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Was uns der aktuelle Streik der Bahn über die Prinzipen von Macht und Ohnmacht lehrt

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Gemäß dem Machtraummodell aus dem ATCC-Ansatz (approches et transformation constructives des conflits1) gibt es einen deutlichen Unterschied zwischen Macht und Gewalt. Oder wie es Hannah Arendt formulierte: Wer Macht hat, muss keine Gewalt anwenden.

Gewalt ist gleichzusetzen mit einem Zwang gegen den Willen meines Gegenübers. Diese Gewalt erfolgt jedoch aus der Ohnmacht, sich nicht auf einem guten Weg durchsetzen zu können. Habe ich Macht im Sinne eines guten Einflusses auf mein Gegenüber, muss ich diesen Zwang nicht einsetzen, weil mein Gegenüber mir auch so folgt. Macht und Autorität habe ich, …

  • … wenn ich über Befugnisse und Mittel verfüge, meine Macht durchzusetzen, evtl. sogar mittels Sanktionen, ohne diese wirklich anwenden zu müssen.
  • … wenn ich mehr Erfahrungen, Wissen, Kompetenzen, Kontakte, Mut, Verhandlungskompetenz, Leidensbereitschaft, Konfliktfähigkeit und Autorität als andere verfüge, um Verantwortungen für etwas zu übernehmen.
  • … wenn mir aufgrund meines Alters oder meiner längeren Zugehörigkeit in einer Gruppe Macht zugesprochen wird.
  • Oder wenn andere zu bequem sind, um selbst Verantwortung zu übernehmen.

Macht ist in diesem Kontext jedoch immer ein Aushandlungsprozess. Entweder mir wird die Macht bzw. Verantwortung aufgrund meiner vorherigen Leistungen oder meines Auftretens zugesprochen. Oder ich muss in den Dialog gehen, um mein Gegenüber von meinen Leistungen und durch mein Auftreten zu überzeugen, sofern ich das möchte.

Das Schweigen bricht diesen Dialog der Verhandlung. Wir erkennen das Phänomen der Machtverschiebung sehr deutlich an der aktuellen Debatte um die Bahnstreiks (März 2024). Wenn Claus Weselsky das Angebot der Bahn ausschlägt und weitere Streiks ankündigt, gleicht dies einem strafenden Schweigen. Es wird nicht mehr verhandelt, also gesprochen, sondern schweigend gehandelt. Der Dialog wird abgebrochen. Nur im Dialog ließen sich die beidseiten Verantwortlichkeiten und Pflichten klären. Das Schweigen jedoch wirkt nur einseitig. Die Bahn wiederum versuchte durch den Zwang eines Gerichtsurteils den aktuellen Streik zu verhindern, was misslang. Die Basis, um einen Dialog wieder aufzunehmen wäre das gegenseitige Vertrauen. Doch offensichtlich ist dieses seit der Affaire um die Boni der Bahnvorstände nachhaltig geschädigt.2 Die gestiegenen Boni der Vorstände erscheinen im Angesicht maroder und dauerhaft verspäteter Züge und einem unzufriedenen Personal (dass die Stimmung nicht noch schlechter wurde, wurde positiv gedeutet) als willkürlich betrachtet. Vor diesem Hintergrund könnten selbst gut gemeinte Angebote und „Geschenke“ im Rahmen von Verhandlungen als Manipulation betrachtet werden.

Findet dieser Dialog nicht statt, könnte der Konflikt eskalieren, indem eine oder beide Parteien von der Ohnmacht in die Allmacht fliehen.

Typische Symptome für Allmachtsgefühle sind Abschottungen: „Wir gegen den Rest der Welt!“ Ein Empfinden, das aktuell gut auf die GDL passen könnte: „Egal, was die anderen denken. Wir ziehen unser Ding durch.“ Einflüsse oder berechtigte Einwände von außen werden nicht nur ignoriert, sondern schweißen eine eingeschworene Gruppe nur noch mehr zusammen. Dies führt schlimmstenfalls zu einem sektenähnlichen Gefüge.

Durch die Verweigerung eines Dialogs einerseits und den Streik andererseits tritt ferner Kontrolle an die Stelle des Vertrauens: “Wir kontrollieren durch unser Verhalten euer Verhalten.”

Und schließlich könnten sogar höhere Mächte im Spiel sein, wenn Claus Weselsky sich als Auserwählter betrachtet, um seiner Gewerkschaft einen letzten Dienst zu erweisen, bevor er in Rente geht.

