Archiv der Kategorie: Geschichten

Geschichten transportieren Weisheiten. Sie transportieren Emotionen. Auch wenn die Orte und Bilder variieren, bleiben die Handlungen dieselben. Es geht immer um Menschen, die vor einer Herausforderung stehen. Der Herausforderung des (Berufs-) Alltags. Der Flut an Informationen. Dem Umgang mit unangenehmen Kollegen. Und immer der Weiterentwicklung eines Helden.

Die Spielfeldmetapher als kommunikatives Handwerkszeug

Das Bild des Spielfelds bietet uns einen spielerischen Zugang um zu erkennen, welche sozialen und kommunikativen Regeln in einer Situation gelten und wie ich mein Gegenüber sanft beeinflussen kann. Die Kernfragen lauten:

  • Befinden Sie sich zu einem großen Teil Ihres Lebens auf dem eigenen oder auf fremden Spielfeldern?
  • Wie lauten die sozialen und kommunikativen Regeln auf den jeweiligen Spielfeldern?
  • Sind Sie damit zufrieden oder hätten Sie es gerne anders?

Das Was und das Wie

Wer das Spielfeld bestimmt, bestimmt auch die Regeln des Umgangs miteinander. Dabei spielt es nicht automatisch eine Rolle, ob Sie angestellt sind oder wie ich freiberuflich unterwegs. Als Freiberufler liegt es nahe davon auszugehen, dass ich das Spiel bestimme. Ich bin schließlich frei. Dennoch bewege ich mich auf vielen verschiedenen Spielfeldern. Unternehmen A wird durch eine andere Kultur geprägt als Unternehmen B. In Branche A gelten andere Regeln als in Branche B. Usw. Als Selbständiger, der für eine Vielzahl von Unternehmen tätig ist, lernte ich, mich wie ein Chamäleon an unterschiedliche Firmenkulturen anzupassen, um nicht zu stark als Fremdkörper wahrgenommen zu werden. Und dennoch fühlt es sich so an, als würde ich die Teilnehmer*innen in Seminaren, Mediationen oder Coachings auf mein Spielfeld einladen. Die Ziele eines Seminars und damit das „Was“ werden zuvor festgelegt. Das „Wie“ und damit die Regeln bestimme ich, wenn ich beispielsweise sage: „Lernen mit Übungen aus dem Improtheater macht Spaß“. Damit lade ich meine Seminarteilnehmer*innen auf mein Spielfeld ein, auf dem sie zu Mitspieler*innen werden.

Sollten Sie angestellt sein, sind Sie in einer ähnlichen Situation. Ihr Arbeitgeber gibt zwar vor, was zu tun ist. Wie Sie dies erreichen und wie Sie die Zusammenarbeit mit Ihren Kolleg*innen gestalten, ist jedoch Ihnen überlassen. Laden Sie Ihre Kolleg*innen auf Ihr Spielfeld ein und freuen sich im Gegenzug (!) auf eine Einladung auf deren Spielfeld? Gestalten Sie nach und nach ein gemeinsames Spielfeld? Und welche Regeln gelten dort?

Über Einladungen, Angriffe und Spielregeln

Zur Verdeutlichung ein kleines Alltagsbeispiel: Sie unterhalten sich mit einer Kollegin über dies und das. Da merken Sie, wie geknickt sie plötzlich ist. Die Zeit- und Arbeitsverdichtung, der Krieg, die Corona-Situation, usw. machen ihr zu schaffen. Zeigen Sie sich empathisch, begeben Sie sich auf das Spielfeld Ihres Gegenübers. Sie bestimmt nun die Regeln. Diese lauten grob vereinfacht: „Ich bin geknickt. Unterstütze mich.“ Für ein gutes Miteinander ist es freilich sinnvoll, die implizite Einladung anzunehmen, sich damit auf die Regeln des Gegenübers einzulassen und „das Spiel mitzuspielen“. Doch plötzlich merken Sie, dass Sie sich auf dem fremden Spielfeld zunehmend unwohl fühlen. Im Schach könnten wir sagen: Die Spielfiguren ziehen vor und zurück, vor und zurück, es entsteht jedoch keine wirkliche Entwicklung des Spiels und damit keine Spannung. Sie befinden sich in einer Pattsituation. Sie sollten folglich einen „Angriff“ wagen. Dies tun Sie, indem Sie scherzhaft (auf der Basis einer guten Beziehung) aufzählen, wieviel Leid es in der Welt gibt. Sie enden mit einem Augenzwinkern, um zu verdeutlichen, dass das was wir hier tun ein Jammern auf sehr hohem Niveau ist. Ihre Kollegin wundert sich nun über sich selbst und beginnt zu lächeln. Sie hat die Einladung, auf Ihr Spielfeld zu kommen angenommen und spielt nun, wenigstens für ein paar Momente, nach Ihren Regeln.

