kann es wohl kaum liegen. Es muss also damit zusammen hängen, dass Tote sich nicht mehr wehren können. Die Lebenden jedoch können sich noch wehren. Es wäre also grundverkehrt, die Achtsamkeit gegenüber Lebenden zu übertreiben. Wir brauchen daher im Umgang miteinander eine lebendige Achtsamkeit.

Über den Umgang mit Erwartungen, u.a. junger Mitarbeiter*innen

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Es ist beinahe egal, in welchem Kontext ich tätig bin. Fast immer taucht die Frage nach dem Umgang mit Erwartungen und Forderungen nicht nur, aber insbesondere junger Menschen in der Arbeitswelt auf:

  • „Ich hätte gerne einen Homeofficearbeitsplatz, und zwar sofort mit Dienstantritt.“
  • „Ich möchte eigentlich nur Teilzeit arbeiten und Führung ist ohnehin nichts für mich.“
  • „Überstunden sind auch nichts für mich.“

Selbst in Universitäten geht die Angst vor hohen Forderungen um:

  • „Meine Aufmerksamkeitsdauer ist gering. Bespaße mich wie auf TikTok.“
  • „Ich hätte gerne mein Bachelor-Arbeit-Thema frei Haus und eine Literaturliste gleich mit.“

Wie also können oder sollten Unternehmen und Führungskräfte mit solchen Erwartungen umgehen?

1. Wohlwollens-Bonus

Woher wissen wir eigentlich, dass es sich bei einer Erwartung der Mitarbeiter*innen um eine unverschämte Forderung handelt? Viele Forderungen entstehen aus Unwissenheit über die Funktionsweise eines Unternehmens. Umso wichtiger ist es, die systemischen Bedingungen einer guten und erfolgreichen Arbeit zu (er)klären.

2. Klärung der systemischen Bedingungen

Beispiel Universität

Wer als Studierende/r erwartet, Literaturlisten für ein Seminararbeitsthema frei Haus zu bekommen, befindet sich geistig noch in der Schule. Zur universitären Ausbildung gehört dazu, nicht nur ein Thema sauber zu erarbeiten, sondern auch selbständig zu arbeiten.

Beispiel Homeoffice

Bei manchen Tätigkeiten ist es klar, dass sie nicht zuhause stattfinden können. Ein Hausmeister kann Glühbirnen nicht aus der Ferne wechseln. Bei anderen Tätigkeiten besteht Diskussionsbedarf. Ein Kreativ-Team, das eng zusammen arbeitet und auf ein schnelles, gegenseitiges Feedback angewiesen ist, arbeitet i.d.R. reibungsfrei aus der Ferne zusammen, wenn die Teammitglieder sich bereits gut kennen. Wenn nicht, wird es zumindest schwieriger. Gerade Neulinge tun sich schwer damit, auf Distanz ein soziales Netzwerk im Unternehmen aufzubauen. Bei konflikthaften Themen ist es ebenso hilfreich, mein Gegenüber auf der anderen Seite einer Leitung einschätzen zu können. Auch wenn sich Ziele oder Aufgaben eher qualitativ als quantitativ beschreiben lassen, ist es hilfreich, auf schnelle Kommunikationswege inklusive Mimik und Gestik vor Ort zu setzen. Es gibt also eine Menge systemische Gründe, warum es sinnvoll ist, Homeoffice nicht von Anfang an bis zu der offiziell erlaubten Grenze anzubieten.

3. Klärung der eigenen Erwartungen

Zu führen bedeutet immer auch, Erwartungen zu haben und diese seinen Mitarbeiter*innen zu vermitteln:

  • Erwartungen an sich selbst als gute Führungskraft
  • Erwartungen an die Qualität der Arbeit
  • Erwartungen zu bestimmten Zielerreichungen
  • Erwartungen an die Zusammenarbeit im Team
  • Erwartungen an einen guten Umgang mit Kund*innen
  • Erwartungen an den Arbeitsethos der Mitarbeiter*innen, also Disziplin, Zuverlässigkeit, Beharrlichkeit, usw.

