Vieles in unserem Leben läuft sehr schnell ab. Wir scheinen geradezu eine Lust daran gewonnen zu haben, “Tätigkeiten” im weitesten Sinne sehr schnell zu vollführen.
Beispiel Autofahren. Neulich saß ich als Beifahrer in einem Fahrzeug, das 200 km/h in der Spitze fuhr. Durch Österreich hindurch gingen nur maximal 130 km/h. Als Beifahrer empfand ich diese Geschwindigkeit als normal. Ich fühlte mich wohl und ließ mich durch die Welt kutschieren. Doch sobald wir die Grenze nach Deutschland überquerten, schnellte die Nadel auf 160 – 180 – 200 hoch, noch dazu auf einer größtenteils zweispurigen Fahrbahn. 160 empfand ich noch als einigermaßen angenehm. Dach spätestens bei 180 fing ich an, mich dauerhaft festzuhalten. Da ich kein religiöser Mensch bin, fing ich nicht an zu beten, nicht einmal ein kurzes Stoßgebet. Doch geheuer war mir das ganze nicht. Dazu muss man sagen, dass ich selbst bisher maximal 170 km/h gefahren bin und i.d.R. mit 120-130 km/h durch die Gegend tuckere.
Ich kam in diesen 3 Stunden zu der Einsicht, dass der Mensch nicht geschaffen ist für solch schnelle Geschwindigkeiten. Die meisten Fahrzeuge fahren in etwa 130 km/h. Dadurch befinden sie sich alle zusammen in einem Gleichgewicht, einer Art Autobahn-Flow, vielleicht sogar einem sogenannten Nash-Gleichgewicht (siehe auch hier oder hier). Ein Nash-Gleichgewicht besteht dann, wenn es bestimmte Regeln für einen gemeinsamen Ablauf mit mehreren Beteiligten gibt, die zu brechen eine Risiko für alle beinhaltet. Rechts-vor-Links ist so ein typisches Regelwerk. Und die Geschwindigkeit auf Autobahnen wird m.E. ebenso durch ein Nash-Gleichgewicht geregelt. Auf der rechten Fahrspur ist dies in der Regel irgendetwas zwischen 80 und 100 km/h. Auf der linken Spur hängt das Gleichgewicht, d.h. die Geschwindigkeit, auf der sich die meisten einpendeln, von den den Rahmenbedingungen ab: 2- oder 3-spurig sowie die vorgegebene Geschwindigkeit. Bei einer vorgegebenen Geschwindigkeit orientieren sich die meisten Autofahrer an der Regel maximal 20 km/h schneller zu fahren. Bei einer Geschwindigkeitsbegrenzung von 100 km/h macht dies typischerweise 110 km/h. Ohne Geschwindigkeitsbegrenzung ergibt sich für eine 2-spurige Autobahn meist eine Gleichgewicht von etwa 130 km/h – für die linke Spur einer 3-spurigen Autobahn freilich ein wenig mehr. Dennoch bleibt das Prinzip dieses Gleichgewichts unabhängig von den Rahmenbedingungen erhalten.
Zu Thema Schnelligkeit auf Autobahnen findet sich im Netz eine Menge Material aus Polizeiberichten, z.B. hier.
Fazit: Etwa die Hälfte aller Unfälle (zumindest im Saarland, aber das wird anderswo ähnlich sein) ist auf die Geschwindigkeit, zu dicht auffahren, Kolonnen-Springen, überholen o.ä. zurückzuführen. Alkohol und Drogen zusammen machen gerade mal lächerliche 7,4% aus. Das persönliche Fazit überlasse ich jedem selbst. Das sind lediglich die Fakten.
Ergänzen möchte ich lediglich folgendes: 1973 wurde in Österreich ein Tempolimit von 100 km/h für Bundesstraßen, 1974 ein Tempolimit von 130 km/h für Autobahnen eingeführt. Daraufhin ging die Anzahl der Todesfälle um über 30% zurück. Die Österreicher haben es durch dieses Limit offensichtlich geschafft, eine Gleichgewicht vorzugeben, das das Autofahren auf Autobahnen sicherer macht. Ich weiß auch von anderen Ländern, in denen es solche Beschränkungen gibt (Frankreich, Ungarn, …). Sind wir Deutschen so autovernarrt, dass 200 km/h sein müssen?
Doch noch einmal zurück zur Überschrift: Schnell – Langsam. Zum überholen müssen wir schneller machen, doch dann könnten wir uns wieder ein einem Gleichgewicht einpendeln. In welchen Zusammenhängen kennen Sie noch solche Gleichgewichte?