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Whitepaper – Communities of Practice als Keimzelle des Wissensmanagements

Mit Communities of Practice gegen Ängste im Wissensmanagement

Viele Methoden und Tools des Wissenstransfers (Sharepoint, Wikis, Weblogs) funktionieren nicht, weil die Mitarbeiter Bedenken haben, ihr Wissen weiterzugeben. Teils liegt dies daran, dass sie damit nicht mehr über die mit Wissen verbundene exklusive Macht verfügen. Teils liegt es auch daran, dass Mitarbeiter sich nicht trauen, in einer größeren Runde Fragen zu stellen oder gar nicht wissen, wie sie einen solchen Prozess des Wissensaustauschs anstoßen sollen. Helfen können hier sogenannte Eisbrecher, indem ein Wiki bereits teilweise mit Inhalten gefüllt wird oder indem eine bestimmte Person (z.B. ein Moderator) dafür sorgt, dass der Wissensaustausch in Gang kommt, evtl. sogar mit privaten Themen. Helfen kann es aber auch, eine feste Gruppe zu haben, die unabhängig von der Wissensplattform bereits besteht. Eine solche Gruppe wird Community of Practice (CoP) genannt und hat idR mehrere oder alle der folgenden Merkmale:

  • gemeinsame historische und kulturelle Wurzeln (z.B. Sprache, Fachbegriffe, Humor)
  • voneinander abhängende Vorhaben, ein gemeinsames Ziel und gemeinsame Aktivitäten
  • gemeinsame Dokumente
  • Balance zwischen Wettbewerb (ich bin schneller, besser, …) und Kooperation (teile aber mein Wissen mit)

Fünf Phasen charakterisieren die Entwicklung einer Community of Practice:

  1. Die Startphase ist durch eine oder mehrere Personen gekennzeichnet, die sich einer bestimmten Thematik annehmen.
  2. Die Phase der Vereinigung ist geprägt durch die Bildung einer Grundstruktur, in der Ziele, Aufgaben und Kommunikationswege definiert werden.
  3. In der Phase der Reifung beginnen Wissensaufbau und Austausch. Mit zunehmender Aktivität der Gruppe steigt idR auch die Zahl der Mitglieder. Stetig werden Ziele, Aufgaben und Kommunikationswege an die Bedürfnisse der Mitglieder durch die Gruppe selbst angepasst. Dabei sind Moderatoren-, Experten- oder Lernender-Rollen nicht starr, sondern bilden sich immer wieder neu und selbstverantwortlich heraus.
  4. Die Zielphase ist dann erreicht, wenn ein für die meisten Mitglieder akzeptabler Wissensstand erreicht ist und damit kein Bedarf für einen weiteren Austausch gesehen wird. In diesem Fall sinkt die Anzahl der eingepflegten Informationen im Vergleich zu jener der entnommenen Informationen.
  5. In der Phase der Umwandlung verliert die Gemeinschaft zunehmend an Gewicht. Zunehmend wird dann auf andere Quellen ausgewichen oder aber die Thematik selbst verliert ohnehin an Bedeutung.

Diese Phasen sind insbesondere für Projektgruppen typisch, die sich nach der Zielerreichung auflösen. Die Informationen (Lessons Learned) aus dem Projekt finden dann zwar einen Weg in z.B. ein Wiki, die Gruppe ansich ist jedoch nicht mehr relevant. Andererseits gibt es aber auch dauerhafte Arbeitsgruppen, die sich nach dem Abarbeiten eines Themas (Phase 4) einem neuen Thema widmen oder auch immer wieder neue Mitglieder aufnehmen, sodass sie dauerhaft zwischen 3 und 5 hin- und herpendeln. Pflege von Communities of Practice Kommunikation und Integration:

  • Bei dauerhaften Arbeitsgruppen ist es wichtig, dass die Gruppe für neue Mitglieder offen bleibt bzw. die neuen Ideen begrüßt. Ein Moderator sollte sich darum kümmern, die neuen Mitglieder zu begrüßen und in die Gruppe zu integrieren.
  • Ebenso wichtig ist die ständige Anpassung an neue Ressourcenlagen, die Reflexion über Diskussionstraditionen und die Mitaufnahme neuer aktueller Themen.
  • Kritisch wird es v.a., wenn die Balance zwischen Schreiben und Lesen nicht mehr stimmt. Daher sollten Autoren aktiv gesucht und angesprochen werden.
  • Bei Wikis gibt es sogenannte Gärtner, die sich darum kümmern, dass Wissen immer wieder in eine auffindbare und lesbare Form gebracht wird. Egal, in welcher Form das Wissen einer CoP verschriftlicht wird, ist es auch wichtig, Dokumente und Diskussionen entsprechend zu pflegen.
  • Und schließlich ist es wichtig, dass die Balance auch Bestehendem (Kerngruppe) und frischem Wind (neue Mitglieder) passt.

Damit eine COP funktioniert ist es folglich unabdingbar, eine Kultur der Kooperation anzuregen. Wie dies funktioniert und was sich hier psycho-sozial abspielt, können Sie in meinen Blogeinträgen zum Thema Kooperation nachlesen.

Kooperationen im Tierreich

Gerade bei der Weitergabe von Wissen zeigt sich, wie viel Vertrauen im Unternehmen herrscht bzw. wie gut Kooperationen funktionieren. Daher möchte ich in Folge einige Artikel zum Thema Kooperationen veröffentlichen.

Beginnen wir mit einem kurzen Blick ins Tierreich

Ameisen opfern sich für die Kolonie, Vogeleltern füttern ihre Brut, Herden schützen die Jungtiere, Fledermäuse teilen eine Blutmahlzeit mit nichtverwandten Artgenossen, einzelne Vögel warnen den restlichen Schwarm und ziehen damit den Fressfeind auf sich, usw. usf. Sind diese noch bei Trost? Wäre es nicht sinnvoller im Sinne eines Survival of the Fittest, seine eigene Haut zu retten? Offenbar nicht! Sonst gäbe es diese Beispiele in der Tierwelt wohl kaum!

Andere Frage: Sind diese Beispiele auch auf uns Menschen übertragbar?

Ein kurzer Blick auf die Aborigines scheint dies zu bestätigen: die Älteren und Schwachen bekommen die besten Fleischstücke. Wer später mal alt und schwach ist, erwartet folglich ähnliches von seinen Kindern. Wir sehen: Auch hier ‚opfern‘ sich manche für andere auf.

Diese Formen des Altruismus lassen sich meist auf den „Egoismus der Gene“ (Richard Dawkins) zurückführen – die Unterstützung kommt Verwandten mit ähnlichem Genom zu Gute. Fledermäuse merken sich bspw. die Tiere, die sie gefüttert haben. Ein Ausnutzen auf lange Sicht wird damit ausgeschlossen: Wie du mir, so ich dir (Stichwort: Goldene Regel).

Bei Vögeln steigert zudem die plakative Großzügigkeit die Fortpflanzungschancen. Und Tiere mit ein bisschen Gehirn können in ihrer Gruppe durch altruistisches Verhalten einen guten Ruf erwerben, der sich in Pluspunkten auf der Attraktivitätsskala beim Wettbewerb um das andere Geschlecht auszahlt.

Hier greift die sogenannte Handicaptheorie: Wenn Männchen (das sind die hübschen im Tierreich) es schaffen, Fressfeinde auf sich zu ziehen, damit die Sippe zu schützen und dennoch zu überleben, muss gute Gene haben und wird damit (von den weniger hübschen im Tierreich) extrem begehrt.

Übertragen auf Menschen bedeutet dies: Wer viel Geld spendet (v.a. die Männerwelt), kann es sich offensichtlich leisten und ist damit eine gute Partie.

Übertragen auf das Wissensmanagement bedeutet dies: Wer andere mit viel Informationen unterstützt, kann sich dies offensichtlich leisten. Er scheint es nicht nötig zu haben, Informationen zurückzuhalten, zumal Informationen ja auch erst durch den Träger zu Wissen werden.