Bei einer solchen Vielzahl an Erwartungen ist es hilfreich, diese in eine Ordnung zu bringen:

Daran lassen sich fünf Aufgaben für Führungskräfte ablesen:

  1. Mitarbeiter*innen verdeutlichen, wie die Ziele ihrer Arbeit aussehen.
  2. Mitarbeiter*innen ihre Erwartungen an eine gute Arbeitsleistung zur Erreichung der Ziele mitteilen.
  3. Wahrnehmen und bewerten, ob die Arbeitsleistung ausreicht, um die Ziele zu erreichen und entsprechende Rückmeldungen geben.
  4. Wenn notwendig, die Vernetzung der Mitarbeiter*innen untereinander anbahnen bzw. Teambildung betreiben.
  5. Wahrnehmen und bewerten, ob die Teambildung ausreicht, um gemeinsame Ziele möglichst reibungsfrei zu erreichen und gegebenenfalls Teambildungsmaßnahmen durchführen.

Bezogen auf die Erwartungshaltung von Mitarbeiter*innen, so schnell wie möglich ins Homeoffice zu gehen, gilt es also, zu verdeutlichen, dass Führungskräfte wissen müssen, ob ein bestimmter Arbeitsethos vorhanden ist und ob bei einer Teamarbeit der Teamzusammenhalt funktioniert. Dazu braucht es auf Distanz zumindest zu Beginn einen engeren Austausch als in Präsenz. Vor Ort sehe ich als Führungskraft wie meine Mitarbeiter*innen arbeiten und miteinander interagieren. Auf Distanz brauche ich die proaktiven Rückmeldungen meiner Leute. Es braucht also zuerst Informationen, bevor Erwartungen erfüllt werden können.

Fazit: Warum eine klare Linie wichtig ist

Ich plädiere im Umgang mit hohen Erwartungen grundsätzlich für eine klare Linie sowohl in der Führung als auch unternehmensübergreifend. Derzeit höre ich häufig in meinen Führungstrainings, in welchem Spagat sich Führungskräfte bereits in Bewerbungsgesprächen befinden:

„Wenn wir zu viel verlangen, bekommen wir gar niemanden mehr.“

Damit verleugnen sich Unternehmen jedoch selbst. Es spielt dann keine Rolle mehr, ob eine gute Leistung erbracht wird, sondern nur noch eine Stelle zu besetzen. Wenn wir dieses Vorgehen gedanklich weiterspinnen, haben Unternehmen irgendwann einmal im Extremfall nur noch Stellen mit wechselhaften, leistungsverweigernden Mitarbeiter*innen besetzt. Doch bereits jetzt hat dieses Vorgehen Auswirkungen auf die restliche Belegschaft, weil damit die Arbeitsmoral der restlichen Belegschaft nach unten gezogen wird. Genau deshalb ist eine klare Linie wichtig:

  • Welche Erwartungen stellen wir an eine gute Arbeit?
  • Welche Erfordernisse bringt die Arbeit mit sich? Ist in diesem Fall Homeoffice möglich und sinnvoll, oder nicht?
  • Welche Erwartungen stellen wir an eine gute Zusammenarbeit und wie wird diese erreicht?

Klare Linien sollten jedoch keine starren Linien, sondern Orientierungen sein. Dies lässt sich gut an Dienstvereinbarungen zum Thema Homeoffice verdeutlichen. Dort heißt es häufig „Ein mobiler Arbeitsplatz ist bis zu 70% möglich“. Sind die Bedingungen gut (klare Ziele, Delegationen möglich, hoher Arbeitsethos, gute Zusammenarbeit), spricht also nichts dagegen. Ob die Bedingungen gut sind, müssen jedoch die verantwortlichen Führungskräfte beurteilen. Umso wichtiger ist es für Führungskräfte, sich neben den Anforderungen an eine gute Arbeit auch mit den eigenen Erwartungshaltungen auseinander zu setzen.

Ross oder Reiter*in?

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Was erfahren wir über Persönlichkeitstests?

Psychologische Persönlichkeitstests in Unternehmen sollen ergründen, was Mitarbeiter*innen als Menschen ausmacht, was ihnen wichtig ist, was sie stresst und wie sie folglich geführt werden können, um erfolgreich(er) zusammen zu arbeiten.

Nehmen wir dazu als Beispiel das sehr häufig eingesetzte DISG-Modell:

  • Ein dominanter Stil steht u.a. für Entschlossenheit, Willensstärke, Konkurrenzdenken, Ergebnisorientierung, Durchsetzungsfähigkeit, Direktheit, Mut, manchmal auch Sturheit, Aggressivität, Hartnäckigkeit und Ungeduld.
  • Ein initiativer Stil deutet u.a. auf Beziehungsorientierung, Emotionalität, Gesprächigkeit, Optimismus, Spontaneität oder Geselligkeit hin.
  • Ein stetiger Stil zeigt sich u.a. in Treue, Loyalität, Hilfsbereitschaft, Teamfähigkeit, Unterstützung, Bescheidenheit, Geduld, Pragmatik, Zuverlässigkeit, Aufmerksamkeit, Beständigkeit und Verbindlichkeit.
  • Ein gewissenhafter Stil schließlich äußert sich u.a. über hohe Maßstäbe, Detailorientierung, Disziplin, Vorsicht, umfangreiche Analysen, Logik, Genauigkeit, Gründlichkeit und Vorausplanung.