Mein Tipp: Lassen Sie die Spielfeldmetapher in nächster Zeit in einfachen und später auch in schwierigen Situationen im Hinterkopf mitlaufen und fragen sich:

  • Wie lauten die Spielregeln meines Gegenübers?
  • Wie lange soll ich das Spiel meines Gegenübers mitspielen?
  • Wofür spiele ich das Spiel meines Gegenübers mit?
  • Was kann ich tun, um mein Gegenüber auf mein Spielfeld einzuladen?
  • Welche Regeln gelten auf meinem Spielfeld?
  • Was will ich damit erreichen?
  • Was hätte mein Gegenüber davon?

Viel Spaß damit!

Digitaler Teambildungs-Turbo

Emotionales Onboarding

Neulich verliebte ich mich spontan in eine kreative und spannende Onboardingmethode. Stellen Sie sich vor, Sie kommen neu in ein Team und das erste, was Sie auf Ihrem Schreibtisch vorfinden sind Symbole Ihrer Teamkolleg*innen: Ein Quietsche-Entchen, ein Familienbild, ein Brieföffner, ein Lip-Gloss, ein Urlaubsbild, usw. Sie wissen jedoch nicht, von wem diese Symbole stammen. Ihre Aufgabe besteht nun darin, herauszufinden, von wem welches Symbol stammt. Also raten Sie, stellen Fragen, usw.

Als Team können Sie einen solchen Onboarding-Prozess vielfältig gestalten und abwandeln:

  • Der oder die Neue darf ledlich drei Fragen stellen.
  • Er oder sie hat eine Woche Zeit, um die Kolleg*innen zu beobachten.
  • Er oder sie darf direkte Fragen stellen oder die Kolleg*innen indirekt ausfragen.
  • Hat die oder der Neue die Zuordnung herausgefunden, werden die Geschichten hinter den Symbolen über das Lieblingsurlaubsland, trockene Lippen oder den Brieföffner als Erbstück vom Großvater ausgetauscht.

Vom Onboarding zur Teambildung

Diese Idee lässt sich auch als Teambildungsmethode nutzen. Natürlich ist es am spannendsten, wenn die oder der Neue die anderen im Team noch nicht kennt. Wenn ich jedoch in meinen Seminaren Symbole (Autos, Leuchtturm, Kreisel, Stehaufmännchen, …) zur Teambildung einsetze, stellt sich oft heraus, das manche erstaunt sind über die Auswahl der Kolleg*innen.

Digitale Nutzung

Wie kann ich nun Symbole digital nutzen? Als Teamleitung können Sie Ihr Team bitten, ein Foto von einem Symbol (Tier, Objekt, etc.) zu machen, sofern es noch keines gibt und dieses an Sie zu schicken. Anschließend schicken Sie alle Symbole im Rahmen eines Onboarding-Prozesses an eine Person oder allgemein zur Teambildung abzüglich des eigenen Bildes an alle anderen weiter. Daraufhin beginnt das große Raten. Beispielsweise könnte vor jeder Teamsitzung eine Person erraten werden: „Heute ist Frau Hornschuh dran. Wer glaubt, sie hat die Ente ausgewählt? Oder das Stehaufmännchen? Oder den Leuchtturm? …“ Das ganze kann als Einzelwahl ablaufen, indem jeder seinen Tipp intippt und erst auf das Kommando der Teamleitung auf Return drückt. Frau Hornschuh löst das Rätsel anschließend auf und erzählt eine kurze Geschichte zu ihrem Symbol.

Viel Spaß damit.