Der gute Ruf

 Warum kooperieren Menschen?

  • Wir kooperieren dann, wenn jemand zusieht. Der gute Ruf wird daran sicher keinen Schaden nehmen (Matthäus-Prinzip: Wer gibt, dem wird gegeben).
  • Wir helfen anderen, um später selber mit Hilfe zu rechnen.
  • Wir beschenken andere, um sie zu ‚kaufen‘ (Reziprozitätsregel).
  • Wir wissen insgeheim, dass wir andere Menschen mind. ein zweites mal wiedertreffen und haben Angst vor Repressalien (Stichwort: Ultimatumspiel).
  • Auch Gerüchte (ohne Fakten zu nennen) wirken: bei negativen Gerüchten sinkt die Bereitschaft, mit einem solchen Menschen zu kooperieren um 20%, bei positiven Gerüchten steigt sie dafür um 20%.
  • In einer Studie an einem Getränkeautomaten ergaben sich umso höhere Spenden je stärker Augenpaare auf Bilder (anstatt einfacher Blumenverzierungen) den Spender fixierten.
  • Bystander-Effekt: Wenn sich zu viele Personen um etwas kümmern sollen, macht es niemand, da dann niemand offiziell verantwortlich ist.

Fazit: Anonymität verhindert Kooperationen bzw. führt zu Egoismus. Transparenz hingegen und eine gute Reputation fördern Kooperationen.

Auf das Gebiet des Wissensmanagements übertragen bedeutet dies: Wenn in Sozialen Foren eine gewisse Transparenz über den Austausch von Wissen und dessen Konsequenz herrscht, steigt die Wahrscheinlichkeit, dass auch tatsächlich Wissen ausgetauscht wird. Dagegen spricht allerdings die Tatsache, dass im geheimen oftmals mehr ausgetauscht wird, wenn die Menschen Angst haben, mit ihrer Meinung daneben zu liegen oder vom Management für Äußerungen von ‚Fehlern‘ Repressalien erwarten. Für Unternehmen mit einer offenen Fehlerkultur sollte dies allerdings kein Hinderungsgrund gegenüber der Transparenz sein.

Kooperationen erhöhen Gewinne

Kooperationen zahlen sich in der Regel aus. Als erstes ergeben sie ein geringeres Stresslevel, vereinfacht verdeutlicht an Personen die schwarz fahren oder ein Ticket lösen.

In komplexeren Situationen, z.B. in Kooperationen in Unternehmen, führt ein gegenseitiges Vertrauen zu einer geringeren Anzahl notwendiger Kontrollen. Denn wenn ich jemandem vertraue, muss ich diesem nicht ständig hinterher telefonieren, ihn X Formulare ausfüllen lassen, seine Ergebnisse selber nochmal überprüfen, u.s.w. Dies spart letztlich Zeit und damit auch Geld (siehe auch meine Artikel über Vertrauen).

Wenn ich allerdings auf Egoismus aus bin, muss ich ständig darauf achten, nicht beobachtet zu werden bzw. zu der ein oder anderen kleinen oder großen Lüge greifen (mein guter Ruf). Wenn ich zudem – wir gehen ja immer von uns selber aus – davon ausgehe, dass andere ebenso egoistisch sind, bin ich den lieben langen Tag damit beschäftigt, andere zu kontrollieren und darauf zu achten, nicht selber betrogen zu werden. Folglich bleibt hier wenig Zeit für Kreativität und Leistung übrig.

In eine ganz andere Richtung tendiert die Erkenntnis, dass Kooperationen zu kreativeren Leistungen führen, allerdings nur unter der Bedingung, dass es keine Kaskadenbildungen gibt. Dies wäre der Fall, wenn der Chef einen Vorschlag macht und sich anschließend alle anderen daranhängen. Ein kooperative Gruppe ist nur dann kreativ, wenn alle Teilnehmenden die Möglichkeit bekommen, ihre Ideen frei zu äußern (z.B. im Rahmen von Brainwriting-Verfahren) und diese erst gen Ende bewertet werden.