Man könnte folglich sagen: Die Gewerkschaft der Lokführer*innen verweigert den Dialog im Sinne von „es ist alles gesagt, nun wird gehandelt“, während der Fehler der Bahnvorstände bereits im Vorfeld durch die Boni passierte. Erst in einer Mediation lassen sich diese beiden Ebenen zusammenbringen.

  1. https://atcc-konfliktbearbeitung.de
    ↩︎
  2. https://www.tagesschau.de/investigativ/ndr-wdr/bahn-vorstand-bonus-104.html ↩︎

Weiterentwicklung durch Respekt

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Wir leben derzeit in einer Welt, die dadurch geprägt ist, es uns leicht zu machen. Der Philosoph Byung-Chul Han spricht sogar von einer Palliativ-Gesellschaft: Wir vermeiden Ängste und Schmerzen wo immer es möglich ist:

  • Sind wir müde, trinken wir einen Kaffee.
  • Schmerzt der Kopf, gehen wir nicht eine Runde spazieren oder ruhen uns aus, sondern werfen eine Schmerztablette ein.
  • Der Tod als Zeichen unserer Vergänglichkeit und damit des größten anzunehmenden Schmerzes findet kaum noch in den eigenen vier Wänden statt, sondern in Heimen und Krankenhäusern.
  • Passt jungen Menschen der Job nicht mehr, wechseln sie.
  • Und Unternehmen haben Angst davor, zu viel von Bewerber*innen zu verlangen (Stichwort Personalmangel), weil sich diese dann für ein anderes Unternehmen entscheiden.

Dabei fällt mir die Diskussion um eine Cancel-Culture ein, in der viele Menschen meinen, nicht mehr alles sagen zu dürfen. Vielleicht ist es ganz anders. Vielleicht können wir nach wie vor alles sagen, bekommen jedoch

  1. mehr Gegenwind über digitale Plattformen,
  2. trauen sich mehr Menschen, dagegen zu halten, und
  3. haben wir vor Kritik mehr Angst als früher, weil wir Gegenwind nicht mehr gewohnt sind.

All das ist gelinde gesagt schade. Denn Weiterentwicklung findet nicht nur statt, wenn wir positiv miteinander kommunizieren. Im Gegenteil: Eine zu positive Kommunikation ist falsch verstandene Liebe. Ist mir jemand wirklich wichtig, fordere ich ihn heraus. Ich gebe ihm oder ihr ein kritisches Feedback, an dem er oder sie sich weiterentwickeln kann.

Ich persönlich bin dahin gelangt, wo ich heute stehe, weil ich in meinem Leben sehr viel Respekt hatte und immer noch habe. Respekt ist sozusagen der freundliche Bruder der Angst. Aus Respekt bereite ich mich auf jeden Auftrag genau vor, weil Ärzt*innen anders ticken als Amtsleitungen einer Stadtverwaltung. Es gibt in meinem Beruf kein “One Size Fits All”. Sollte wieder Erwarten etwas schief gehen, ist das schmerzhaft. Es wäre jedoch dumm, aus einem Scheitern nichts zu lernen.

Weiterentwicklung braucht daher nicht nur ein positives Umfeld, in dem wir angstfrei diskutieren können, sondern auch genügend Reibung und einen gesunden Respekt voreinander, sowie den Respekt vor der Wichtigkeit von Aufgaben und Projekten.

Respekt wird mittlerweile mehr als Respekt für etwas (externer Link) dargestellt: Respekt für die Rechte anderer im Sinne von Zusammenhalt und Solidarität. Der Respekt vor etwas beinhaltet jedoch auch eine Angst-Komponente: Ich habe Respekt vor meinem/r Chef*in oder einer schwierigen Aufgabe. Wer als Surfer*in keinen Respekt vor hohen Wellen hat, sollte es besser bleiben lassen. Diese Art des Respekts geriet in den letzten Jahren ein wenig in Vergessenheit.

Wer jedoch keinen Respekt vor einem möglichen Scheitern hat, strengt sich nicht an. Deshalb braucht es auch klare Leitlinien in Organisationen und Führung, als Orientierung um Erwartungen zu verdeutlichen. Nur wenn definiert wird, was eine gute Arbeit und eine gute Zusammenarbeit bedeuten, kann diese auch angestrebt und gemessen werden. Eine gute Orientierung dafür bietet ein Wertekompass, den ich hier detailliert beschreibe.