Die Säge – eine kurze Geschichte über Demut und Respekt

Neulich erzählte ein Seminarteilnehmer eine kurze Anekdote über seinen Großvater. Als kleiner Junge durfte er in der Holzwerkstatt seines Opas mitwerkeln. Neugierig wie er war wollte er sich nicht mit der Säge für kleine Jungs zufrieden geben, sondern am liebsten gleich mit der großen Säge arbeiten. Sein Großvater sagte damals zu ihm: „Du darfst mit der großen Säge arbeiten. Aber beschwer‘ dich nicht, wenn du dich schneidest.“ Und plötzlich war die kleine Säge für meinen Seminarteilnehmer wieder hoch attraktiv. Ich habe mir auch seine Finger zeigen lassen. Sie waren noch alle dran, wenn auch mit ein paar kleinen Narben.

Diese vermeintlich simple Alltagsgeschichte brachte mich zum Nachdenken. Der häufigste erste Impuls, wenn beispielsweise ein Praktikant mit hohen Ambitionen kommt, ist aus meiner Erfahrung die Beschränkung von außen. Hier geht es freilich nicht darum, sich zu schneiden, sondern um die Angst vor unzufriedenen Kunden oder Fehler im System. In der Geschichte geht es jedoch erst einmal nicht um die Außenwirkung, sondern um die Innenwirkung. Es geht nicht um ein misslungenes Werkstück, sondern um den persönlichen Umgang mit der Säge, bzw. im erweiterten Sinn den Umgang mit den eigenen Fähigkeiten: „Du darfst alles ausprobieren, aber beschwer‘ dich nicht, wenn du später merkst, dass du dich überfordert hast.“

Natürlich sollten Praktikant*innen nicht alles tun dürfen, wenn es tatsächlich um die Außenwirkung geht. Lernen sollte jedoch einen spielerischen Charakter haben, der es jungen Menschen erlaubt, sich selbst auszuprobieren und damit ihre eigenen Grenzen zu kennen zu lernen. Sind die Regeln dessen, was erlaubt ist, zu eng, kommt die Reibung von außen und führt häufig zu Trotz und Widerwillen. Erst das persönliche Spüren dieser Grenzen führt zu Demut vor einer Tätigkeit oder einem komplizierten Prozess und dem Respekt vor denen, die diese Tätigkeit seit Jahren gut meistern.

Freud revisited, oder: Über eine gelingende Integration

Freud meinte, wir bestünden aus unterschiedlichen Antrieben. Vor allem zwei sich widerstrebende Aspekte machte er aus: Den Lebens- und den Todestrieb. Was auf den ersten Blick seltsam erscheint, wird auf den zweiten ersichtlich: Der Lebenstrieb ist das, was Nietzsche als dyonisisch bezeichnete: Große Abenteuer erleben anstatt zuhause vor dem Fernseher zu sitzen. Dieses Er-Leben kann jedoch schnell umkippen. Wir erfuhren dieses Kippphänomen Anfang des letzten Jahrhunderts, als die des langweiligen Bürgertums müde gewordene erlebnispädagogische Wandervogelbewegung in den 1. Weltkrieg zog. Und wir erlebten es Jahre später, als Hitler die Massen mit der Lebendigkeit des totalen Krieges infizierte. Für die „richtige“ Sache zu kämpfen und zu sterben erschien vielen Menschen in Anbetracht von Weltwirtschaftskrisen und Alltagstristess ein probates Mittel, sich endlich wieder lebendig zu fühlen.

Um nicht zu destruktiv zu wirken, so Freud, müssen diese Triebe, von der Kultur umgewandelt werden. Natürlich gibt es eine Schattenwelt, in der egoistische Triebe ausgelebt werden. Ob Menschen dabei Sado-Maso-Spiele betreiben oder sich heimlich ihre Gewaltphantasien von der Seele schreiben. Solange niemand zu schaden kommt, was freilich nicht immer leicht zu bemessen ist, sollte es diese Nischen auch weiterhin geben.