 

 

Sind Kooperationen angeboren oder erlernt? Teil 1

Die Fähigkeit zu Kooperationen scheint uns in die Wiege gelegt zu sein. Ist es denkbar, dass kleine Kinder auf die Welt kommen und sich vom Fleck weg gegen die eigenen Eltern durchsetzen wollen? Wohl kaum! Der Grundstein für Kooperationen scheint also gelegt zu sein. Altruistische Eltern verstärken nur noch dieses Verhalten der gegenseitigen Hilfe. Nebenbei: Warum auch sonst sollten Eltern so etwas Unsinniges tun wie wegen dieses kleinen Wurms ihre komplette Freizeit, ihren Schlaf und ihr wohl verdientes Geld zu opfern?

Anstatt des egoistischen Samens, der sich gegen alle anderen durchgesetzt hat, könnte man genauso von den altruistischen anderen Samen sprechen, die den Erfolg des einzelnen erst möglich machten, getreu dem Motto: Wir machen den Weg frei! Vor diesem Hintergrund wird das egoistische Gen schon eher zu einem kooperativen Gen!

Doch mit der Zeit scheinen Kinder es zu verlernen, anderen zu helfen. Eine Studie mit Kindergartenkindern zeigt dies sehr deutlich: Etwa 3-jährigen Kindern wurde ein Film gezeigt, indem ein blaues, grünes und rotes Männchen zu sehen war. Das grüne Männchen wollte ein Berg hochsteigen und fiel immer wieder herunter. Da kam ein blaues Männchen hinzu und half dem grünen Männchen. In einer weiteren Sequenz kam ein rotes Männchen und schupste das grüne Männchen wieder herunter. Anschließend durften die Kinder sich aussuchen, mit welchem Männchen (rot oder blau) sie gerne spielen wollen (= Identifikation oder Sympathie). Die meisten nahmen sich ein blaues Männchen. Dieser Test wurde mit älteren Kindern am Ende der Kindergartenzeit noch einmal wiederholt. Fazit: Nun nahmen beinahe genauso viele Kinder das rote Männchen wie das blaue. Somit hatten einige gelernt, dass fies sein auch seinen Reiz hat.

D.h. Kinder lernen bereits im Kindergartenalter, dass Kooperationen auch schlecht sein können, was schließlich in vielerlei Wettbewerbssituationen in Schule und Beruf noch verstärkt wird. Interessanterweise haben allerdings komplexe Varianten des Ultimatumspiels ergeben, dass Geber umso mehr Vertrauen in den Nehmer haben, je älter sie sind. D.h.: Unser Alter macht uns wieder (im Durchschnitt) ein wenig gelassener und weniger skeptisch.Vermutlich wissen ältere Menschen aufgrund ihrer Erfahrungen, dass Kooperationen sich langfristig eben doch mehr auszahlen als immer nur gegeneinander zu kämpfen.

Doch nicht nur die Erkenntnis des gemeinsamen Wettbewerbs für zu mehr Egoismus, sondern auch Isolationen: In einer kulturübergreifenden Studie (15 Naturvölker) kam Ernst Fehr zu einem ähnlichen Ergebnis: Je isolierter die Menschen lebten und wirtschafteten, desto weniger Sinn sahen sie darin, sich einem fremden Partner gegenüber fair oder großzügig zu verhalten.

Exkurs: Das Ultimatumspiel (es gibt eine Vielzahl verschiedener Versionen)

Der Spieler A (Geber) erhält einen Betrag von 10 Geldeinheiten und kann (!) davon Spieler B (Empfänger) etwas abgeben. Der Betrag, den der Geber überweist, wird durch den Versuchsleiter verdoppelt, so dass nun insgesamt, je nach Großzügigkeit des Gebers, deutlich mehr Geld im Umlauf ist. Nun ist der Empfänger dazu angehalten dem Geber aus dem größeren Topf wieder etwas zurückzugeben.