Damit wird jedoch lediglich die Oberfläche einer Person beschrieben. Als Persona wird die nach außen gezeigte Einstellung eines Menschen bezeichnet. Dieses Bild kann mit dem Ich einer Person identisch sein, muss es jedoch nicht. Es kann sich auch lediglich um eine nach außen getragene Identität handeln, um gut durchs Leben (oder die Arbeit) zu kommen.

Am Beispiel des DISG-Modells: Vielleicht wurde ein Mitarbeiter so sozialisiert, dass er glaubt, mit einem gewissenhaften Stil würde er es am weitesten in der Arbeit bringen und Karriere machen. Oder aber der dominante Stil ist nicht nur ein Stil, sondern tatsächlich ein wesentlicher Teil des Ichs dieser Person.

Mit Hilfe eines Persönlichkeitstests finden wir also heraus, wie ein Mensch in seiner Umgebung auftritt, weil er glaubt, dass er so am besten (leichtesten, erfolgreichsten, reibungsfreiesten, …) durchs Leben kommt.

Die Frage nach dem Wofür?

Das gleiche Prinzip gilt für alle mir bekannten Persönlichkeitstest, was auch logisch ist. Es handelt sich schließlich um Persönlichkeits- und keine Ich-Tests. Aber reicht das aus? Wollen, dürfen oder sollten Führungskräfte hier eine Grenzen ziehen? Schließlich ist Führung keine Psychotherapie.

Wer mehr wissen will, kann sich in ein Gebiet einarbeiten, das seine Höhepunkte der Beliebtheit in den 70er bis 90er Jahren hatte, heute jedoch kaum noch bekannt ist: Die Transpersonale Psychologie. Einer der bekanntesten Vertreter dieser Richtung ist vermutlich Abraham Maslow. Die meisten werden sich an seine Bedürfnispyramide erinnern. Ganz oben in der Pyramide steht unter Selbstverwirklichung: Das eigene Potential voll ausschöpfen und damit eine Art Ich der Zukunft anzustreben.

Oder Sie stellen die Wofür-Frage. Ich beispielsweise bin ab und an dominant. Wofür?

  • Weil ich ungeduldig bin und will, das etwas vorwärts geht.
  • Weil ich manchmal denke, ich weiß es besser – was manchmal stimmt und manchmal nicht, vermutlich eine Trainer-Krankheit.
  • Weil ich meine Freiheit liebe und gerne selbst entscheide, bevor jemand anders über mich entscheidet.

Ich kenne aber auch die anderen Stile sehr gut:

  • Initiativ bin ich, weil ich weiß, dass eine gute, optimistische Zusammenarbeit mehr bringt und mehr Spaß macht, als nur alleine in meinem Kämmerchen vor mich hin zu werkeln.
  • Stetig bin ich, weil mir langfristige Beziehungen wichtig sind. Darauf aufbauend lässt sich nicht nur prima zusammenarbeiten, sondern sie erleichtern auch das Leben, wenn es weniger gut läuft.
  • Und gewissenhaft bin ich, weil ich Qualität in einer Arbeit als schön betrachte. Die Grafiken in Präsentationen können beinahe einem Kunstwerk gleichen, das gesehen werden will. Aber ganz ehrlich: Ich will auch im Anschluss keinen Ärger haben.

Die vier Stile sind sozusagen das Ross. Doch was ist mir als Reiter wichtig?

Summa summarum fühle ich mich in allen vier Bereichen wohl. Ich kenne also die vier möglichen Pferdchen in meinem Stall. Letztlich geht es mir persönlich jedoch darum, dass Menschen zueinander kommen. Ob dies per „dominanter“ Anleitung geschieht, mit Optimismus und Emotionalität, mit Geduld und Beharrlichkeit oder langsam und vorsichtig, erscheint mir nachrangig.

Wenn Sie also selbst nach der Analyse von Mitarbeiter*innen vor der Frage stehen, um was es einer bestimmten Person wirklich geht: Vielleicht bringen Sie mit der Wofür-Frage ein wenig Licht ins Dunkel dieser Persönlichkeit.