Einkaufsterror

Wie gerne würde ich einfach so in einen Laden spazieren und eine Hose kaufen. Oder einen Pullover. Oder Shampoo. Und dann stehe ich vor einem Regal und frage mich: Was macht das Koffein in diesem Shampoo? Trinken wollte ich das Zeug nicht. Oder macht das mein Haar … wacher? Ich habe selber jeden Morgen so was von wachen Haaren. Ich frage mich jedesmal wie die das in Filmen hinbekommen? Ein Paar wacht gemeinsam auf, die Haare sind elegant frisiert. Und sie küssen sich. Wenn ich morgens aufwache, habe ich wache Haare, auch wenn es auch das einzig wache an mir ist, und rieche aus dem Mund, dass es mir selbst schlecht wird. Küssen? Mund zu. Fenster auf.

Und was haben Meeresalgenextrakte in meinem Duschgel verloren? Im Sommer stinkt das Zeug an der Ostsee zum Himmel und wir schmieren uns das freiwillig auf die Haut? Oder Chili. In meinem Duschgel ist Chili. Das mag für Mexikaner OK sein. Ich gebe jedoch zu bedenken: Es gibt Stellen in den Niederungen meines Körpers … Wäre da wirklich Chili drin … Warum sollte ich mir das antun?

Die Konsumindustrie ist durch und durch weiblich. Und dann kommst du nach Hause und hast wieder das falsche Teil gekauft. Oder gar nicht erst entdeckt. Jenseits von Aldi und Lidl bekomme ich epileptische Anfälle.

Frauen finden alles. Wie machen die das? Wie funktionieren weibliche Gehirne? Wenn ein normales Männergehirn alles um sich herum wahrnähme, würde ihm die Gehirnflüssigkeit aus den Ohren spritzen. Information Overflow. Und Mehr noch. Frauen erfinden sogar Namen für all das. Wer jemals einen Blick in einen Lands’ End Katalog warf, weiß was ich meine? Da gibt es Slipper in Admiral Khaki. Und Mokassins aus Hell Toffee. Trekkingsandalen in Sanddorn oder Zartgrau Achat oder in Tiefsee.

Ich weiß nicht, ob die Berater im Baumarkt wissen, welche Assoziationen sie lostreten, wenn sie einen Küchenfußboden mit einer Farbe namens Secupira-Escura verkaufen? Ich weiß, dass wir in Deutschland zu wenig Kinder zeugen. Aber auf solche Tricks zurückzugreifen … Pfui, ihr Lobbyisten.

Wahrscheinlich ist es ratsam, seine Frau in den Baumarkt mitzunehmen, um spätere Assoziationsdiskrepanzen zu vermeiden. Kaufe keine wirklich wichtigen Dinge ohne deine Frau. Möbelstücke, Autos … Brot, Wurst, Käse. Überall vermintes Gebiet.

Gab es das nicht auch in einer … anderen Farbe?”

Wieviel Prozent Fett ist da drin?“

Du weißt schon, dass ich den Aufstrich mit Schnittlauch wollte.“

Es gibt Momente in meinem Leben, in denen ich das Gefühl habe, mit NULL Anspruch durch die Gegend zu laufen. Und ich bin immer wieder erstaunt, welche Aspekte des Alltags aus weiblicher Sicht noch ein klein wenig optimierbarer sind.

Sie: Du auch.

Er: Was auch?

Sie: Optimierbar. Du bist ebenfalls optimierbar.

Er: Ich dachte tatsächlich, ich wäre perfekt.

Sie: Haha.

Neulich im Drogeriemarkt. Auf meinem Zettel stand: Schulhefte, 5. Klasse, liniert, mit Rand, kariert mit ohne Rand, 7. Klasse, kariert mit liniertem Rand und ohne alles, der Rest darf gerne dabei sein. Allein diese Schulhefte bringen mich an den Rand eines mittelschweren Nervenzusammenbruchs. Dazu empfinde ich mich als Mann gegenüber den Frauen mit ihrem Schulhefteröntgenblick wie Calamitas Brennerhausen gegen den FC Bayern. Sollte ich tatsächlich den Mum aufbringen, die Pille bis an die Spitze zu dribbeln, ernte ich doch nur mitleidige Blicke. Der Ball empfindet daraufhin eine solche Scham vor meinem Fuß, dass ein weiteres Bemühen zwecklos erscheint. Ich spüre bei jedem Schritt das hämische Lächeln der kompletten Schreibwarenabteilung in meinem Nacken. Vereinzelt entdecke ich verstreute Fans meines eigenen Vereins ebenso hilf- und ziellos umherstolpern. Ein Wunder, sollten sie jemals wieder nach Hause finden. Und warum gibt es für solche Fälle keine Auffangstation mit psychologischer Betreuung?

Selbst die Regale richten ihre Augen auf mich und warten, bis ich einen Fehler mache. Deshalb zeige auch niemandem meinen Laufzettel. Sobald ich mich umdrehe, weicht das Lächeln einem gönnerhaften „Kann ich Ihnen helfen?“. Mein Reststolz verneint stets. Ich muss die Hefte alleine finden. Dafür dauert es Stunden, bis ich wieder an eine Dosis frischen Sauerstoff komme. Zuhause wird es heißen: Wo hast du dich herumgetrieben? Und ich brauche einmal mehr eine männliche Ausrede, um den Schein zu wahren: Ich war plötzlich zu Tode betrübt und ging einsam und allein zur Nachmittagszeit in eine Spielothek, um ein paar Kugeln auf dem Billardtisch einzulochen und an einem einarmigen Banditen mein Geld zu verprassen. Ich werde es nicht wieder tun. Versprochen. Zum Beweis trinke ich 1-2 Biere und einen Korn. Dabei fröhne ich der alkholischen Entspannung für gewöhnlich erst in den Abendstunden. Wir alle müssen Opfer bringen. Die Wahrheit wäre jedoch viel zu schmerzhaft.