Power to the people

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Konfliktmoderations-Workshop

Konflikte in einer Gruppe tauchen meistens auf, wenn unterschiedliche Meinungen über das Erreichen eines Ziels nicht nur logischer Natur sind, sondern auch zu emotionalen Verwerfungen führen. Den Gruppenmitgliedern fällt es dann schwer, die Sichtweisen anderer nachzuvollziehen. Oft fühlen sie sich auch persönlich angegriffen oder sehen die Erfüllung ihrer Bedürfnisse bedroht. Damit Gruppenkonflikte nicht eskalieren und stattdessen die Schwarmintelligenz einer Gruppe optimal genutzt wird, ist es wichtig, unterschiedliche Ziele, Bedürfnisse und potentielle emotionale Trigger zu klären. Dies geschieht am besten im Rahmen einer Konfliktmoderation, um den Konflikt prozessorientiert zu lösen. Dieser Workshop vermittelt Ihnen die wichtigsten Elemente und Methoden einer klar strukturierten Konfliktmoderation jenseits klassischer Kartenabfragen. Er eignet sich insbesondere für Projektleitungen, agile Teams, Wohngruppen, Vereine oder politische Gruppen.

Seminarinhalte

  • Mit welchen Einstellungen und Haltungen biete ich als Moderator*in einer Gruppe Sicherheit und Struktur?
  • Wie lenke ich als Moderation mit Fragetechniken, ohne zu direktiv zu sein?
  • Welches Moderationshandwerkszeug setze ich gezielt ein, um die Hintergründe in einem Gruppenkonflikt herauszuarbeiten und den Konflikt strukturiert zu lösen?
  • Welche Methoden kann ich nutzen, um von einem Konflikt wieder in ein effektiv-kreatives Arbeiten zu kommen?

Praxisbezug des Seminars

Die Moderationsmethoden werden in dem Seminar nicht nur vorgestellt, sondern an typischen Teamthemen (gegenseitige Unterstützung, Umgang mit Belastungen, ungleiche Aufgabenverteilung, unterschiedliche Arbeitsauffassung, usw.) direkt angewandt.

Dauer

Das Seminar dauert je nach Bedarf 1-2 Tage bei einer Gruppengröße von maximal 12 Personen.

Ihr Seminarleiter

Michael Hübler ist seit 2006 selbständig tätig als Führungstrainer, Mediator, Coach, Moderator und Buchautor. Neben reinen Train-the-Trainer-Seminaren zum Thema Moderation fließen Moderationstechniken in beinahe alle seiner Trainings ein. Neben der Vermittlung klassischer Moderationsansätze für Meetings und Kreativität begleitet er ebenso Veränderungsprozesse in Teams und moderiert Konflikte in großen und kleinen Gruppen.

Alles mit Liebe machen

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Neulich stieß ich auf das Motto, dass wir alles, was wir tun, mit Liebe machen sollten. Bei einem solchen Motto regt sich recht schnell ein innerer Widerstand:

  • Ist so etwas überhaupt möglich?
  • Machen wir nicht täglich Dinge, für die der Begriffe Liebe nicht passt?
  • Und gerade für Führungskräfte: Haben wir nicht regelmäßig mit Menschen zu tun, die so eine Herangehensweise als Schwäche auslegen könnten?

Basteln wir uns der Einfachheit halber eine Matrix in den Dimensionen „Tun“ und „Zielerreichung“ mit vier Feldern, um diesem Thema auf den Grund zu gehen:

Natürlich können wir unser Handeln auch entkoppelt von einem Handlungserfolg betrachten. Nicht alles im Leben muss einen direkten Nutzen haben. Spätestens im Feld der Arbeit ist es jedoch unabdingbar, in Zielen zu denken, insbesondere um das eigene Handeln zu rechtfertigen.

Schauen wir uns aufbauend auf diesen Grundgedanken das 4-Felder-Schema an, wird deutlich, dass wir beim Einsatz von Liebe nie verlieren können. Entweder wir erreichen damit unsere Ziele oder wir haben zumindest ein gutes Gefühl, bei dem, was wir tun.

Mit Zwang lassen sich freilich ebenso Ziele erreichen, sei es, weil ich mich selbst zu etwas zwinge, das ich nicht mag oder weil ich andere zwinge. Und sicherlich gibt es Situationen, in denen es nicht anders geht. Nichtsdestotrotz erscheint mir die Liebesseite eindeutig zu obsiegen.