Ein anderer Teil freilich wird öffentlich subliminiert: Die aus dem Kontext gerissenen Fratzen von Fußballspielern können furchterregend sein und wären auch in kriegerischen Kontexten nicht fehl am Platz. Von Kampfsportarten ganz zu schweigen. Bei manchem Wirtschafts-, Polit- oder Forschungprojekt scheint es bisweilen um Leben und Tod zu gehen. Und kulturelle Phänomene jeglicher Couleur, aus Theater, Film, Musik, Malerei oder Literatur, würden uns wahrlich blutleer vorkommen ohne Emotionen wie Begeisterung, Wut, Hass, Enttäuschung, Angst, Ekel oder Trauer. So leiden die Helden aus unseren Lieblingsfilmen und -romanen stellvertretend für uns. Und ab und an verspüren wir selbst einen letzten Funken Lebendigkeit, wenn wir uns selbst an ein Gedicht wagen, im Urlaub mit der Digitalkamera auf Großwildjagd gehen, auf Volksfesten uns solange im Kreis drehen lassen, bis sich der Magen entleert, im Karneval der Frau gegenüber aus Versehen an die Titten fassen, in Erlebnisparks dem All-You-can-do fröhnen oder die berühmten Warholschen 5 Minuten auf einer Bühne auskosten. Immerhin. Dass dabei so mancher über die Strenge schlägt, verwundert kaum. Ist doch die Grenze zwischen Spaß und Destruktion oftmals hauchdünn. Ein wenig „purge“, wie die erfolgreiche Filmreihe zeigt, braucht es anscheinend doch. Taxidriver lässt grüßen. Zumindest lassen die Zuschauerzahlen eine gewisse Sehnsucht vermuten.

Der Rest der Emotionen wird durch Regelwerke, Verbote und Hierarchien eingedämmt, damit wir uns nicht doch noch die Köpfe einschlagen. Diese heilige Dreifaltigkeit aus Verboten, dem heimlichen oder offen ausgelebten echten Erleben und der kulturellen und damit erlaubten Umwandlung erscheint mir wie ein unbewusster Gesellschaftsvertrag.

Was jedoch passiert, wenn einem Teil der Gesellschaft die beiden ersten Säulenheiligen versagt bleiben? Was passiert, wenn Teilen der Gesellschaft der Zugang zur kulturellen Umwandlung nicht möglich erscheint oder sie diese Umwandlung als für sich nicht nutzbringend ansieht? Wenn diesem Teil zudem der Zugang zu Wirtschaft, Sport, Wissenschaft oder Politik verwehrt ist und er somit seine Aggressionen auch hier nicht produktiv umwandelt? Wenn auch das Geld nicht für eine Safari-Tour in Afrika oder den Funpark um die Ecke reicht? Dann bleiben wohl nur noch Verbote und Gebote übrig: Rauchverbot, Anschnallpflicht und Fleisch ist sowieso ungesund. Wenn dann noch Fremde kommen, die ihre Energien integrieren, in den örtlichen Fußballverein gehen oder kirchliche Träger unterstützen, perfektes Deutsch sprechen oder gar beginnen, Theaterstücke aufzuführen? Dann kracht es gewaltig!

Vielleicht sollten wir endlich begreifen, dass es nicht um die Fremden geht. Die sind lediglich ein Auslöser für ein viel tiefer liegendes Problem. Wir befinden uns mitten in einem Kulturkampf und sprechen immer noch über Migranten als Mutter aller Probleme? Wie sagte ein Pegida-Demonstrant so treffend: Wir fühlen uns denen (den Fremden) oftmals näher als denen da oben (den abgehobenen Politikern, Medien und Kulturschaffenden).

Pro und Kontra Achtsamkeitswahn

Heute mache ich mir ein paar Feinde. Aber es geht nicht anders. Yoga, Qigong, Taichi, die ganze Schiene. Wer jemals in einem solchen Kurs war, weiß wahrscheinlich, wie sinnvoll das dort Gelehrte sein kann. Dennoch stellt sich die Frage, inwieweit ich das Gelernte auch umsetze, wenn mich der Alltags-ICE überrollt. Streicheln wir dann schnell den Bart des Weisen, um wieder runterzukommen? Oder versetzen Luftbäume, um uns zu erden? Ich jedenfalls hab sowas noch nie gemacht. Die Vorstellung ist amüsant, inmitten eines Streitgesprächs die Geistesgegenwart zu besitzen und mein Gegenüber zu bitten, gemeinsam den Atem des Universums zu praktizieren. Es würde mit Sicherheit helfen. Und wenn nicht, weiß mein Gesprächspartner wenigstens, dass er mein kleinstes Problem ist. Wenn es nicht klappt, kann ich immer noch den Fliegenden Kranich machen.