Habe ich endlich gefühlt alle Schulhefte beisammen, stelle ich jedesmal fest, dass auf meinem Zettel ein weiteres steht, das nirgendwo zu finden ist und erst nächste Woche wieder geliefert wird. Mir ist, als würden mich die Regale höhnisch angrinsen.

Zusätzlich galt es, Fineliner, nur die dunkelfarbigen, und Deo, ohne Aluminium zu besorgen. Nachdem ich die Finelinersuche schnell abhakte, oh Wunder, konnte ich mich endlich um mein Deo kümmern. Mein Stolz hatte seine Talsohle erreicht. Zeit, sich den Rat einer weiblichen Fachkraft einzuholen.

Ich: Das Deo hier, ist das ohne Aluminium?

Ich liebe es, kluge, ökologisch korrekte Fragen zu stellen.

Verkäuferin: Sie sind in der Schreibwarenabteilung. Das, mein Herr, ist ein Klebestift. Aber probieren Sie ihn aus. Den gibt es seit Neuestem in Minz- und Himbeer-Geschmack.

Sie sagte Geschmack. Nicht Duft oder Duftnote. Nein, sie sagte tatsächlich Geschmack. Die schrecken heutzutage vor nichts mehr zurück. Da gehst du ein Jahr lang nicht aus dem Haus, um an einem Buch zu schreiben, das vermutlich nie verlegt wird und mit einem mal wuchs dir die Welt über den Kopf.

Nicht genug damit, dass ich mich als Mann in der Frauenwelt bewehren muss. Früher gab es wenigstens Ecken, in denen ein Mann sich verstecken konnte. Erholungsgebiete. Ich meine nicht die Männerparkplätze in textilen Shopping-Paradiesen. Ich denke an Zonen, die früher ausnahmslos Männern vorbehalten waren. Wo sind diese Jagdreviere heute?

Wie die Schöne auf dem alten 100-Francs-Schein erstürmen Frauen mit halbbedeckten Brüsten Baumärkte, diese letzten Bastionen der Männlichkeit, und befreien Holz, Hämmer und Schrauben aus den Händen plumper männlicher Hinterwäldler: Scheiß auf die Brüderlichkeit. Die galt ohnehin nur für Männer. Wir wollen Liberté und Egalité!

Der archaische Mann kommt da nicht mehr mit. Wir sind abhängig. Abhängig von Frauen.

Stichwort Jeans einkaufen.

“Kann ich Ihnen helfen?”

“Ich hätte gerne eine Jeans.”

“Sehr gerne, der Herr.“

Alleine dieses „Sehr gerne“ … das macht mich so aggressiv.

Möchten Sie eine Slim fit, Easy fit, Relaxed fit, Baggy, Extra Baggy, Stonewashed oder im Used-Look? Verblichen oder normal? Mit Knöpfen oder Reißverschluss?”

“Ich hätte gerne eine normale Jeans. Wie sie früher die einzige war.”

Bei Männern stürzt bei einer solchen Auswahl die Festplatte ab. Bei Frauen scheint dies essentielle Bedürfnisse zu stillen. Je mehr Wahlmöglichkeiten desto besser.

Langsam steigt Panik in mir hoch. Ich brauche Hilfe! Ohne eine Frau, die mir zeigt, in welcher Farbe ich meine Wanderstiefel kaufen soll, bin ich verloren. Lost in Translation. In Silberfrost, Kackbraun, grauem Schiefer oder Federgrau-Meliert?

Wir Männer haben es nicht so mit der Unterscheidung von Farben, jenseits von braun, schwarz und … dieser anderen Farbe. Vor allem nicht, wenn es keinen Sinn macht. Wen interessiert die Unterscheidung zwischen braun und ein wenig dunklerem braun?

Tatort: Abwasch. 19 Uhr. Irgendwo in Deutschland.

Sie: Da ist noch ein Fleck auf dem Teller.

Er: Wo?

Sie: Na da?

Er: Seh’ ich nicht.

Sie, mit Nachdruck: Na da! Siehst du ihn nicht, den muhubu-farbenen Fleck? Er könnte sogar ins secupira-escura-artige gehen?

Mann: Häh?

Sie: Vielleicht besteht er auch aus einer Melange aus Kambala und Jatoba.

Er: War das nicht so ein neumodisches Getränk? Was willst du von mir? Brauner Fleck auf braunem Teller? Ich seh den Flecken nicht!

Sie, insistierend: Hier! Sieh hin!

Er: Ah, jetzt spür ich ihn. Du meinst den alten, gammligen, braun-grauen Saucenfleck? Der ist schon ewig eingetrocknet. Spülmaschinenresistent. Selbst das stärkste Antibiotikum könnte gegen den nichts mehr ausrichten.

Sie: Du … bist auch eingetrocknet.