Was es nun genau bedeutet, etwas mit Liebe zu machen, ist vielfältig:

  • Ich kann mit Liebe kochen und essen.
  • Ich kann beim Spazieren gehen die Welt um mich herum bewusst wahrnehmen, anstatt nur von A nach B zu gehen.
  • Ich kann auf dem Nachhauseweg mit der U-Bahn die Menschen zu klassischer Musik beobachten und mir dabei vorstellen, was für ein Leben meine Mitreisenden führen.
  • Ich kann mir wie der Straßenfeger bei Momo selbst in vermeintlich langweiligen Routinearbeiten den Sinn meiner Arbeit verdeutlichen, indem ich realisiere, wem ich mit meiner Arbeit das Leben erleichtere oder sogar verbessere.
  • Ich kann in einem Meeting fokussiert bleiben, um auch schwierige Themen schnell und zügig abzuhandeln.
  • Ich kann in Gesprächen – auch in Konflikten – ein echtes Interesse an meinem Gegenüber zeigen.

Und was haben Sie in den letzten Tagen mit Liebe gemacht?

Moderation versus Präsentation

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In meinen Moderations-Seminaren ist manchen Teilnehmer*innen der Unterschied zwischen einer Präsentation und einer Moderation unklar. Die Seminare werden i.d.R. von der Personalentwicklung im Paket gebucht, oft wie mir scheint ohne groß darüber nachzudenken, ob es überhaupt sinnvoll ist, ein Moderations-Seminar anzubieten.

Daher stelle ich hier in aller Kürze die wichtigsten Unterschiede vor:


PräsentationModeration
ZieleInformationen und Wissen vermitteln, Zuhörer*innen überzeugen und begeisternFeedback einholen, Austausch anregen, Fragen beantworten, Beteiligung erhöhen, gemeinsame Entscheidungen treffen, Konsens herstellen
Auftretenselbstsicher, klar, perfekt und detailliert vorbereitetstrukturiert, offen, neugierig, geduldig, spontan, wertschätzend
MethodenRhetorik, VisualisierungenFragetechniken, Gesprächsführungsprozesse, Feedback-, Brainstorming-, Konsens- und Gruppenentscheidungsmethoden

Der Wechsel zwischen dem Präsentations- und Moderationsmodus ist freilich fließend. Dennoch stellt sich die Frage nach dem Schwerpunkt:

  • Ein Schulungsteam, dessen Aufgabe als Multiplikator*innen besteht, klassische Schulungen zu veranstalten, bspw. zu Software-Updates, braucht Moderations-kompetenzen, wenn es darum geht, Fragerunden zu diskutieren, mit Widerstand umzugehen, Sicherheit zu vermitteln oder die Teilnehmer*innen zu motivieren. Der Schwerpunkt liegt jedoch in der Informations- und Wissensvermittlung und damit bei der Präsentation.
  • Ein modernes Team, das Meetings nicht als One-Person-Show betrachtet, sondern als Möglichkeit, sich untereinander auszutauschen und gemeinsame Entscheidungen zu treffen, lernt in einem Moderations-Seminar, einen solchen Austausch klar und strukturiert anzugehen. Zu moderieren bedeutet nicht, Teamleitung sein zu müssen. Im Gegenteil: Wechselt die Moderation reihum, entlastet dies zum einen die Teamleitung, zum anderen sind alle dazu eingeladen, sich (noch) aktiv(er) an Meetings zu beteiligen.

Eine Frage der Lernkultur

Dabei spielt auch die Lernkultur eine zentrale Rolle:

  • Je mehr Teammitglieder es gewohnt sind, sich aktiv zu beteiligen, umso mehr gewinnen sie durch ein Moderations-Seminar.
  • Je mehr die Unternehmenskultur hierarchisch definiert ist, desto schwieriger ist es, die Möglichkeiten einer Beteiligung im Rahmen einer Moderation zu nutzen.

Moderations-Seminare können hier den entscheidenden Veränderungsschwung in ein Unternehmen bringen. Warum nicht eine Gruppe von Moderator*innen ausbilden, die intern in anderen Teams Veränderungen begleiten und damit die dortige Team-, Bereichs- oder Abteilungsleitung als neutrale Moderation unterstützt? In diesem Sinne sind Moderations-Seminare als flankierende Maßnahme immer dann sinnvoll, wenn Unternehmen die Interessen ihrer Mitarbeiter*innen ernst nehmen und deren Beteiligung fördern wollen.