Im Ernst: Ich hatte mal einen Feldenkraistrainer, der jede, wirklich jede Übung mit den Worten abschloss:“Und wenn du nicht mehr kannst, dann lass das alles sein. Lass einfach los.“ Und ich ließ los. Aber hallo. War ja auch anstrengend, dieses Zeitlupengedehne. Und zwar nicht nur im, sondern auch außerhalb des Kurses. Das fühlte sich richtig gut an. Der erhobene Mittelfinger sozusagen in kommunikationsfreundlicher Formulierung. Hier hat es funktioniert. Wenn mich ein unangenehmer Zeitgenosse nervt, ist es nunmal leichter mir innerlich zu überlegen, ob ich ihm die Nase brechen sollte bzw. wie ich mit meinen 1,70 da überhaupt rankomme oder ob ich doch lieber lächle, mit tief verinnerlichter Bassstimme omme und mir zuflüstere:“Lass das alles sein.“ Jetzt bloß nicht laut denken. Natürlich könnte ich ihm auch sagen: Ich muss erst mein Chi wecken. Wecke du auch deines. Blödsinn. Obwohl? Warum nicht?

Also gut: Wer es ausprobieren will. Ab jetzt innerlich mitbildern. In den Bärenstand, Arme und Hände nach unten geöffnet leicht nach vorne strecken und nun mit dem Körper langsam auf und ab pumpen. Empfehlen kann ich es nicht. Vielleicht den Sonnengruß? Wie ein Regenbogen schwingen? Die Wolken teilen? Den Affen abwehren? Ein Boot rudern? Nein, auch das nicht. Den Mond anblicken? Mit der Handkante das Chi schieben? Definitiv nicht!

Ist der Gesundheitswahn explodiert? Bei all den Angeboten? Der Zeitdruck im Arbeitsleben nimmt ja auch stetig zu. Was bleibt uns übrig, als sich nach einem stressigen Arbeitstag mit ASMR-Videos das große Kribbeln erst auf die Ohren und dann durch den Körper zu ziehen. Autonomous Sensory Meridian Response. Während Up-to-date-Gestresste sich andere Menschen über Kopfhörer das Rauschen des Kämmens, Bügelns und Zusammenfaltens von Hemden reinziehen, gehe ich Stehengebliebener in den Wald und höre mir das Zwitschern von Vögeln an. Wie uncool und weit jenseits der Nice-Grenze.

Business-Pilates wäre noch eine Alternative? Power-, Lach- oder Kinderyoga. Wahrscheinlich kennen sich manche Westler so gut mit Yoga aus, dass sie extra nach Indien reisen, um den Eingeborenen dort, das darf man glaube ich wieder sagen, zu erklären, wie man das richtig macht. Nicht nur so aus dem Bauch heraus.

Was war eigentlich zuerst da? Der Stress? Oder der Yogakurs?

Ich persönlich kenne mich mehr mit Atmen aus. Und ich weiß, dass ich jedesmal beim Andante einer Sinfonie spürbar aufatme. Wenn du keine Lust mehr hast, lass einfach los.

Ich weiß auch, dass ich mit einer tiefenverspannten Körperhaltung keine großen Sprünge hinbekomme. Von geistigen Höhenflügen ganz zu schweigen. Und ich weiß, dass es unfair ist, anderen Leuten ihre Probleme wegzunehmen. Lass einfach los, erst recht wenn es schwer fällt. Rauchern zum Beispiel. Ist das mein Problem, dass die früher sterben? Sind doch ansonsten nette Menschen, mit Problemen halt. Aber die haben andere auch. Alleinerziehende. Eltern sowieso. Greise. Die gestresste Generation Y. Am Ende noch verwöhntes Einzelkind. Informationsjunkies. Bulimie-Studies. Die Bundeswehr. Die katholische Kirche. Ökofaschisten. Wenn jetzt jemand auf Rechtsradikale wartet: Nein, Nazis sprengen diese Liste. Da bin ich doch froh, als leistungsverweigernder Zweitgeborener, Nähephobiker und Freiheitsfanatiker meine ganz eigenen Probleme zu haben. Die gehen schließlich nur mich was an. Da trifft es sich gut, dass ich gelernt habe, wie man richtig atmet. Atmen ist mein Power-Yoga. Atmen funktioniert auch im Umgang mit Idioten.